
(Rom) Bringt Papst Franziskus seinen Freund und Ghostwriter Victor Manuel Fernández für das Amt des Erzbischofs von Buenos Aires in Stellung? Als Franziskus 2013 zum Papst gewählt wurde, ernannte er mit seiner ersten Personalentscheidung seines Pontifikats Msgr. Mario Aurelio Poli, den damaligen Bischof von Santa Rosa, zu seinem Nachfolger in Buenos Aires. Es haben sich aber dunkle Wolken über Kardinal Poli zusammengebraut.
Victor Manuel Fernández ist ein besonderer Protegé von Papst Franziskus. Als Franziskus als Jorge Mario Kardinal Bergoglio Erzbischof von Buenos Aires war, gehörte Fernández als Ghostwriter bereits zu seiner engsten Umgebung. Auch das sogenannte Aparecida-Dokument, das Schlußdokument der 5. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik im Jahr 2007, für das Kardinal Bergoglio verantwortlich zeichnete, soll vorwiegend aus der Feder von Fernández stammen.
Franziskus setzte Fernández 2011 gegen römische Widerstände als Rektor der Päpstlichen Katholischen Universität von Argentinien durch. Kaum zum Papst gewählt, ernannte er ihn zum Titularerzbischof und 2018 zum Erzbischof von La Plata, dem zweitwichtigsten Bischofssitz von Argentinien. Die Ernennung wurde nicht nur als „doppelte Genugtuung“ für Franziskus bezeichnet, sondern als „Vergeltung“. Er emeritierte den damals amtierenden Erzbischof von La Plata, Msgr. Héctor Rubén Aguer, der sein stärkster Gegenspieler im argentinischen Episkopat war, und demütigte ihn zudem, indem er mit Fernández einen laut Aguer „unmöglichen“ Kirchenmann als Nachfolger einsetzte, den Kardinal Gerhard Müller noch als Präfekt der Glaubenskongregation als „häretisch“ bezeichnet hatte.
Wie nahe Fernández dem Papst steht, zeigte sich, als er bereits am 17. Dezember 2018 in seinem Erzbistum La Plata das Motu proprio Summorum Pontificum beseitigte – 19 Monate vor dem Motu proprio Traditionis custodes.
Kardinal Poli und „Unregelmäßigkeiten“ in seinem Erzbistum
Mario Aurelio Poli, den Franziskus 2014 zum Kardinal kreierte, leistete 2016 die Hauptarbeit bei der Umsetzung des umstrittenen nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia. Franziskus hatte das Schreiben veröffentlicht, aber die beabsichtigten Neuerungen nicht ausgesprochen, sondern in einer Fußnote versteckt. Die Kirchenprovinz Buenos Aires mit Erzbischof Poli als Metropoliten veröffentlichte darauf Richtlinien zur Anwendung des Schreibens, die erst erkennen ließen, was Franziskus wirklich beabsichtigte. Franziskus lobte die Bischöfe der Kirchenprovinz, bezeichnete ihre Richtlinien als authentische Interpretation seiner Absichten und erhob sie damit dem Weltepiskopat zum Vorbild. Msgr. Fernández ließ über ein Jahr nach der Veröffentlichung von Amoris laetitia die Katze aus dem Sack und bestätigte, daß Franziskus mit Amoris laetitia „die Disziplin der Kirche irreversibel geändert“ habe.
Doch im kommenden November wird Kardinal Poli die Altersgrenze von 75 Jahren erreichen und muß dem Papst seinen Rücktritt anbieten. Es könnte sogar vorher schon zu seiner Emeritierung kommen. Franziskus schickte nämlich zwei Auditoren nach Buenos Aires, und der Kardinal habe die Prüfung „nicht bestanden“. Unklar ist, ob diese Auditoren mit dem Auftrag einer Apostolischen Visitation entsandt wurden, die im derzeitigen Pontifikat als Instrument gegen Bischöfe beliebt ist, die abgesetzt werden sollen.
Über die Hintergründe berichtete Sergio Rubin gestern in der argentinischen Tageszeitung Clarín und sprach von einem „Skandal in der Kirche von Buenos Aires“. Der Vatikan habe bei der Prüfung Unregelmäßigkeiten beim Verkauf und der Vermietung von Immobilien festgestellt.
Rubin nennt die Ereignisse einen „beispiellosen Vorgang“. Es sei erhoben worden, daß Immobilien des Erzbistums Buenos Aires „weit unter dem Marktpreis“ verkauft oder vermietet wurden. „Finanzberater“ des Erzbistums hätten dieses zu eigenen Gunsten über den Tisch gezogen. Aufgedeckt wurden die Unregelmäßigkeiten durch die beiden Auditoren aus Rom, die im Oktober 2021 nach Buenos Aires gekommen waren, um eine Prüfung durchzuführen.
Demnach seien die kirchlichen Bestimmungen für den Verkauf oder die Vermietung von kirchlichen Gütern nicht eingehalten worden. Der Wirtschaftsrat der Erzdiözese sei nicht wirklich „funktionsfähig“ und daher seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen. Da Kardinal Poli als Erzbischof der Letztverantwortliche ist, wird ihm der entstandene Schaden zur Last gelegt. Die Auflage in Form einer Ermahnung lautet, sich auf „unbedingt notwendige“ Transaktionen zu beschränken. Bei Transaktionen, die einen Wert von 300.000 Dollar übersteigen, muß der Kardinal den Vatikan vorher konsultieren.
Zudem wurde der Kardinal aufgefordert, einen Pfarrer seines Bistums, mit deutschem Namen, von „Aufgaben und Verantwortlichkeiten, auch informeller Art, in der Verwaltung“ auszuschließen. Bei diesem Pfarrer sei „eine zweifelhafte Transparenz in seinen Handlungen zu beobachten“ und „ein übermäßiges Streben nach Bekanntheit, sogar zum Nachteil seiner Mitbrüder“, festgestellt worden, so die römischen Prüfer.
„Keine weiteren Vermögenswerte zu veräußern“
„Ich sehe mich gezwungen, Ihnen mitzuteilen, daß der Wirtschaftsrat und das Beraterkollegium so bald wie möglich gebildet und zum Einsatz gebracht werden müssen“, heißt es in dem Schreiben, das vom Präfekten der römischen Kleruskongregation, Erzbischof Lazarus You Heung-sik, unterzeichnet ist. Weiter heißt es darin: „Ich möchte auch in besonderer Weise unterstreichen, daß Sie sich am Vorabend des vierundsiebzigsten Geburtstags Ihrer Eminenz auf die finanziellen Transaktionen beschränken, die zum jetzigen Zeitpunkt unbedingt notwendig sind.“ Der Kardinal habe sich zu bemühen, „so weit wie möglich keine weiteren Vermögenswerte zu veräußern, die der Erzdiözese oder den Pfarreien gehören, was in letzter Zeit häufig geschehen zu sein scheint“.
Schließlich wird Kardinal Poli aufgefordert, daß die Ökonomin des Erzbistums der Kleruskongregation „die Verwaltungs- und Buchhaltungsunterlagen zukommen läßt, die sie zur Verfügung stellen wollte“. Ein halbes Jahr nach der Prüfung wurden die zugesagten Unterlagen offensichtlich noch nicht Rom übergeben.
Das Schreiben wird mit der Feststellung abgeschlossen, daß „jedes Wort dieses Briefes mit Blick auf den gemeinsamen Dienst, den wir beide in unterschiedlichen Rollen für die Kirche und den Heiligen Vater leisten, überlegt und geschrieben wurde“.
Kardinal Poli ist diese Woche nach Rom gereist und wird am morgigen Donnerstag von Franziskus empfangen. Laut offiziellen kirchlichen Medien handelt es sich um eine länger geplante Reise, bei der der Kardinal dem Papst die Schlußfolgerungen einer Synode der Erzdiözese Buenos Aires vorlegen werde. Das Schreiben des Präfekten der Kleruskongregation läßt einen anderen Hintergrund annehmen. Die Tatsache, daß Franziskus dem Kardinal eine Audienz gewährt, um sich erklären zu können, unterscheidet den Fall von solchen, wo eine Emeritierung schon entschieden, aber noch nicht formalisiert war. Franziskus verweigerte diesen Bischöfen eine Audienz und entzog ihnen die Möglichkeit, sich verteidigen zu können.
Am 29. November wird Kardinal Poli 75 Jahre alt. Eine Verlängerung im Amt für zumindest zwei Jahre, wie es für Metropoliten Praxis ist, scheint nicht mehr sicher. Vielmehr ist bereits die Rede, daß Erzbischof Victor Manuel Fernández noch in diesem Jahr auf den Erzbischofsstuhl von Buenos Aires berufen werden könnte. Damit wäre ihm auch die Kardinalswürde sicher.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshots)