
(Rom) Papst Franziskus rehabilitierte mit Ernesto Cardenal einen weiteren marxistischen Befreiungstheologen.
Das Drehbuch wiederholt sich: Papst Franziskus rehabilitierte erneut einen führenden marxistischen Befreiungstheologen. Ein erstes Beispiel war Miguel d’Escoto, der dank Franziskus mit der Kirche „versöhnt“ gestorben ist – zumindest formal. Wie d’Escoto ist auch von Ernesto Cardenal bisher keine Distanzierung vom Marxismus und den daraus folgenden Irrtümern und Verbrechen bekannt, die mit seiner Unterstützung in Nicaragua begangen wurden.
Freundlichkeit für Ernesto Cardenal, politisches Signal für die Welt
Ernesto Cardenal gehört zu den international bekanntesten Vertretern dieser von der Kirche verurteilten, ideologischen Abirrung. Am vergangenen Samstag stattete sogar der Generalvikar des Erzbistums Managua dem einstigen Minister des sandinistischen Regimes einen Besuch im Krankenhaus ab. Daran wird grundsätzlich niemand etwas auszusetzen haben. Die Sache geht aber weit darüber hinaus.
Bei Cardenal, der vor kurzem 94 wurde, zeigen sich Altersgebrechen. Hinzukam eine Infektion, die ihn in diesen Tagen ins Krankenhaus zwang. Seine Situation wird von den Ärzten als „stabil“ bezeichnet. Gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert Cardenals Assistentin Luz Marina Acosta.
Msgr. Silvio Jose Baez Ortega, Generalvikar und Weihbischof von Managua, stattete dem Liebling der radikalen und der liberalen Salon-Linken der westlichen Welt mehr als einen Höflichkeitsbesuch ab. Stimmen Informationen aus Managua, kam der „Wunsch“ dazu direkt aus Rom.
Bevorzugt wird Ernesto Cardenal nicht als Priester und schon gar nicht als das angesprochen, was er jahrzehntelang war, angesprochen, nämlich ein marxistischer Revolutionär. Es wird vielmehr die verklärende Titulierung als „Priester-Poet“ bevorzugt.
Msgr. Baez gehört zu den profiliertesten Kritikern des sandinistischen Regimes 2.0 von Daniel Ortega, das seit 2007 im zweiten Anlauf Nikaragua beherrscht. Wie in den 80er Jahren wird die katholische Kirche vom Regime verfolgt, denn akzeptiert werden nur ideologisch affine, regimenahe Kirchenkreise. Auch Weihbischof Baez wurde bei einem Angriff von sandinistischen Schlägerbanden verletzt. Dennoch solidarisierte er sich am Samstag mit Ernesto Cardenal. Cardenal distanzierte sich nach dem demokratischen Sturz des ersten sandinistischen Regimes von seinen marxistischen Weggefährten wie Staats- und Regierungschef Ortega, allerdings nicht aus Einsicht, sondern weil er Ortega Verrat an der Revolution vorwarf.
Papst wünscht: „Danke Ernesto“
Über den Besuch berichtete Cardenals Freund, der Priester Esvin Lopez, der im Krankenhaus anwesend war. Der Bischof betete für Cardenal und segnete ihn. Bemerkenswerter ist, daß Msgr. Baez vor Cardenals Krankenbett niederkniete und den abtrünnigen „Priester-Poeten“ um seinen „priesterlichen Segen“ bat.
Laut Esvin Lopez dankte Msgr. Baez Cardenal für sein „Wirken für die Weitergabe des Glaubens“.
Esvin gibt die erstaunlichen Lobesworte des Weihbischofs wie folgt wieder:
„Danke Ernesto, daß Du mit Schönheit und Glauben das heilige Mysterium Gottes besungen hast und in den Widersprüchen der Geschichte in Solidarität und Liebe mit Deinen Brüdern gelebt hast.“
Dazu kniete der Weihbischof vor Cardenal an dessen Krankenbett. Eine unter den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. kaum vorstellbare Szene samt dramaturgischer Überspitzung.
Die Brüder Cardenal, Söhne aus wohlhabendem Haus, die beide Priester wurden, schlossen sich in den 70er Jahren der revolutionären Linken an, die 1979 im Gewand der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN in Nikaragua die Macht an sich riß. Ernesto Cardenals Bruder, Fernando Cardenal ist bereits verstorben ohne sich vom Sandinismus oder der marxistischen Befreiungstheologie zu distanzieren.
„Rom versöhnt sich mit Cardenal“, nicht Cardenal mit Rom
Gestern berichtetet in Spanien die linke Tageszeitung El Pais mit großer, aussagekräftiger Schlagzeile:
„Rom versöhnt sich mit Cardenal“.
Es ist nicht Cardenal, der sich mit Rom versöhnt, sondern seitenverkehrt.
El Pais sieht darin eine Wiedergutmachung für die „öffentliche Demütigung“ die Cardenal durch Papst Johannes Paul II. am 4. März 1983 ertragen habe müssen. Bei der Ankunft Johannes Pauls in Managua kniete Ernesto Cardenal vor dem Papst nieder. Dieser ermahnte den Weltpriester und realsozialistischen Politiker jedoch mit ernsten Worten und verlangte seinen sofortigen Rücktritt als Minister des sandinistischen Regimes. Der Revolutionsregierung gehörten gleich mehrere katholische Priester an, darunter die beiden Cardenal-Brüder. Der Kniefall Cardenals erwies sich als geheuchelte Inszenierung, denn den geforderten Rücktritt verweigerte er, obwohl Priestern die Ausübung politischer Ämter untersagt ist.
Nun hob Papst Franziskus die 1984 von Papst Johannes Paul II. gegen den marxistischen Theologen verhängte Suspendierung a divinis vom Priestertum auf, die es dem Sandinisten seither untersagte, die Sakramente zu spenden.
Eine offizielle vatikanische Bekanntgabe dieser Maßnahme fehlt bisher. An der Authentizität der Meldung besteht aber kein Zweifel. Der Apostolische Nuntius in Nikaragua, Titularerzbischof Stanislaw Waldemar Sommertag, überbrachte Cardenal persönlich die „gute Nachricht“ aus dem Vatikan und bot an, mit ihm nach 35 Jahren seine erste Messe konzelebrieren zu können.
In diesem Kontext der Rehabilitierung ist auch der Besuch von Weihbischof Baez zu sehen. Der Besuch eines der kraftvollsten Kritiker des sandinistischen Regimes scheint von Rom „erwünscht“ gewesen zu sein. Papst Franziskus übermittelte erst vor kurzem eine Grußbotschaft an den „Comandante Ortega“. Politik spielt bei Franziskus offenbar immer mit. Die beabsichtigte Signalwirkung wird vor allem durch das verbreitete Foto des vor Cardenal knienden Regierungs-Kritikers nicht ausbleiben. Es fand in den sozialen Netzwerken rasche Verbreitung.
„Ich identifiziere mich mit dem neuen Papst“
Die Situation für den marxistischen Theologen und Politiker Cardenal änderte sich schlagartig mit der Wahl von Papst Franziskus. Wie seine Assistentin Luz Marina Acosta gegenüber El Pais erklärte, habe Cardenal die Wahl des argentinischen Papstes als „unerwartetes“ Zeichen gedeutet, mit er nicht mehr gerechnet hatte. 2016 überbrachte eine mit Cardenal befreundete, italienische Dichterin Papst Franziskus ein Buch des Marxisten mit einer persönlichen Widmung für das Kirchenoberhaupt.
In dem Buch ist auch ein Interview Cardenals abgedruckt, in dem er sagte:
„Ich identifiziere mich mit diesem neuen Papst. Er ist besser, als wir ihn uns erträumen hätten können.“
Am 2. Februar stattet Nuntius Sommertag dem Cardenal einen Besuch in dessen Haus in Managua ab. Dort überbrachte er ihm, wie nun bekannt wurde, eine Nachricht von Papst Franziskus. Cardenal ließ seinerseits Franziskus über den Nuntius eine Nachricht zukommen, da eine persönliche Reise nach Rom aus Gesundheitsgründen nicht in Frage komme. Am 14. Februar erhielt der Nuntius Antwort auf Cardenals Brief von Papst Franziskus aus Rom. Noch am selben Tag überbrachte er sie Cardenal im Krankenhaus, der sie „bei Bewußtsein, gelassen und mit einem Lächeln“ vernahm.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL