Terrorbekämpfung nur wenn es die Muslime nicht „stört“

Die Empfehlungen an die englische Polizei


Bekämpfung des islamichen Terrorismus ohne Erwähnung des Islams? Das fordert der Independent Reviewer of Terrorism Legislation in Großbritannien.
Bekämpfung des islamichen Terrorismus ohne Erwähnung des Islams? Das fordert der Independent Reviewer of Terrorism Legislation in Großbritannien.

(Lon­don) Eng­lands Stra­ßen wur­den wie kaum in einem ande­ren euro­päi­schen Land durch das Blut von Opfern des isla­mi­schen Ter­ro­ris­mus getränkt. Der Inde­pen­dent Review­er of Ter­ro­rism Legis­la­ti­on fin­det aber, daß die Poli­zei bei Ver­hö­ren und Befra­gun­gen im Zuge der Ter­ror­be­kämp­fung den Islam nicht erwäh­nen soll­te, denn das könn­te die Mus­li­me irritieren.

Anzei­ge

Die Fra­ge, wie eine effi­zi­en­te Ter­ror­be­kämp­fung statt­fin­den sol­le, wenn die Ursa­che des Ter­ro­ris­mus nicht beim Namen genannt wer­den darf, beant­wor­te­te der Inde­pen­dent Review­er, eine Mischung aus Ombuds­mann und Auf­sichts­be­hör­de, nicht.

Sein Amt wur­de mit dem Ter­ro­rism Act 2000 ein­ge­führt und ist seit 2001 aktiv. Ange­sie­delt ist der Indi­pen­dent Review­er beim Home Secre­ta­ry, dem Innen­mi­ni­ste­ri­um, das von einem Mus­lim gelei­tet wird, der laut eige­nen Anga­ben „nicht prak­ti­zie­rend“ ist.

Das Amt Indi­pen­dent Review­er wird der­zeit von Max Hill gelei­tet, einem bekann­ten Kron­an­walt. Er dürf­te im Novem­ber neu­er Direc­tor of Public Pro­se­cu­ti­ons und damit dritt­höch­ster Anklä­ger in Eng­land und Wales bei der Straf­ver­fol­gung werden.

Muslime „nicht irritieren“, sie sind „die Opfer“

Zum Abschied aus sei­nem bis­he­ri­gen Amt hin­ter­läßt er eine skur­ri­le Schel­te ganz im Stil der poli­ti­schen Kor­rekt­heit. Sei­ne ersten Emp­feh­lun­gen ver­öf­fent­lich­te Hill bereits im ver­gan­ge­nen März, weni­ge Mona­te nach blu­ti­gen Atten­ta­ten auf den Stra­ßen Lon­dons. Ein Atten­tat, ver­übt in der Nähe des Par­la­ments, koste­te fünf Men­schen­le­ben. 50 wei­te­re Men­schen wur­den ver­letzt. Ver­ant­wort­lich für das Gemet­zel „im Namen Allahs“ war Kha­lid Maso­od, der selbst dabei getö­tet wurde.

Terrorismus Report von Max Hill
Ter­ro­ris­mus Report von Max Hill

Max Hill wie­der­hol­te seit sei­ner Ernen­nung im Vor­jahr mehr­fach, daß „das Wort Ter­ro­ris­mus mit kei­ner Reli­gi­on die­ser Welt in Ver­bin­dung gebracht wer­den sollte“.

Vor weni­gen Tagen leg­te er dem Par­la­ment sei­nen Jah­res­be­richtThe Ter­ro­rism Acts in 2017“ vor. Obwohl die Exi­stenz sei­nes Amtes allein dem isla­mi­schen Ter­ro­ris­mus geschul­det ist und sein Bericht auf 145 Sei­ten sich fak­tisch aus­schließ­lich mit dem isla­mi­schen Ter­ro­ris­mus befaßt, behaup­tet Max Hill den­noch, daß der Islam und der Ter­ro­ris­mus nichts mit­ein­an­der zu tun hätten.

Hill kommt noch zu weit gewag­te­ren Schlüs­se. Sei­ne Ana­ly­se aller ver­füg­ba­ren Ter­ror­sta­ti­sti­ken habe erge­ben, so Hill, daß „auch“ 2017 „die Mus­li­me am häu­fig­sten Opfer des Ter­ro­ris­mus wur­den, und das weit vor den Ange­hö­ri­gen aller ande­ren Reli­gio­nen“. Was Hill nur im Neben­satz erwähnt: Obwohl sei­ne Zustän­dig­keit für Groß­bri­tan­ni­en gilt, bezieht sich sei­ne „Sta­ti­stik“ auf die gan­ze Welt. Doch selbst dadurch käme sein Ergeb­nis nicht zustan­de. Hill erschloß sei­ne Zah­len durch Ein­gren­zung auf „die Län­der, in denen der Ter­ro­ris­mus am mei­sten ver­brei­tet ist“, also auf mus­li­mi­sche Länder.

Auf Groß­bri­tan­ni­en bezo­gen spricht Hill hin­ge­gen nur davon, daß das Ver­ei­nig­te König­reich „im ver­gan­ge­nen Jahr die schlimm­ste Kom­bi­na­ti­on von Ter­ror­an­grif­fen erlebt“ habe. Um wel­che „Kom­bi­na­ti­on“ es sich dabei han­del­te, ließ er unerwähnt.

Hill betont statt­des­sen aus­führ­lich das Atten­tat vom 19. Juni 2017 vor der Moschee von Fins­bu­ry Park, das er als „erstes Atten­tat auf Mus­li­me in Euro­pa“ her­vor­hebt. Ein Bri­te erschoß nach dem Frei­tags­ge­bet vor der Moschee einen Mus­li­men. Der Fokus auf die­ses Ereig­nis zeigt die Bereit­schaft zur Ent­la­stung der Mus­li­me und einen poli­tisch gewoll­ten Drang danach.

Die Moschee von Finsbury Park und ihre Berühmtheit

Die Moschee von Fins­bu­ry Park hat ihre eige­ne Geschich­te, die auch erzählt wer­den soll­te. Sie ist ein zen­tra­les Sym­bol der Dschi­ha­di­sten Groß­bri­tan­ni­ens, wahr­schein­lich sogar ganz Euro­pas. Sie ent­stand um 1990 als klei­ne, ille­ga­le Hin­ter­hof­mo­schee. 1997 war dar­aus bereits ein fünf­stöcki­ges Gebäu­de gewor­den. Die damals neu­errich­te­te Moschee samt ange­schlos­se­nem Kul­tur­zen­trum faßt 2.000 Men­schen. Eröff­net wur­de sie von Prinz Charles höchst­per­sön­lich und König Fahd von Sau­di-Ara­bi­en. Damit ist auch schon gesagt, woher das Geld für den groß­zü­gi­gen Bau stamm­te. Und mit dem Geld kam auch der Ein­fluß eines radi­ka­len Islams, des sau­di­schen Waha­bis­mus. Doch wegen geo­stra­te­gi­scher und wirt­schafts­po­li­ti­scher „Inter­es­sen“ wer­den alle Augen zugedrückt.

Abu Hamza al-Masri mit Anhaengern
Imam Abu Ham­za al-Mas­ri mit Anhängern

Mit den Petro­dol­lars kam Imam Abu Ham­za al-Mas­ri nach Fins­bu­ry. Er wie­gelt nicht nur mit sei­nen Haß­pre­dig­ten auf, son­dern mach­te die Moschee zu einem Ver­steck und Stütz­punkt für isla­mi­sche Ter­ro­ri­sten. 2002 befand sich dort, laut The Guar­di­an, sogar ein Aus­bil­dungs­zen­trum für Ter­ro­ri­sten. 2002 fand zum ersten Jah­res­tag der Atten­ta­te vom 11. Sep­tem­ber in New York und Washing­ton ein Tref­fen statt, um die Ter­ro­ri­sten zu fei­ern. Mit dabei bei der Fei­er­stun­de war der Haß­pre­di­ger Anjem Chou­da­ry, der die Stra­te­gie pro­pa­gier­te, sich von den „dum­men Bri­ten“ finan­zie­ren zu las­sen, Kin­der zu zeu­gen und dann das Land zu über­neh­men. 2016 wur­de Chou­da­ry wegen Rekru­tie­rung von Ter­ro­ri­sten für die Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on Isla­mi­scher Staat (IS) verurteilt.

Die Poli­zei führ­te Raz­zi­en durch und eng­li­sche Ban­ken sperr­ten die Kon­ten der Moschee wegen des „drin­gen­den Ver­dachts“ der Ter­ror­fi­nan­zie­rung. Die Kon­ten wur­den zu einer klei­nen isla­mi­schen Bank ver­legt, und die Akti­vi­tä­ten lie­fen wei­ter. 2004 wur­de al-Mas­ri ver­haf­tet, zu sie­ben Jah­ren Gefäng­nis ver­ur­teilt und anschlie­ßend an die USA ausgeliefert.

Für die Moschee bedeu­te­te es kei­nes­wegs das Ende. Neue Ima­me kamen nach Fins­bu­ry und bald lagen den Nach­rich­ten­dien­sten gesi­cher­te Erkennt­nis­se vor, daß die Moschee Ver­bin­dun­gen zur Mus­lim­bru­der­schaft unter­hielt. 2015 schaff­te es die Moschee erneut unrühm­lich in die inter­na­tio­na­len Schlag­zei­len, als nach dem Atten­tat auf Char­lie Heb­do bekannt wur­de, daß die Atten­tä­ter von Paris Anhän­ger von Imam Dja­mel Beghal waren, einem ande­ren Haß­pre­di­ger, der Ende der 90er Jah­re für eini­ge Zeit in Fins­bu­ry gepre­digt hatte.

Heu­te ist die Moschee Teil des Forums von Isling­ton Faith und gibt sich ganz fein. Labour-Chef Jere­my Cor­byn, zu des­sen Wahl­kreis die Moschee gehört, nütz­te sie bereits mehr­fach für Ver­samm­lun­gen sei­ner Par­tei. Die mus­li­mi­sche Wäh­ler­kli­en­tel will umwor­ben wer­den, und dabei hat Labour die besten Kar­ten. Fein gibt sich die Moschee seit das Geld aus Sau­di-Ara­bi­en spru­delt, und das ist seit mehr als 20 Jah­ren. Dazu gehör­ten auch Ima­me wie al-Mas­ri, Beghal und Choudary.

Die Empfehlungen an die Polizei

Im Bericht von Max Hill ste­chen vor allem sei­ne „Emp­feh­lun­gen“ an die Poli­zei ins Auge:

„Die Poli­zei soll­te in Betracht zie­hen und dar­über nach­den­ken, wel­che Wir­kung eine Ter­ror­er­mitt­lung gro­ßen Stils auf eine Gemein­schaft habe, die sich, wie es bereits gesche­hen ist, auf beson­de­re Zonen von Man­che­ster mit star­ker mus­li­mi­scher Bevöl­ke­rung kon­zen­triert. […] Die Kon­trol­le des Ter­ro­ris­mus ver­langt, daß rea­le Anstren­gun­gen unter­nom­men wer­den, um vor Ort zu arbei­ten und mit Hil­fe der ört­li­chen Gemein­schaf­ten, wo vie­le hyper­sen­si­ble Bewoh­ner gestört, wenn nicht trau­ma­ti­siert wer­den durch das stän­di­ge Auf­tre­ten der Poli­zei, die gan­ze Grup­pen in ihren Stra­ßen oder in ihren Häu­sern sucht und verhaftet.“

Imam Anjem Choudary
Imam Anjem Choudary

Hill spielt kon­kret auf die Ermitt­lun­gen nach der Tra­gö­die von Man­che­ster im Mai 2017 an, in der isla­mi­sche Selbst­mord­at­ten­tä­ter Sal­man Abed bei einem Kon­zert von Aria­na Gran­de 22 Men­schen getö­tet und 139 ver­letzt hat­te. Die Hälf­te davon waren Kinder.

Geht es nach Kron­an­walt Max Hill, soll­te die Poli­zei die Ver­bre­chens- und Ter­ror­be­kämp­fung so „über­den­ken“ und neu gestal­ten, daß ihre Ermitt­lun­gen die isla­mi­sche Gemein­schaft nicht „stö­ren“, der der Selbst­mord­at­ten­tä­ter ent­stamm­te, in der er leb­te und mit der er ver­bun­den war. Hill spricht von „Emp­feh­lun­gen“, die aber in Wirk­lich­keit wie ein Ermah­nung klin­gen. Er hat­te zuvor zahl­rei­che Gesprä­che mit isla­mi­schen Gemein­schaf­ten in ganz Eng­land geführt. Offen­bar haben sie sich bei ihm beklagt, und Hill mach­te sich die isla­mi­schen Kla­gen zu eigen. Sei­ne Gesprä­che begrün­de­te er damit, sich ein Bild machen zu wol­len, wel­che Aus­wir­kun­gen die Ter­ror­er­mitt­lun­gen nach den Ter­ror­an­schlä­gen von Lon­don und Man­che­ster 2017 auf das Leben der isla­mi­schen Gemein­schaft haben.

Institutionalisierung des Islams

Für die Gesprä­che wur­den „Run­de Tische“ ein­ge­rich­tet, die Inhal­te pro­to­kol­liert. Dies alles die­ne dazu, „den Dia­log zwi­schen den isla­mi­schen Gemein­schaf­ten und den bri­ti­schen Behör­den zu erleich­tern“. In Wirk­lich­keit erfolgt durch immer neue Gre­mi­en eine immer stär­ke­re Insti­tu­tio­na­li­sie­rung der isla­mi­schen Prä­senz im Ver­ei­nig­ten König­reich, und damit auch eine ver­stärk­te Ein­fluß­nah­me durch die Mus­li­me auf das Land. Wer ein­mal in einem insti­tu­tio­na­li­sier­ten Rah­men um sei­ne Mei­nung gefragt wur­de, will auch in Zukunft gefragt werden.

Imam Djamel Beghal
Imam Dja­mel Beghal

Hill macht sich zum Sprach­rohr der Mus­li­me, die in eine Opfer­rol­le schlüp­fen, wenn er in sei­nem Bericht von einem „Gefühl des Zorns“ schreibt, das in den isla­mi­schen Gemein­schaf­ten durch die Poli­zei­prä­senz und die poli­zei­li­chen Ermitt­lun­gen ent­ste­he. Die isla­mi­schen Gemein­schaf­ten, die den Bür­ger­mei­ster von Lon­don und den Innen­mi­ni­ster stel­len, um nur zwei der rang­höch­sten und ein­fluß­reich­sten Ämter im Ver­ei­nig­ten König­reich zu nen­nen, füh­len sich – laut Hill – „aus­ge­grenzt“. Es gehe unter ihnen die „Angst“ um, „von der Gesell­schaft geäch­tet“ zu wer­den. Eben­so warnt Hill vor einer poten­ti­ell mög­li­chen Zunah­me von „Isla­mo­pho­bie“.

Kein Wort ver­liert Max Hill über die Tat­sa­che, daß es umge­kehrt kei­nen ein­zi­gen „Run­den Tisch“ für die Opfer des isla­mi­schen Ter­ro­ris­mus und ihre Äng­ste, Trau­ma­ta und Sor­gen gibt, die ihnen „im Namen Allahs“ ange­tan wur­den. Geschwei­ge denn gibt es insti­tu­tio­na­li­sier­te For­men über ganz Eng­land ver­teilt, um ihnen Gehör und ihrer Stim­me Beach­tung zu schen­ken – wie sie Hill mit poli­ti­scher Rücken­deckung hin­ge­gen umge­kehrt auf­ge­zo­gen hat. Nicht ein­mal Vor­schlä­ge zur Ein­rich­tung sol­cher „Run­der Tische“ gibt es. Hill erwähnt auch nicht die Zah­len des Roy­al Col­lege of Psych­ia­trists (RCP), laut denen die Zahl der Kin­der, die psych­ia­tri­sche Hil­fe in Anspruch nah­men, in den Mona­ten nach dem Atten­tat von Man­che­ster um zehn Pro­zent zuge­nom­men hatte.

Text: Andre­as Becker
Bild: NBQ/​CR

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