Neue französische Ausgabe von Prof. de Matteis Buch: „Das Zweite Vatikanische Konzil“

Die Wurzeln der Krise reichen tief in die Zeit des Konzils zurück


Papst Leo XIV. ist aufgrund seines Alters, im Gegensatz zu seinen Vorgängern Benedikt XVI. und Franziskus, mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil emotional nicht verbunden: Das läßt auf eine erneute historische und theologische Auseinandersetzung mit dem Konzil hoffen, ohne die eine Überwindung der aktuellen Krise nicht möglich sein wird.
Papst Leo XIV. ist aufgrund seines Alters, im Gegensatz zu seinen Vorgängern Benedikt XVI. und Franziskus, mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil emotional nicht verbunden: Das läßt auf eine erneute historische und theologische Auseinandersetzung mit dem Konzil hoffen, ohne die eine Überwindung der aktuellen Krise nicht möglich sein wird.

Von Vero­ni­ca Rasponi*

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Fünf­zehn Jah­re nach ihrer Erst­ver­öf­fent­li­chung in Ita­li­en im Dezem­ber 2010 und sech­zig Jah­re nach dem Abschluß des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils am 8. Dezem­ber 1965 ist in Frank­reich eine neue Aus­ga­be des Buches von Rober­to de Mat­tei „Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil: Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te“, Lin­dau, Turin 2010, dt. Aus­ga­be Edi­ti­on Kirch­li­che Umschau, Rup­picht­eroth 2011) erschie­nen. Die neue fran­zö­si­sche Aus­ga­be des Buches, vor kur­zem vom Ver­lag Con­tre­temps ver­öf­fent­licht, wur­de von Che­tro De Caro­lis her­aus­ge­ge­ben und trägt den Titel „Vati­can II: L’hi­stoire qu’il fallait écr­i­re“, 690 Sei­ten, 28 Euro).

Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil, das 21. Kon­zil in der Geschich­te der Kir­che, wur­de am 11. Okto­ber 1962 von Papst Johan­nes XXIII. eröff­net und am 8. Dezem­ber 1965 von Papst Paul VI. geschlos­sen. Trotz der Erwar­tun­gen und Hoff­nun­gen vie­ler stell­te die Zeit nach dem Kon­zil für die Kir­che kei­nen „neu­en Früh­ling“ und kein „neu­es Pfing­sten“ dar, son­dern – wie Paul VI. selbst und sei­ne Nach­fol­ger ein­räum­ten – eine Pha­se tie­fer Kri­se und gro­ßer Schwie­rig­kei­ten. Das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus war ein Ver­such, die Kon­zils­re­for­men zu voll­enden, doch selbst pro­gres­si­ve Autoren – allen vor­an Prof. Alber­to Mel­lo­ni, der­zeit füh­ren­de Figur der „Schu­le von Bolo­gna“ – erken­nen in die­ser Hin­sicht das Schei­tern des päpst­li­chen Pro­jekts von Fran­zis­kus an. Eine jüng­ste Bestä­ti­gung für die Schwie­rig­kei­ten im pro­gres­si­ven Lager ist das Werk „Vati­can II at 60: Re-Ener­gi­zing the Rene­wal“, her­aus­ge­ge­ben von Cathe­ri­ne E. Clifford (Orbis Books, 2024), das zehn Bei­trä­ge ent­hält sowie ein Vor­wort von Kar­di­nal Bla­se Cupich. Erklär­tes Ziel des Buches ist es, das erlo­sche­ne „Feu­er“ der Kon­zils­re­for­men neu zu entfachen.

Die neue fran­zö­si­sche Ausgabe

Zu die­ser aktu­el­len Debat­te lei­stet Rober­to de Mat­tei mit sei­nem Buch einen wich­ti­gen histo­rio­gra­phi­schen Bei­trag. Durch eine sorg­fäl­ti­ge und quel­len­ba­sier­te Rekon­struk­ti­on des Kon­zils – sei­ner Ursprün­ge, sei­nes Ver­laufs und sei­ner Fol­gen – bie­tet er eine umfas­sen­de Dar­stel­lung auf Grund­la­ge von Archiv­ma­te­ria­li­en, Tage­bü­chern, Brief­wech­seln und Zeit­zeug­nis­sen der dama­li­gen Prot­ago­ni­sten. Aus dem fun­dier­ten und zugleich packen­den Bericht des Autors tritt eine „bis­lang unge­schrie­be­ne“ Geschich­te des Zwei­ten Vati­can­ums her­vor, die nicht nur hilft, die dama­li­gen Ereig­nis­se bes­ser zu ver­ste­hen, son­dern auch die heu­ti­gen reli­giö­sen Her­aus­for­de­run­gen der Kir­che zu begreifen.

Nach Ansicht des Autors mag es auf theo­lo­gi­scher Ebe­ne unter­schied­li­che Aus­le­gun­gen der Kon­zils­tex­te geben, doch auf histo­ri­scher Ebe­ne sei das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil als ein untrenn­ba­res Gan­zes mit eige­ner Ein­heit und spe­zi­fi­scher Natur zu betrach­ten. In sei­nem Ursprung, Ver­lauf und in sei­nen Kon­se­quen­zen kön­ne es als eine Revo­lu­ti­on bezeich­net wer­den – in Men­ta­li­tät und Spra­che –, die das Leben der Kir­che tief­grei­fend ver­än­dert und eine bis­lang bei­spiel­lo­se reli­gi­ös-mora­li­sche Kri­se aus­ge­löst hat.

„Die Wahr­heit“, so schreibt Prof. de Mat­tei in sei­ner Ein­lei­tung, „ist, daß die neue pasto­ra­le Metho­de eine Fol­ge des ver­än­der­ten histo­ri­schen Urteils der Kir­che über die moder­ne Welt ist. Die Kir­che hat ihre Spra­che geän­dert, weil sich ihr Urteil über die Welt geän­dert hat. Vor sech­zig Jah­ren begann ein geschicht­li­cher Weg, der mit dem Amts­an­tritt Jor­ge Mario Berg­o­gli­os als Papst am 13. März 2013 sei­nen End­punkt erreicht hat.“

Mit der Wahl Leos XIV. beginnt nun eine neue Pha­se in der Kir­chen­ge­schich­te. Er war 1965, als das Zwei­te Vati­ca­num ende­te, erst zehn Jah­re alt und gehört somit einer Gene­ra­ti­on an, die, anders als Bene­dikt XVI. oder Papst Fran­zis­kus, emo­tio­nal nicht mit dem Kon­zil ver­bun­den ist. Es bleibt daher zu hof­fen, daß die Ver­öf­fent­li­chung des Wer­kes von Prof. de Mat­tei eine erneu­te histo­ri­sche und theo­lo­gi­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil anregt – ohne die es nicht mög­lich sein wird, die gegen­wär­ti­ge Kri­se zu über­win­den, deren Wur­zeln tief in die Zeit des Kon­zils und der dar­auf fol­gen­den 68er-Bewe­gung zurück­rei­chen. Das Buch von Rober­to de Mat­tei ist neben dem ita­lie­ni­schen Ori­gi­nal bereits in deut­scher, fran­zö­si­scher, eng­li­scher, pol­ni­scher, spa­ni­scher, por­tu­gie­si­scher und slo­wa­ki­scher Spra­che erschienen.

*Wei­te­re Ver­öf­fent­li­chun­gen von Vero­ni­ca Rasponi

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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