(Rom) Die Tageszeitung Il Foglio veröffentlichte heute ein Gespräch mit Robert Kardinal Sarah, dem am 20. Februar von Papst Franziskus emeritierten Präfekten der römischen Gottesdienstkongregation. Der aus Guinea stammende Kardinal ist einer der profiliertesten Kirchenvertreter, was wiederholt zu Reibungen mit dem regierenden Papst führte. Kardinal Sarah nimmt zu aktuellen und künftigen Herausforderungen für die Kirche und seinem Verhältnis zu Papst Franziskus Stellung. Er spricht über die Hintergründe zu seinem Buch mit Benedikt XVI. zur Verteidigung des sakramentalen Priestertums und des priesterlichen Zölibats und warnt vor dem deutschen Synodalen Weg und einer „schleichenden Apostasie“. Das Interview führte Matteo Matzuzzi, der Vatikanist von Il Foglio.
„Die Kirche ist kein Schlachtfeld“
Matzuzzi erinnert daran, daß die Bücher von Kardinal Sarah, vier an der Zahl, deren erstes 2015 veröffentlicht wurde, allesamt zu internationalen Bestsellern wurden. „Was etwas von einem Wunder hat, angesichts der komplexen Themen seiner Werke und der geringen Neigung in der heutigen Menschheit zum Lesen“, so Matzuzzi.
Viele zeigten sich überrascht, als vor zwei Wochen vom vatikanischen Presseamt die Emeritierung von Kardinal Sarah bekanntgeben wurden. So überraschend, wie es Matzuzzi darstellt, kam die Entscheidung allerdings nicht. Im Herbst 2019 war die fünfjährige Amtszeit als Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung ausgelaufen. Eine formale Verlängerung, anders als vom Vatikanisten angedeutet, erfolgte nicht. Eine zweite Amtszeit hätte bis 2024 gedauert. Für Franziskus offensichtlich zu lange. Er beließ den Kardinal stillschweigend im Amt, was dem Papst die Möglichkeit in die Hand gab, Sarahs Mandat jederzeit und ohne eine aufsehenerregende Entlassung zu beenden. Dies galt umso mehr, als der Kardinal im Juni 2020 sein 75. Lebensjahr vollendete und Franziskus sein Rücktrittsgesuch auf den Schreibtisch legen mußte.
„Der Papst bat mich, meine Aufgabe im Dienst der Weltkirche donec aliter provideatur fortzusetzen, also solange der Heilige Vater nichts anderes bestimmt. Vor wenigen Wochen teilte mir der Papst mit, daß er nun entschieden hatte, meinen Rücktritt anzunehmen. Ich habe ihm sofort gesagt, daß ich glücklich und dankbar für seine Entscheidung bin. Ich habe es oft wiederholt: Der Gehorsam gegenüber dem Papst ist nicht nur eine menschliche Notwendigkeit, er ist das Mittel, um Christus zu gehorchen, der den Apostel Petrus und seine Nachfolger an die Spitze der Kirche gestellt hat. Ich bin glücklich und stolz, drei Päpsten, dem heiligen Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus, für mehr als zwanzig Jahre an der Römischen Kurie gedient zu haben. Ich habe mich bemüht, ein loyaler, gehorsamer und sich demütig unterordnender Diener der Wahrheit des Evangeliums zu sein. Auch wenn einige Journalisten weiterhin immer dieselben Dummheiten wiederholen: Ich habe mich dem Papst nie widersetzt.“
Matzuzzi will wissen, welche Erinnerung er an seinen Dienst an der Gottesdienstkongregation mitnimmt, die mit der Liturgie befaßt ist.
„Einige sehen in der Leitung dieses Dikasteriums ein Ehrenamt von geringer Bedeutung. Im Gegensatz dazu glaube ich, daß die Verantwortung für die Liturgie uns in die Mitte der Kirche, ihres Seinsgrundes, stellt. Die Kirche ist weder eine Verwaltung noch eine menschliche Institution. Die Kirche verlängert auf geheimnisvolle Weise die Anwesenheit Christi auf Erden. ‚Die Liturgie‘, sagt das Zweite Vatikanische Konzil, ‚ist der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt‘ (Sacrosanctum Concilium, 10), und ‚infolgedessen ist jede liturgische Feier als Werk Christi, des Priesters, und seines Leibes, der die Kirche ist, in vorzüglichem Sinn heilige Handlung, deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche an Rang und Maß erreicht‘ (Sacrosanctum Concilium, 7). Die Kirche existiert, um Gott den Menschen zu geben. Das genau ist die Rolle der Liturgie: Gott anzubeten und den Seelen die göttliche Gnade zu vermitteln. Wenn die Liturgie krank ist, ist die ganze Kirche in Gefahr, weil ihr Verhältnis zu Gott nicht nur geschwächt, sondern tiefgreifend beschädigt ist. Die Kirche läuft daher Gefahr, sich von ihrer göttlichen Quelle zu lösen, um eine selbstbezogene Institution zu werden. Es macht mich sehr betroffen: Man spricht viel von der Kirche und ihrer notwendigen Erneuerung. Sprechen wir aber von Gott? Sprechen wir über das Erlösungswerk, das Christus vollbracht hat, hauptsächlich durch das Ostergeheimnis seines seligen Leidens, seine Auferstehung von den Toten und seine glorreichen Himmelfahrt, das Ostergeheimnis, durch das er ‚durch sein Sterben unseren Tod vernichtet und durch sein Auferstehen das Leben neugeschaffen“ hat (Sacrosanctum Concilium, 5). Anstatt von uns selbst zu sprechen: Wenden wir uns an Gott! Das ist die Botschaft, die ich immer wieder, jahrelang wiederholt habe. Wenn Gott nicht im Mittelpunkt des Lebens der Kirche steht, dann ist sie in Todesgefahr. Das ist mit Sicherheit der Grund, weshalb Benedikt XVI. erklärte, daß die Krise der Kirche im wesentlichen eine Krise der Liturgie ist, weil sie eine Krise der Beziehung zu Gott ist. Auch deshalb habe ich, Benedikt XVI. folgend, darauf beharrt: Der Zweck der Liturgie liegt nicht darin, die Gemeinschaft oder den Menschen zu feiern, sondern Gott. Das wird sehr gut durch die orientierte Zelebration ausgedrückt. ‚Wo die direkte gemeinsame Zuwendung zum Osten nicht möglich ist‘, sagt Benedikt XVI., ‚kann das Kreuz als innerer Osten des Glaubens dienen. Es sollte in der Mitte des Altares stehen und der gemeinsame Blickpunkt für den Priester und die betende Gemeinde sein. So folgen wir dem alten Gebetsruf, der an der Schwelle der Eucharistie stand: ‚Conversi ad Dominum‘ – Wendet euch zum Herrn hin. So schauen wir zusammen auf den, dessen Tod den Tempelvorhang aufgerissen hat – auf den, der für uns vor dem Vater steht und uns in seine Arme schließt, uns zum lebendigen neuen Tempel des Heiligen Geistes macht (vgl. 1 Kor 6,19)‘. Wenn sich alle zusammen dem Kreuz zuwenden, wird die Gefahr eines zu menschlichen und in sich abgeschlossenen Von-Angesicht-zu-Angesicht vermieden. Öffnen wir die Herzen, damit Gott hereinbrechen kann. Denn die Idee, wie Joseph Ratzinger sagte, daß im Gebet der Priester und das Volk sich gegenüberstehen müssen, ist erst im modernen Christentum entstanden und dem frühen Christentum völlig fremd. Es ist klar, daß der Priester und das Volk nicht einander zugewandt, sondern dem einzigen Herrn zugewandt beten, dem Christus, der in Stille uns entgegengeht. Auch deshalb habe ich auf der Notwendigkeit beharrt, daß in der Liturgie Raum für die Stille ist. Wenn der Mensch schweigt, läßt er Platz für Gott. Umgekehrt, wenn die Liturgie ‚gesprächig‘ wird, vergißt sie, daß das Kreuz ihr Mittelpunkt ist, und man organisiert sich um das Mikrophon. Alle diese Fragen sind entscheidend, weil sie den Platz bedingen, den wir Gott einräumen. Und leider haben sie sich in ideologische Fragen verwandelt.“
„Das Bedauern“ sei unüberhörbar, das aus diesen Worten spricht, so Matzuzzi, der nachhakt, was Kardinal Sarah mit „ideologischen Fragen“ meint.
„Zu oft verhalten wir uns heute in der Kirche, als wäre alles eine Frage der Politik, der Macht, des Einflusses und der unberechtigten Auferlegung einer Hermeneutik des Zweiten Vaticanum des totalen und unumkehrbaren Bruchs mit der Tradition. Es war für mich sehr schmerzhaft, diese Kämpfe zwischen Fraktionen zu sehen. Wenn ich von liturgischer Ausrichtung und Sinn für das Heilige gesprochen habe, wurde mir gesagt: ‚Sie sind gegen das Zweite Vatikanische Konzil‘. Das ist falsch! Ich glaube nicht, daß der Kampf zwischen Progressiven und Konservativen in der Kirche einen Sinn hat. Das sind politische und ideologische Kategorien. Die Kirche ist kein politisches Schlachtfeld. Was allein zählt, ist die immer tiefere Suche nach Gott, Ihm zu begegnen und sich demütig niederzuknien, um Ihn anzubeten.
Als Papst Franziskus mich ernannte, gab er mir zwei Anweisungen: die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils umzusetzen und das liturgische Erbe Benedikts XVI. zum Leben zu erwecken. Ich bin zutiefst überzeugt, daß diese beiden Anweisungen eine einzige Richtung bilden, denn Benedikt XVI. ist mit Sicherheit die Persönlichkeit, die das Zweite Vaticanum am tiefsten verstanden hat. Das liturgische Werk von Benedikt XVI. fortzusetzen, ist sicher die beste Art und Weise, das wahre Konzil anzuwenden. Leider wollen einige Ideologen die Kirche vor dem Konzil einer Kirche nach dem Konzil entgegensetzen. Sie spalten und betreiben die Arbeit des Teufels. Die Kirche ist eine einige, ohne Brüche, ohne Richtungsänderungen, weil ihr Gründer Jesus Christus derselbe gestern, heute und für immer ist (Hebr 13,8). Die Kirche strebt Gott zu, orientiert uns auf Ihn hin. Vom Glaubensbekenntnis des heiligen Petrus über das Zweite Vatikanische Konzil bis zu Papst Franziskus wendet die Kirche uns Christus zu. Der Liturgie ihren sakralen Charakter geben, Raum für die Stille lassen und manchmal auch gegen Osten zelebrieren, wie es Papst Franziskus in der Sixtinischen Kapelle oder in Loreto tut, bedeutet, auf tiefe und spirituelle Weise das Konzil anzuwenden. Ich weise auf ein außergewöhnliches Zusammentreffen hin: Am Tag, an dem meine Ablösung bekanntgegeben wurde, übersandte mir der emeritierte Papst Benedikt XVI. die französische Ausgabe seiner Werke über die Liturgie. Ich habe darin eine Einladung der Vorsehung erblickt, dieses Werk, eine Liturgie wiederherzustellen, die Gott in den Mittelpunkt des Lebens der Kirche stellt, fortzusetzen.“
Wie aber war die Zusammenarbeit mit Papst Franziskus?
„Einige unterstellen grundlos und ohne konkrete und glaubwürdige Beweise liefern zu können, daß wir Feinde sind. Das stimmt aber nicht. Papst Franziskus liebt die Aufrichtigkeit. Wir haben immer mit Einfachheit zusammengearbeitet, ungeachtet der Phantasie der Journalisten. Papst Franziskus hat zum Beispiel das Buch ‚Aus der Tiefe des Herzens‘ erhalten und sehr gut verstanden, für das ich mit Benedikt XVI. zusammengearbeitet habe. Ich habe ihm meine Sorge wegen der ekklesiologischen Konsequenzen eines Infragestellens des priesterlichen Zölibats nicht verheimlicht. Als er mich nach dieser Veröffentlichung empfing, während Pressekampagnen mich beschuldigten zu lügen, hat mich der Papst unterstützt und ermutigt. Er hatte, wie es scheint, das Exemplar mit Widmung wertschätzend gelesen, das Papst Benedikt XVI. in seiner feiner Art ihm zukommen hatte lassen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich ermessen, daß die Wahrheit immer über die Lüge siegt. Es hat keinen Sinn, große Kommunikationskampagnen zu beginnen. Alles, was man braucht, ist der Mut, ehrlich und frei zu bleiben. Die Unterstützung von Papst Franziskus, die beständige Zuneigung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. und die tausenden Zuschriften des Dankes von Priestern und Laien aus aller Welt haben es mir erlaubt, die Tiefe der Botschaft des auferstandenen Jesus zu verstehen: Habt keine Angst!“
Wie aber sieht Kardinal Sarah die Zukunft der Kirche?
„Ich bin Mitglied der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse. Dort sehe ich mit unermeßlicher Freude, wie die Kirche Heiligkeit ausstrahlt. Freuen wir uns, die beeindruckende Zahl so vieler Töchter und Söhne der katholischen Kirche zu sehen, die das Evangelium und den universellen Ruf zur Heiligkeit ernst nehmen, ‚denn aus der Seite des am Kreuz entschlafenen Christus ist das wunderbare Geheimnis der ganzen Kirche hervorgegangen‘ (Sacrosanctum Concilium, 5). Unabhängig von dem, was jene sagen, die ‚blind geboren‘ wurden, und trotz der vielen Sünden ihrer Glieder ist die Kirche schön und heilig. Sie ist die Ausweitung Jesu Christi. Die Kirche ist nicht eine weltliche Institution. Ihre Gesundheit mißt sich nicht nach ihrer Macht und ihrem Einfluß. Die Kirche erlebt heute den Karfreitag. Von allen Seiten scheint Wasser in das Schiff einzudringen. Einige verraten sie von innen. Ich denke an das Drama und die schrecklichen Verbrechen der pädophilen Priester. Wie könnte die Mission fruchtbringend sein, wenn so viele Lügen die Schönheit des Antlitzes Jesu verdecken? Andere sind zum Verrat versucht, indem sie das Schiff verlassen, um den gerade in Mode stehenden Mächten zu folgen. Ich denke an die Versuchungen gerade in Deutschland durch den Synodalen Weg. Wir werden gefragt, was vom Evangelium bleibt, wenn das alles bis zum Ende durchgezogen wird: eine echte stillschweigende Apostasie. Aber Christi Sieg führt immer durch das Kreuz. Die Kirche muß zum Kreuz gehen und zur großen Stille des Karsamstags. Wir müssen mit Maria beim Leichnam Jesu beten. Sehen, beten, Buße tun und wiedergutmachen, um den Sieg des auferstandenen Christus besser verkünden zu können.“
Und was wird nun Kardinal Sarah tun?
„Ich werde nicht aufhören zu arbeiten. Ich bin auch froh, mehr Zeit zum Beten und Lesen zu haben. Ich werde weiter schreiben, sprechen und reisen. Hier in Rom empfange ich weiterhin Priester und Gläubige aus aller Welt. Die Kirche braucht mehr denn je Bischöfe, die klar, frei und in Treue zu Jesus Christus und zur Glaubens- und Morallehre Seines Evangeliums sprechen. Ich habe die Absicht, diese Mission fortzusetzen und sogar zu verstärken. Ich muß weiterhin im Dienst für die Einheit der Kirche, der Wahrheit und der Liebe arbeiten. Demütig wünsche ich, das Nachdenken, das Gebet, den Mut und den Glauben vieler verwirrter Katholiken zu stützen, die durch die vielen Krisen, die wir derzeit durchmachen, verwirrt und orientierungslos sind: anthropologische Krisen, kulturelle Krisen, Glaubenskrisen, Krisen der Priester, Krisen der Moral, aber vor allem Krisen unserer Beziehung mit Gott.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Leider hat Kardinal Sarah versäumt sich bei der Vatikanischen Idolatrie des Pachamamakultes zu Wort zu melden. Es handelte sich hier um einen öffentlichen Verstoß gegen das erste Gebot. Die öffentlliche Korrektur eines solchen Aktes wäre zum Heil der Kirche nötig gewesen. Das steht höher als der Gehorsam zum Papst, der kein Kadavergehorsam sein kann. Es wäre die Stunde für Kardinal Sarah gewesen seine Stimme zu erheben, der für die Liturgie verantwortlich war. Er war genauso stumm wie Kardinal Müller als dieser in seinem Amt öffentlich dem Papst hätte widersprechen müssen, als Amoris laetitia den unheilvollen Weg betrat die Kirche von innen zu vergiften. Beide hätten sich am hl. Paulus orientieren müssen!
Die Katholische Kirche sollte kein Schlachtfeld sein,
aber war sie es nicht immer, seitdem Wölfe im Schafspelz in sie eundrangen, um
sie von innen zu zerstören? Sind nicht alle Häresien im Raume der Kirche entstanden,
hat die Kirche sie nicht bekämpft,bis daß dann sie sie als unvereinbar mit der Wahrheit ausschloß?
War die Einheit der Kirche für die ecclesia militans nicht immer nur das Ergebnis von Kämpfen wider
in ihr aufgetretenen Häresien?
Uwe C. Lay Pro Theol Blogspot