
Anmerkungen von Giuseppe Nardi
Kurz vor dem ersten Jahrestag des traditionsfeindlichen Motu proprio Traditionis custodes von Papst Franziskus veröffentlichte das Kirchenoberhaupt das Dokument Desiderio desideravi über die liturgische Bildung des Volkes Gottes, um seinen Feldzug gegen die Tradition fortzusetzen. Dabei handelt es sich laut dem ernannten Kardinal Arthur Roche um eine „Meditation“.
Der von Franziskus gewählte Titel für sein gestern veröffentlichtes neues Dokument gegen die Tradition stammt aus dem Lukasevangelium (22,15): „Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt“. Es bringt das päpstliche Sehnen und Verlangen zum Ausdruck. Sein Wunschdenken.
Seit dem Beginn seines Pontifikats gab Franziskus seine Abneigung gegen die Tradition zu verstehen. Dabei wurde schnell klar, daß er ein verzerrtes Bild von der Tradition hegt. Dieses korrigiert er in den neun Jahren seither aber nicht – trotz seiner Sympathiebekundungen etwa gegenüber Priestern der Petrusbruderschaft. Aus nicht näher geklärten Gründen macht er nur gelegentliche Ausnahmen. Das in ihm gefestigte Zerrbild der Tradition behält er nicht nur bei, sondern ist bestrebt, es in der ganzen Kirche zu verbreiten und zur allgemeinen Haltung gegenüber der Tradition zu machen. Das ist die Absicht von Desiderio desideravi.
Apropos: Die Veröffentlichung von Desiderio desideravi am Hochfest des Apostelfürsten Petrus darf durchaus als päpstliche Spitze gegen die Tradition verstanden werden.
Wer noch hofft, Franziskus würde sich vom tatsächlichen Bild der Tradition oder gar ihren Anliegen überzeugen lassen, der irrt sich. Bestenfalls kann es gelegentliche Sonderregelungen und Duldungen geben, die aus Mangel an Kohärenz oder aus taktischen Gründen erfolgen.
Desiderio desideravi ist keine Instruktion, kein Lehrschreiben, sondern eine „Meditation“, wie der künftige Kardinal Arthur Roche, Präfekt der römischen Gottesdienstkongregation und erklärter Gegner der Tradition, in einer Presseerklärung ausführt. Es ist eine langatmige „Meditation“ mit 65 „Überlegungen“ samt Schlußgebet gegen die Tradition und den überlieferten Ritus.
Die beschwichtigende Lesart von Traditionis custodes, die in einigen traditionsverbundenen Kreisen herumgereicht wird, die Traditionalisten seien selber schuld, mag manche trösten, hilft aber nicht wirklich weiter. Laut dieser Lesart habe Franziskus nichts gegen den überlieferten Ritus, sondern „nur“ etwas gegen Traditionalisten. Will sagen?
In der satirischen Filmkomödie „Man spricht deutsch“ schwärmen klischeehaft karikierte bundesdeutsche Italien-Urlauber von Bella Italia. Alles an diesem Land ist paradiesisch, nur eines stört: Es gibt dort „so viele Italiener“. So wie es aber kein Italien ohne Italiener gibt, kann es auch keinen überlieferten Ritus ohne Zelebranten und Gläubige geben.
Neben dem Kardinal in spe Arthur Roche trat auch Andrea Tornielli, der Chefredakteur der Vatikanmedien, mit einem Leitartikel an die Öffentlichkeit, um Desiderio desideravi im Sinne von Franziskus zu interpretieren.
Ein persönliches Manifest von Franziskus gegen den überlieferten Ritus
Die Dinge sollten jedoch beim Namen genannt werden: Desiderio desideravi, Ausfluß des päpstlichen Wunschdenkens, ist ein persönliches Manifest von Franziskus über seine Abneigung gegen die Tradition.
Wenn Franziskus in dem neuen Dokument beispielsweise ein Ende des „ideologischen“ Gebrauchs der Liturgiefrage fordert, dann ist das keine Mahnung, die sich an alle richtet. Er meint damit einseitig Priester und Gläubige der Tradition. Die dabei zugrundeliegende Denkweise erklärt sich offenbar nur, wenn man seine frühen und laut eigenen Angaben intensiven Kontakte mit marxistischen Denkern berücksichtigt.
Franziskus bedient dabei wesentliche progressive Chiffren, allen voran seine mit Nachdruck vorgebrachte Begründung, er folge in seinem Handeln den „Schlußfolgerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils“, wie die spanische Presseagentur EFE im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung zu Desiderio desideravi schreibt.
In diesem Sinne bekräftigt Franziskus in der Nr. 31 des neuen Dokuments die Kernaussage von Traditionis custodes (Art. 1), recte, den Frontalangriff gegen den überlieferten Ritus, daß die „in Übereinstimmung mit den Dekreten des Zweiten Vatikanischen Konzils promulgierten liturgischen Bücher die einzige Ausdrucksform der Lex orandi des Römischen Ritus sind“.
Die Gemeinschaften und Gläubigen der Tradition und der überlieferte Ritus werden, falls das noch jemand gehofft haben sollte, in Franziskus leider nicht mehr den Nachfolger des Petrus finden, der „seine Brüder stärkt“ (Lk 22,32). Sie können und werden weiterhin für Franziskus beten. Sie können ihn aber nach menschlichem Ermessen nicht gewinnen, sondern nur überleben.
Die erfreuliche Nachricht daran ist: Die Tradition und der überlieferte Ritus werden Franziskus überleben.
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
Es ist psychologisch schon illustrativ, daß Franziskus die Worte Unseres Herrn Jesus Christus, die er beim Letzten Abendmahl gesprochen hat, kurzerhand für sich durch ihn benutzt.
Daß in den Predigten, Ansprachen und Aussagen von Franziskus sehr häufig unklar ist, ob er jetzt Gottes Wort zitiert oder seine eigene persönliche Aussage macht, ist altbekannt.
Das ist dann nicht mehr „sono il papa“, sondern „sono Dio“. Die höchste menschliche Hybris.
Nicht umsonst heißt der große Erzengel Mikh’ail: „Wer ist wie Gott?“
Leider eine Konstante bei Bergoglio.
Tatsächlich kommt das „Ipse harmonia est“ aus der gleichen Gedankenkiste.