(Rom) „Nein, es gibt keine Änderung und keine Demolierung der Dubia. Der Zweck meines Beitrages ist nur die Feststellung, daß der einzige Weg, um Amoris laetitia zu interpretieren, der in der Kontinuität mit dem Wort Gottes in der Bibel, dem vorhergehenden Lehramt und der Tradition der großen Konzile von Florenz, Trient und dem Zweiten Vaticanum ist.“ Mit diesen Worten widersprach Kardinal Gerhard Müller, der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Berichten, auch er habe einer Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion zugestimmt.
Die Frage tauchte auf, als der päpstliche Hausvatikanist Andrea Tornielli am 30. Oktober auf Vatican Insider vorab Auszüge aus der Einleitung von Kardinal Müller zum neuen Buch des Philosophen und Politikers Rocco Buttiglione veröffentlichte. Der Text schien offensichtlich Torniellis Propaganda zu nützen. Entsprechend kontrovers wurde er gelesen und sorgte für Unruhe und Erstaunen. Das war wohl auch Torniellis Absicht. Unabhängig davon geht es aber darum, was der Kardinal wirklich meinte.
Seither steht nämlich die Frage im Raum, ob Kardinal Müller, der bisher zwar nicht den Weg der Dubia-Kardinäle ging, aber mit diesen erkennbar sympathisierte, die Seiten gewechselt habe. Buttiglione ist als Verteidiger von Amoris laetitia bekannt und liefert sich seit dem Sommer 2016 zur Sache ein Duell mit dem österreichischen Philosophen Josef Seifert. Im Buch „Freundschaftliche Antworten an die Kritiker von Amoris laetitia“ sind seine Aufsätze zusammengefaßt worden.
„Dubia sind eindeutig legitim“
Gestern kam das Buch in den Buchhandel und Kardinal Müller legte bereits am Vortag in einem Interview mit Roberto Cascioli, Chefredakteur der Nuova Bussola Quotidiana (NBQ), Wert auf die Feststellung, daß es keine Änderung seiner Position gebe:
„Keineswegs. Die Dubia sind maßgeblich und eindeutig legitim.“
Und weiter:
„Eine korrekte Interpretation besagt, daß Amoris laetitia rechtgläubig in Einheit mit der katholischen Tradition gelesen werden kann und muß.“
„Entscheidend, was Jesus Christus gesagt hat, nicht der Papst oder die Kardinäle“
Der Kardinal führte gegenüber Cascioli seinen Gedanken näher aus:
„Leider haben einige immer eine ‚parteiische‘ Sichtweise, für oder gegen den Papst, als wäre die Kirche eine politische Partei. Der Sinn meiner Stellungnahme war es nicht, die Polemiken fortzusetzen, sondern sie zu überwinden und theologisch über diese Themen zu sprechen. Es geht nicht darum, um jeden Preis recht zu haben, sondern der geoffenbarten Wahrheit die Ehre zu erweisen. Ich möchte, daß meine Überlegungen aus dieser verkürzten Sichtweise herausführen: Das Thema ist die Wahrheit, das, was Jesus Christus gesagt hat, nicht der Papst oder die Kardinäle. Und was den Papst betrifft, ist genau zu unterscheiden, zwischen dem, was in lehramtlichen Dokumenten geschrieben ist, in denen er Lehrmeister des Glaubens ist, und dem, was Meinungen, Kommentare oder sogar Absichten sein können, die als private Aussagen keine Bedeutung für den göttlichen und katholischen Glauben haben. Jedenfalls ist das einzige Urteilskriterium das, was Jesus Christus gesagt hat. Wir sprechen nicht von wiederverheirateten Geschiedenen, sondern von der vor Gott gültigen oder nicht gültigen rechtmäßigen, sakramentalen Ehe. Und in jedem Fall: Wie kann diesen Paaren, die more uxorio zusammenleben, ohne gültig vor Gott verheiratet zu sein, geholfen werden?“
„Ausnahmen sind ein falsches Konzept“
Der Kardinal wies auch die Behauptung zurück, er habe sich für „Ausnahmen“ ausgesprochen.
„Keine Ausnahmen, das ist ein falsches Konzept. Ich habe eine klare, theologische Erklärung gegeben, ohne Möglichkeit mißverstanden zu werden. Ich möchte die Situation befrieden und nicht Polemiken zwischen gegensätzlichen Gruppen nähren. Es muß also klar sein: Wenn es sich um eine legitime, sakramentale Ehe handelt, kann es keine Ausnahmen geben. Die Sakramente sind wirksam ex opere operato. Genauso wenig kann es Ausnahmen in der Gültigkeit der Taufe oder der Transsubstantiation des Brotes in den Leib Christi geben.“
In seiner Einleitung habe er „sehr klar“ betont, so Kardinal Müller, daß es der Versöhnung bedürfe, und daß diese „Reue und den besten Vorsatz voraussetzt, nicht mehr zu sündigen“. Bestimmte Personen würden nicht verstehen, daß der Gang in den Beichtstuhl noch nicht automatisch zur Lossprechung führe. Es gebe wesentliche Elemente, ohne die eine Versöhnung nicht zustande komme.
Buttiglione, so der Kardinal, beziehe sich auch auf Fälle, wo es um Personen gehe, die zwar getauft, aber nicht gläubig sind und doch ohne rechtes Bewußtsein in der Kirche geheiratet haben. Jahre später werden sie vielleicht gläubig und beginnen ihre Ehe in Frage zu stellen. „Es gibt viele solcher Fälle, und auch Benedikt XVI. hat sich mit dem Problem befaßt.“ Was sei in einem solchen Fall zu tun?
„In diesem Sinn kann man mit dem Papst sagen, daß es der Unterscheidung bedarf, was aber nicht bedeutet, daß man sie ohne die vorher genannten Bedingungen zu den Sakramenten zulassen kann. Dieses Thema betrifft nicht die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe, sondern die Gültigkeit vieler Ehen, die nicht wirklich gültig sind.“
„Es gibt spezielle Situationen, wo alles vom Forum internum abhängt“
Cascioli fragte den Kardinal, was es dann mit den in der Einleitung zum Buch erwähnten Fällen auf sich habe, wo Personen erst zum Glauben finden, wenn sie bereits eine zweite Ehe eingegangen sind, obwohl der rechtmäßig angetraute Ehegatte noch lebt.
In diesem Punkt, so Kardinal Müller, sei die Sache in Europa einigermaßen klar, „zumindest der Theorie nach“. In „vielen Ländern“ gebe es aber „viele schwierige Situationen“, in Lateinamerika zum Beispiel „viele nicht kanonisch geschlossenen Ehen“, wo Paare zusammenleben, aber nicht einmal klar sei, ob überhaupt ein Ehekonsens gegeben ist.
„Ich war jüngst auf Haiti. Dort ist die Situation katastrophal. Alle nennen sich Eheleute, leben zusammen, sind aber formal weder kirchlich noch standesamtlich verheiratet. Wenn einige heranreifen, beginnen sie in die Kirche zu gehen, dann ist zu klären, wer wirklich Ehegatte ist. Da ist es wichtig, daß die Person ehrlich ist und sagt, wem gegenüber sie einen wirklichen Konsens ausgesprochen hat, denn der Konsens macht die Ehe nicht nur die kanonische Form. Was die Zulassung zu den Sakramenten angeht, muß jedenfalls der Pfarrer oder der Bischof die Situation in Zusammenarbeit mit der Freiheit der Gläubigen klären.
Es gibt aber auch umgekehrte Situationen.
Es gibt spezielle Situationen zum Beispiel in Regimen, die die Kirche verfolgen wie in Nordkorea, wo es nicht möglich ist, kanonisch zu heiraten. Die wenigen Katholiken dort haben aber auch das Recht, zu heiraten. Die Ehe ist hier nur durch den Konsens möglich. Wenn im Laufe der Zeit etwas passiert, und die beiden sich trennen und wieder heiraten wollen, dann hängt alles vom Forum internum ab, von ihrer Ehrlichkeit anzuerkennen, ob ein Konsens gegeben war oder nicht.“
Hier komme das Gewissen ins Spiel, sei aber richtig zu verstehen, „und nicht wie es manche Journalisten erklären, die die Wahrheit verwässern“. Die Rede sei von einem aufrechten Gewissen,
„das nicht sagen kann, ‚ich muß das Gesetz Gottes nicht beachten‘. Das Gewissen befreit nicht vom Gesetz Gottes, sondern gibt uns Orientierung, um es zu erfüllen.“
„Papst sagt, Amoris laetitia ist thomistisch, dann ist es recht und billig es im Licht des heiligen Thomas zu lesen“
Cascioli sieht in dem einleitenden Aufsatz zu Buttigliones Buch den Versuch des Kardinals, jede Kasuistik zurückzuweisen und einige klare Kriterien für das Verständnis von Amoris laetitia zu bieten, um „häretische Interpretationen“ zu vermeiden, wie Kardinal Müller selbst schreibt.
Der Kardinal dazu:
„Genau. Es gibt leider einzelne Bischöfe und ganze Bischofskonferenzen, die Interpretationen bieten, die dem bisherigen Lehramt widersprechen, indem sie Personen zu den Sakramenten zulassen, die in Situationen verharren, die objektiv schwer sündhaft sind. Das ist aber nicht das Kriterium, um Amoris laetitia anzuwenden. Papst Franziskus selbst sprach von einem thomistischen Apostolischen Schreiben. Also ist es nur recht und billig, daß es im Licht des heiligen Thomas gelesen wird. Und zur Zulassung zur Eucharistie ist der heiligen Thomas dogmatisch eindeutig und auch mit einer pastoralen Sensibilität für die einzelnen Personen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: NBQ/MiL
Dass der vormalige Glaubenspräfekt eine sehr klare Linie vertritt und somit eben nicht in die derzeitige vatikanische Verwässerungs-Agenda passt, hat sich schon mehrfach deutlich gezeigt. Kardinal G.L. Müller besitzt nun mal die nötige Glaubensstärke, theologische Kompetenz und – nicht zuletzt – Klugheit. Gerade die Klugheit ist eine Tugend, die unbedingt zum christlichen Lebensvollzug gehört und von Jesus sogar ausdrücklich eingefordert wird (s. Mt. 10,16).
Nebenbei bemerkt: Sein letztes bekanntgewordenes Schreiben als Glaubenspräfekt an die Leitung der FSSPX darf durchaus als Akt der Klugheit (und darüber hinaus vielleicht auch als Akt der göttlichen Vorsehung) gesehen werden. Hat dieser Brief die wohl aus heutiger Sicht zu unrecht als „abtrünnig“ eingestufte Piusbruderschaft (welcher der Papst erst dieser Tage wegen ihrer Treue zur Tradition „Starrheit“ vorgeworfen hatte) möglicherweise (gewollt oder ungewollt?) sogar davor bewahrt, unter die Kuratel einer zunehmend ideologisierten und politisierten Vatikan-Diktatur zu geraten?
Kardinal Müller spricht Klartext, ganz im Gegensatz zu anderen katholischen Würdenträgern. Er sagt, das sakramentale Zustandekommen kommt darauf an, ob eine Ehe im Konsens der beiden Ehepartner geschlossen wurde oder nicht und natürlich ob beide wussten was sie da tun bzw was die kirchliche Ehe bedeutet. Und das Gewissen, in das niemand so genau einblickt wie Gott, spielt eine entscheidende Rolle.
Hier sehe ich aber bei den AL-Befürwortern den Versuch, dieses Gewissen so hinzudeuten, als ob es unfehlbarer als die 10 Gebote sei.
Kardinal Müllers Worte sind zwar nichts Neues aber irgendwie doch, denn gerade das wird von den Amoris Laetitia-Befürwortern nicht erwähnt. Wie Kardinal Müller es sagt, lässt sich zumindest eine mir bekannte strittige Passage(von mindestens sieben) in AL im Kontext der katholischen Ehelehre lesen.
Und zwar die, die Ausnahmen beschreibt, wonach Wiederverheiratete zur Kommunion zugelassen werden könnten. Aber da bietet AL so gesehen nichts Neues. Will man nicht mit der katholischen Ehelehre brechen und eine Häresie begehen, muss man zwingend Kardinal Müllers Ausführungen anwenden, eine andere Möglichkeit gibt es nicht.
Und wie er sagt, es kommt allein darauf an was Jesus Christus gesagt hat, nicht Bischöfe, Papst Franziskus oder Martin Luther, wenn sie etwas anderes sagen.
Wenn ich einen Text veröffentliche und merke, dass ich falsch interpretiert werde, dann halte ich es für meine Pflicht, die Falschinterpretationen zurechtzurücken. Das ist m. E. umso mehr die Pflicht eines jeden, der Verantwortung für andere trägt. Je höher die Verantwortungsposition eines Autoren, desto größer wird diese Pflicht zur Eindeutigkeit, um Mißverständnisse möglichst gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sind Mißverständnisse bereits entstanden, dann gilt es, diese baldmöglichst auszuräumen.
Die Aussagen von Kardinal Müller sind klar, aber …
Da inzwischen nicht nur einzelne Theologen, sondern bereits einige Bischöfe bzw. sogar ganze Bischofskonferenzen verschiedener Länder unterschiedliche Interpretationen von AL liefern, bleibt die Frage, weshalb Papst Franziskus sich selbst jetzt noch immer konsequent weigert, ebenso klar zu sprechen.
Damit die Unsicherheiten, die Unruhe bis hin zu offenen Feindseligkeiten, welche die Uneindeutigkeiten von AL bereits gezeitigt haben, endlich geklärt werden könnten, wäre es absolut nötig, dass Papst Franziskus endlich seinem ureigenen Auftrag nachkommt und Klartext spricht, um seine Brüder im Glauben wieder zu stärken, wie es beim Evangelisten Lukas, Kapitel 22, Vers 32 steht.
Wenn sich Papst Franziskus weiterhin weigert, endlich eine klare und eindeutige Interpretation der uneindeutigen Stellen von AL abzugeben, dann kann (oder muß?) man annehmen, dass seine Unklarheit gewollt ist.
Was soll damit Gutes bezweckt werden???
Wahrheit ist nicht relativ! Christus ist nicht relativ!
Gott hat das letzte Wort!!! –> Beten und hoffen!
Kardinal Müller wird immer mehr zu einer tragischen Figur.
Gestartet als Assistent des Supermodernisten Karl Lehmann, flunkernd mit der Befreiungstheologie, unsensibel ggb. der Mariologie, energisch (um nicht zu sagen wütend) gegen die Priesterbruderschaft St. PIUS X. und ihr Seminar in Zaitzkofen, wegbefördert aus Regensburg nach Rom, dort zu unklaren und häretischen Aussagen in Evangelii Gaudium, Amoris Laetitia und in Briefen an Bischofskonferenzen („No hay otras interpretaciones“) fundamental schweigend und zusätzlich anders kommentierend, versuchte er die Quadratur des Kreises alias den Respekt für die Person des Papstes mit der Verteidigung des katholischen Glaubens und die Würde des Papstamts in Einklang zu bringen.
Sofort saß er zwischen allen Stühlen und wurde dann von Franziskus stante pede entlassen.
Die regelmäßig wiederkehrende Wortmeldungen v. Kard. Gerhard Müller („mache den Kohl nicht fett“) in schon verwirrter Lage und bei klar vorliegenden Fehlern und Häresien verwirren noch mehr.
Mitleid und Einsicht bei Bergoglio kann er sich nicht verhoffen; und bei zunehmend polarisierter Situation stets etwas verwirrt in der Frontlinie herumlaufend, riskiert er versehentlich ins Zielfeuer zu geraten.