
Von Caminante Wanderer*
Beinahe ein Monat ist vergangen seit dem Amtsantritt Papst Leos XIV. Wir haben angekündigt, während der ersten hundert Tage besonders aufmerksam zu sein – und mehr als die Hälfte liegt noch vor uns. Doch das hindert uns nicht daran, uns allmählich ein Bild der Persönlichkeit zu machen, gestützt auf seine Worte und ersten Entscheidungen.
Es scheint mir, wenn ich die Beiträge auf X lese, daß der anfängliche Enthusiasmus der Progressisten bereits zu schwinden begonnen hat. Elisabetta Piqué, die Korrespondentin der argentinischen Tageszeitung La Nación in Rom, hätte inzwischen aus Scham ihren Posten niederlegen sollen, nachdem sie nicht müde geworden war, von einer „absoluten Kontinuität“ zum Pontifikat von Franziskus zu sprechen – eine Kontinuität, die sich bislang, wie vorauszusehen war, rein nomineller Natur erwiesen hat. Die Unversöhnlichen unter den Traditionalisten wiederum begegnen den Konservativen – zu denen ich mich selbst zählen würde – mit Spott. Ihrer Ansicht nach habe uns Prevost mit dem Tragen einer roten Mozetta getäuscht, und das allein habe uns bereits zufriedengestellt. Doch sie, die scharfsinnigen und tiefgründigen Theologen, wüßten ganz genau, daß es sich bloß um die Fortführung derselben modernistischen Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils handle.
Laßt die Progressisten im stillen weiter an ihrem Groll kauen, und laßt uns mit den uns näherstehenden Freunden, den unversöhnlichen Traditionalisten, in liebevoller Weise diskutieren. Ich präzisiere: Mit dieser Bezeichnung – ich finde gerade keine bessere – meine ich keine bestimmte Gruppe; es gibt sie vielerorts in mannigfaltiger Ausprägung.
Beginnen wir mit den Tatsachen. In diesen nahezu dreißig Tagen hat Papst Leo gewisse Zeichen der Kontinuität mit dem vorangegangenen Pontifikat gesetzt. Das konnte auch gar nicht anders sein – aus vielen Gründen: grundlegende Bildung und Höflichkeit, ehrliche Übereinstimmung in mancherlei Punkten sowie elementare politische Klugheit. Ich glaube nicht, mich illusorischen Wunschträumen hinzugeben, wenn ich behaupte, daß ein guter Teil jener Maßnahmen, die uns weniger gefallen, eben dieser Klugheit entspringen. Nehmen wir etwa einige Ernennungen. Wir erwähnten hier die Bestätigung des progressistischen Bischofs von Sankt Gallen in der Schweiz. Für viele war dies bereits ausreichend, um Leo XIV. in eine bestimmte Schublade zu stecken. Ich vermute jedoch, daß jene Kritiker niemals ein leitendes Amt in einer halbwegs bedeutenden Organisation innehatten. Es wäre das Zeichen grober Unklugheit, sich nur zwei Wochen nach der Wahl offen gegen eine solche Entscheidung zu stellen, die nicht nur kirchlichen, sondern angesichts des Konkordats auch zivilen Konflikt mit den schweizerischen Behörden nach sich zöge. Noch wichtiger aber: Er hat schlicht niemanden, den er ernennen könnte. Wer den schweizerischen Klerus kennt, weiß, daß dieser – mit wenigen Ausnahmen – geradezu fanatisch progressistisch gesinnt ist. Oder hat man erwartet, er würde einen konservativen Priester zum Bischof ernennen? Man kann sich leicht vorstellen, was geschehen wäre – denn es ist bereits geschehen: Man erinnere sich an die Fälle von Msgr. Haas in Chur oder Msgr. Groër in Wien.
Kommen wir zu den wenigen argentinischen Ernennungen der vergangenen Tage. Am 28. Mai ernannte der Papst Msgr. Alejandro Pablo Benna zum Bischof von Morón und Msgr. Raúl Martín zum Erzbischof von Paraná. Über den ersteren kann ich nichts sagen, da ich ihn nicht kenne. Den zweiten hingegen kenne ich gut. Es handelt sich um eine Randfigur, die mit allen Mitteln die guten Priester seiner Diözese Santa Rosa und die Gläubigen der Tradition zu bekämpfen suchte. Man wird sehen, wie er sich in Paraná verhält, einer Erzdiözese, die das Erbe Msgr. Servando Tortolos trägt. Warum hat Papst Leo dann diese Bischöfe ernannt? Weil ihm keine Wahl bleibt. Wie wir seit Jahren darlegen: Bergoglio hat die argentinische Kirche auf Jahrzehnte hinaus verpfändet, und wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß die Ernennungen in unserem Land schlecht bleiben werden. In Argentinien wimmelt es von 146 Bischöfen, von denen 96 als Ordinarii oder Weihbischöfe aktiv sind – fast alle sind jung und mittelmäßig, einige gar übergriffig gegenüber Jugendlichen. Es gibt kleine Diözesen mit drei Bischöfen. Das bedeutet: Es werden in den kommenden Jahren kaum neue Bischofsweihen stattfinden, weil wir Bischöfe im Überfluß haben. Höchstens werden sie versetzt, und im besten Falle – und angesichts ihrer Eigenschaften – sich dem neuen Wind anpassen. Ein beispielhafter Fall ist Msgr. Sergio Buenanueva, Bischof von San Francisco, der sich in akrobatischen Windungen vom strengen Ratzingerianer zum wirren Bergoglianer wandelte und sich in den vergangenen Wochen als eifriger Anhänger Leos positionierte.
Man könnte auch die Aussage von Papst Leo anführen, daß die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau bestehe, was selbstverständlich ist, aber, nach dem „Lehramt“ Bergoglios, eine besondere Bedeutung erhält. Viel ist dazu bereits geschrieben worden. Weitaus bedeutsamer erscheint mir jedoch eine Passage aus seiner Predigt am vergangenen Sonntag. In klaren und bestimmten Worten sagte er: „Darum sage ich euch Eheleuten, mit einem Herzen voller Dankbarkeit und Hoffnung: Die Ehe ist kein Ideal, sondern der Kanon wahrer Liebe zwischen Mann und Frau – eine Liebe, die ganz, treu und fruchtbar ist.“ Das ist ein Todesstoß für die flache Theologie von Kardinal Tucho Fernández, der vermutlich in seinem Häuschen in den Vatikanischen Gärten erzittert – in der Angst, er müsse in sein Heimatdorf zurückkehren, jenes „Scheißkaff“, wie er es selbst einmal nannte. Denn Fiducia supplicans und ein großer Teil der bergoglianischen Barmherzigkeitsmoral beruhen auf der irrigen Annahme, daß die Gebote und Lehren der Kirche bloß Ideale darstellen, denen man sich zwar annähern solle, die aber im Leben kaum erreichbar seien. Deshalb konnte man mit rascher „Unterscheidung“ im Ehebruch leben, ohne Gewissensnot, und man konnte ohne weiteres sodomitische Verbindungen segnen. Immerhin, so behauptete das Duo Bergoglio–Fernández, wollten sich diese armen Sünder ja Gott nähern; das Ideal werde später schon kommen – einstweilen: Barmherzigkeit für alle, alle und alle. Papst Leo hingegen hat gleich zu Beginn seines Pontifikates unmißverständlich erklärt: Die Vollkommenheit ist kein Ideal, sondern ein Modell – also mit Gottes Gnade für jeden Getauften erreichbar.
Betrachten wir die liturgische Frage, die für uns von grundlegender Bedeutung ist, so sind die Tatsachen offenkundig. Der Bischof von Charlotte, Msgr. Michael Martin, beging eine schwer erklärbare Unbedachtheit – jeder kluge Mensch hätte „abgesattelt, bis sich der Nebel lichtet“ – und verbot die überlieferte Messe in seiner Diözese fast vollständig mit hanebüchenen Begründungen. Doch dann empfing am vergangenen Dienstagmorgen Papst Leo Kardinal Arthur Roche, den Präfekten des Dikasteriums für den Gottesdienst, in Audienz – und am Nachmittag desselben Tages kündigte Msgr. Martin überraschend die Aussetzung der Verbote bis zum 1. Oktober an. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen – und wohl nur wenige können es –, daß zwischen beiden Vorgängen ein kausaler Zusammenhang besteht, doch es liegt sehr nahe. Noch deutlicher: Der Papst wird, zum Mißfallen vieler auf beiden Seiten, bald etwas unternehmen müssen hinsichtlich des Liturgiestreites, den Bergoglio mit Traditionis custodes leichtfertig entfesselt hat. Edward Pentin behandelt diese Frage sehr treffend in einem Artikel.
Schließlich zeigt sich beim Lesen der Predigten und Ansprachen des Papstes eine doppelte Originalität, die ihn deutlich von Franziskus unterscheidet: Er spricht von Jesus Christus und er spricht von den großen Lehrern und Kirchenvätern. Es fällt auf, mit welcher glücklichen Selbstverständlichkeit er sich durchweg auf die kirchliche Überlieferung beruft, indem er bedeutende Autoren als ihre Zeugen heranzieht: Von Ignatius von Antiochien über Ephraim den Syrer, Isaak von Ninive, Simeon den Neuen Theologen, Benedikt von Nursia, Leo den Großen bis hin zu Augustinus. Ein lesenswerter Beitrag des Patrologen Leonardo Lugaresi erläutert die tiefe Bedeutung dieser Bezüge im Hinblick auf die wahre kirchliche Tradition (wenngleich ich nicht allen seinen Ausführungen zustimme).
Ich meine, all diese Zeichen sind weit mehr als nur eine rote Mozetta – sie sind keineswegs bloße Nuancen. Die Progressisten haben das erkannt, daher ihr Rückzug; die Unversöhnlichen unter den Traditionalisten hingegen scheinen es nicht zu erkennen – oder nicht erkennen zu wollen. Und genau darin liegt, wie ich meine, eine Gefahr, über die wir erneut sprechen werden müssen: Das Modell der tridentinischen Kirche ist vorüber. Die heutige Welt und die heutige Kirche bedürfen eines neuen Modells. Versuche gab es viele – von Paul VI. bis zur Katastrophe Bergoglio – und alle sind gescheitert. Wir sollten daher versuchen, uns von Vorurteilen und vom Geprügelten-Hund-Syndrom zu lösen, um einen Beitrag zur kirchlichen Communio zu leisten – ein schönes patristisches Wort, das von den Progressisten entweiht wurde –, indem wir uns mit dem Nachfolger Petri vereinen, insofern er uns im Glauben bestärkt.
*Caminante Wanderer, argentinischer Philosoph und Blogger
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Caminante Wanderer
Wann, lieber Herr Wanderer, hat sich Preovst von seiner woken Ideologie, die er während Bergoglio bis zum Erbrechen vertreten hat, wenn man mal Gender absieht (Himmel Herr Gott, soll man jetzt wirklich eine so lächerliche Selbstverständlichkeit bei einem Mann in Papstposition schon als Zeichen von Heiligkeit sehen?) wirklich distanziert?
Ja, gegenüber Bergoglio ist er ganz sicher das kleinere Übel, er lässt einem etwas mehr Luft zum atmen und sieht erst einmal päpstlich aus, aber das war es dann auch (Mein Gott, wie tief ist die Welt gesunken, dass man auf solche Selbstverständlichkeiten hinweisen muss)
Warum verschweigen Sie, dass es einer seiner ersten Amtshandlungen war, ein interreligiöses Treffen zu organisieren?
https://katholisches.info/2025/05/21/lieber-leo-xiv-du-hast-mich-zum-ersten-mal-enttaeuscht/
Oder erneut eine Frau in eine führende Position zu setzen?
https://katholisches.info/2025/05/22/die-ersten-ernennungen-von-papst-leo-xiv/
Oder hatte er da auch, tragischerweise, keine Wahl?
Oder bei der Ernennung von Tagle, der nicht umsonst der asiatische Franziskus genannt wurde?
https://www.merkur.de/welt/er-koennte-erster-papst-asien-werden-papst-konklave-2025-luis-antonio-tagle-gilt-als-top-kandidat-93718243.html
Soll er wirklich nach wenigen Tagen schon dazu verpflichtet gewesen sein? Und dass er Bergoglio nicht gleich verurteilen kann ist klar, aber ihn so überschwenglich loben, dazu ist er mit nichts verpflichtet, auch nicht, um die Progressiven ruhig zu stellen.
Vielleicht ist er mit Johannes Paul II vergleichbar. Der hat zwar (halbwegs) an den Grundlagen des katholischen Glaubens festgehalten und zuweilen kluge und richtige Dinge gesagt, aber wie die Früchte von ihm waren, kann jeder heute sehen.
Wie es um seinen katholischen Glauben, bzw. die Liebe zu der Grundlage dieses Glaubens, der Bibel stand, kann man in dem Film: „Im Laden des Goldschmiedes“ hervorragend sehen, der Film ist widerlich, wie eine Karrikatur des katholischen Glaubesn, hier der Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=2TF_FDXpris
Ja, wenn alle Katholiken in Argentinien nur diese Ansprüche an den Papst haben, dann wundert es mich gar nicht, dass jemand wie Bergoglio daraus erwachsen konnte.
Auch wenn Sie, wie es gewisse Leute seit vielen Jahrzehten tun, den sogenannten Traditionalisten unterstellen nur aus Unversöhnlichkeit und letzten Endes Engstirnigkeit und Bitterkeit zu handeln, und bezeichnenderweise Sie auf einige Sätze reduzieren, und die Hauptargumente der Traditionalisten offenbar bewusst leugnen, so hier noch einmal eine wunderbar klare Anlyse Bischof Viganos, die gar nicht bitter und unversöhnlich, aber eben von dem heiligen Geist, dem Geist der Weisheit und des Verstandes und der Gottesfurcht durchdrungen ist: https://katholisches.info/2025/05/21/lieber-leo-xiv-du-hast-mich-zum-ersten-mal-enttaeuscht/
Papst Leo XIV. kann die Gesamtkirche nicht von jetzt auf gleich zum Guten hin verändern. Das vermag auch kein Papst, das kann nur Christus selber. Man sollte von einem überzogenem Petrusbild herunter.
Das „Personaltableau“ läßt in wohl allen Ländern zu wünschen übrig. Das war schon ein Problem für die Päpste JP. II. und Benedikt XVI. Ansonsten war Papst JP II. ein sehr guter Hirte (dazu sein extrem guter und mutiger Einfluß auf die Weltpolitik) wie auch Benedikt XVI.
Die sog. Traditionalisten sind immer ausgewichen, aber jetzt geht es nicht mehr. Papst Benedikt, den sie voll ablehnen, hatte sich erlaubt, die gute alte hl. Messe wieder „hoffähig“ zu machen und versucht, sie auch aus der eigenbrötlerischen Ecke herauszuholen- und das war und ist vielen nachweislich ein Dorn im Auge, denn sie stellen sich wie schon Erzbischof Lefebvre eigenmächtig über die Kirche- und das hatte Bergoglio, der ihnen trotz manchem sehr lieb war, von Beginn seines Schein-Pontifikats von Anfang an getan.