(Rom) Wie hält es Papst Franziskus mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil? Das war jüngst Thema bei Il Sismografo (Der Seismograph), einem inoffiziellen Pressespiegel des vatikanischen Staatssekretariats im Internet. Der „Seismograph“ provoziere „kleine Erdbeben“ schrieb der Vatikanist Sandro Magister. Das jüngste „Erdbeben“ betrifft „nichts geringeres als die Hermeneutik, mit der Papst Franziskus das Zweite Vatikanische Konzil interpretiert und anwendet“.
Die handelnden Personen in der Sache sind:
Luis Badilla Morales, der Chefredakteur von Il Sismografo, ein Chilene, der „Minister der Regierung Allende war und seit 1973 im politischen Exil in Europa“ lebt (Terre d’America) und viele Jahre für Radio Vatikan arbeitete;
Massimo Faggioli, Kirchenhistoriker und ein führender Vertreter der progressiven „Schule von Bologna“ um Giuseppe Alberigo, für die das Zweite Vatikanische Konzil ein positiver „Bruch“ und „Neubeginn“ in der Geschichte der Kirche war;
Agostino Marchetto, Kurienerzbischof und ehemaliger Diplomat sowie gewichtigster Kritiker der „Schule von Bologna“ – und langjähriger Freund von Papst Franziskus. Marchetto ist ein Vertreter der „Hermeneutik der Kontinuität“ im Sinne von Papst Benedikt XVI.
„Der Papst kennt keine Unsicherheiten, wie das Konzil zu interpretieren ist“
Am 14. Januar veröffentlichte Il Sismografo ein begeistertes Interview mit Faggioli, das Badilla und der Herausgeber der Internetseite, Francesco Gagliano, führten.
Faggioli behauptete darin, Papst Franziskus „spricht sehr wenig vom Konzil“, weil „er es macht, es ständig umsetzt, und die faszinierendste Sache dabei ist, daß er nie ein Interesse an der Frage der Hermeneutik des Konzils gezeigt hat“. Vielmehr sei Franziskus „der erste Papst, der keine Unsicherheiten dazu hat, wie das Konzil zu interpretieren ist“. Das komme daher, daß der Papst, laut Faggioli, wie folgt über das Konzil denke: „Wir haben es jetzt in der Hand und wir interpretieren es, ohne Streitigkeiten von vor 30 oder 40 Jahren wiederaufzumachen“.
Die Begeisterung von Faggioli und seiner beiden Interviewer „erklärt sich, weil sie die Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils durch Papst Franziskus mit jener der ‚Schule von Bologna‘ gleichsetzen“, so der Vatikanist Sandro Magister.
„Nicht wahr“, daß Papst Franziskus kein Interesse an der Frage der Konzils-Hermeneutik hat
Prompt reagierte Kurienerzbischof Marchetto, der die „Schule von Bologna“ und ihre Lesart des Zweiten Vatikanischen Konzils einer systematischen Kritik unterzogen hatte. Nur drei Stunden nach der Veröffentlichung des Interviews ging in der Redaktion des Sismografo eine Replik von Msgr. Marchetto ein, die kommentarlos veröffentlicht wurde.
Deren Vertreter ignorieren das Schreiben jedoch und behaupten weiterhin Papst Franziskus als einen der Ihren und damit in Sachen Konzil eine Deckungsgleichheit des päpstlichen Denkens mit jenem der „Schule“.
Die Internetseite Il Sismografo scheint nicht unter den offiziellen Medien des Heiligen Stuhls auf, ist aber dessen direkte Gründung. Sie wird von Journalisten von Radio Vatikan geleitet und betrieben und steht unter der Aufsicht des Staatssekretariats, bis das neue Kommunikationssekretariat unter Präfekt Dario Viganò, dem bisherigen Direktor des vatikanischen Fernsehsender CTV, einsatzbereit sein wird.
Die Neutralität zugunsten der Parteinahme aufgegeben
Aufgabe des Ende Januar 2012 gegründeten Sismografo ist es, Artikel anderer Medien über Papst Franziskus und den Heiligen Stuhl vollinhaltlich in fünf Sprachen zu übernehmen und zu verbreiten. Bis vor kurzem geschah dies ohne eigene Beiträge und unkommentiert.
„Seit einigen Monaten aber haben sich die Dinge geändert. Luis Badilla Morales, der Hauptverantwortliche der Seite greift immer häufiger mit seinen Kommentaren ein, die alles sind, aber nicht neutral“, so Magister.
Er wurde von Anfang an mit der Leitung der Seite beauftragt und ist seit einigen Monaten bei TV2000, dem Fernsehsender der Italienischen Bischofskonferenz, omnipräsent. Besonders intensiv trat er während der Bischofssynode im vergangenen Oktober in Erscheinung. Auf welcher Seite der Barrikade er steht, daraus machte er kein Hehl.
Ohne Kommentar hingegen, verbreitete er die „Enthüllung“ des päpstlichen Hausvatikanisten Andrea Tornielli von einer angeblichen „Konspiration“ gegen Papst Franziskus. Als „Verschwörer“ machte er die „dreizehn Kardinäle“ aus, die bei Papst Franziskus mit einem Brief gegen die Geschäftsordnung der Bischofssynode protestierten und gegen den Eindruck, nur mehr „vorgefertigte Ergebnisse“ abwinken zu sollen. Sie hielten dem Kirchenoberhaupt vor, daß die Bischofssynode manipuliert werden solle.
Faggioli kann in Vatikan-Medium Gefängnis für Kardinal Sarah fordern
Als Sandro Magister die behauptete „Verschwörung“ als Unterstellung entlarvte, kam der ganze Zorn der Papst-Entourage zur Explosion, weil die Kardinäle den ursprünglichen Synoden-Plan zu Fall gebracht hatten. Auch Badilla konnte sich nicht mehr zurückhalten und schrieb mehrere persönliche, „sehr polemische“ Kommentare gegen die Kardinäle, die den Brief an den Papst unterzeichnet hatten und die bei der Synode zu den entscheidenden Synodenvätern gehörten, die sich der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion und der Anerkennung der Homosexualität widersetzten.
Schützenhilfe erhielt Badilla dabei von Faggioli, der an der University of St. Thomas in Minneapolis Geschichte des Christentums und an der Villanova Univesity von Philadelphia Theologie lehrt. Faggioli griff die Kardinäle-Synodalen noch schärfer an und ging soweit, für einen der dreizehn Unterzeichner, für Kardinal Robert Sarah, den Präfekten der Gottesdienstkongregation, sogar nach dem Gefängnis zu schreien. Faggioli gerierte sich mit Schaum vor dem Mund als Denunziant und behauptete, der afrikanische Kardinal habe bei seinen Wortmeldungen in der Synodenaula Dinge gesagt, „die in einigen westlichen Demokratien strafrechtlich relevant“ seien.
Seine Breitseite feuerte Faggioli aus den Spalten der Huffington Post ab. Badilla übernahm die untergriffige Forderung, einen Kardinal der Kirche und Präfekten der Römischen Kurie, für eine nichtöffentliche Äußerung in Verteidigung der kirchlichen Morallehre ins Gefängnis zu wünschen, kommentarlos beim Sismografo, einer inoffiziellen Seite des Staatssekretariats.
Schlagabtausch: Liturgiker Grillo macht sich über Papst-Briefe lustig
Faggioli, sollte sich damit eigentlich für jede Zusammenarbeit mit kirchlichen Einrichtungen selbst diskreditiert haben. Doch bei Badilla ist er auch weiterhin ein gern gesehener Gast und Interviewpartner, wie jüngst vor wenigen Tagen. Eine gemeinsame Gesinnung schweißt zusammen.
Durch das Interview wurde das Augenmerk auf das Verhältnis von Papst Franziskus zum Zweiten Vatikanischen Konzil gelenkt. Am Tag nach dem Schlagabtausch zwischen Faggioli und Kurienerzbischof Marchetto veröffentlichte der Sismografo kommentarlos die Stellungnahme von Andrea Grillo, einem bekannten Theologen und Professor für Liturgiewissenschaften an der römischen Hochschule der Benediktiner Sant’Anselmo.
Grillo eilte Faggioli zu Hilfe und machte sich sogar über die beiden Briefe von Papst Franziskus lustig, die er als bloße Kurienprodukte abtat. Papst Franziskus sei „nicht Traditionalist“, so Grillo, sondern ein „Post-Liberaler“. Konkret meinte der Liturgiker damit, daß die Hermeneutik der Kontinuität, wie sie Marchetto und Benedikt XVI. vertreten, eine „traditionalistische“ Lesart des Konzils sei. Franziskus aber mit „Traditionalismus“ in Verbindung zu bringen, das sei ja schließlich wirklich lächerlich.
Franziskus: Zweites Vaticanum heißt, „das Evangelium im Licht der zeitgenössischen Kultur neu zu lesen“
„In der Tat ist es leicht, in den Worten und Gesten von Franziskus Anhaltspunkte zu finden, die ihn vielmehr in die Nähe zu den Thesen der Schule von Bologna rücken“, so Magister.
Einen expliziten Anhaltspunkt lieferte Franziskus im Interview der Civiltà Cattolica von September 2013. Darin bezeichnete er das Konzil als „einen Dienst am Volk“, der darin bestehe „das Evangelium im Licht der zeitgenössischen Kultur neu zu lesen“.
„Nachdem dieses Interview erschienen war, wurde der Papst vertraulich darauf hingewiesen, daß die Verkürzung des Konzils auf ein solches Verständnis zumindest ‚unpräzise‘, wenn nicht ‚falsch‘ sei“, so Magister. Dieser Hinweis für den Papst kam von Kurienerzbischof Marchetto, der früher faktisch der „Einwanderungsminister“ des Vatikans war und daher mit Migrationsfragen zu tun hatte. Ein Thema, das schon Jorge Mario Bergoglio wichtig war und so lernte man sich kennen. „Die beiden befreundeten sich in gegenseitiger Wertschätzung“, so Magister. Marchetto wohnt im römischen Klerushaus in der Via della Scrofa auf Zimmer 204. Bergoglio belegte früher die Nummer 203, wenn er sich in Rom aufhielt.
Franziskus ließ sich von seinem Freund die Kritik an seiner Interview-Aussage erklären. Daraus folgte der Brief an Marchetto, mit dem der Papst seine September-Aussage korrigierte und die Veröffentlichung des Briefes erlaubte, was Marchetto am 13. November 2013 tat.
Kampf um die Deutungshoheit des Konzils
Die „Schule von Bologna“ läßt aber nicht locker. Immerhin geht es um die Deutungshoheit des Konzils, die mit jahrelanger Ellbogentechnik errungen wurde. Erst durch die Wahl von Papst Benedikt XVI. wurde ihr von höchster Stelle entgegengetreten und ihr Monopol in Frage gestellt. Ein Monopol, das nicht unwesentlich mit Unterstützung der Deutschen Bischofskonferenz zustande gekommen war.
Der Brief an Marchetto war eine klare schriftliche Aussage, der aber eine Reihe anderer Gesten und Worte entgegensteht. Damit wurde die Ambivalenz von Papst Franziskus im Umgang mit dem Konzil nicht aufgelöst. Die „Schule von Bologna“ kann ihrerseits auf päpstliche Gesten zu ihren Gunsten verweisen. Dazu zählt die jüngst erfolgte Ernennung von Corrado Lorefice, einem Vertreter der „Schule von Bologna“, zum neuen Erzbischof von Palermo.
Lorefice schrieb ein Buch über Don Giuseppe Dossetti und Kardinal Giacomo Lercaro. Dossetti war ein ehemaliger linkskatholischer Politiker, der dann Priester wurde und beim Konzil als technischer Organisator der progressiven „Rheinischen Allianz“ galt. Aufgrund seiner parteipolitischen und parlamentarischen Erfahrung, versuchte er das Konzil über die Geschäftsordnung zu steuern. Ein Aspekt, der den allermeisten Konzilsvätern so fremd war, daß er von ihnen nicht einmal wahrgenommen wurde.
Kardinal Lercaro war Erzbischof von Mailand und der italienische Hauptvertreter der „Rheinischen Allianz“. Lercaro wurde einer der vier Konzils-Moderatoren und von 1964–1957 Vorsitzender des Consilium ad exsequendam Constitutionem de Sacra Liturgia, des Rats zur Umsetzung der Konstitution über die heilige Liturgie. Sekretär des Rates, der für die Liturgiereformen von 1965 und 1969 verantwortlich zeichnet, war Pater Annibale Bugnini. Lercaro wurde zwar 1967 nach einer Rede über den Vietnamkrieg, wegen internationaler diplomatischer Verwicklungen mit den USA, von Papst Paul VI. als Vorsitzender abberufen, blieb aber Ratsmitglied.
Paul VI., Giuseppe Dossetti und die „Rheinische Allianz“
Der Kirchenhistoriker Alberto Melloni und derzeitige Leiter der „Schule von Bologna“ gab jüngst eine neue Parole aus. Auch Papst Paul VI. habe Dossetti geschätzt und seine Art der Abstimmungen bis zur letzten Stimme, um eine neue „synodale“ Kirche zu schaffen. Bisher war Paul VI. ein Lieblingshaßobjekt der „Schule“. Papst Montini wird vorgeworfen, daß der radikale Umbau der Kirche auf halbem Weg steckengeblieben und eine „restaurative“ Phase unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. möglich geworden sei. Mehr noch: Paul VI. habe bereits „restaurative“ Züge getragen, die Reformen gebremst und mit der Enzyklika Humanae vitae einen „Rückschritt“ vollzogen.
Als Melloni, zwei Tage nach Abschluß der außerordentlichen Bischofssynode am 21. Oktober 2014 im Corriere della Sera diese These aufstellte, widersprach ihm auch damals Msgr. Marchetto. Der Kurienerzbischof zitierte aus dem unveröffentlichten Tagebuch von Kurienerzbischof Pericle Felici, dem Generalsekretär des Konzils, aus dem unzweifelhaft die Abneigung Pauls VI. gegen die Manöver Dossettis hervorgeht. Felici, später zum Kardinal erhoben, sollte am 16. Oktober 1978 als Kardinalprotodiakon der Welt die Wahl von Papst Johannes Paul II. verkünden.
Das Tagebuch wurde von Marchetto, der bereits daran arbeitete, im November 2015 im Vatikanverlag veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine wichtige neue Quelle, um eine umfassende Geschichte des Konzils schreiben zu können. Magister zitiert zur Unterstreichung drei Stellen.
Die Konzilsmoderatoren I
„Als die Moderatoren ausgewählt wurden in den Personen Agagianan, Lercaro, Döpfner und Suenens, erlaubte ich mir den Kardinalstaatssekretär (Amleto Cicognani) darauf hinzuweisen, daß es sich dabei erklärtermaßen um parteiische Männer handle, die daher wenig geeignet seien, zu ‚moderieren‘. Der Staatssekretär antwortete mir mit einem gewissen Groll. Letztendlich und nach schmerzlichen Erfahrungen war er der erste, der den bei der Auswahl der Personen gemachten Fehler anerkannte.“
Die Konzilsmoderatoren II
„Leider sind die Moderatoren nicht nur einmal wenig kluge Wege gegangen. Sie haben begonnen auf eigene Faust zu handeln, indem sie das Generalsekretariat übergingen und sich der Arbeit Don Dossettis bedienten, den Kardinal Lercaro als Sekretär der Moderatoren vorgestellt hat. Ich ließ gewähren, bis die Probleme sichtbar wurden… Dann habe ich bei Kardinal Agagianan protestiert und daran erinnert, daß der Sekretär der Moderatoren laut Geschäftsordnung der Generalsekretär ist und ich keinen Ersatz zulasse, außer der Papst will es, und daß ich für nichtig halte, was bisher von Don Dossetti gemacht worden war. Dasselbe sagte ich auch Kardinal Döpfner. Der Papst, von mir darüber informiert, sagte kategorisch, daß er Don Dossetti nicht auf jenem Posten haben will, mehr noch, daß er nach Bologna zurückkehren solle.“
Die Konzilsmoderatoren III
„Es lohnt daran zu erinnern, wieviel ich arbeiten mußte, damit in den Approbationsformeln der Dekrete durch den Papst nicht jene Konzepte der falschen Kollegialität Eingang finden, die Gegenstand der Abstimmung vom 30. Oktober waren. Man wollte den Papst darauf reduzieren, mit dem bereits Beschlossenen übereinzustimmen. Der Papst, dem ich die Sache berichtete, bemerkte dazu: ‚Es sind sie, die in Übereinstimmung mit mir sein müssen, nicht ich mit ihnen!‘ Optime dictum!“
Die „Schule von Bologna“ in Privataudienz beim Papst
Am 23. Juni 2015 wurde Alberto Melloni zusammen mit einer Vertretung des von ihm geleiteten Instituts in Bologna von Papst Franziskus in Privataudienz empfangen, „der sie erneut glauben ließ, auf ihrer Seite zu stehen“, so Magister.
Einige Monate später, am 9. November, schrieb Franziskus aber einen zweiten Brief an Kurienerzbischof Marchetto, der mit einem warmherzigen Lob für dessen Edition des Konzilstagebuches von Kardinal Pericle Felici beginnt und damit dem „radikalsten Gegenteil der Theorien von einem „Bruch“ und „Neubeginn“ durch das Zweite Vatikanische Konzil“, so Magister.
Um die Sache zu beruhigen, boten Luis Badilla und Francesco Gagliano auch Erzbischof Marchetto ein Interview über die „Interpretation und Umsetzung“ des Konzils an. Die fünf Fragen und Antworten wurden am 18. Januar von Il Sismografo veröffentlicht.
Was aber denkt Papst Franziskus wirklich über das Konzil?
Weniger klar denn je ist die Haltung von Papst Franziskus zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Laut den Briefen und Aussagen von Kurienerzbischof Marchetto würde Franziskus die Hermeneutik des Bruchs entschieden ablehnen und sei vielmehr auf der Linie der Hermeneutik der Kontinuität von Papst Benedikt XVI. Dieser Eindruck wird allerdings nur in den beiden Briefen an Marchetto vermittelt, ansonsten weder durch seine Aussagen oder Handlungen noch in seinen Beteuerungen gegenüber den Vertretern der „Schule von Bologna“ bestätigt.
Letztendlich könnte man den Eindruck gewinnen, der Papst wolle seinen jeweiligen Gesprächspartnern „gefallen“ und ihnen eine Freude bereiten. Ist es Erzbischof Marchetto, so lobt er ihn und stellt sich an seine Seite. Sind es die Vertreter der „Schule von Bologna“, so lobt er diese und stellt sich an ihre Seite. Ist es nur eine Form, einer als störend empfundenen Diskussion aus dem Weg zu gehen? Oder ist das Konzil für Franziskus einfach „Schnee von gestern“, wie ein progressiver Vatikanist in dem Sinne meinte, daß sich die progressive Agenda gar nicht mehr damit aufhalten müsse?
Was also denkt der Papst wirklich über eine zentrale Frage der jüngsten Kirchengeschichte, zu der die Meinungen kaum gegensätzlicher sein könnten. Ein Ereignis, das die einen erst „zur Hälfte“ umgesetzt sehen, andere es so als „alternativlos“ behaupten und von den „Früchten des Konzils“ sprechen, die wieder andere trotz Anstrengung nirgends finden können und manche es gar für den Brandbeschleuniger der Kirchenkrise halten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: CR/TV2000/vatican.va/romanoprodi (Screenshots)
Dazu fällt mir nur ein Stichwort ein: Zickenkrieg.
Ist ja ekelhaft. Ein einzige Gewimmel von Schlangen und Intriganten, die im Prinzip keinen vernünftigen Satz aussprechen.
Worum geht es?
Was ist „Restauration“? Wo ist denn der halbe Weg, weiß einer schon den ganzen? Und was hat Kard. Sarah konkret in der Aula gesagt? Und inwiefern ist es strafbar und vor allem in welchen „westlichen“ Staaten denn?
Gott sei Dank, sitzt Jesus im Regiment und im zweifelsfall NICHT der Papst samt seiner desaströsen Hierarchie, die er sich ja nun seit 1917, nach Einführung des CIC, immer rücksichtsloser und herrischer selbst zusammenstellt. Seither ist die Hierarchie immer verkommener. Auch diese großartige Aktion – Verzeihung, aber es war wieder Pius X., der das unbedingt als das angeblich Gelbe vom Ei initiierte und weitgehend durchsetzte – ist ein vernichtender Schuss in den Ofen gewesen.
Es war wahrscheinlich doch viel gesünder, solange bei der Besetzung der Bischofssitze immer auch die regionalen weltlichen Regierungen und kirchliche Repräsentanten mitreden oder nach uraltem kirchlichem Recht mancherorts sogar vollkommen eigenständig entscheiden durften… Auch das ist längst kirchengeschichtlich aufgeklärt, dass das nicht pauschal lles „Gallikanismus“ war, sondern tatsächlich geltendes Recht.
Angesichts der Tautologisierung von Macht in der Kirche hat es jetzt 100 Jahre gebraucht, um in der Kirche flächendeckend Horrorgestalten auf die Bischosstühle zu bringen, die letzten Ausnahmen verflucht man nun ins Gefängnis. Armer Kardinal Sarah!
1917 war nicht nur Fatima, sondern eben auch die Besiegelung der totalitären innerkirchlichen Struktur durch die veröffentlichung des CIC. Man denke doch einfach mal etwas breitflächiger über wirklich ALLE Zusammenhänge nach. Bitte!
Das ist wieder ein Rundumschlag, der nichts aussagt als über die Kommentatorin mit ihren Tiraden.
Schon die Debatte als solches ist grotesk wir sehen täglich in den Handlungen des Papstes, dass er das Konzil klar so sieht, wie in der unmittelbaren Nachkonzilszeit
Dieses 2. Vat. Konzil sollte durchaus als eine Abkehr von einer teilweise kritikwürdigen „Vergangenheit“ (die Jahrzehnte oder so vorher) angesehen werden. Eine gute Erneuerung hätte es werden sollen.
Aber es kam wohl anders: das Kind wurde mit dem Bade ausgeschüttet. Und dafür ist der Begriff „Bruch“ wohl nicht geeignet: man muß hier schon von Amputation sprechen.
Der Begriff „Bruch“ klingt ja irgendwie noch positiv, aber damit verschleiert man das ganze Ausmaß dessen, was sich tatsächlich zugetragen hatte und weiterhin zuträgt. Der „Bruch“, der ein Abbruch war und ist.
Ob es eine Kontinuität gibt, wie von Papst Benedikt behauptet, das kann ich nicht beurteilen. Kontinuität auf was hin bezogen?
Kontinuität zum „alten“ und zu überwindenden Geist der „vorkonziliaren Kirche“?
Meines Erachtens ist der Begriff Bruch ungeeignet und wird aber als ideologische Waffe von Zerstörern gehandhabt, da er wie gesagt in unserer westlichen Welt als etwas Positives begriffen und hingestellt wird. So wird auch der Herr und Erlöser als jemand dargestellt, der einen Bruch mit dem Judentum bzw. „Alten Bund“ vollzogen hätte. So sagen es Theologen und Priester- eine platte Unwahrheit.
Aber auch der Begriff Kontinuität ist nicht geeignet m.Er. Das wäre ja eine Fortsetzung des problematischen Geistes wie er vorher (Jahrzehnte) war.
Man kann erahnen wie Franziskus über das II.Vatikanum denkt. Das Konzil dass sich
unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. zu erholen schien, da die Lehren der Kir-
che bekäftigt und gefestigt wurden, ist für Franziskus das Sprungbrett für seine
sogenannten Reformen geworden. Es ist ja bekannt, dass Franziskus als Kardinal den
damals amtierenden Papst Benedikt XVI. öffentlich kritisiert hat. Deshalb ist es
für Franziskus jetzt ein leichtes, das zu tun was er für richtig hält. Sein Ponti-
fikat zeigt jetzt schon, dass er die Kirche verändert und glaubenslos macht. Mit
seiner Vorgabe, dass Evangelium neu zu lesen, und zwar in zeitgenössischer Kultur !,
besagt, dass in der Lehre Veränderungen erfolgen müssen und das nicht zum Vorteil
eines intensiven Glauben. So wird alles oberflächlich und verschwommen. Dadurch
wird naturgemäß Streit, Zwietracht und Unfrieden weiter gefördert. Aber dadurch
wird der Riss in der Kirche sichtbar werden.
Unter JP II und BXVI. sind die „Lehren der Kirche“ keineswegs „gefestigt und bekräftigt“ worden. das kann man höchstens für die Sexualmoral sgaen, aber selbst da wurde durch die Umkehrung der Ehezwecke all das befördert, was man dann doch (noch) nicht zugestehen wollte. man wich also hier ab von der tradierten Ehelehre.
Ansonsten braucht man nicht ständig zu wiederholen, wie sehr insbesondere JP II die Traditionen verlassen hat mt seinem Ökumenismus („Assisi“), seiner Allversöhnungslehre, der Zulassung schlimmster Missstände in der Hl. Messe und seinem undurchsichtigen Global-Player-Gehabe, das ja noch gar nicht wirklich erforscht ist. Seine Akten sind noch nicht freigegeben und was sein Pontifikat wirklich alles verantwortet, muss erst noch genau erforscht werden.
Genauso Benedikt: Seine seltsame „Messopfertheorie“ (Einf. i. Christentum), das morbide „Kontinuitätsmodell“, das auf „Reform der Reform“ setzte, seine Forderung nach einer Weltregierung (in Caritas in veritate), seine Abwertung der Gottesmutter (in der Einführung ins Christentum) – nein:
F. knüpft in sehr vielen Punkten an diese beiden und an Paul VI. an, v.a. aber an JP II.
Und das sagt er ja auch übrigens immer ganz klar. Er verschweigt seine Quelle ja nicht.
@Zeitschnur
Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen, dass JPII und BXVI mehr tun hätten können. FI macht es vpr, wie es auch anders geht.
Ihre Argumentation hinkt aber, wenn sie zweimal als Beleg Ratzingers „Einführung in das Christentum“ heranziehen müssen. Das ist nur dann schlüssig, wenn das dort Ausgesagte auch in seinem Pontifikat Bestätigung findet. Dann allerdings bräuchte man nicht mehr sein Buch zitieren.
In anderen Punkten (s.o.) gebe ich Ihnen Recht.
@ roma locuta
Ratzinger hat das Buch halt nach der Papstwahl noch einmal genauso und unkorrigiert auflegen lassen – das sagt doch an sich alles.
Er hat die problematischen und häretischen Aussagen darin auch nicht zurückgenommen, als er Papst war, etwa durch eine andere Aussage zu den Themen.
Nein: Es blieb dabei.
Für mich besonders schwerwiegend seine Behauptung, man könne die „Messopfertheorie des 16. Jh (also die dogmatischen Aussagen des Tridentinums) so nicht mehr deuten wie bisher. Das ist wirklich starker Tobak!
Denke am ehesten, dass dieser Papst wirklich post-konziliar ist und sich schon von seiner persönlichen Anlage her nicht für solch theoretische Fragen wie die Hermeneutik von Konzilstexten interessiert.
Irgendwie hatte ja auch Karl-Josef Kardinal Becker SJ der Piusbruderschaft ähnliches empfohlen, nämlich nicht mehr über einzelne Formulierungen zu streiten. Man solle das Konzil hinter sich lassen.
Dies könnte man aus traditionsorientierter Perspektive als Überwindung des Konzils begrüßen.
Das wünscht Papst Franziskus natürlich nicht. Er will das Konzil nicht überwinden, sondern überschreiten, um nicht mehr auf Texte und deren Interpretation festgelegt werden zu können.
Jetzt hat er wieder gesagt, wer alle Veränderung ablehne, widersetze sich dem Heiligen Geist.
Also zumindest in meiner Hermeneutik des Ersten Vaticanum bedeutet die Unfehlbarkeit des Papstes nicht, dass Papa Bergoglio seinen Vogel auf keinen Fall mit der Taube des Heiligen Geistes verwechseln kann.
Das sollte umsomehr Pater Niklaus Pfluger FSSPX bezogen auf seinen Vogel ebenfalls nüchtern in Erwägung ziehen.
Ja, vielleicht wird sogar der Vatikanaffe [Projektion am 8.12.] mit dem Heiligen Geist verwechselt?
Es wird wohl kaum der voll des Heiligen Geistes sein, der ihn immer wieder ausdrücklich für sich in Anspruch nimmt. Und es ist ja wohl vor allem Bergoglio selbst und seinesgleichen, die sich nicht verändern wollen, sondern stur ihre jahrzehntelang gescheiterte Agenda doch noch durchzusetzen trachten. Die Uneinsichtigkeit und Lernresistenz der Konzilsrevoluzzer ist doch das Problem. Die, die sich und ihren Wahn für die Sperrspitze des Fortschritts ansehen, sie sind doch längst die in Unreife und Pubertät völlig festgefahrenen Ewiggestrigen.
Riskante Äußerung, mein Lieber, mir geht das gegen den Strich, das mit dem Affen und dem… ich kann es nicht aussprechen, und mit absoluter Sicherheit hat F. das auch gar nicht intendiert. Er dachte, er projiziert die Schöpfung auf den Petersdom. Das mag uns gefallen oder nicht, aber es war offenkundig, dass er genau das meinte.
Ich bitte also um Rücksichtnahme auf meine religiösen Gefühle. Sarkasmus, in dem der Hl. Geist vorkommt, verletzt mich.
@ Kirchen-Kater
So einen noblen Namen kann ich mir, ehrlich, nicht geben. Die Kirche ist 200 m weit entfernt, jeden Tag ist eine Hl. Messe, aber ich schaffe es nur am Mittwoch zusätzlich. Rentner mit Lese-Freßsucht.
Mir gefällt es nicht, wenn Sie den gewählten Papst einfach Bergoglio nennen, beide Namen zusammen sind angemessen. Aber -
wenn wir Franziskus als Opfer des GdK, „Geist des Konzils“, einordnen und die Revoluzzer (mehr oder weniger selbstverschuldet) ebenso, dann sind wir auf der Spur, die niemand sehen will. Wie eine Ideologie wirkt der GdK in der Kirche mit NEUEN Wahrheiten, Verblendung bis Wahn.
Das nennen Sie Uneinsichtigkeit und Lernresistenz. Und damit haben Sie vollkommen recht.
Um das „Militante“ zu dämpfen, etwas Persönliches. Für eine „schöne Kniebeuge“ habe ich zweimal Lohn bekommen: Einmal 50 Pfennig, aus einer anderen Quelle aber etwas Großes, einen unangreifbaren Glauben und Ideologie-Resistenz. Mit 13 Jahren wurde ich Anti-Kommunist und UNO-Skeptiker wegen der Niederschlagung des Ungarnaufstandes [1956] durch die Sowjets. Nur die Taten wirkten momentan als Lehre. Immer suche ich die Fehler in anderer Leute Lehren. Vor meinen eigenen Fehlentscheidungen hat mich diese Gnade aber nicht bewahrt.
Allen zur Erinnerung!
Papst Benedikt XVI. hat in seiner ersten Weihnachtsansprache nach seiner Wahl am 22. Dezember 2005 Grundsätzliches zur Problematik einer progressivistischen Konzilsauffassung gesagt:
„Ihre Vertreter behaupten, dass die Konzilstexte als solche noch nicht wirklich den Konzilsgeist ausdrückten. Nicht in diesen Kompromissen komme jedoch der wahre Geist des Konzils zum Vorschein, sondern im Elan auf das Neue hin, das den Texten zugrunde liege: Nur in diesem Elan liege der wahre Konzilsgeist, und hier müsse man ansetzen und dementsprechend fortfahren. Eben weil die Texte den wahren Konzilsgeist und seine Neuartigkeit nur unvollkommen zum Ausdruck brächten, sei es notwendig, mutig über die Texte hinauszugehen und dem Neuen Raum zu verschaffen, das die tiefere, wenn auch noch nicht scharf umrissene Absicht des Konzils zum Ausdruck bringe. Mit einem Wort, man solle nicht den Konzilstexten, sondern ihrem Geist folgen.
Unter diesen Umständen entsteht natürlich ein großer Spielraum für die Frage, wie dieser Geist denn zu umschreiben sei, und folglich schafft man Raum für Spekulationen. Damit missversteht man jedoch bereits im Ansatz die Natur eines Konzils als solchem. Es wird so als eine Art verfassungsgebende Versammlung betrachtet, die eine alte Verfassung außer Kraft setzt und eine neue schafft.… Die Konzilsväter besaßen (aber) keinen derartigen Auftrag, und niemand hatte ihnen jemals einen solchen Auftrag gegeben; es konnte ihn auch niemand geben, weil die eigentliche Kirchenverfassung vom Herrn kommt, und sie uns gegeben wurde, damit wir das ewige Leben erlangen und aus dieser Perspektive heraus auch das Leben in der Zeit und die Zeit selbst erleuchten können. Die Bischöfe sind durch das Sakrament, das sie erhalten haben, Treuhänder der Gabe des Herrn“.
Damit wäre eigentlich alles gesagt – auch für Papst Franziskus, dem Bischof von Rom.
Ich denke, das zweite Vatikanische Konzil war die Strafe für die Menschheit nach dem 2. Weltkrieg, weil sie sich nach soviel Leid noch immer nicht bekehrt hatte(obwohl sie durch Fatima gewarnt war). Stattdessen wurde von da an noch schlimmer gesündigt als vor dem Krieg. Die 60er Jahre brachten zwar Wohlstand, doch gleichzeitig entfernte sich der Mensch durch Vergnügungssucht und Autonomiewahn von Gott und von da an nahm das heute sichtbare Unheil seinen Lauf. Ganz zu schweigen von den immer weniger werdenden Messbesuchern ab dem 2. Vatikanischen Konzil. Diese sind auf jeden Fall die „Früchte des Konzils“, soviel kann man gewiss sagen. Der kalte Krieg, Tschernobyl, Fukushima und zahlreiche Naturkatastrophen waren ebenfalls Warnungen für die Menschheit und weil diese sich noch immer nicht bekehrt hat, hat sie einen solchen Papst und einen finalen dritten Weltkrieg aufgrund ihrer Sünden leider verdient. Niemand will einen Krieg, aber die Wenigsten sind bereit, sich zu Gott zu bekehren. Es gibt heute lauter Thomasse, die erst dann glauben, wenn sie sehen, doch dann wird es wohl für sie zu spät sein.
Sehr verehrter Sophus,ich möchte mich zuerst zn dieser Stelle,für Ihren Beitrag v.18.1.2016,20’29,bedanken.Ich muste sehr nachdenken und dann war bereits die Diskusion geschlossen.Auch das war ‚denke ich,gut.Es wäre schön,mit jemandem über den Glauben an den Dreieinigen Gott,tief glauben,zu sprechen,doch nicht hier.Ich kenne den Glauben Benedikts XVI ‚ohne vorher darüber,gelesen zu haben,bin jetzt dankbar,für diese,neue Klarheit,die immer wieder,einzelne Sätze,die ich in der Heiligen Messe hörte,so lebendig macht.Ich bin nicht Theologe,(mein Beruf war Arzt),ich ging und gehe kaum zur Kirche,den Glauben suchte ich nicht als Krücke,dieser Katholischer Glauben kam an mich zu,als Geschenk,ich hörte nur zu,in Liebe.Danke,sehr verehrter Sophus,auch für diesen,obigen,Beitrag,..Und erneut,BenediktXVI.
Nichtsdstotrotz hat Johannes XXIII. ein „Neues Pfingsten“ ausgerufen und Paul VI. und JP II folgten ihm darin.
Und ich kann nur immer wieder sagen, der Konstruktionsfehler dieses Konzils wurde 1870 grundgelegt, als man den Papst zum geradezu esoterischen Idol erhöhte.
Man sollte fragen, ob vor 1870 ein Papst je gewagt hätte, ein PFINGSTEN zu initiieren, also das, was normalerweise nur der Hl. Geist auf Gebet hin dann tut, wann er will!
Manche wollen es nicht glauben, aber all dieser Quatsch vom „Konzilsgeist“ ist tatsächlich sehr wohl konziliare Doktrin, aber möglich wurde sie erst nach dem Papstdogma, auch wenn das Dogma das gar nicht direkt sagt, aber suggestiv eben doch nahelegt.
Päpste hatten seither den Charakter von Heiliggeist-Verwaltern – und genau das kann nicht sein! Das Papstamt beinhaltet eben weder einen sakramentalen noch sonstigen Automatismus.
Benedikt hat sich diesem Problem nicht stellen wollen und hat auf halbem Wege ien bisschen herumlaviert – was sollte das bringen? Noch dazu, wo er dann zurücktrat, um dem nächsten zauberer Platz zu machen, der sich einbildete, ständig „neue Pfingsten“ auszurufen?
Die Katholiken hätten, vom Klerus angespornt, mit dem Rosenkranz den 2. Weltkrieg verhindern können.
Das weitere wurde uns mit dem Gebet von Amsterdam offenbart? – nein ins Gedächtnis zurück gerufen.
@ zeitschnur,
vielleicht dämmert Ihnen in ein paar Jahren, was es mit dem Geist des Konzils auf sich hat, wenn auch noch der Geist der Synode zu geistern anfängt.
Ersterer erscheint mir als verendet, aber sein Aasgestank wabert noch in all zu vielen Köpfen.
@ Konrad Georg
Und Ihnen dämmert vielleicht bei Gelegenheit, mein Posting erst mal genauer zu lesen, bevor Sie solche herablassenden und themaverfehlenden Sprüche klopfen…
Das Problem des 2. Vatikanischen Konzils hat mit dem Glauben zu tun m. Er. In der Kirche vor dem Konzil herrschte wohl manchmal nicht der wahre christliche Geist, sondern etwas wie ein klerikaler, pharisäischer Ungeist oder so.
Das Konzil sollte dem ja offenkundig entgegenwirken, und Glauben und Kirche wirklich erneuern und Lasten auch abwerfen. Inwiefern sich das alles in den Konzilstexten spiegelt, kann ich nicht sagen, weil ich kein Fachmann bin.
Offenbar aber scheint mir, daß das Konzil dann viele Theologen und Laien komplett überfordert hat und genau das ist ein Beweis meines im vorigen Satzes Gesagten. Das Konzil wirkte und wirkt als Offenbarung und Trennscheide der Geister so wie sich Spreu vom Weizen trennt. Aber vermutlich ist das so einfach auch wieder nicht.
Fakt ist doch wohl, daß manche Texte offenkundig revisionsbedürftig oder noch mehr erläuterungswürdig sind. Ich möchte mich dabei auf Herrn Weihbischof Athanasius Schneider berufen, der sich hier auf Katholisches.info dazu schon mal geäußert hatte.
@ Franzel
Der Geist Martin Luthers lastet auf DEutschland .
Ich möchte sie ermuntern, weiter auszuholen.
Das Ziel der dt. Bischöfe, der „Rheinischen Allianz“ im Konklave war, die Fortsetzung von 1517, die Reformation genannte Revolution Luthers, zu erreichen. Aber das allein erklärt nicht die ganze Bandbreite der Verwerfungen. Der protestantische Theologe Morstad aus Norwegen beschreibt die Entwicklung ab etwa 1900 . Die Probleme werden immer von schwachgläubigen Theologen angeleiert, von ebensolchen und daher leicht beeinflußbaren Klerikern verbreitet.
Werter @ Methodus!Es freut mich, dass Ihnen der Bericht Kurienkardinal koche über die Theologie Papst Benedikts XVI. entsprochen hat.Ich nehme Ihre positive Rückmeldung zum Anlass, Sie und andere Interessierte mit einem weiteren Text, diesmal über die Exegesemethode Papst Benedikts XVI. bekannt zu machen, auf deren Basis er seine Jesus-Trilogie erarbeitet hat. Während der erste Text die notwendige Grundeinstellung des Theologen zum Wort Gottes beschreibt, lässt der nachfolgende Text von Frater Marcus Holden die Arbeitsweise Papst Benedikts XVI. erkennen. Es geht im Wesentlichen um die Leistungsfähigkeit der historisch-kritischen Methode und ihre Überforderung. Die Jesusbände Papst Benedikts XVI. haben uns gelehrt, dass die historisch-kritische Methode Grenzen hat und dass diese Grenzen überschritten werden müssen. Optimisten meinen sogar, „dass manche Verengungen der historisch-kritischen Methode in der Exegese mittlerweile als überwunden angesehen werden können.“ (Michael Stickelbroek, DT vom 19.5.2011, S.7). So etwa die Aufspaltung zwischen dem „historischen Jesus“ und dem „Christus des Glaubens“. Die Worte hört man wohl, allein Anzeichen dafür sucht man vergebens, jedenfalls ist diese Erkenntnis, wie es scheint, an der Gemeindbasis noch nicht angekommen. Im Gegenteil! Hier herrscht über so manche Predigt noch immer blankes Entsetzen, etwa wenn von der neuen Pastoralassistentin unserer Pfarrei in der Karfreitagsliturgie 2011 dem vollen Gotteshaus in bester historisch-kritischer Manier gepredigt wird, Jesus sei nicht sühnend für unsere Sünden gestorben, denn Gott habe menschliche Sühne nicht nötig. Der Kreuzestod Jesu sei nicht in Gottes Absicht gelegen, sondern geschichtlich eher zufällig passiert und den Römern anzulasten, ein Fehler, den Gott durch die Auferweckung Jesu wieder wettgemacht habe. Es hörte sich an, als würde die junge Dame aus ihrem Skriptum lesen. Und solche Skripten liegen tonnenweise bei Universitätsdozenten, Pfarrern, Gemeinde-und Pastoralassistentinnen und Religionslehrern zum schnellen Zugriff bereit. Solange an der Mär von der Spätdatierung der meisten NT-Schriften, die für die historisch-kritische Methode „lebenswichtig“ ist, festgehalten wird, kann es keine allgemeine Wende in der Theologie weg von derartigen Irrtümern und hin zur Neuevangelisation geben. Diesen Weg zurück zu einer Wort-Gottes-Exegese hat Papst Benedikt XVI. gewiesen.
Der Aufsatz „Jenseits der historisch-kritischen Methode“ von Frater Marcus Holden in der Übersetzung aus dem Englischen von Katrin Krips-Schmidt, im Internet unter dem „Portal zur katholischen Geisteswelt“ verfügbar, umreißt die Position des Exegeten Joseph Ratzinger/Papst Benedik XVI. zur historisch-kritischen Exegese. Holden schreibt: „Die historisch-kritische Methode der biblischen Exegese dominiert das Schriftstudium seit mehr als hundert Jahren. Trotz des Unbehagens vieler Theologen, und insbesondere der Gläubigen, an der Art und Weise, wie diese Methode ausgeführt wird, haben es nur wenige gewagt, ihre Voraussetzungen und Schlussfolgerungen sowie ihre Ausschließlichkeit zu hinterfragen. Eine der Persönlichkeiten, die konsequent eine Neubewertung, eine Reinigung und Erweiterung dieser vorherrschenden Methode der biblischen Exegese einfordert, ist Joseph Ratzinger. Sein Beitrag als Papst Benedikt XVI. in diesem entscheidenden Bereich der Theologie wird nunmehr umso einflussreicher sein.
In seinem Buch Jesus von Nazareth fordert uns Joseph Ratzinger dazu auf, über die bloße historische Kritik hinauszugehen und zu einer tiefergehenden theologischen Lektüre der Schrift zu gelangen (1). Er räumt zwar ein, dass ein wirklich historischer Ansatz vonnöten ist, doch wenn dieser die isolierte Vergangenheit als vergangen behandelt, „schöpft [sie] den Auftrag der Auslegung für den nicht aus, der in den biblischen Schriften die eine Heilige Schrift sieht und sie als von Gott inspiriert glaubt.“ (2).
Indem Ratzinger diesen Punkt zur Sprache bringt, verlagert er geschickt die Debatte weg von einer Beurteilung darüber, was die historisch-kritische Methode erreicht hat und was nicht, hin zu einer neuen Offenheit gegenüber dem, was viel weiter als diese historische Kritik selbst geht.
Zweifellos hat die kritisch-historische Exegese während der vergangenen hundert Jahre zu unerhörten Fortschritten in unserer Bibelerkenntnis beigetragen: in Bezug auf ein besseres Verständnis der literarischen Gattungen, der Quellengeschichte und Textkomposition; im Hinblick auf Etymologie und Archäologie; in der Durchdringung alter Sprachen und kultureller Rahmenbedingungen. Gleichwohl hat es zu keiner anderen Epoche eine derartige Krise der Glaubensrelativierung gegeben wie in der heutigen der modernen Forschungsergebnisse. Dieses Problem macht sich ganz besonders in Zusammenhang mit der Person Jesu Christi selbst bemerkbar. Viele Gelehrte haben den „historischen Jesus“ vom „Christus des Glaubens“ abgespalten und damit Theologie und Doktrin von Vernunft und Realität abgetrennt. Die potentiellen Konsequenzen einer solchen Entwicklung sind besorgniserregend. „Die innere Freundschaft mit Jesus, auf die doch alles ankommt, droht ins Leere zu greifen“.(3)
Angesichts des vorhandenen Skeptizismus überrascht es nicht, dass die immer wieder angewandte christliche Methode einer theologischen Wahrheits- und spirituellen Bedeutungssuche in den Heiligen Schriften während der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts nahezu in den Hintergrund getreten ist. Ratzinger bemerkt, dass diese, in der traditionellen christlichen Interpretation aufgefundene, bedeutsame Synthese „in dem Augenblick fragwürdig werden [musste], in dem das historische Bewusstsein Auslegungsmaßstäbe entwickelte, von denen her die Exegese der Väter als unhistorisch und daher als sachlich unhaltbar erscheinen musste.“ (4) Beim Nachsinnen über diese eigenartige Sackgasse hat Joseph Ratzinger festgestellt, dass die Krise im Bibelverständnis in eine noch viel deutlichere Zwickmühle in der theologischen Hermeneutik hineinführt und dieses Dilemma befeuert. Fast zwanzig Jahre zuvor beobachtete Joseph Ratzinger: „Die moderne Exegese verwies Gott, wie wir gesehen haben, vollständig in das Unbegreifliche, das Außerweltliche und Unaussprechliche, um den biblischen Text als solchen als eine gänzlich weltliche Realität mit naturwissenschaftlichen Methoden behandeln zu können.“ (5)
Die Säkularisierung der Exegese hat ihre Ursache in einem gegen das Übernatürliche gerichteten Rationalismus, der seit der „Aufklärung“ gegenwärtig ist und zunimmt. Wenn man die Wirklichkeit Gottes und seine aktive Lenkung der Schöpfung leugnet, dann folgt daraus, dass man die Vorstellung einer inspirierten Schrift verneint, die uns die objektive göttliche Offenbarung zuteil werden lässt sowie den Schlüssel zum Verständnis der Geschichte. Eine theologische und übernatürliche Sicht der Exegese wird dann automatisch verworfen, einer seriösen Wissenschaft für unwürdig gehalten oder einfach auf eine Fußnote in der Ideengeschichte reduziert.
Die von Ratzinger aufgegriffene Fragestellung hat nichts damit zu tun, die biblische Historizität zu verteidigen oder anzugreifen, sondern ist vielmehr fundamentaler Art. Was der Rationalist mit seiner speziellen Philosophie nicht hinnehmen konnte, war der – der traditionellen Exegese inhärente – Anspruch, dass es hinsichtlich der Bedeutung von Geschichte eine privilegierte Erkenntnis gibt, die vom transzendenten Gott selbst kommt. Der genau richtige theologische und offenbarende Sinngehalt der Heiligen Schrift, der schon immer ein essentieller Bestandteil der traditionellen Exegese war, konnte noch nie als „Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft“ betrachtet werden und war deshalb unzumutbar. Wenn die historische Bibelkritik, deren „eigentlicher Gegenstand (…) das Menschenwort als menschliches“ (6) ist, von einem rationalistischen Gelehrten als ausschließliche Herangehensweise an die Heilige Schrift eingesetzt wird, verbannt man den Glauben zwangsläufig aus der Exegese. Wenn überdies die dogmatische Glaubensüberzeugung an einen einheitlichen Korpus der Schrift ausgeschlossen wird, dann erweist sich jeglicher Zusammenhang zwischen dem Alten und dem Neuen Testament als äußerst dürftig. Ratzinger stellte fest:
„Insofern schien mit dem Sieg der historisch-kritischen Exegese die vom Neuen Testament selbst initiierte christliche Auslegung des Alten Testaments gescheitert. Dies ist, wie wir sahen, nicht eine historische Einzelfrage, sondern die Grundlagen des Christentums selbst stehen dabei zur Debatte.“ (7)
Selbst die herausragendsten Hilfsmittel bei der Aufdeckung der Oberflächenbedeutung eines isolierten Textes der Heiligen Schrift sind nur von geringer Tragweite, wenn die Bedeutung und die Schlussfolgerungen dieser buchstäblichen Passage weder innerhalb des gesamten biblischen Korpus kontextualisiert noch für die offenbarte theologische Wahrheit genutzt werden können. Die historische Bibelkritik befasst sich mit der Heiligen Schrift stets so, als bestehe diese aus einer Reihe fragmentierter Werke aus unterschiedlichen Epochen, und damit bleibt sie per definitionem auf der einfachen Stufe menschlicher Hypothesen stehen. Wenn dies nunmehr das exklusive Bemühen des biblischen Wissenschaftlers geworden ist, dann ist die Theologie kategorisch ausgeschlossen und durch eine weitgehend säkulare Philosophie und Weltsicht ersetzt worden.
Ratzingers Lösung des Problems
Joseph Ratzinger zeigt zwei klare Wege auf, durch die wir zu einer Lösung der exegetischen Krise beitragen können:
1. Eine Neukonzentrierung durch Glaube und Vernunft
Als erstes muss die historisch-kritische Methode selbst bereinigt werden. Eine solche Läuterung der historisch-kritischen Methode kann durch das Abwerfen philosophischen Ballastes erfolgen, der sie dadurch belastete, dass sie den Glauben unter Generalverdacht stellte. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, weshalb wir keine exakte und objektive historische Forschung über die Geschichte antiker Völker und Texte betreiben könnten, während wir gleichzeitig an Gott, Vorsehung und göttliche Inspiration glauben. In Jesus von Nazareth begegnet Ratzinger dem dürftigen Skeptizismus der Kritiker sowohl mit überzeugenden Argumenten als auch vor allem mit jener umwerfend simplen Alternative, die sich jedem Fragesteller eröffnet: „Ich vertraue den Evangelien.“ (8) Durch diesen meisterhaften Schachzug wird die philosophisch aufgeladene Hermeneutik des Misstrauens durch eine Hermeneutik des Vertrauens ersetzt.
Joseph Ratzinger hat die Theologen und Exegeten schon oft dazu aufgerufen, wachsam gegenüber impliziten philosophischen Annahmen zu sein, die bereits eine gewisse Voreingenommenheit gegen dem Glauben und die übernatürliche Dimension der Offenbarung in sich tragen. Sehr deutlich stellt er fest, dass „die Debatte über die moderne Exegese in ihrem Kern nicht eine Debatte unter Historikern [ist], sondern eine philosophische Debatte.“ (9) In Wirklichkeit ruft er uns dazu auf, die Hermeneutik des Misstrauens gegenüber der Heiligen Schrift durch die Exegeten selbst rückgängig zu machen. In seinem Werk Schauen auf den Durchbohrten stellt er die These auf: „Die historisch-kritische Methode wie auch andere neuere wissenschaftliche Methoden sind wichtig zum Verständnis der Heiligen Schrift wie der Überlieferung. Ihr Wert hängt allerdings an dem hermeneutischen (philosophischen) Kontext, in dem sie angewandt werden.“ (Schauen auf den Durchbohrten, Johannes Verlag Einsiedeln, 2. Auflage 1990, S. 37.) Vorbehalte hinsichtlich minimalistischer Voraussetzungen müssen nicht als ein Angriff auf die historisch-kritische Methode selbst angesehen werden. Womit dazu aufgerufen werden soll, dass die Kritiker ein wenig mehr Selbstkritik und Selbstbeschränkung mit größerer hermeneutischer Redlichkeit und einem stärkeren philosophischen Bewusstsein üben. (10)
Eine derart bereinigte historisch-kritische Methode kann, Ratzinger zufolge, einem wirklich theologischen Verständnis der Heiligen Schrift zugänglich sein und damit arbeiten. Diese Offenheit entspricht der Empfänglichkeit der Vernunft, bevor man glaubt. Von einem rein menschlichen Standpunkt aus betrachtet „[verweisen] die einzelnen Schriften … irgendwie auf den lebendigen Prozess der einen Schrift, der sich in ihnen zuträgt.“ (11) Wir fangen an, selbst ohne theologischen Glauben, den erstaunlichen inneren Zusammenhang dieser Dokumente und der darin beschriebenen Ereignisse zu erkennen. (12) Wenn der Glaube dann diesen inneren Zusammenhang als von Christus stammend und als übernatürlich begründet zu begreifen beginnt, dann betreten wir den Bereich der eigentlichen Theologie. „Aber dieser Glaubensentscheid trägt Vernunft – historische Vernunft – in sich und ermöglicht es, die innere Einheit der Schrift zu sehen“. (13)
In seinem gesamten Werk Jesus von Nazareth legt uns Papst Benedikt ein praktisches exegetisches Beispiel für eine bereinigte historische Annäherung an die Schrift vor. Er liest den heiligen Text mit Glauben und Ehrfurcht, angetrieben durch das Aufspüren-Wollen des wahren „Antlitzes Christi“, im Rahmen der von der Kirche göttlich verbürgten Lehre, während er sich gleichzeitig des vollständigen modernen historischen Instrumentariums bedient, um die Ursprungssprachen sowie den ursprünglichen Kontext und Aufbau des biblischen Textes zu verstehen. So wie uns Jesus den Schriftgelehrten des Himmelreiches im Matthäus-Evangelium vorstellt, so holt Ratzinger aus seinen Schätzen „Neues und Altes“ hervor (Mt 13, 52). In einer .… Generalaudienz sagte Papst Benedikt: „Wir dürfen nie vergessen, dass das Wort Gottes über die Zeiten hinausgeht. Die Meinungen der Menschen kommen und gehen. Was heute sehr modern ist, wird morgen sehr alt sein. Das Wort Gottes hingegen ist Wort des ewigen Lebens, es trägt die Ewigkeit in sich, das, was für immer gilt. Indem wir in uns das Wort Gottes tragen, tragen wir also in uns das Ewige, das ewige Leben.“ (14)
2. Eine Rückkehr zum spirituellen Sinn der Schrift
Vor dem Hintergrund einer neuen theologischen Offenheit führt Joseph Ratzinger eine zweite Möglichkeit an, unsere exegetische Krise zu lösen, nämlich durch die Wiederbelebung einer wahrhaft theologischen Exegese, wie sie die Kirchenväter vorlegen. In seinem bedeutenden Geleitwort zum Dokument der Päpstlichen Bibelkommission von 1993 Die Interpretation der Bibel in der Kirche lobt er „neue Versuche (…), die Methoden der Väterexegese wiederzugewinnen und erneuerte Formen geistlicher Auslegung der Heiligen Schrift zu erschließen.“ (15) Man muss sich nur einen Überblick über seine vielen theologischen Schriften verschaffen, um klar zu erkennen, wie durchdrungen er von der patristischen Theologie ist. Er selbst hat seine Liebe zu den Kirchenvätern und den theologischen Einfluss, den diese auf ihn ausgeübt haben, sehr ausführlich geschildert. Hinsichtlich einer Erneuerung der Exegese spricht er daher von der Notwendigkeit „die großartigen Entwürfe patristischen und mittelalterlichen Denkens in die Diskussion miteinzubeziehen.“ (16) In seinem Werk Jesus von Nazareth sowie seinen beispiellosen Vorträgen über die Kirchenväter hat er seine Idealvorstellung in die Tat umgesetzt. So gut wie alle Kirchenväter verwandten in ihren Schriften mehr oder weniger eine besondere Methode der Schriftexegese, von der sie glaubten, dass sie vom Herrn selbst eingesetzt und durch die Apostel überliefert worden sei. (17) Diese Methode legt eine „mystische Bedeutung“ der heiligen Schriften frei, die auf Gottes perfektem Plan mit der Geschichte und der Erlösung der Welt gründet. Diese „mystische Bedeutung“ wurde dann als spiritueller Schriftsinn bezeichnet. Er wurde in Homilien, Kommentaren, theologischen Abhandlungen und im Katechumenenunterricht praktiziert. Diese exegetische Methode wurde in späteren Jahrhunderten als gemeinsames Erbe dem Osten wie dem Westen vermacht und befand sich während des gesamten Mittelalters im Zentrum der Theologie.
Der spirituelle Sinn betrifft die christologische Bedeutung von Personen, Dingen, Ereignissen, Bildern und Symbolen, auf die sich die menschlichen Autoren der Bibel beziehen. Diese Bedeutungen werden ihnen nicht von außen oder im Nachhinein zugelegt, im Gegenteil, Gott selbst hat sie in seiner weit vorausschauenden Vorsehung etabliert. Wörter bezeichnen Dinge, doch wenn Gott inspiriert, dann bezeichnen die Dinge, die durch diese Wörter bezeichnet werden, auch andere wichtige und unsichtbare Dinge. Der hl. Thomas von Aquin schreibt: „Wenn also schon in allen Wissenschaften die Worte ihren bestimmten Sinn haben, so hat unsere Wissenschaft das Eigentümliche, dass die durch die Worte bezeichneten Dinge selbst wieder etwas bezeichnen.“ (18) Der Katechismus der Katholischen Kirche, der unter Ratzingers Aufsicht zusammengestellt wurde, legt dar: „Dank der Einheit des Planes Gottes können nicht nur der Schrifttext, sondern auch die Wirklichkeiten und Ereignisse, von denen er spricht, Zeichen sein.“ (19) Diese Bedeutungsfülle offenbart die Einzigartigkeit der Bibel: Kein anderes Buch könnte eine solche Art von Sinn zweiter Ordnung aufweisen.
Bei einer Generalaudienz im April 2007 hob Papst Benedikt, als er über den theologischen Beitrag des Gelehrten Origenes aus dem dritten Jahrhundert sprach, noch einmal hervor, dass der wörtliche Sinn zwar unabdingbar sei, sich aber selbst auf mehr hin eröffne. Er schrieb: „Dieser Sinn aber transzendiert uns auf Christus hin, im Licht des Heiligen Geistes, und zeigt uns den Weg, wie man leben soll. Dies wird zum Beispiel in der neunten Homilie über das Buch Numeri angedeutet, in der Origenes die Schrift mit Nüssen vergleicht: ‚So ist die Lehre des Gesetzes und der Propheten in der Nachfolge der Lehre Christi‘, so sagt der Prediger. ‚Bitter ist der Buchstabe, der wie die grüne Nussschale ist; nachher wirst du zur harten Schale vorstoßen, die die Morallehre ist; an dritter Stelle wirst du den Sinn der Geheimnisse finden, von dem sich die Seelen der Heiligen in diesem und im zukünftigen Leben nähren‘“ (Hom. Num. 9,7). (20)
Da Gott den Wortlaut der heiligen Schrift inspirierte, enthüllte er auch in Typen und Bildern die volle Bedeutung der Geschichte und Erlösung in Jesus Christus. Die bedeutungsvollen Dinge, die Gott erwählt hat, sind darauf abgestimmt, Wahrheiten zu untermauern und Unwahrheiten zu widerlegen. (21) Überdies sind sie Gegenstand der Betrachtung, durch die Gott die vielen Facetten der Glaubensgeheimnisse verdeutlicht. Die Bedeutungen des spirituellen Sinns nehmen Bezug auf Angelegenheiten des offenbarten Glaubens, der Moral und der Verherrlichung Gottes (und fallen somit in die drei unterschiedlichen Kategorien Allegorie, Tropologie und Anagogie). (22)
Wenn der wörtliche Sinn neben die drei spirituellen Sinne gesetzt wird, sprechen wir von der Quadriga. Die vielleicht bekannteste Zusammenfassung davon stammt von Augustinus von Dänemark, wie sie im Katechismus der Katholischen Kirche zitiert wird: „Der Buchstabe lehrt die Ereignisse; was du zu glauben hast, die Allegorie; die Moral, was du zu tun hast; wohin du streben sollst, die Anagogie.“ (23) Ein gutes und klassisches Beispiel für die unterschiedlichen Sinne im Zusammenhang mit dem biblischen Bezug „Jerusalem“ in Psalm 137 ist dem hl. Johannes Cassianus entnommen. Er beschreibt, dass sich diese vier erwähnten Figuren, wenn wir so wollen, zu einem Gegenstand verbinden, so dass ein- und dasselbe Jerusalem in vier unterschiedlichen Bedeutungen aufgefasst werden kann: „… Historisch die Stadt der Juden, allegorisch die Kirche Christi, anagogisch die himmlische Stadt Gottes, die unser aller Mutter ist (vgl. Gal 4,26), tropologisch die Seele des Menschen, die häufig als Jerusalem vom Herrn getadelt oder gelobt wird.“ (24) Gott selbst, der Herr der Geschichte, kann allein diese einzigartige Form der Bedeutung garantieren. Durch seine außerordentliche Vorsehung und Inspiration sichert Gott zu, dass die beiden großen Testamente in einem besonderen Zusammenhang zum Kommen Christi und zu seiner Erlösungshandlung stehen. Tatsächlich hat Gott gewährleistet, dass die heiligen Schriften den Akzent auf radikale Weise einstimmig auf Christus legen. In Jesus von Nazareth lesen wir: „Das ganze Johannes-Evangelium, aber darüber hinaus auch die synoptischen Evangelien und die ganze neutestamentliche Literatur weist den Glauben an Jesus dadurch aus, dass in ihm alle Ströme der Schrift zusammenfließen, dass von ihm her der zusammenhängende Sinn der Schrift erscheint – das, worauf alles wartet, worauf alles zugeht.“ (25) Wenn diese grundlegenden Prinzipien a priori abgelehnt werden, wie es in der nachaufklärerischen Exegese geschah, dann bleibt ein spirituelles Verständnis offensichtlich verschlossen.
Das Entdecken des spirituellen Sinns der Schrift ist theologische Exegese par excellence. Eine solche eröffnet uns umfangreiche Bände vernachlässigter patristischer und mittelalterlicher Schriften und lässt uns ganz neu würdigen, weshalb wir eine solch überreiche Gabe wie eine inspirierte Schrift überhaupt besitzen. Die Methode kommt aus dem Neuen Testament selbst und ist keine Erfindung einer späteren Theologie. Ratzinger schreibt: „Insofern haben die Kirchenväter mit ihrer christologischen Deutung des Alten Testaments nichts Neues geschaffen, sondern nur entwickelt und systematisiert, was sie im Neuen Testament selbst vorfanden.“ (26) Obwohl das Neue Testament selbst die formale Einheit und die gemeinsame Grundlage des spirituellen Sinnes anführte – vor allem durch den heiligen Paulus – muss sich ein Bibeltheologe für speziellere Richtlinien an die großen Ausarbeiter und Fachleute dieser Methode wenden. Origenes, der hl. Augustinus, der hl. Gregor der Große und der hl. Beda müssen hierbei unter vielen anderen die Hauptrollen bei jedweder Untersuchung spielen, jedoch stets im Zusammenhang mit der gesamten katholischen theologischen Tradition betrachtet werden. (27) Diese Rückkehr zu den Quellen ist ein integraler Bestandteil der Vorstellung Joseph Ratzingers über eine breitgefächerte Hermeneutik der Kontinuität.
Schlussfolgerung
Wenn Papst Benedikt XVI. Recht hat, dann besteht der hoffnungsvolle Weg für die moderne Exegese darin, an der Geschichte und an einer authentischen historischen Forschung festzuhalten, bei gleichzeitiger Wahrnehmung der theologischen Tragweite ebendieser durch die Vorsehung Gottes offenbarten Geschichte. Oder anders ausgedrückt: Katholische Exegeten und Theologen müssen sowohl dem genauen wörtlichen Sinn nachgehen als auch die drei spirituellen Sinne der heiligen Schrift erkunden. Der Heilige Vater bringt diesen Punkt ganz klar 2006 in seiner Ansprache vor den Schweizer Bischöfen zum Ausdruck : „…mir liegt sehr daran, dass die Theologen die Schrift auch so lieben und lesen lernen, wie das Konzil es wollte nach Dei Verbum: dass sie die innere Einheit der Schrift sehen, wozu heute die ‚Kanonische Exegese‘ ja hilft (die freilich immer noch in schüchternen Ansätzen ist) und dann eine geistliche Lesung der Schrift üben, die nicht äußere Erbaulichkeit ist, sondern das innere Eintreten in die Präsenz des Wortes. Da etwas zu tun, dazu beizutragen, dass neben und mit und in der historisch-kritischen Exegese wirklich Einführung in die lebendige Schrift als heutiges Wort Gottes geschieht, erscheint mir eine sehr wichtige Aufgabe.“ (28)
Bei der XII. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode wurde die Thematik guter exegetischer Verfahrensweisen, wie sie dem Herzen des Heiligen Vaters doch so nahe kommen, deutlich ausgesprochen. In dem Vorwort zum Vorbereitungsdokument Instrumentum Laboris lesen wir einen ausdrücklichen Aufruf zu einer „doppelte[n] und komplementäre[n] Zugehensweise zum Wort Gottes“ (29), zu der sowohl ein kritischer Umgang mit dem Text als auch eine wahrhaft christologische Exegese gehören. Die Aufgabe für den Bibeltheologen besteht darin, „vom Buchstaben zum Geist, von den Worten zum Wort Gottes aufzusteigen.“ (30)
Es scheint, dass die mühsame Arbeit und die tiefen Einsichten des Theologen Joseph Ratzinger durch die Vorsehung Gottes zum Podium der Reform und Erneuerung einer gesamttheologischen Mission der Kirche werden, jenseits der Ära des hermeneutischen Skeptizismus.
Dieses Nachdenken wurde vom Heiligen Vater Papst Benedikt XVI., dem universalen Hirten der Kirche, geleitet, der sich in zahlreichen Ansprachen zum Thema der Synodenversammlung geäußert und sich unter anderem gewünscht hat, dass die Kirche sich durch die Wiederentdeckung des Wortes Gottes, das immer aktuell ist und nie veraltet, erneuert und einen neuen Frühling erlebt. Auf diese Weise könnte sie in der Welt von heute, die nach Gott und seinem Wort des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe hungert, mit neuer Dynamik ihre Sendung der Evangelisierung und der Förderung des Menschen erfüllen.“ (31)
Mit seiner Jesus von Nazareth-Trilogie (2007/2012) zeigt Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI., wie mit der sog. kanonischen Methode die Schwächen der historisch-kritischen Methode überwunden werden können – sehr zum Leidwesen der modernistischen Exegeten.
Verehrter Sophus,erneut mein Dank,für Ihren wertvollen und wegweisenden Beitrag.Ich musste sehr lange lesen und nachschlagen.Papst Benedikt XVI scheute nicht,für den christlichen Glauben,alles,was Ihm durch Gottes Gnade,Gottes Vorsehung,geschenkt wurde,weiterzugeben.Er schöpfte seine Worte aus der tiefer,unerschöpflicher Quelle des eines,fleischgewordenes Gottes.Als,ob er das Wasser des Lebens,immer wieder und neu,zu den Menschen,im Jetzt,tragen würde,immer mit wahrem Dreieinigem,lebendigem Gott verbunden,gab er diese Gnade an die Menschen,mit ganzer Kraft ‚die Ihm gegeben worden ist,Nur so,kann ein Priester das Zeugniss der Erlösungsgeschichte verkunden.So auch Sie,lieber Sophus,geben alles,um dieses ‚in den Heiligen Evangelien,von den Aposteln,mit Wirkung des Heiligen Geistes,niederschrieben worden ist.Erschreckend ist,was in Frage gestellt werden soll und,mächtig und schlau,listig und gebildet,mit Lüge,Betrug und Manipulation,bereits im Gange ist.Erschreckend,dass so viele,an der Zerstörung und Verneinung der ewigen Wahrheit,mitarbeiten.Doch,die verlieren die Macht,indem sie die Verbindung zum lebendigem Gott,nicht wollen und verlieren.Diese glauben doch lange nicht mehr an den menschgewordenen Gott,Jesus Christus und an die Wirkung des Heiligen Geistes.Daran müssen sie scheitern.Doch,Der Dreieiniger Gott,Er entscheidet.Es wird versucht,die „Wurzel„des Lebens,des Seins an der Stelle des menschgewordenen Gottes,durchzutrennen…falls ich mir ein Baum vorstellen darf..diese Religion zu verletzen,zu vernichten. Doch,die „Mächtigen“ können nicht zerstören,woran Sie nicht glauben,auch mit Hilfe des Lucifers,nicht.Mein ungelenkes Schreiben,bitte ich zu entschuldigen,anders geht es nicht mehr.
Geehrte® @ Methodus! Sie haben das Problem der modernen liberalen Theologie sehr richtig erfasst und sehr eindringlich beschrieben. Mein Dank geht auch an Sie für diesen wunderbaren Text.
Sie haben, abgesehen von den kleinen Korrekturen meinerseits, geschrieben:
„Papst Benedikt XVI scheute sich nicht,für den christlichen Glauben alles,was Ihm durch Gottes Gnade und Gottes Vorsehung geschenkt worden ist,weiterzugeben. Er schöpfte seine Worte aus der tiefen,unerschöpflichen Quelle des einen, fleischgewordenen Gottes, als ob er das Wasser des Lebens immer wieder und neu zu den Menschen im Jetzt tragen müsste – immer mit dem wahren, lebendigen Dreieinigen Gott verbunden. So gab er diese Gnade an die Menschen mit ganzer Kraft weiter, die Ihm gegeben worden war.
Nur so kann ein Priester das Zeugnis der Erlösungsgeschichte .…das, was in den Heiligen Evangelien von den Aposteln mit Wirkung des Heiligen Geistes niederschrieben worden ist, verkünden.Erschreckend ist,was in Frage gestellt werden soll und was mächtig und schlau,listig und gebildet,mit Lüge,Betrug und Manipulation bereits im Gange ist.Erschreckend, dass so viele an der Verneinung und Zerstörung der ewigen Wahrheit mitarbeiten.Doch sie verlieren die Macht,indem sie die Verbindung zum lebendigem Gott nicht wollen und verlieren. Die glauben doch lange nicht mehr an den menschgewordenen Gott,Jesus Christus und an die Wirkung des Heiligen Geistes.Daran müssen sie scheitern, denn der Dreieinige Gott: Er entscheidet! Es wird versucht,die „Wurzel“ des Lebens,des Seins an der Stelle des menschgewordenen Gottes zu durchtrennen – falls ich mir einen Baum vorstellen darf – um diese Religion zu verletzen,zu vernichten. Doch die „Mächtigen“ können nicht zerstören,woran Sie nicht glauben,auch nicht mit Hilfe Lucifers!
Sehr geehrter @Sophus: es gibt wohl wenige Theologen, die einen solchen Durchblick haben wie Sie und dem Laien, wie mir, den Glauben, die Schrift und die eigentlich Aufgabe von Theologen so gut und wahr veranschaulichen können. Danke Ihnen.
Wie wünschenswert wäre es, wenn sich Priester und Theologen Ihre Worte zu Herzen nähmen und umkehren könnten.
Ich bin der Ansicht, daß das fast nicht anders möglich ist als durch Schmerz, Leid und Kreuz. Und das gilt entsprechend für die Laien.
Durch die hohe Zahl von moslemischen Zuwanderern stellt sich eh jedem Christen die Frage nach dem eigenen Glauben und der eigenen Hoffnung und Liebe. Jeder muß sich nun so oder so entscheiden und kann die elementaren Fragen nicht mehr verdrängen durch Arbeit und „Freizeit“ und Konsum usw. Ein Weiterso ist wohl wenig realistisch, denn der Islam ist offenkundig eine Totalherausforderung für Glaube und Leben jedes einzelnen wie für Kirche und Staat.
Papst Benedikt XVI., der nicht Papst werden wollte, hat alles richtig und gut gesagt, hatte sich verausgabt und mehr ging nicht mehr- aber er wirkt ja weiter. Sein freiwilliger Rücktritt von den „Amtsgeschäften“ in Demut war und ist da aufrichtig konsequent. Es hätte niemandem mehr etwas genützt, aber nun, in seiner Zurückgezogenheit, nützt er weiterhin der Kirche und den Gläubigen als Vorbild der Erneuerung.
Vielleicht ist die „große Zeit“ der Theologen zunächst einmal vorbei. Vielleicht muß oder soll die Kirche insgesamt nun „kleine Brötchen“ backen. Und damit meine ich die Erneuerung mehr bzw. eher durch inniges Gebet, Buße und würdig gefeierter hl. Messe, um dadurch auch wieder den guten Geist zu erwecken als Voraussetzung für wahrhaft gute und große Theologie zum Heil aller Mnecshen.
Sehr geehrter @ Franzel!
Ich bin kein Theologe! Vielmehr mische ich mich als Laie ein, was einen konkreten Anlass hatte:
Aus Verärgerung über Rudolf Augsteins Leitartikel im „Spiegel“ Nr. 21 (25. Mai 1999) mit dem Titel: „2000 Jahre danach – Was bleibt von Jesus Christus? Über den Mythos, der die Welt prägte“ befasse ich mich als gelernter Historiker, Germanist und Geograph seitdem mit der Datierungsfrage der neutestamentlichen Schriften, um die Richtigkeit der apostolischen Frühdatierung gegen die von Kardinal Kasper übernommene evangelisch-lutherische Hypothese von der Spätdatierung nachzuweisen. Das ist mir mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gelungen.
Da mein Buch nicht bis zur Ordentlichen Weltbischofssynode 2015 fertiggestellt werden konnte, habe ich mich im Frühjahr 2015 in einem Rundbrief an den Heiligen Vater, die Mitglieder der Kurie, hochrangige Kardinäle der Kirche, alle Bischöfe im deutschsprachigen Raum und diverse weitere Geistliche, Laiengruppierungen und Einzelpersonen sowie katholische Medien gewandt, um auf der Basis meiner Forschungsergebnisse zur apostolischen Chronologie der neutestamentlichen Schriften eine Denkalternative zur Spätdatierungstheologie Kardinal Kaspers vorlegen und jene bestätigen zu können, die auf dem Boden der Heiligen Schrift und der Lehre der Kirche mit Recht dessen relativistischen Ansichten entgegentreten. Denn die apostolische Frühdatierung ist richtig und die evangelisch-lutherische Spätdatierung der historisch-kritischen Bibelwissenschaft, auf deren Basis sich alle Worte Jesu relativieren lassen, ist falsch.
Schon ein kurzer Blick auf die Zeittafel des protestantischen Spätdatierers Eduard Lohse (Die Entstehung des Neuen Testamentes, 1991, 5.Auflage) lässt den reformatorischen Ansatz der Spätdatierung erkennen: Die sieben, zwischen 50 und 62 datierbaren und als echt deklarierten Paulusbriefe, davon fünf mit Bezug zur Rechtfertigungslehre, sollen als einzig sichere Grundlage des christlichen Glaubens übrig bleiben. Nach Auffassung der Spätdatierer sind sie älter als alle Evangelien und alle anderen Schriften des NT. Was Paulus nicht kennt, wird damit als Grundlage des Glaubens der Kirche fragwürdig. Auf diese Weise lässt sich alles bezweifeln, was nicht ins reformatorische oder progressistische Denkmuster passt. Die Hypothese, dass die Evangelien, von Menschenhand verfasst, erst nach der Tempelzerstörung 70 durch Gemeindetheologen entstanden sind, also vierzig bis siebzig Jahre nach dem Tod Jesu, beruht im wesentlichen auf dem protestantischen Willen, das heutige Christentum in Paulus zu verankern und nicht in der Lehre Jesu Christi, wie sie von den apostolischen Augen- und Ohrenzeugen schon früh im Neuen Testament überliefert, in der inspirierten Tradition der Kirche vertieft und im römischen Lehramt niedergelegt worden ist.
Zeittafel des evang.-luth. Spätdatierers Eduard Lohse (1991)
Schrift Verfasser
um 50: 1. Brief an die Tessaloniker Paulus
53–55: Brief an die Galater Paulus
um 55: 1. Brief an die Korinther Paulus
um 55: Brief an die Philipper Paulus
um 55: Brief an Philemon Paulus
um 55: 2. Brief an die Korinther Paulus
um 55: Brief an die Römer Paulus
um 70: Evangelium nach Markus unbekannt
um 80: Brief an die Kolosser unbekannt
80–90: Brief an die Hebräer unbekannt
um 90 Evangelium nach Matthäus unbekannt
um 90: Evangelium nach Lukas unbekannt
vor 100: Apostelgeschichte unbekannt
vor 100: Offenbarung des Johannes unbekannt
vor 100: Brief an die Epheser unbekannt
vor 100: 2. Brief an die Tessaloniker unbekannt
vor 100: 1. Petrus-Brief unbekannt
vor 100: Jakobus-Brief unbekannt
um 100: Evangelium nach Johannes unbekannt
Anf. 2.Jhdt.: 1., 2. Brief an Tim unbekannt
Anf. 2.Jhdt.: 1.,2.,3. Johannes-Brief unbekannt
Anf. 2.Jhdt.: Brief an Titus unbekannt
Anf. 2.Jhdt.: Judas-Brief: unbekannt
Mitte 2.Jhdt.: 2. Petrus-Brief unbekannt
Einer solchen Datierung der neutestamentlichen Schriften kann kein Katholik Glauben schenken, der nicht im Malstrom der Hochschultheologie seinen Glauben verloren hat. Erst 1999 erkannte ich die ganze Tragweite der Spätdatierung der Evangelien, denn mit ihr war es einer auf Martin Luthers Rechtfertigungslehre fixierten Bibelwissenschaft gelungen, aus dem viergestaltig überlieferten Zeugnis der Apostel über die Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus, eine postapostolisch aufzufassende Kompilation unbekannter hellenistischer Autoren zu machen und so Gottes Wort zum unverbindlichen Menschenwort zu erklären.
Anstatt die Wahrheit über den lebendigen Gott in den apostolisch bezeugten Schriften zu vertiefen und erfahrbar werden zu lassen, wird das in die Welt gesprochene Wort Gottes durch Spätdatierung relativierbar und kann nach Belieben gegen die Kirche instrumentalisiert werden. Die katholische Kirche sieht sich von der verstörenden Auffassung bedrängt, Jesus habe keine Kirche gründen wollen, und die seit fast 2000 Jahren bestehende, die es so gar nicht geben dürfte, sei das Produkt der Tradition – der frühkatholischen Kirche!Aus dieser Erkenntnis heraus machte ich mich 1999 an die Arbeit.
Mein eigener chronologischer Aufriss der apostolischen Schriften des Neuen Testaments einschließlich des 1. Klemensbriefes, der alle von den Vertretern der Spätdatierung notgedrungenen offengelassenen Fragen beantwortet, sieht so aus:
43 606 Verse Markus – Niederschrift der Petruspredigt/ Rom
50 1. Brief an die Thessaloniker/ Korinth
51 2. Brief an die Thessaloniker/ Korinth
54 Galaterbrief /Ephesus
55 Jakobusbrief/Jerusalem
55 Matthäusevangelium/Jerusalem 54/55
56 Lukasevangelium /Troas/
56 Korintherbrief /Ephesus /Frühjahr 56
56 2. Korintherbrief / Makedonien /Herbst 56
57 Römerbrief /Korinth/ Winter 56/57
57 Titusbrief / Reisebrief vor Caesarea
57 1. Timotheusbrief / Reisebrief vor Caesarea
58 1. Petrusbrief/ Rom/ 57/58
59 Hebräerbrief /1. Teil: Caesarea/ 58/59/; 2. Teil: /Rom/60
60 Epheserbrief/ Rom /Gefangenenbrief
60 2. Timotheusbrief/ Rom /Gefangenenbrief
61 Kolosserbrief /Rom /Gefangenenbrief
61. Philemonbrief/ Rom /Gefangenenbrief
62 Philipperbrief/ Rom/ letzter Gefangenenbrief
63 Petrusbrief aus Rom/ 62/63 (vor dem Tod von Paulus)
63 Abschluss Apostelgeschichte/Rom
63 Abschluss Markusevangelium/Rom
63 2. Johannesbrief/Ephesus
63 3. Johannesbrief/Ephesus
65 1. Johannesbrief/Ephesus
65 Abschluss Johannesevangelium/Ephesus
69 1. Klemensbrief
70+ Geheime Offenbarung des Johannes/Patmos (nach 70)
Unmittelbarer Anlass zu meiner 33-seitigen Rundbrief-Aktion, zu der ich mich durch die Außerordentliche Weltbischofssynode zu Ehe und Familie 2014 und die Frühjahrskonferenz der deutschen Bischöfe in Hildesheim gezwungen gesehen habe, war die Nachricht, dass sich die deutschen Bischöfe in Hildesheim in Sachen „Ehe und Familie“ mit einer Zweidrittelmehrheit hinter Walter Kardinal Kaspers „Vorschläge“ gestellt hatten. Denn ich wusste, dass die Grundlage von Walter Kardinal Kaspers „Vorschlägen“ die falsche Spätdatierung der Evangelien war. Damit war die Synoden-Agenda klar: Die bekannten Worte Jesu zu Ehe und Familie sollten in Zweifel gezogen und nicht als apostolisch authentisch überliefertes und damit als verbindliches Wort Gottes – etwa in der Sache der Wiederverheirateten-Geschiedenen- von allen begriffen werden. Daher musste die Denkalternative zu Kardinal Kaspers „Vorschlägen“ vor der Ordentlichen Synode im Herbat 2015 jedem Synodalen wieder klar vor Augen gestellt werden, denn die apostolische Herkunft des NT, vor allem der Evangelien, ist noch immer die geltende Lehre der Kirche.
Sehr geehrter @ Sophus,
die Zeitschrift Trenta giorni = 30 Tage hatte mich schon in den 90ern für dieses Thema scharf gemacht. So erkannte ich den Wahn, einerseits „sola scriptura“, gleichzeitig die Spätdatierung als vernünftig sehen zu wollen.
Bei Ihrer Aufzählung zu anno 43 fiel mir sofort die Überschrift ein: Markus hörte und schrieb sofort.
Ich bin dem so früh verstorbenen Michael Müller dankbar, daß er dieses Wagnis auf sich genommen hat.
Sehr geehrter Sophus,
für Ihre detaillierten Ausführungen danke ich Ihnen ausdrücklich.
Ich werde sie meinem „geistigen „Sohn“ zukommen lassen, der kommenden Herbst ins Priesterseminar Freiburg eintreten wird.
Er soll gerüstet sein!
Vielleicht noch eine Frage: Haben Sie inzwischen eine Reaktion bzw. Rückmeldung der von Ihnen angeschriebenen Personengruppen erhalten?
@ Marienzweig
Ich hatte mein Rundschreiben mit dem Vermerk “ Mit der Bitte um Kenntnisnahme“ versehen, und damit bewusst signalisiert, dass ich keine Rückantwort erwartete. Diesen Ball hat S.Em. Kardinal Marx in der Rückantwort aufgenommen und damit den Verzicht auf eine Stellungnahme begründet. Eine sehr positive Replik erhielt ich von S.Em. Erzbischof Haas von Liechtenstein. Die „Rückantworten“ erfolgten für mich indirekt: Kardinal Kasper hat m.E. nicht mehr auf seine bisherigen Argumentationsstränge auf der Basis der Spätdatierung im Vorfeld der Ordentlichen Synode Herbst 2015 gebaut: Von einer ersten Anpassung der Lehre Jesu an die hellenistische Wirklichkeit gegen Ende des ersten Jahrhunderts und deren moderner Adaption, die sog. Lebenswirklichkeit als weitere Offenbarunsquelle ansehen zu können, war keine Rede mehr. Statt dessen hat er seine Barmherzigkeitetheologie in den Vordergrund gerückt, die nunmehr von einer neuen (jesuitischen) „Theologie der Liebe“, erstmals öffentlich propagiert im Mai 2015 in der „Geheimkonferenz“ in der Gregoriana, flankiert wird. Jedenfalls wusste Papst Franziskus rechtzeitig, dass er sich gegen das apostolisch authentisch überlieferte Wort Gottes stellen würde, wenn er im Gefolge Kardinal Kaspers der historisch-kritischen Menschenwort-Theorie der Spätdatierer folgen würde.
Sehr gut! Danke vielmals dass Sie Papst Benedikt auch so schaetzen!
Übrigens:
Sehr geehrte @Marienzweig!
Sehr geehrter @ Konrad Georg!
Danke für Ihr Interesse. Falls Sie meinen verkürzten Rundbrief, erweitert durch entsprechende Erläuterungen in der Diskussion mit @ Suarez und @ GW, lesen wollen, haben Sie die Möglichkeit, den entsprechenden Thread im Archiv von katholisches.info nachzulesen: unter dem 2.Oktober 2015 und dem Titel „Beugen und Verbiegen der Ehelehre“. Mein Beitrag beginnt etwa in der Mitte der zahlreichen Kommentare. Im Verlauf finden Sie auch die Liste der Adressaten meines unverkürzten Rundbriefes.
Sehr geehrter @Sophus: vielen Dank für all Ihre Informationen. Ich werde mir Ihre Zeitangaben aufschreiben bzw. herauskopieren.
Da haben Sie ja schon viele Kämpfe gefochten, aber manche Theologen sind das eher nicht aus Berufung wie es aussieht, sondern wg. Beruf/Karriere, dem Weltlichen. Viele denken weltlich-klügelnd und ihnen können sich somit die Geheimnisse und vieles andere nicht erschließen. Leider aber sitzen sie an den „Schalthebeln der Macht“, verwirren die Menschen und arbeiten bewußt oder nicht für die Anti-Kirche.
Viele Theologen sind offenkundig bar jeder Vernunft, was die Datierung der Schriften anbelangt. Es sind Wölfe im Schafspelz, die die Kirche zerstören möchten und keinen Glauben an den Gottmenschen Jesus Christus haben.
Wenn man sich überlegt mit welcher Kraft und welchem Freimut die Apostel nach Pfingsten aufgetreten sind und gelehrt haben und mit welcher Kraft der Diakon Stephanus Christus Jesus verkündigte und die Schriftgelehrten widerlegte, ist es ein Zeichen völliger Dekadenz und Bosheit, offen oder unterschwellig zu behaupten, die Apostel wären eigentlich nicht ganz klar im Kopf gewesen: „voll von süßem Wein“.
Klarer als die Apostel nach Pfingsten war kaum jemand- und die Muttergottes, der Sitz der Weisheit, hatte ihnen immer geraten und sie auch andauernd vor den dämonischen Angriffen durch Gebet und Opfer geschützt.
Die Apostel als die Augen- und Ohrenzeugen nicht als „frühe“ Verfasser der Evangelien zu rühmen, ist eine satanische Marotte.
Es steht fest, daß die Apostel etwa 12 Jahre nach dem Kreuzigungstod Christi sich daran machten, alle Ereignisse und Begebenheiten aufzuzeichnen, weil es einfach auch der Notwendigkeit entsprach, die inzwischen zahlreichen Gemeinden umfassend zu informieren und zu belehren über die Heilsgeschichte und Heilstaten des Erlösers Jesus Christus. Etwas anders anzunehmen und zu behaupten ist unvernünftig sowie realitätsfremd und böswillig.
Über den Zeitpunkt der Entstehung der Evangelien habe ich Wahrhaftes und Schlüssiges in den Niederschriften der Maria von Agreda aus dem „Leben der jungfräulichen Gottesmutter Maria“ gelesen (Herausgeber Albert Drexel, 1982). Da wird die Niederschrift der Evangelien sogar noch früher datiert, als Sie es angeben, geehrter @Sophus.
Manche Theologen und andere aber werden dieses Werk nicht lesen können, weil einiges abverlangt wird vom Leser- ganz vorab-: Liebe, Glauben sowie Vernunfteinfalt und Demut und Hörwilligkeit. Das Werk ist versiegelt.
@ sophus
Ich finde es sehr wertvoll, dass Sie die Frühdatierung der neutestamentlichen Schriften, besonders der Evangelien, historisch untermauern und den katholischen Oberhirten in Erinnerung rufen.
Ein wenig ärgerlich finde ich, wenn Sie dabei die reformatorische Bibelwissenschaft einseitig aufs Korn nehmen. Ich habe eine Reihe von Bibeln zuhause, gewiss eine eher zufällige Auswahl. Aber wenn katholische Bibeln seit dem 2. Vatikanum geradezu penetrant Spätdatierungen in den Einleitungskapiteln aufdrängen, dann ist das den Herausgebern und Imprimatur erteilenden katholischen Bischofskonferenzen anzulasten, nicht den Lutheranern und Reformierten. Sowohl in Ausgaben der Jerusalemer Bibel wie der Einheitsübersetzung wie der Übersetzung aus Herders Bibelkommentar z.B. werden die Evangelien von 70 bis 90, jedenfalls n a c h der Zerstörung Jerusalems, datiert (stillschweigend unterstellend, dass die von den Evangelisten berichteten Prophezeiungen des Herrn nur vaticinia ex eventu wären). In meinen protestantischen Bibelausgaben hingegen wird die Entstehung der Evangelien stets vor der Zerstörung Jerusalems angesetzt, meist zwischen 50 und 70, wobei man sich auf die frühchristlichen katholischen Zeugen beruft! Meine 1964 gedruckte Lutherbibel von 1912 nennt kein Datum (übernahm also gerade nicht die aktuellen bibelkritischen Forschungsresultate). Meine Schlachter-2000-Bibel (4. Aufl. 2013) nennt, um ein Beispiel zu nehmen, als Autor des Matthäusevangeliums den Augenzeugen Matthäus/Levi (was die modernen katholischen Ausgaben auch nicht tun) und als Zeit der Niederschrift 40 bis 60! Meine englische Scofield-Bibel mit dem Text der King James Version nennt als Jahr der Abfassung des Matthäusevangeliums das Jahr 37 !
Meine bescheidene Bitte ist einfach die nach differenzierterer Sichtweise. Prügeln Sie bitte nicht die Falschen! Unstreitig hat die liberale protestantische (und jüdische) Bibelkritik viel Unheil angerichtet. Aber nie haben alle Protestanten sie übernommen, noch tun sie das heute. Wenn katholische Professoren die liberale Bibelkritik rezipierten und die Bischöfe und der Vatikan deren teils richtigen teils falschen Ergebnisse in die Bibelausgaben übernahmen und dadurch die Glaubwürdigkeit unserer wichtigsten Glaubensurkunden untergraben und die Gläubigen in Verwirrung führen, dann sind allein sie selbst dafür verantwortlich.
@ Leo Laemmlein
Sie meinen: „Ein wenig ärgerlich finde ich, wenn Sie dabei die reformatorische Bibelwissenschaft einseitig aufs Korn nehmen“. Ihren Ärger müssen Sie schon bei der evangelisch-lutherischen Bibelwissenschaft abladen. Denn von Luther führt eine Spur der einseitigen Vereinnahmung der neutestamentlichen Schriften durch die evangelisch-lutherische Bibelwissenschaft über Semler, Reimarus, die Tübinger Schule, der Leben-Jesu-Forschung, Robert Bultmanns bis in die Gegenwart, auch zu den liberalen Neutestamentlern im katholischen Lager. Die katholische Kirche hat sich viel zu spät mit der Brisanz der Datierungsfrage befasst. Erst mit Papst Leo XIII. erkannte man die existentielle Gefahr für die eigene Lehre, die von dieser Falschdatierung ausging. Papst Pius X. wollte diese Gefahr mit restriktiven Maßnahmen gegen Personen eindämmen, die von Papst Johannes XXIII. in seiner Eröffnungsrede zum VII zurückgewiesen worden sind. Damit stand der Adaption der Spätdatierungstheologie in der katholischen Kirche bis zur Spaltungsgefahr in der Gegenwart wenig mehr entgegen.