(New York) Am vergangenen Samstag, dem 9. November, veröffentlichte die New York Times ein ausführliches Interview mit Kardinal Raymond Burke. Das Gespräch mit dem namhaften Purpurträger führte Ross Douthat. Er nennt den US-amerikanischen Kardinal als „kritischste Stimme in der kirchlichen Hierarchie“ gegenüber Papst Franziskus.
An den Beginn des Interviews setzte Douthat eine biographische Vorstellung von Kardinal Burke für die Leser, indem er den ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes der Apostolischen Signatur selbst seinen Weg zum Priestertum [die Priesterweihe erfolgte 1975 durch Papst Paul VI.] und zur Kardinalswürde kurz skizzieren läßt.
Den Übergang zu einer Vielzahl aktueller Themen bildet die Frage, ob Kardinal Burkes Ruf, „nicht nur als konservativer, sondern als führender ‚Traditionalist‘“ und als „strenger Kirchenrechtler“ ihm gegenüber fair sei.
Kardinal Burke: „Sie müssen wissen, daß es in der Kirche, noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, aber besonders danach einen Verlust des Respekts vor dem Kirchenrecht gab, dieses Gefühl, daß der Codex des Kirchenrechts nicht mehr tauglich war. Ich aber wurde von der Bedeutung des kanonischen Rechts überzeugt. Besonders besorgt war ich über die leichte Erteilung von Ehenichtigkeitserklärungen. Und das trug teilweise zu meinem Ruf bei, kalt, legalistisch, starr zu sein, wie es heißt.
In der liturgischen Frage bin ich offensichtlich mit der heute sogenannten außerordentlichen Form des Römischen Ritus aufgewachsen, der Messe, wie sie bis zur Reform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil bestand. Ich hatte eine große Wertschätzung für die Schönheit dieses Ritus. Als Johannes Paul II. seine Feier erlaubte, interessierte ich mich dafür.“
Er habe „immer in beiden Formen zelebriert“, so der Kardinal. Es sei falsch, wenn behauptet werde, er würde „gegen die ordentliche Form der Messe sprechen“. Er spreche nicht gegen die ordentliche Zelebrationsform, sage aber, daß der Novus Ordo „nicht wirklich transzendent ist“. Richtig sei, daß ihn der überlieferte Ritus „geprägt“ habe.
Die Regeln waren ein Schutz
Douthat wollte wissen, wie der Kardinal den Übergang durch das Zweite Vatikanische Konzil erlebte, und ob er der Meinung sei, die damaligen Neuerer hätten recht gehabt und die vorkonziliare Kirche sei „stickig, legalistisch und streng“ gewesen. Kardinal Burke selbst, so der Interviewer, habe seine Ausbildung an einem Kleinen Seminar [kirchlichen Gymnasium] einmal mit einer „Militärschule“ verglichen.
Kardinal Burke: „Nun, diese Euphorie setzte während der Konzilsjahre und danach ein. ‚Jetzt sind wir plötzlich alle frei.‘ Die Disziplin des Seminars wurde als Unterdrückung und jede Überprüfung des Willens des Einzelnen wurde als negativ angesehen. Jetzt aber schaue ich zurück und sehe all die Regeln, die darauf abzielten, die Auswirkungen der Erbsünde einzudämmen und uns zu disziplinieren, damit wir wirklich gute Menschen sein können – und es hat funktioniert. 1968 aber wurde das Seminarregelwerk verworfen, und die Folge war das Chaos. Wir wissen zum Beispiel, daß ein Großteil des sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen in dieser Zeit stattgefunden hat, wo es diese Ideen gab, daß jede Neigung, die einer hat, gut sei. Das stimmt aber nicht.“
Ihm sei dabei durchaus bewußt, daß der Anstieg an sexuellem Mißbrauch in den 60er und 70er Jahren zum Teil auch auf das Konto von Klerikern ging, die noch vor dem Konzil ausgebildet wurden.
„Das ist aber nicht Schuld der Regeln, sondern der Männer, die sie anwenden sollten.“
„Klerikalismus“ ist der Verrat am Hirtenamt
Douthat will wissen, ob dann nicht „mehr demokratische Rechenschaftspflicht“ besser sei, wenn Menschen in Autoritätspositionen die Regeln aussetzen können.
Kardinal Burke: „Christus hat die Kirche eindeutig als hierarchische Gemeinschaft konstituiert.“
Sobald sein öffentliches Wirken begann, habe Christus die zwölf Apostel berufen und auf ihre Aufgabe vorbereitet.
„Das waren auch nicht alles Engel, wie wir wissen. Es gibt immer eine Versuchung zur Untreue gegenüber dem Hirtenamt. Das übrigens ist ‚Klerikalismus‘. Der Klerikalismus hat nichts damit zu tun, daß man ein Interesse für die Liturgie hat oder eine Soutane tragen will. Nein, Klerikalismus ist der Mißbrauch des Klerikeramtes für sündige Zwecke.“
Und weiter:
„Und ja, es muß Kontrollen geben, und sie existierten tatsächlich im Kodex des Kirchenrechts von 1917.“
Bis zu den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils habe es eine ganze Reihe von Strafen gegen Kleriker gegeben, die ihr Amt verraten haben. Diese Regeln seien „sehr lebhaft“ gewesen. Ein Erzbischof oder Bischof wurde in die Fülle seiner Gewänder gekleidet, von denen er dann der Reihe nach, einzeln und unter strengen Erklärungen entkleidet wurde. Zuletzt wurden die Hände, die bei der Weihe gesalbt worden waren, mit einem Messer [symbolisch] zerkratzt, um zu zeigen, daß diese Person das Amt völlig verraten hatte.
Douthat: „Möchten Sie, daß ein solcher Ritus zum Beispiel auf den ehemaligen Kardinal Theodore McCarrick angewendet wird?“
Kardinal Burke: „Ich würde sagen, daß es der richtige Weg ist.“
„Kardinal Caffarra kam zu mir und sagte: ‚Was ist da los?‘ “
Das weitere Gespräch zwischen Douthat und dem Kardinal führte dann zu Papst Franziskus, unter dem „die Euphorie“ der Konzils- und Nachkonzilszeit, so der Interviewer, „wohl wieder aufgetaucht ist“. Kontroversen, die Johannes Paul II. zu schließen versucht habe, wie „Scheidung und Wiederverheiratung, Interkommunion mit Protestanten, verheiratete Priester“, „wurden durch den neuen Papst wieder aufgetan“.
Der Journalist will wissen, wann sich die Stellung des Kardinals unter dem derzeitigen Pontifikat verändert habe.
Es sei „gut möglich“, so der Kardinal, daß das bei der Familiensynode 2014 geschehen ist, bei der er sich der Möglichkeit der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedene und anderer Personen in irregulären Situationen zur Kommunion widersetzte.
Kardinal Burke: „Es wurde uns wiederholt gesagt, daß es bei der Synode nicht darum geht, aber am Ende ging es darum. Und es ging um ein Überdenken der kirchlichen Lehre über die menschliche Sexualität. Es wurde darüber gesprochen, die guten Elemente in Genitalakten zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen zu finden, die guten Elemente im außerehelichen Geschlechtsverkehr zu finden.
Während einer der Pausen kam Kardinal Caffarra [Carlo Caffarra, der verstorbene Erzbischof von Bologna], der ein lieber Freund von mir war, zu mir und sagte: ‚Was ist da los?‘ Er sagte, daß diejenigen von uns, die die Lehre und Ordnung der Kirche verteidigen, jetzt als Feinde des Papstes bezeichnet werden. Und das ist symbolisch für das, was passiert ist. Während meines ganzen Priestertums wurde ich immer dafür kritisiert, daß ich zu aufmerksam auf das war, was der Papst sagte. Jetzt befinde ich mich in einer Situation, in der ich als Feind des Papstes bezeichnet werde, was ich nicht bin.
Ich habe mich nicht verändert. Ich lehre immer noch die gleichen Dinge, die ich immer gelehrt habe, und das sind nicht meine Ideen. Aber jetzt wird das plötzlich als Gegensatz zum römischen Papst wahrgenommen. Ich denke, hier ist eine sehr politische Sichtweise auf das Papsttum am Werk, wo der Papst eine Art absoluter Monarch ist, der tun kann, was er will. Das war in der Kirche noch nie der Fall. Der Papst ist kein Revolutionär, der gewählt wurde, um die Lehre der Kirche zu ändern. Und ein Großteil der säkularen Sichtweise kommt von Menschen, die die Kirche betrachten, aber ihre tiefe Realität nicht verstehen.“
Auf den Einwand Douthats, daß das aber nicht nur eine weltliche Sichtweise sei, sagte Kardinal Burke:
„Oh nein, das ist innerhalb des Kirchenleibes, keine Frage. Ich habe es von Kardinälen während der Synode 2014 gehört.“
„Nein, die Ehe ist kein Ideal, sondern eine Gnade“
Während der Familiensynode 2014 hätten Kardinal zu ihm gesagt:
„Wir müßten endlich erkennen, daß die Ehe ein Ideal ist, das nicht jeder erfüllen könne, und deshalb müßten wir die Lehre der Kirche an Menschen anpassen, die ihre Eheversprechen einfach nicht halten könnten. Aber die Ehe ist kein ‚Ideal‘: Die Ehe ist eine Gnade, und wenn ein Paar das Versprechen einlöst, erhalten sie die Gnade, eine treue, lebenslange, zeugungsoffene Bindung zu leben.
Selbst der schwächste Mensch, der am schlechtesten ausgebildete Mensch, erhält die Gnade, den Ehebund treu zu leben. In meiner pastoralen Erfahrung bin ich Menschen in allen möglichen Situationen begegnet, und wenn ich auf der Wahrheit der Situation bestehe, ist es nicht einfach. Aber ich habe festgestellt, daß die Menschen am Ende wirklich dankbar dafür sind. Ich habe lange genug gelebt, um sogar Leute zu haben, die sich mir sehr stark widersetzten, Jahre später korrespondierten sie mit mir und sagten mir, daß sie endlich verstanden haben, was ich getan habe. So etwas ist ganz natürlich, daher glaube ich nicht, daß die Kirche jemals ihrer Mission dient, indem sie mit der Welt Kompromisse eingeht.
Douthat: „Sie haben gesagt, daß die Menschen Sie beschuldigt haben, der Feind des Papstes zu sein. Glauben Sie, Franziskus betrachtet Sie als seinen Feind?“
Kardinal Burke: „Ich denke nicht. Das hat er nie zu mir gesagt. Ich treffe ihn nicht oft, aber in den Begegnungen, die ich hatte, hat er mich nie getadelt oder beschuldigt, feindliche Gedanken oder Einstellungen ihm gegenüber zu haben.“
Douthat: „Aber er hat Sie degradiert.“
Kardinal Burke: „Ja.“
„Der Papst will nicht, daß ich den Dingen eine entschlossene Richtung gebe“
Douthat bat darauf den Kardinal, diese Degradierung zu schildern.
Kardinal Burke: „Nun, im Dezember 2013 hat er mich aus der Bischofskongregation entfernt. Dann entfernte er mich aus der Apostolischen Signatur, um mich zum Kardinalpatron des Malteserordens zu ernennen. Und dann, 2016, nahm er mir auch das weg: Er beließ mir den Titel, aber ich habe keine Funktion.“
Douthat: „Sie sind jetzt also ein Kardinal ohne Portefeuille.“
Kardinal Burke: „Ja, das ist richtig. Es ist klar, daß der Papst mich nicht in einer Führungsposition haben will, daß er mich nicht als die Art von Person sieht, von der er will, daß sie den Dingen eine entschlossene Richtung gibt. Ich hatte aber niemals den Eindruck, daß er denkt, ich sei sein Feind.“
Seit der Familiensynode sei der Kardinal aber ein „ständiger“ Kritiker von Entscheidungen des regierenden Papstes gewesen, insistiert Douthat.
Kardinal Burke: „Ich behaupte, daß das meine Pflicht als Kardinal war. Ich versuchte immer, direkt mit dem Papst darüber zu kommunizieren: Ich mag es nicht, daß mit Menschen gespielt wird, und so zu tun, als würde ich eine Sache denken, während ich das Gegenteil denke. Sie werden feststellen, daß ich niemals den Papst persönlich kritisiert habe. Aber als ich sah, was ich für eine schädliche Richtung in der Kirche hielt, als ich diese ganze Diskussion in der Familiensynode sah, die die Grundlagen der kirchlichen Lehre über die menschliche Sexualität in Frage stellte, mußte ich mich zu Wort melden, weil es meine Pflicht war.“
„Papst Franziskus hat sich geweigert sein Amt auszuüben“
Zu seiner Kritik an Aussagen und Handlungen von Papst Franziskus sagte der Kardinal:
„Es gibt einen Zusammenbruch der zentralen Lehrautorität des römischen Papstes. Der Nachfolger des heiligen Petrus übt ein wesentliches Amt der Lehre und Disziplin aus. Papst Franziskus hat sich in vielerlei Hinsicht geweigert, dieses Amt auszuüben. Zum Beispiel die Situation in Deutschland: Die katholische Kirche in Deutschland ist auf dem Weg, eine Nationalkirche mit Praktiken zu werden, die nicht mit der Weltkirche übereinstimmen.
Douthat: „Welche Praktiken?“
Kardinal Burke: „Indem sie einen besonderen Ritus für gleichgeschlechtliche Menschen will, die heiraten wollen. Indem sie dem nichtkatholischen Ehegatten in einer konfessionell gemischten Ehe erlaubt, regelmäßig die Heilige Eucharistie zu empfangen. Das sind sehr ernste Dinge, und sie sind im Grunde genommen ungeprüft geblieben.“
Douthat: „Aber ist die Entscheidung, wann die Autorität auszuüben ist, nicht mit der Autorität des Papstes selbst verbunden? Warum liegt es nicht in seiner Macht, lokale Experimente zu tolerieren?“
Kardinal Burke: „Er hat in dieser Angelegenheit wirklich keine Wahl, wenn es um etwas geht, das der Lehre der Kirche widerspricht. Die Lehre war immer, daß der Papst die Fülle der Macht hat, die notwendig ist, um den Glauben zu verteidigen und zu fördern. Er kann also nicht sagen: ‚Diese Form der Macht gibt mir die Autorität, den Glauben nicht zu verteidigen und ihn nicht zu fördern‘.“
Douthat: „Wenn Franziskus Sie bitten würde, die Kritik an ihm nicht mehr öffentlich zu äußern, würden Sie es tun?“
Kardinal Burke: „Nicht, wenn ich das Gefühl hätte, daß es um eine Frage der Wahrheit geht. Wenn er zu mir sagen würde: ‚Sie lügen, Sie greifen das Amt des römischen Papstes an‘, dann würde ich aufhören. Aber das tue ich nicht: Ich versuche, nicht zu lügen, und ich habe noch nie das Amt angegriffen.“
Douthat erklärt diese Unterscheidung zwischen dem Amt und der Person, die das Amt innehat. Ein Papst könne fälschlicherweise Irrlehren dulden oder Fehler in einem „kolloquialen Kontext“ etwa bei fliegenden Pressekonferenzen. Der Heilige Geist hindere ihn aber daran, Häresien auf formelle Weise zu lehren. Das sei, so der Journalist, eine „engere Sichtweise“ der päpstlichen Autorität, als es „konservativen Katholiken“ noch zu Zeiten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. vertreten hätten.
Kardinal Burke schildert aus seiner Erfahrung, was die kirchliche Ehe- und Morallehre anbelangt, daß es die gläubigen Menschen gibt, die sich an die Lehre halten und dadurch Nutzen gewinnen.
„Ich reise viel, einschließlich an Orte, die als sehr fortschrittlich gelten, wie Deutschland, Frankreich. Und überall, wo ich hingehe, finde ich eine bedeutende Anzahl junger Paare mit Kindern, junge Alleinstehende, junge Priester, die die Tradition schätzen, die als alt oder starr und versteinert angesehen wird, oder welchen Begriff auch immer Sie verwenden möchten. Sie brennen. Und ich finde keine jungen Leute, die diese Agenda der Anpassung an die Welt kaufen wollen. Die jüngeren Leute haben den Bankrott der Kultur erlebt. Viele in ihren Familien haben sich scheiden lassen oder sind vom Übel der Pornographie geplagt. Und sie wollen eine Kirche, die ihnen klar den Weg zur ewigen Heil lehrt, den Weg zu einem guten und anständigen Leben auf Erden.
“ Die Menschen reagieren immer extremer auf das, was in der Kirche vor sich geht“
Douthat: „Ich stimme zu, daß die von Ihnen beschriebene katholische Subkultur existiert. Mit dem Fortschreiten dieses Pontifikats sehe ich aber auch eine wachsende Paranoia und Entfremdung unter den konservativen Katholiken, eine Versuchung zu Verschwörungstheorien, die in Sedevakantismus übergehen, die Überzeugung, daß der Papst nicht der Papst ist. Ich bin gespannt, ob Sie Bedenken haben, daß die Kritik am Papst dazu beiträgt.“
Kardinal Burke: „Es ist wahr, daß bei allen Medien diese extremen Positionen eine Stimme bekommen. Und in meiner Kritik war ich immer zutiefst besorgt, den Respekt vor dem päpstlichen Amt nicht in Frage zu stellen.“
Douthat: „Glauben Sie, daß Franziskus ein legitimer Papst ist?“
Kardinal Burke: „Ja. Ich hatte Leute, die mir alle möglichen Argumente präsentierten, die die Wahl von Papst Franziskus in Frage stellten. Aber ich nenne ihn jedes Mal, wenn ich die Heilige Messe zelebriere, Papst Franziskus. Das ist meinerseits kein leeres Wort. Ich glaube, daß er der Papst ist, und ich versuche das konsequent den Leuten zu sagen, weil – da haben Sie recht – auch meiner Meinung nach die Menschen immer extremer auf das reagieren, was in der Kirche vor sich geht.“
„Da kam der Schlußstrich“
Douthat fragte den Kardinal darauf, ob dieser Extremismus „mit dem Rechtspopulismus in der westlichen Politik“ zusammenhänge. Der „innere Kreis“ von Papst Franziskus sehe ja schließlich eine Deckungsgleichheit zwischen der „konservativen Papstkritik und dem Trumpismus in den USA“, also beide Phänomene als Varianten „desselben reaktionären Impulses“.
Konkret fragte der Journalist den Kardinal auch nach seiner Beziehung zu Steve Bannon, dem personifizierten Feindbild seit dem Wahlsieg von US-Präsident Donald Trump im November 2016.
Kardinal Burke: „Ich habe Steve Bannon durch meine Zusammenarbeit mit dem Institut Dignitatis Humanae kennengelernt, einer Vereinigung, die gegründet wurde, um die europäischen Parlamentarier bei der Befolgung der Forderungen des Moralgesetzes zu unterstützen. Schließlich wurde Bannon auch in dessen Arbeit einbezogen. Wie ich mich erinnere, traf ich mich drei oder viermal mit ihm, um mit ihm über die katholische Lehre zu sprechen. Aus meiner Sicht handelte es sich um Gespräche eines Priesters mit einem Laien über die moralischen Pflichten eines Katholiken im öffentlichen Leben. Als Medien mehr und mehr mein Verhältnis als meine Mitarbeit in seinem speziellen politischen Programm präsentierten, mußte ich die Angelegenheit klären. Der Schlußstrich war die Ankündigung seines Plans, einen Film über das Buch [Sodoma] von Frédéric Martel zu machen. Ein Projekt, mit dem ich völlig und eindeutig nicht einverstanden war. Ich mußte klarstellen, daß ich nie Teil von Bannons politischer Organisation war. In meiner Beziehung zu ihm habe ich versucht, meine Mission als Priester zu erfüllen, den Glauben und die Moral für das Gemeinwohl zu lehren.“
„Das ist ein Abfall vom katholischen Glauben“
Schließlich ging Douhat zu ganz aktuellen Themen über, konkret die soeben zu Ende gegangene Amazonassynode, bei der es um die Möglichkeit der Zulassung verheirateter Priester ging.
Kardinal Burke: „Was in dem Arbeitsdokument vorgeschlagen wurde, ich habe es gesagt und glaube es, das ist ein Abfall vom katholischen Glauben, eine Leugnung der Einheit und Universalität der erlösenden Inkarnation des Heilswerks unseres Herrn Jesus.“
Douthat: „Sie meinen die Teile, die über den spirituellen Wert vorchristlicher religiöser Traditionen im Amazonasgebiet sprechen?“
Kardinal Burke: „Ich meine die Idee, die Gnade Jesu sei ein Element im Kosmos. aber der Kosmos, die Welt sei die ultimative Offenbarung. Wenn sie sich also in eine Region wie die Amazonasregion begeben, geht es ihnen nicht darum, das Evangelium zu verkünden, weil sie dort bereits die Offenbarung Gottes sehen. Das ist eine Abkehr vom christlichen Glauben.“
Auch die Pachamama-Figuren, die während der Amazonassynode herumgereicht wurden, waren ein Interview-Thema. Kardinal Burke ließ keinen Zweifel gegenüber Douthat, was die gezeigte Figur betrifft:
„Die fragliche Statue ist ein Götze.“
„Ich spreche Alexander Tschugguel meinen Dank aus“
Der Journalist schildert die Hintergründe, auch den Vorwurf gläubiger Katholiken, daß es sich dabei um die Anbetung einer Götzenfigur gehandelt habe, und daß beherzte Katholiken wie Alexander Tschugguel die Holzfiguren aus einer Kirche entfernt und in den Tiber geworfen haben. Douthat konfrontierte den Kardinal mit dem jungen Österreicher in der „Hoffnung“, wie der NYT-Autor schreibt, daß Kardinal Burke jede persönliche Bekanntschaft mit dem Österreicher bestreiten würde. Das Gegenteil war der Fall.
Kardinal Burke: „Obwohl ich Alexander Tschugguel recht gut kenne und sehr schätze, vor allem wegen seines unermüdlichen Einsatzes zur Verteidigung und der Unverletzlichkeit der unschuldigen, ungeborenen Kinder und der Integrität der Familie, hatte ich nichts damit zu tun, daß er die heidnischen Götzenbilder aus der Kirche Santa Maria in Traspontina entfernte und sie in den Tiber warf.
Da ich seinen tiefen katholischen Glauben kenne, kann ich zugleich verstehen, warum er es für unerträglich hielt, daß heidnische Götzen in einer katholischen Kirche ausgestellt wurden. Es erinnert mich an ähnliche Situationen in der Zeit des Alten Testaments, zum Beispiel an den Fall der Makkabäer-Brüder und an den Fall so vieler Beichtväter und Märtyrer, die es nicht dulden würden, daß der katholische Glaube durch die Anbetung heidnischer Götzen geleugnet wird.
Nachdem ich Alexanders Aussage über sein Handeln angehört habe, kann ich ihm nur meinen Respekt zollen und meinen Dank aussprechen für sein mutiges Glaubenszeugnis.“
„Das Dokument ist schismatisch, nicht ich“
Im Interview wurde auch das „Gespenst eines Schismas“ angesprochen, das über dem Pontifikat von Franziskus schwebe.
Kardinal Burke: „Das Schlußdokument ist zwar im Umfassen des Pantheismus weniger explizit, lehnt aber die Aussagen im Arbeitsdokument auch nicht ab, die einen Glaubensabfall vom katholischen Glauben darstellen.
Das Arbeitsdokument hat keinen doktrinären Wert. Was aber wäre, wenn der Papst dieses Dokument mit seinem Stempel versehen würde? Die Leute sagen, wenn man das nicht akzeptiert, wird man in der Spaltung sein – und ich behaupte, daß ich nicht in der Spaltung sein würde, weil das Dokument Elemente enthält, die von der apostolischen Tradition abweichen. Mein Punkt wäre also, daß das Dokument schismatisch ist, nicht ich.“
Douthat: „Aber wie kann das möglich sein? Sie meinen damit, daß der Papst eine Spaltung anführen würde.“
Kardinal Burke: „Ja.“
Douthat: „Ist das nicht ein tiefer Widerspruch dazu, wie Katholiken über das Amt des Papstes denken?“
Kardinal Burke: „Natürlich. Genau. Es ist ein totaler Widerspruch, und ich bete, daß das nicht passiert. Und um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, wie ich mit einer solchen Situation umgehen soll. Soweit ich sehen kann, gibt es im universellen Gesetz der Kirche keinen Mechanismus, um mit einer solchen Situation umzugehen.“
Douthat: „Können Sie sich eine Situation vorstellen, die das Äquivalent zu dem rechtfertigen würde, was Erzbischof Marcel Lefebvre in den 80er Jahren tat, als er als Führer einer Gemeinschaft traditionalistischer Katholiken seine eigenen Bischöfe gegen den Willen Roms weihte?“
Kardinal Burke: „Das Schisma kann niemals der Wille Christi sein. Christus kann nie eine Spaltung in seinem Körper wollen. Die Leute kommen zu mir und sagen, Kardinal, es ist Zeit, wir müssen in das Schisma gehen, und ich sage nein, das ist nicht möglich. Unser Herr kann das nicht wollen, und ich werde nicht Teil eines Schismas sein.“
Douthat: „Beeinflußt das alles Ihren Glauben?“
Kardinal Burke: „Nein, ich vertraue unserem Herrn. Er sagte, ich bin immer bei Euch bis zum Ende der Zeit. Mich besorgt meine eigene Weisheit und mein Mut, mit einer solchen Situation umzugehen. Und im Guten wie im Schlechten bin ich ein Kardinal der Kirche, mit einer großen Verantwortung.“
„Ich denke, daß es in Zukunft viel Leid zu ertragen geben wird“
Douthat wirft ein, daß die Mehrheit der Kardinäle, die im nächsten Konklave den Nachfolger von Franziskus wählen werden, von diesem selbst ernannt wurde. Für außenstehende Betrachter wirke zudem alles „sehr vertraut“. Es gehe um Liberalisierung, dagegen gebe es Widerstand, die Überwindung des Widerstandes und die Weiterentwicklung der Institution. Gestalten wie der Kardinal würden, so der Journalist, nicht so sehr als gestrenge Großinquisitoren gesehen, sondern eher wie Männer, die mit der stattfindenden Entwicklung nicht mithalten könnten.
Kardinal Burke: „Wenn die katholische Kirche nur eine politische Institution wäre, wäre Ihre Beschreibung ziemlich zutreffend, daß wir hier diese Konservativen haben, die sich einer Veränderung widersetzen, die Mehrheit aber dafür ist und weitergeht. Aber die Kirche wird immer von der lebendigen Tradition geleitet, die eine Frage der Gnade ist, der göttlichen Gnade in der Kirche. Ich vertraue also darauf, daß der Herr das alles irgendwie zu einem guten Ende bringen wird. Aber ich denke, daß es in Zukunft viel Leid zu ertragen geben wird.
Für meinen Teil möchte ich einfach mit dem heiligen Paulus sagen können, daß ich den guten Kampf gekämpft habe, auf Kurs geblieben bin und den Glauben bewahrt habe. Es spielt für mich keine Rolle, wenn die Leute sagen: Er ist nur ein alter Mann, der nicht mit der Welt in Kontakt war, und deshalb dieses Getue gemacht hat, jetzt ist es vorbei und wir machen weiter.
Ich weiß, daß ich unserem Herrn Rechenschaft ablegen muß, und ich möchte Ihm sagen können, daß ich, selbst wenn ich Fehler gemacht haben sollte, versucht habe, Ihn zu verteidigen und Ihm zu dienen. Das klingt nach einer frommen Bemerkung, aber genau das ist es, was mich wirklich antreibt – und zwar das allein.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: New York Times/MiL (Screenshots)
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