(Rom) Das Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen gab in einer Presseerklärung bekannt, daß von Papst Franziskus Geld zur Versorgung von Migranten gespendet wurde, die in Weißrußland an der Grenze zu Polen an der Einwanderung in die EU gehindert werden. Die Migration steht auf der päpstlichen Agenda weit oben. Allerdings gilt das nicht für alle Migranten.
In der gestrigen Presseerklärung des Dikasteriums heißt es:
„Der Heilige Vater hat außerdem beschlossen, eine Spende in Höhe von 100.000 Euro zugunsten von Migrantengruppen zu leisten, die zwischen Polen und Weißrussland blockiert sind, und als Hilfe an Caritas Polska [polnische Caritas] bei der Bewältigung des Migrationsnotstands an der Grenze zwischen den beiden Ländern.“
Für tätige Werke der Nächstenliebe des Papstes spenden die Gläubigen auf der ganzen Welt den Peterspfennig. An den Kauf von Luxusimmobilien in London dürften die meisten Spender wahrscheinlich nicht gedacht haben. Der derzeit im Vatikan stattfindende Prozeß u. a. gegen Kardinal Angelo Becciu, den ehemaligen Substituten des vatikanischen Staatssekretariats, richtet sich nicht gegen die Immobiliengeschäfte an sich, sondern gegen Amtsmißbrauch, Unterschlagung, Vorteilsnahme und andere mutmaßliche Delikte.
Nicht alle Migranten erfahren die gleiche päpstliche Anteilnahme wie jene auf den Mittelmeerrouten (Lampedusa, Lesbos, Zypern) und an der EU-Außengrenze. In Amerika ist die Grenze zwischen Mexiko und den USA ein solcher „Hotspot“. Am 17. Februar 2016 besuchte Papst Franziskus Ciudad Juárez, die mexikanische Grenzstadt, die im 21. Jahrhundert wie keine andere zum Symbol für die Masseneinwanderung in die USA wurde.
Keine päpstliche Beachtung fanden bei diesem Besuch, vorher oder auch seither, die Kubaner, die vor dem sozialistischen Regime auf ihrer Insel fliehen. Einige politische und auch kirchliche Kreise spielen die Fluchtbewegung seit Jahrzehnten herunter, indem sie behaupten, die Menschen würden nicht vor der sozialistischen Diktatur, sondern „vor der Armut“ fliehen, die durch die US-Sanktionen gegen Kuba verschuldet seien.
- Am 3. Januar meldete Reuters, daß Kubaner 2021 die drittgrößte Gruppe von Asylbewerbern in Mexiko waren.
- Allein in den ersten beiden Wochen 2022 hat Mexiko rund 300 Kubaner an die sozialistischen Diktatoren auf Kuba zurückgeschickt.
Sie sind aber nicht nur in Mexiko nicht sicher: Selbst wenn es den Kubanern gelingt, die USA zu erreichen, wohin die meisten aufgrund des Cuban Adjustment Act wollen, werden dennoch viele von ihnen an das kommunistische Castro-Regime zurückgeschickt, dessen starker Mann heute Miguel Díaz-Canel ist.
- Eine erste Gruppe von 119 Kubanern wurde am 5. Januar von US-Behörden nach Kuba zurückgestellt.
Der Atheist Díaz-Canel, Nachkomme asturischer Adeliger, wurde 2018 Staatsratsvorsitzender, 2019 zugleich Staatspräsident und 2021 auch Erster Sekretär des ZK der Kommunistischen Partei Kubas (PCC).
Der Cuban Adjustment Act von 1966 regelt den Status kubanischer Flüchtlinge in den USA. Kubanischen Staatsbürgern, die sich seit mindestens zwei Jahre in den USA aufhalten, konnte auf Antrag die US-Staatsbürgerschaft verliehen werden. 1976 wurde die Dauer auf ein Jahr verkürzt.
- Am 15. Januar wurde berichtet, daß eine Gruppe kubanischer Migranten in Guatemala gestrandet ist.
Täglich finden sich in den Medien lateinamerikanischer Staaten Berichte über kubanische Migranten, die Schwierigkeiten haben die Grenzen zwischen Ecuador und Kolumbien zu überqueren, die an der Grenze zwischen Kolumbien und Panama gestrandet sind, beim Durchqueren des Dschungels an der Grenze zwischen diesen beiden Staaten sterben usw.
Papst Franziskus äußerte sich bisher nicht zu der seit über 60 Jahren anhaltenden Fluchtbewegung der Kubaner. Nach welchen Kriterien wählt Franziskus die Adressaten seiner Gesten zugunsten der Migration aus? Warum die Afghanen in Weißrußland, die Kubaner aber nie?
Ein Zufall ist es jedenfalls nicht. Am 24. Oktober 2021 war es auf dem Petersplatz in Rom zu einem Zwischenfall gekommen. Eine kubanische Fahne störte, die von einem jungen Kubaner beim Angelus des Papstes gezeigt wurde, um auf das Schicksal seiner Heimat aufmerksam zu machen. Dabei sind Fahnen auf dem Petersplatz ansonsten gerne gesehen. Die einsame kubanische Fahne war aber eine offensichtlich so unerträgliche Geste, daß vatikanische und italienische Sicherheitskräfte intervenierten und die Fahne beschlagnahmten. Andere Kubaner, die den Papst auf gleiche Weise um Hilfe bitten wollten, waren zuvor erst gar nicht auf den Petersplatz gelassen worden.
Die Entfernung der Fahne wurde anschließend damit begründet, daß es sich um eine „politische Aktion“ gehandelt habe. Ihre Entfernung war aber eine mindestens ebenso politische Aktion. Auch die Sympathien für sozialistische Regime und die Schonung des Sozialismus folgen einer ideologischen Entscheidung und sind eine politische Aktion.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Wikicommons