
Von Don Michael Gurtner*
Der gegenwärtige und nicht abreißende Flüchtlingsstrom stellt Europa nicht nur vor zahlreiche Fragen, sondern besonders auch vor zahlreiche Probleme. Die verstärkte Präsenz des Islam in einer Gesellschaft, welche ihre eigene katholisch-christliche Identität nicht nur vergißt, sondern geradezu verleugnet und sich selbst zügigen Schrittes säkularisiert, wird mittelfristig nicht ohne drastische Auswirkungen bleiben können.
Wie diese mitteleuropäische Gesellschaft mit dem Phänomen des sich mehr und mehr ausbreitenden Islam umgeht, ist reichlich ambivalent und widersprüchlich, beispielsweise wenn man bedenkt, daß es ein Widerspruch in sich ist, wenn einerseits [gegenüber dem Christentum] eine vollkommene Säkularisation als absolutes Desiderat propagiert wird, das es durchzusetzen gilt, andererseits jedoch gerade jener Kultur immer breiterer Raum gegeben wird, welche gerade jene Weltsicht strikt ablehnt und darin im Grunde genommen nur konsequent ist.
Aus Gründen der Rücksicht vor dem sich ausbreitenden Islam verzichten viele Personen und Institutionen in Europa vermehrt auf deren eigenes kulturelles Erbe, Lebensstil und Ausdrücke (ehemaliger?) religiöser Überzeugungen. Es gibt mehr und mehr (Bildungs-)Einrichtungen, welche generell kein Schweinefleisch mehr in das Menü aufnehmen, christliche Symbole verdecken oder abmontieren, aus dem katholischen Martiniumzug kurzerhand ein allgemein-nichtssagendes „Lichterfest“ machen und aus den Schulen und Kindergärten das Krippenspiel verschwinden lassen mitsamt den anderen Weihnachts- und Adventsbräuchen.
Es ist wahr, daß durch das Zusammenspiel von Einwanderung und Glaubensverlust der prozentuelle Anteil derjenigen sinkt, welche überhaupt noch an derartigen Dingen interessiert sind, sei es religiöser oder kultureller Art. Das Interesse in verschiedenen Bereichen verschiebt sich einfach.
Trotzdem muß man fairerweise an dieser Stelle auch hinzufügen, daß in der aktuellen Situation die Berufung auf die Rücksichtnahme auf den Islam bei derartigen Initiativen sehr oft nur eine vorgeschobene Begründung ist, und diesem etwas in die Schuhe geschoben wird: Vielen scheint es auch eine recht willkommene Ausrede zu sein, um ihnen unlieb gewordenes abzuschaffen und dabei noch als gutmenschlich dazustehen. Es ist (noch) nicht der Islam selbst, welcher dieses Verhalten von uns verlangt, sondern man schiebt es den hier lebenden Mohammedanern gleichsam ein wenig in die Schuhe.
Allerdings ist auch anhand zahlreicher Beispiele ehemals christlicher Länder erkennbar, daß der Islam dort, wo er einmal eine gewisse Stärke erreicht hat, seine eigenen kulturellen und religiösen Vorstellungen überaus konsequent durchsetzt und für Nicht-Islamisches kaum noch Freiraum bleibt und auch Gewalt als legitimes Mittel gilt, um den Islam mit allem, was zu ihm gehört, durchzusetzen.
Dabei dürfen wir allerdings nicht bloß an die Flüchtlinge denken, welche jetzt aus dem Osten nach Europa strömen, sondern es gibt auch einen gewaltigen Zuzug aus Afrika. (Seltsamerweise wollten dabei ausgerechnet jene Länder, welche seit der Flüchtlingswelle aus dem Osten immer davon sprechen, daß ganz Europa die Last gemeinsam tragen müsse, und plötzlich die Flüchtlinge zwangsweise auf sämtliche Länder der EU aufteilen wollen, lange Zeit Italien mit der afrikanischen Flüchtlingswelle allein dastehen lassen, indem sie es zu einem rein italienischen Zuständigkeitsbereich erklärten).
Die Situation ist derzeit jedoch einmal jene, die sie ist, und man muß sich fragen, wie man rebus sic stantibus mit der Situation am besten umgeht. Als Katholik empfiehlt es sich dabei, einen Blick in das Martyrologium, d. h. in das Verzeichnis der Heiligen zu werfen, um nach geeigneten Vorbildern zu suchen. Ein besonders geeignetes Beispiel für unsere derzeitige Lage scheint der heilige Franziskanerpater Engelbert Kolland aus Ramsau im Tiroler Zillertal zu sein, und zwar in einer zweifachen Hinsicht: in seinem Missionseifer und in seiner Art, wie er seinen Glauben entschlossen verteidigte: Sogar zum Martyrium war er bereit.
Als Franziskanerpater stellte er sich seinem Orden zur Verfügung, um missionarisch tätig zu sein, wie es sein langgehegter Wunsch war. Seine Oberen entsprechen 1855 diesen seinen Vorstellungen und schickten ihn in ein Gebiet mit einer starken muslimischen Präsenz, nämlich in das Heilige Land, und schließlich nach Damaskus in Syrien.
Was den Missionseifer des heiligen Märtyrers so besonders macht und von vielen anderen Missionaren abhebt, ist die Tatsache, daß er in der Lage war, standhafte Glaubensüberzeugung und große Nüchternheit miteinander zu verbinden. Um das besser verstehen zu können, muß man ein wenig in die Geschichte seiner großen Lebensstationen blicken und man wird sehen, daß dies keinesfalls eine Selbstverständlichkeit war. Denn er war von Kindheit an in sehr aggressiv ausgetragene Glaubenskämpfe hineingestellt, sogar innerhalb seiner engsten Angehörigen, und erlebte nur während seiner kleinen und großen Studienzeit diesbezüglich ein wenig Ruhe.
Denn auch wenn er als Zillertaler ein Sohn des „heiligen Landes Tirol“ war, so war es doch nicht immer ganz so heilig. Seit den Zeiten der Gegenreformation gab es in dem Teil des Zillertals, der erst 1816 zu Tirol kam, eine Gruppe des sogenannten Kryptoprotestantismus, welche „Inklinanten“ genannt wurden, weil sie dem Protestantismus zuneigten, eben „inklinierten“. Während die Mutter von St. Engelbert (welcher damals noch Michael hieß) katholisch war, war dessen Vater (zumindest zu manchen Zeiten) Inklinant. Zwar fand der Vater in späteren Jahren in den Schoß der Heiligen Mutter Kirche zurück, allerdings war er vorher ein recht fanatischer Verfechter dieser protestantischen Sekte. Somit sah sich der spätere Franziskanerpater schon seit frühester Kindheit in heftige Glaubenskämpfe hineingestellt, welche sich nicht bloß auf einer vornehmlich geistig-intellektuellen Ebene abspielten, sondern durchaus Formen von Gewalt annahmen.
St. Engelbert aber sah tiefer und differenzierte feiner: Weder übernahm er den Missionseifer seines Vaters blind und wandte ihn einfach eins zu eins auf das Katholische an noch wandte er sich, durch das schlechte Beispiel abgeschreckt, ganz von der Missionstätigkeit ab. Nein, der spätere Märtyrer wußte recht zu urteilen und wohl zu unterscheiden. Deshalb sah er, daß das Übel der Religionswirren rund um ihn weder dadurch zu beheben war, daß man einfach alles Katholische beiseite räumte, darauf verzichtete und religiöse Überzeugung kurzsichtig als den angeblichen Grund für Zank, Streit und Unfrieden diffamiert, wie es heute so oft der Fall ist, noch durch ein gewaltsames Gebaren. Er erkannte vielmehr zu Recht, daß der Grund viel eher darin gelegen ist, auf welche Art und Weise man auf dieses Faktum der religiösen Überzeugungsunterschiede reagierte und diese dann miteinander austrug. Er lehnte die Mission nicht einfach deshalb ab, weil er im Inklinantenstreit in einem Klima religiöser Feindseligkeit aufgewachsen war, sondern ganz im Gegenteil, er sah in der Mission durchaus eine Notwendigkeit, stellte sich seinem Orden sogar auf eigenen Wunsch dazu zur Verfügung und bat darum, in ein Missionsgebiet gehen zu dürfen. Dabei wußte er seine missionarischen Aktivitäten derart zu gestalten, daß sie auch den dogmatischen Anforderungen des menschlichen Glaubensaktes genügen konnten und völlig in Einklang mit den heiligen Evangelien standen. Was er tat, war nichts anderes, als das Gute herauszukristallisieren und das Schlechte und Sündhafte beiseite zu lassen.
Zu diesem Missionseifer gesellte sich eine außerordentliche Standhaftigkeit im Glauben. Nur weil er nicht jene Methoden anwandte, welche er von seinem Vater kennengelernt hatte, hieß dies nämlich noch lange nicht, daß er einem religiösen Indifferentismus anheimgefallen wäre, ganz im Gegenteil. Noch mehr als im Zillertal war P. Engelbert Kolland dann in seiner Mission in Syrien einer sehr aggressiven Form von Religionskämpfen ausgesetzt. Anfang der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte auf grausamste und brutalste Weise eine regelrechte Verfolgung von Christen in vielen Ländern des islamischen Ostens ein, so auch in Syrien.
Als die Drusen durch Verrat in das Franziskanerkloster eindringen konnten, welches sie zuvor erfolglos zu stürmen gesucht hatten, stellten sie die dort lebenden Patres vor die Wahl, entweder dem katholischen Glauben abzuschwören und diesen zu verraten, oder zu sterben. Die Brüder blieben standhaft und wählten lieber den Tod, als den muslimischen Glauben anzunehmen.
Ohne das Martyrium zu suchen, war P. Engelbert Kolland dennoch dazu bereit. Als er von einem Drusen gestoppt wurde, kam es zum berühmten Dialog zwischen ihm und seinem Mörder. Der Franziskaner fragte: „Freund, was hab ich Dir getan, daß du mich töten willst?“ Der Druse war verblüfft und antwortete: „Nichts, aber du bist Christ! Tritt auf das Kreuz und wir wissen, daß du Christus abschwörst!“ Pater Engelbert aber blieb standhaft und erwiderte: „Ich bin ein Christ, ich bleibe Christ. Noch mehr, ich bin ein Diener Christi, Priester der katholischen Gemeinde hier.“ Daraufhin schlug sein Mörder dreimal mit einer Doppelaxt auf ihn ein, und nach jedem Mal wurde er erneut dazu aufgefordert, seinen katholischen Glauben zu verleugnen. Doch Pater Engelbert Kolland wiederholte nach jedem Axthieb sein Bekenntnis zu Christus und seiner Kirche, bis er schließlich als Märtyrer verschied.
Der heilige Pater Engelbert OFM zeigte uns beispielhaft, wie man Standhaftigkeit im Glauben mit einem regen Missionsgeist verbinden kann, ohne dabei in dieselben Fehler zu verfallen, welche gewalttätige Glaubensgemeinschaften begehen. Das Evangelium selber fordert Mission, doch es gibt auch deren Methodik vor, welche nicht jene ist, die beispielsweise im Islam vorgesehen ist.
Es ist falsch, wenn man in Europa und sogar mitunter innerhalb der Kirche selbst versucht, den dezidiert katholischen Glauben abzuschwächen und zugunsten eines undefinierbaren Einheitsbreis letztlich abzuschaffen. Wir müssen klar katholisch sein und sollten dabei denselben Missionseifer und dieselbe Standhaftigkeit im Glauben haben wie unser heiliger Franziskanerpater.
Momentan ist die Kirche selbst zu schwach, um dies zu erbringen. Doch wenn es uns gelänge, dann brauchten wir keine Angst mehr zu haben, daß Europa nach und nach zu einem islamischen Kontinent wird, denn dann würde es uns allein durch unser Verhalten als Katholiken gelingen, einen überwiegenden Teil der ankommenden Moslems zum katholischen Glauben zu bekehren.
- Zum Leben des seligen P. Engelbert Kolland OFM siehe die sehr lesenswerte Lektüre: P. Gottfried Egger OFM: Mein Gott und mein Alles. Leben und Martyrium des Tiroler Franziskaners Engelbert Kolland, 160 Seiten, mit verschiedenen Bildern und Farbtafeln, Edition Geschichte der Heimat, Grünbach 2003
*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen (Corona-) Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat. Von ihm stammt die Kolumne „Zur Lage der Kirche“ und jüngst zwei Aufsätze über den „katholischen Atheismus“ (hier und hier).
Bild: MiL