Der US-amerikanische Publizist, Bestseller-Autor und Youtuber Taylor Marshall, u. a. Autor von „Infiltriert. Die Verschwörung zur Zerstörung der Kirche“ (2020) mit einem Vorwort von Msgr. Athanasius Schneider, veröffentlichte das erste große Interview mit dem ehemaligen Apostolischen Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò, nach dessen vor kurzem erfolgter Exkommunikation durch Rom. Wir dokumentieren das Interview in voller Länge, damit sich jeder selbst ein Bild machen kann. Dabei empfehlen wir für das Interview eine ebenso kritische Herangehensweise wie für das Pontifikat von Franziskus.
Taylor Marshall: Glauben Sie, daß das dritte Geheimnis von Fatima, das im Jahr 2000 veröffentlicht wurde, das echte ist?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Der Text des dritten Teils des Geheimnisses von Fatima wurde 1944 von Schwester Lucia dem Bischof von Leiria übergeben: Er bezieht sich auf die Vision, die die drei Hirtenkinder 1917 hatten und die nach dem Willen der Jungfrau Maria 1960 offenbart werden sollte. Dieser Text wurde 1957, als Pius XII. regierte, dem Heiligen Offizium übergeben. Johannes XXIII. las ihn 1959 und beschloß, ihn nicht zu veröffentlichen. Paul VI. tat dies 1967 ebenfalls. Johannes Paul II. las ihn 1978 oder vielleicht 1981. Im Jahr 2000, anläßlich des Heiligen Jahres, veranlaßte er seine Veröffentlichung und ließ alle glauben, daß es sich um den vollständigen Text handelt, indem er die Vision des erschossenen Papstes auf sich bezog, genauer gesagt auf das Attentat, das er am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz erlitten hatte. Der Verdacht, daß der Text des Geheimnisses manipuliert wurde, ist mehr als begründet. Abgesehen von den technischen Anomalien und Ungereimtheiten – wie dem Format der von Schwester Lucia verwendeten Papierunterlage – scheint mir klar zu sein, daß der „enthüllte“ Inhalt zensiert wurde, um nicht zu bestätigen, was für alle sichtbar ist: die Zerstörung der katholischen Kirche von innen heraus und der Glaubensabfall durch ein „schlechtes Konzil“ und eine „schlechte Messe“. Die Entscheidung, den revolutionären Ausgang des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht zu präjudizieren, veranlaßte Roncalli dazu, das Dritte Geheimnis nicht zu enthüllen. Montini handelte genauso, auch weil sich die Revolution des Konzils inzwischen auf die Liturgiereform ausgedehnt hatte. Andererseits verwundert es nicht, daß eine Hierarchie, die die Heilige Schrift und das Lehramt verfälscht, sogar so weit gehen könnte, die Worte der Heiligen Jungfrau im Zusammenhang mit kirchlich anerkannten Erscheinungen zu zensieren.
Taylor Marshall: Sollte die Vatikanbank IOR abgeschafft werden?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Das Institut für die Werke der Religionen (IOR) ist eine Bank, und es ist normal, daß eine Institution wie die katholische Kirche und der Staat der Vatikanstadt eine solche besitzt. Seine Leitung ist zwei Laien anvertraut: einem Präsidenten und einem Generaldirektor, während eine Kardinalskommission für die Überwachung der Aktivitäten zuständig ist. Da ich in meiner Funktion als Generalsekretär nicht vom Governatorat abhängig war, hatte ich nie irgendeine institutionelle Rolle im IOR inne.
Es ist Sache derjenigen, die das IOR verwalten – d. h. der Kardinalskommission und letztlich des Staatssekretariats, im Auftrag des Heiligen Vaters –, die Regeln zu diktieren, die eine ordnungsgemäße Verwaltung und die Transparenz der Aktivitäten gewährleisten und Spekulationen und illegale Aktivitäten verhindern.
Taylor Marshall: In meinem Buch „Infiltriert. Die Verschwörung zur Zerstörung der Kirche“ dokumentiere ich Ihre investigative Arbeit unter Papst Benedikt XVI. als Generalsekretär des Governatorats des Staates der Vatikanstadt von Juli 2009 bis September 2011. Was haben Sie noch herausgefunden? Um der Geschichte willen, was genau ist passiert?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Bevor ich an das Governatorat [Regierung des Vatikanstaates] berufen wurde, hatte ich von Johannes Paul II. die Aufgabe des Delegaten für die päpstlichen Vertretungen in der Ersten Sektion des Staatssekretariats übertragen bekommen, mit dem Substituten und dem Staatssekretär als meinen unmittelbaren Vorgesetzten, die als einzige Zugang zum Heiligen Vater hatten. Meine Aufgabe waren alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Einstellung und Beförderung des Personals der Römischen Kurie und der Apostolischen Nuntiaturen sowie die vertraulichen Angelegenheiten bezüglich der Mitglieder der römischen Dikasterien und des Kardinalskollegiums.
Meine Arbeit, die darin bestand, Nachforschungen anzustellen, Dossiers zu erstellen und ein Urteil über die Personen und die zu treffenden Entscheidungen zu formulieren, endete mit der Übergabe der Dossiers an den Substituten. Es war dann Sache des Substituten und des Staatssekretärs – zunächst Sodano und dann Bertone –, dem Papst meine Dossiers vorzulegen oder nicht, wobei es in ihrem freien Ermessen lag, ob sie eine Sache im Sand verlaufen lassen wollten. Was haben meine Vorgesetzten, abgesehen von dem bekannten Fall McCarrick, zum Beispiel mit den schwerwiegenden Informationen getan, die ich über Maradiaga gesammelt hatte? Warum wurde er in den Kardinalsstand erhoben, anstatt ihn entsprechend den von ihm begangenen Verbrechen zu bestrafen?
Kardinal Bertone, der Papst Benedikt unter Kontrolle hielt, brachte diesen dazu, mich von meinem Posten zu entfernen, weil ich, wie ich in meinem J’accuse sagte, sein Handeln und seine Ernennungen behinderte. Er schob mich als Generalsekretär in das Governatorat ab, aber da es sich um eine Diminutio, also eine Herabstufung gegenüber meiner vorherigen Funktion handelte, versprach mir Bertone, daß ich am Ende von Lajolos Amteszeit, der inzwischen kurz vor der Pensionierung stand, zum Präsidenten des Gouverneursamtes ernannt würde, also [zum Regierungschef des Vatikanstaates und] zum Kardinal.
Gleich am Tag, als ich mich am 16. Juli 2009 im Gouverneursamt zum Dienstantritt meldete, wurde mir klar, daß die Verwaltung von Unregelmäßigkeiten und Korruption geprägt war. Ich entdeckte sofort die Existenz einer illegalen und in den Statuten des Gouverneursamtes nicht vorgesehenen Finanz- und Verwaltungskommission, die sich aus einer Gruppe prominenter italienischer Bankiers zusammensetzte und mit der Finanzverwaltung des Staates der Vatikanstadt betraut war. Diese Kommission, die als rein beratendes Gremium dargestellt wurde, hatte in Wirklichkeit Entscheidungsfunktionen und spekulierte mit den Investitionen des Vatikans zu ihrem Vorteil mit Investmentfonds – darunter BlackRock –, mit denen sie Verwaltungsverträge abgeschlossen hatten, deren Kosten höher waren als die an das Governatorat gezahlten Zinsen.
Ich machte mich also sofort an die Arbeit, und innerhalb weniger Monate hatte sich das im Haushaltsjahr 2009 festgestellte Defizit von über 10 Millionen Dollar in einen Überschuß von 44 Millionen Dollar verwandelt, indem den illegalen Geschäften von Prälaten und Laien ein Ende gesetzt wurde. Diese Sanierungsaktion hätte natürlich die Entfernung der Protagonisten so vieler Vergehen beinhalten müssen, angefangen bei dem Kardinalpräsidenten Lajolo und dem Verwaltungsdirektor der Vatikanischen Museen, Monsignore Paolo Nicolini.
Lajolo, der im Geruch der Freimaurerei steht, gehört zur Seilschaft von Kardinal Silvestrini, der wiederum ein Geschöpf von Staatssekretär Agostino Casaroli ist, dem Mann der vatikanischen Ostpolitik, einer Schlüsselfigur des Pontifikats von Johannes Paul II. Silvestrini, zuständig für die Zweite Sektion im Staatssekretariat für die Beziehungen zu den Staaten, war ein prominentes Mitglied der Mafia von Sankt Gallen und Leiter des Universitätskollegs Villa Nazareth, einer Art kirchlicher Ausgabe der Young Global Leaders for Tomorrow von Davos. Der ehemalige Ministerpräsident Giuseppe Conte, eine obskure Gestalt, die die Italiener während der Pandemie-Farce zu Hausarrest verurteilte, ging aus dieser Schmiede an der Kreuzung zwischen Deep Church und Deep State hervor.
Msgr. Paolo Nicolini gehört zur sogenannten Lavendel-Mafia, der vatikanischen Homo-Lobby. Als Verwaltungsdirektor der Vatikanischen Museen und der Kulturgüter des Governatorats war er für die Haupteinnahmequelle des Staates der Vatikanstadt zuständig. Zu den wichtigsten Verfehlungen von Nicolini, mit denen ich mich sofort befassen mußte, gehörte der Vertrag, den er mit Zustimmung von Kardinal Lajolo und meinem Vorgänger Msgr. Renato Boccardo für die Restaurierung der Bernini-Kolonnade und der beiden Brunnen auf dem Petersplatz im Wert von 15 Millionen Euro ausgearbeitet hatte.
Das Governatorat gehörte nicht zu den Vertragspartnern des besagten Vertrags, der stattdessen in einer Schweizer Bank (der Banca del Gottardo in Lugano) zwischen dem Unternehmen, das mit der Beschaffung von Mitteln zur Finanzierung der Arbeiten beauftragt war (durch Anzeigen auf den Kolonnaden des Petersplatzes), und der mit den Restaurierungsarbeiten betrauten Firma (die von Nicolini ohne Ausschreibung ausgewählt wurde) unterzeichnet worden war. Msgr. Nicolini hatte Anspruch auf ein beträchtliches monatliches Honorar, das ihm direkt von der Firma gezahlt wurde, die die Werbegelder einnahm. Letztere behielt jedoch mehrere bereits gesammelte Millionen Euro für sich, die je nach Fortschritt der Arbeiten an das Unternehmen, das die Restaurierungsarbeiten durchführte, hätten gezahlt werden müssen, sodaß es zu einer Unterbrechung der Arbeiten kam. Ich sah mich daher gezwungen, zu intervenieren, um den Vertrag aufzulösen und zu verlangen, daß die eingenommenen Beträge unverzüglich an das Gouverneursamt überwiesen werden, um die ausgeführten Restaurierungsarbeiten zu vergüten. Stattdessen wurde ich aus dem Governatorat hinausgeworfen und Kardinal Lajolo konnte wieder ungestört agieren.
Ein weiterer Fall von Mißmanagement war die Vergabe des Auftrags für die Einrichtung der neuen Verkaufsstellen in den Vatikanischen Museen an die Opera Laboratori Fiorentini, eines Auftrags von mehreren Millionen Euro, und der es Nicolini ermöglichte, sich unter der Hand einen enormen persönlichen finanziellen Vorteil zu verschaffen.
Meine Entfernung aus dem Gouverneursamt erfolgte nach einer Verleumdungskampagne in der Presse, die von Msgr. Nicolini und dem mächtigen jungen Marco Simeon organisiert wurde, einem bekannten homosexuellen Freimaurer, ehemaliger Sekretär des italienischen Kulturministers Urbani und Sekretär des Präsidenten der Investmentbank Mediobanca, ein Intimus und Schützling von Staatssekretär Bertone, dem Simeon seine Beförderung beim Staatsrundfunk RAI als Leiter der Beziehungen zum Vatikan verdankte.
Meine Arbeit wurde vereitelt, das Team von Mitarbeitern, das ich gebildet hatte, wurde aufgelöst, und alle Protagonisten der Korruption, die ich aufgedeckt hatte, wurden in ihren Ämtern bestätigt. Nicolini wurde zum Leiter der Päpstlichen Villen in Castel Gandolfo befördert, wo er ein riesiges Anwesen verwalten konnte, das viel größer war als der Vatikanstaat. Er erreichte von Bergoglio die sofortige Absetzung mit brutalen und rachsüchtigen Methoden von Eugene Hasler, einem völlig integren Mann und engen Mitarbeiter von mir, Sohn des Majors der Päpstlichen Schweizergarde, die seinen Ruf, seine berufliche Karriere und seine Existenz zerstörten. Msgr. Nicolini wurde erst kürzlich von Bergoglio zum Direktor des Hochschulzentrums Laudato si‘ (hier) ernannt, das sich gemäß den Vorgaben des Weltwirtschaftsforums in Davos mit „grünen Projekten“ beschäftigt. Das jüngste dieser Projekte, das vor einigen Wochen veröffentlicht wurde, besteht aus einer Photovoltaikanlage im exterritorialen Gebiet von Santa Maria di Galeria. Dieses Projekt war bereits von Kardinal Lajolo unter Benedikt XVI. vorgeschlagen worden, und ich war es, der damals seine Verwirklichung verhindern konnte.
Wegen der erwähnten Medienangriffe setzte Benedikt XVI. eine Untersuchungskommission ein, die sich aus den drei Kardinälen: Herranz, Burke und Lajolo zusammensetzte, obwohl letzterer direkt betroffen war. Bertone gelang es aber, Herranz zur Auflösung der Kommission zu bewegen, die er durch eine Disziplinarkommission des Gouverneursamtes ersetzte. Und obwohl diese von Bertone selbst kontrolliert wurde, verhängte sie die Entlassung von Nicolini und Sanktionen gegen die Leitung der Päpstlichen Villen. Doch zugleich wurde die Umsetzung der von dieser Disziplinarkommission ergriffenen Maßnahmen von Bertone und Lajolo vereitelt.
Während Papst Benedikt zweimal seinen Willen bekundet hatte, mich anstelle von Kardinal Velasio de Paolis zum Präsidenten der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls zu ernennen – eine Position, in der ich, wie er mir sagte, „dem Heiligen Stuhl am besten dienen könnte“ –, erreichte Bertone, daß ich aus der Römischen Kurie entfernt und nach Washington geschickt wurde, weg von denjenigen, die ich in meinem Kampf gegen die Korruption „gestört“ hatte.
Der Kammerdiener Paolo Gabriele – ein ehrlicher und naiver, aber gutmütiger Mann – übergab [im Zuge von Vatileaks auch] meine an Papst Benedikt und Bertone gerichteten Briefe an die Presse, in denen ich die enorme Korruption im Gouverneursamt anprangerte. Mit dieser Geste hoffte Gabriele, Benedikt zu helfen, indem er das Netz der Komplizenschaft im Vatikan, die übermächtige Rolle von Bertone und Lajolo und die Machenschaften zum Nachteil des Papstes ans Licht brachte. Entscheidend war auch die Rolle von Msgr. Gänswein, der mit Bertone um die Kontrolle über Benedikt in der Leitung der Kirche rang. 2012, nach dem Durchsickern dieser Dokumente (Vatileaks 1), setzte der Papst eine neue Kardinalskommission ein, der Herranz, Tomko und De Giorgi angehörten. Obwohl ich im Mittelpunkt dieser Ereignisse stand, versuchte dieses neue Gremium, mich mindestens zwei Monate lang zu ignorieren, und erst nach einer ausdrücklichen telefonischen Aufforderung meinerseits an Kardinal Herranz, als ich mich in Washington aufhielt, wurde ich als Zeuge angehört. „Eminenz, glauben Sie nicht, daß auch ich in dieser Angelegenheit etwas zu sagen habe?“ Die gereizte Antwort des Kardinals lautete: „Wenn Sie das unbedingt wollen…“.
Meine Denkschrift sowie das Protokoll meiner Einvernahme waren in der berühmten weißen Schachtel enthalten, die der Emeritus im April 2013 Bergoglio bei seinem Besuch in Castel Gandolfo überreichte (siehe Foto) und in der er den Nachfolger beauftragte, einzugreifen, um die grassierende Korruption im Vatikan zu beseitigen.
Als ich am 23. Juni 2013 von Bergoglio empfangen wurde, bat er mich, nachdem er mich über McCarrick und die Jesuiten in den USA befragt hatte, um meinen Standpunkt zu sondieren, ihm das Dossier zu geben, das ich den drei von Benedikt mit der Untersuchung beauftragten Kardinälen übergeben hatte. Ich tat dies sofort, und er sagte mir: „In meinem Schlafzimmer habe ich einen kleinen Safe. Ich werde es dorthin bringen (was er auch tat) und es heute abend lesen“.
Es ist offensichtlich, daß Bergoglio nur daran interessiert war, zu wissen, wer die korrupten Leute waren, damit er sie benutzen, kontrollieren und erpressen konnte. Nicolini gehörte zu seinen Schützlingen, die er, wie wir gesehen haben, nicht nur an Ort und Stelle behielt, sondern in höhere Positionen beförderte und jeden eliminierte, der sich ihm widersetzte wie Eugene Hasler.
Ich frage mich, was mit dieser weißen Schachtel geschehen ist und warum die beiden noch lebenden Kardinäle – Herranz und De Giorgi – angesichts der Vertuschung ihrer Untersuchungsergebnisse weiterhin schweigen.
Taylor Marshall: Kardinal Fernández hat erklärt, daß Sie eine Exkommunikation latæ sententiæ für das Verbrechen des Schismas erhalten haben. Trifft die kanonische Strafe auf Sie zu? Warum oder warum nicht?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Am 11. Juni wurde ich durch eine einfache E‑Mail (ohne jemals eine offizielle Benachrichtigung erhalten zu haben) über ein Verfahren gegen mich informiert, zu dem ich am 20. Juni in Rom erscheinen sollte, um die gegen mich erhobenen Anschuldigungen entgegenzunehmen und bis zum 28. Juni, dem Vorabend der Heiligen Petrus und Paulus, meine Verteidigung vorzubereiten. Ich glaube nicht, daß man jemandem, selbst wenn er nur einen Strafzettel für Falschparken bekommen hat, nur eine Woche Zeit läßt.
Die gegen mich erhobenen Anschuldigungen sind völlig fadenscheinig: Schisma, weil ich die Legitimität von Bergoglio in Frage gestellt und das Zweite Vatikanische Konzil abgelehnt habe. Das Gesetz erkennt nämlich die Nichtanwendbarkeit des Schismawillens in dem Fall an, in dem der Angeklagte davon überzeugt ist, daß derjenige, der auf dem Thron Petri sitzt, nicht der Papst ist, und, wenn sich sein Verdacht als unbegründet erweist, bereit ist, sich seiner Autorität zu unterwerfen. Ich halte Jorge Mario Bergoglio für einen Anti-Papst, oder besser: einen Gegenpapst, einen Usurpator, einen Abgesandten der antikatholischen Lobby, die die Kirche seit Jahrzehnten unterwandert. Die Evidenz seiner Fremdheit gegenüber dem Papsttum, seine zahlreichen Häresien und die Kohärenz seiner subversiven Regierungs- und Lehrhandlungen sind äußerst schwerwiegende Elemente, die nicht vorschnell als Majestätsbeleidigung abgetan werden können.
Abgesehen von der Methode des außergerichtlichen Strafverfahrens machen die Sedisvakanz des Apostolischen Stuhles und die Usurpation des Thrones Petri durch einen falschen Papst alle Handlungen der römischen Dikasterien völlig ungültig und unwirksam, sodaß sogar die Exkommunikation gegen mich null und nichtig ist.
Wir haben es mit einem kanonischen Kurzschluß zu tun: Derjenige, der die höchste irdische Autorität in der Kirche innehat, antwortet in dem Moment, in dem er der Häresie bezichtigt wird, damit, daß er denjenigen, der ihn anklagt, des Schismas beschuldigt und exkommuniziert. Diese für Diktaturen typische Instrumentalisierung des Rechts widerspricht der mens rea des Gesetzgebers und fällt zu Recht unter die Bestimmungen der Bulle Pauls IV.: Gerade das Festhalten an der Häresie führt zum Ausschluß des Häretikers aus der Kirche und macht seine Autorität unrechtmäßig, ungültig und nichtig.
Taylor Marshall: Wer sind im Moment die gefährlichsten Männer im Vatikan?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Nach Bergoglio sind die gefährlichsten Fernàndez, Hollerich, Roche, Peña Parra… Diese Männer sind zusammen mit Staatssekretär Parolin an der katastrophalen Verwaltung des Vatikans und der gesamten Kirche beteiligt. Ich erinnere en passant daran, daß Parolin der Seilschaft der Zweiten Sektion des Staatssekretariats angehörte, die damals von dem Freimaurer Silvestrini geleitet wurde, einem prominenten Mitglied der Mafia von Sankt Gallen, der er seinen Aufstieg verdankt.
Taylor Marshall: Was sollen die Katholiken im Falle eines Verbots der überlieferten Messe tun?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Die tridentinische Messe ist ein unermeßlicher Schatz für die Heilige Kirche. Sie ist durch ihren jahrhundertelangen Gebrauch, in dem die Stimme der Heiligen Tradition zum Ausdruck kommt, „kanonisiert“. Wenn die Hierarchie ihre Macht mißbraucht und die Feier der alten Messe entgegen dem Zweck, den der Herr ihr gegeben hat, verhindert, begeht sie einen Mißbrauch, und dieses Verbot ist null und nichtig.
Priester und Bischöfe sollten mehr Mut zeigen, indem sie weiterhin den überlieferten Ritus zelebrieren und sich weigern, den Novus Ordo zu feiern. Sie müßten wahrscheinlich mit Sanktionen seitens des Vatikans rechnen, aber sie sollten sich fragen, welche Sanktionen sie erwarten, wenn sie sich vor dem Gericht des Herrn verantworten müssen, weil sie ihre Pflicht nicht erfüllt haben und lieber den Mächtigen unterwürfig gehorcht haben, als Gott zu gehorchen.
Die Laien sollten sich in kleinen Gemeinschaften organisieren, indem sie die zum Verkauf stehenden Kirchen kaufen oder Hauskapellen einrichten und Priester suchen, die bereit sind, für sie die heilige Messe und die Sakramente nach dem apostolischen Ritus zu feiern, und ihnen bei der Ausübung ihres Dienstes materiell helfen.
Taylor Marshall: Was halten Sie von der Priesterbruderschaft St. Petrus (FSSP), dem Institut des Hohenpriesters Christus König (ICRSS) und der Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX)? Ermutigen Sie die Menschen, an deren Messen teilzunehmen?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Die ehemaligen Ecclesia-Dei-Institute entstanden aus dem Wunsch des Vatikans, die Priesterbruderschaft St. Pius X. nach den Bischofsweihen von 1988 zu schwächen, die, da sie sich eine apostolische Sukzession gegeben hatte, ihr Apostolat auch nach dem Tod von Erzbischof Marcel Lefebvre weiterführen konnte. Das „Zugeständnis“, die tridentinische Liturgie zelebrieren zu dürfen – was bis dahin völlig ausgeschlossen war –, hatte und hat als Bedingung die Akzeptanz des „nachkonziliaren Lehramtes“ und der Rechtmäßigkeit des Novus Ordo. Eine solche Prämisse ist völlig inakzeptabel, weil sie die Zelebration der überlieferten Messe auf eine zeremonielle Angelegenheit reduziert, während es offensichtlich ist, daß der tridentinische Ritus in sich selbst die gesamte Lehre und Spiritualität des katholischen Glaubens zusammenfaßt, im Gegensatz zum protestantisierten Ritus Pauls VI., der diesen Glauben ökumenisch zum Schweigen bringt. Diejenigen, die die heilige Messe des heiligen Pius V. feiern, können das Vaticanum II nicht akzeptieren. In der Tat hatten viele Priester, die aus der Bruderschaft von Bischof Lefebvre ausgetreten und den Ecclesia-Dei-Instituten beigetreten waren, weiterhin starke Vorbehalte und spielten sozusagen mit dem Mißverständnis einer stillschweigenden Akzeptanz, deren Konkretisierung der Vatikan nicht verlangte.
Im Jahr 2007 erkannte Benedikt XVI. die Legitimität der traditionellen Liturgie an und erklärte die alte Messe zur „außerordentlichen Form“ des Römischen Ritus neben der „ordentlichen Form“ des Novus Ordo. Das Motu Proprio Summorum Pontificum offenbart den hegelianischen Ansatz Ratzingers, der in der Koexistenz zweier Formen ein und desselben Ritus eine Synthese zwischen der These der überlieferten Messe und der Antithese des Montini-Ritus herstellen wollte. Aber auch in diesem Fall wurde die ideologische Grundlage des Motu Proprio durch die Praxis gemildert, sodaß das Endergebnis von Summorum Pontificum relativ positiv ausfiel, zumindest was die Verbreitung der Zelebration der alten Messe anbelangt, die neue Generationen nie kennengelernt hatten. Junge Priester und viele Gläubige wandten sich dem Apostolischen Ritus zu und entdeckten dessen Schönheit und innere Übereinstimmung mit dem katholischen Glauben. Angesichts des Erfolgs der immerwährenden Messe schränkte das Motu Proprio Traditionis custodes die Freigabe von Summorum Pontificum drastisch ein, indem es das Recht eines jeden Priesters, die überlieferte Messe zu feiern, für abgeschafft erklärte und de facto nur den ehemaligen Ecclesia-Dei-Instituten vorbebehält. So ist ein „Indianerreservat“ von mehr oder weniger konservativen, von Bergoglio abhängigen Klerikern entstanden, die ein Bekenntnis zum Konzil ablegen müssen, indem sie mindestens einmal im Jahr den neuen Ritus konzelebrieren: etwas, wozu praktisch alle Priester dieser Institute gezwungen sind, ob sie wollen oder nicht. Andererseits habe ich nicht den Eindruck, daß die Bischöfe oder Kardinäle, die sie unterstützen, Vorbehalte gegenüber dem Konzil oder den lehrmäßigen, moralischen und liturgischen Abweichungen der Nachkonzilszeit und Bergoglios geäußert haben. Es ist schwierig, von Untergebenen eine Kampfbereitschaft zu erwarten, die bedeutende Prälaten nie gezeigt haben.
Diese Institutionen sind also erpreßbar. War es bei Summorum Pontificum noch plausibel, an den Versuch einer Pax liturgica zu denken, die den Konservativen die Freiheit läßt, den von ihnen bevorzugten Ritus zu wählen (sozusagen eine liberale Vision), so tragen bei Traditionis custodes die Kleriker, die die alte Messe zelebrieren, und die Gläubigen, die sie besuchen, das kirchliche Stigma des Indietrismus, der Ablehnung des Zweiten Vatikanischen Konzils und der vorkonziliaren Strenge. In diesem Fall weichen Synodalität und Parochialismus dem Autoritarismus Bergoglios, der jedoch eine unbequeme Wahrheit ausspricht: Dieser Ritus stellt die Ekklesiologie und Theologie des Zweiten Vatikanums in Frage und repräsentiert als solcher nicht die konziliare Kirche. Die Illusion der pax liturgica ist also angesichts der Unvereinbarkeit zweier Riten, die sich gegenseitig „exkommunizieren“, ebenso wie die beiden kirchlichen Riten, kläglich gescheitert.
Im Fall des Instituts Christus König und Hohepriester scheint die rituelle und zeremonielle Frage des Rituals gegenüber der Frage der Lehre zu überwiegen, und es ist kein Zufall, daß die Kanoniker von Gricigliano von Opposition wie Ächtung ausgenommen zu sein scheinen: Sie stellen kein Problem dar, da sie den neuen Kurs nicht im geringsten in Frage stellen und in ihren Konstitutionen sogar reichlich Zitate aus Konzilsdokumenten enthalten. Die anderen Institute überleben, aber es bleibt abzuwarten, wie sie auf künftige Einschränkungen reagieren werden.
Die Piusbruderschaft zeigt nach fünfzig Jahren der Aktivität Anzeichen von Ermüdung, und manchmal scheint es, daß ihr Schweigen zu den Schrecken von Santa Marta durch einen stillschweigenden Nichtangriffspakt motiviert ist, vielleicht in der Hoffnung, zur Sammlung des Konservatismus und von Teilen des katholischen Traditionalismus zu werden, sobald Bergoglio die „Konkurrenz“ der ehemaligen Ecclesia-Dei-Institute ausgeschaltet haben wird. Meine Befürchtung ist, daß diese Hoffnung am Ende das faktische Schisma, das in der Kirche bereits besteht, ratifizieren wird und die Katholiken dazu zwingt, die offizielle Kirche zu verlassen, als ob sie selbst und nicht die römische Hierarchie sich in einem Zustand des Schismas befänden. Sobald die kritischen Stimmen beseitigt sind, würde sich Bergoglio mit „seiner“ häretischen Kirche wiederfinden, aus der Priester und Gläubige, die die permanente Revolution nicht akzeptieren, verbannt werden.
Was die Gläubigen betrifft, so halte ich es für notwendig, die Situation der großen Orientierungslosigkeit und Anarchie in der Kirche zu verstehen. Viele Katholiken, die die überlieferte Messe entdeckt haben, können nicht mehr am Montini-Ritus teilnehmen, und es ist verständlich, daß sie sich sozusagen mit den tridentinischen Messen, die von den ehemaligen Ecclesia-Dei-Instituten zelebriert werden, „zufrieden“-geben, ohne jedoch die Kompromisse zu akzeptieren, die von ihren Priestern verlangt werden. Aber das ist eine Situation, die früher oder später geklärt werden muß, vor allem, wenn die Akzeptanz der konziliaren und synodalen Irrtümer zur condicio sine qua non des Genusses der alten Messe wird. In diesem Fall müssen die Gläubigen konsequent handeln und sich Priester suchen, die nicht mit der synodalen Kirche kompromittiert sind. Die Schrecken dieses „Pontifikats“ lassen den Konsens des Klerus in bezug auf Bergoglio ohnehin erodieren: Eine traditionelle Fraktion könnte beschließen, ihm nicht auf dem gescheiterten Weg zu folgen, den er eingeschlagen hat.
Taylor Marshall: Was würde das für die Laien bedeuten, die nicht an der alten Messe teilnehmen können?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Ich verstehe den Kummer, den viele empfinden, wenn sie nicht an der tridentinischen Messe teilnehmen können. Es ist, als ob man der Gegenwart des Herrn und der Gnaden, die das Heilige Opfer über die Seelen und die Kirche ausbreitet, beraubt wird. Aber im Laufe der Geschichte haben viele Katholiken, sei es in fernen Ländern, die der Missionare beraubt waren, oder in Zeiten der Verfolgung, nur gelegentlich die Messe besuchen können. Ohne Messe kann man überleben, aber nicht ohne Glauben. Wenn also der Glaube für das Heil unverzichtbar ist, dann ist es für jeden Katholiken wichtig, seine religiöse Unterweisung zu pflegen, indem er den tridentinischen Katechismus aufnimmt und den Verstand und das Herz nährt, um der Ansteckung durch den Novus Ordo und seine Entartungen zu widerstehen. Es ist notwendig, den Herrn zu bitten, daß er Arbeiter für seine Ernte schickt, und den wenigen Priestern zu helfen, die noch treu sind.
Taylor Marshall: Welche Rolle spielte McCarrick bei dem chinesisch-vatikanischen Abkommen?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Trotz der Vorwürfe gegen McCarrick wegen seines skandalösen Verhaltens, die bereits bekannt waren, und obwohl es Disziplinarmaßnahmen von Papst Benedikt gegen ihn gab, wies Bergoglio den damaligen Kardinal an, den Kontakt zur Pekinger Regierung aufrechtzuerhalten auch aufgrund seines Einflusses bis ins Weiße Haus und zum demokratischen Establishment, das bis heute Beziehungen zur chinesischen Diktatur pflegt.
McCarricks Fähigkeit, die Zusammenarbeit der Kirche mit bestimmten Regierungen zu „monetarisieren“, führte zur Unterzeichnung eines Geheimabkommens, das einigen Gerüchten zufolge – die ich nicht überprüfen kann –, dem Vatikan jedes Jahr Millionen einbringen soll als Gegenleistung für sein Schweigen zu Menschenrechtsverletzungen und zur Verfolgung jener Katholiken, die dem Apostolischen Stuhl treu ergeben sind.
Taylor Marshall: Als ehemaliger Nuntius, wie war der Zustand des US-Episkopats?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Der US-amerikanische Episkopat ist das Ergebnis jahrzehntelanger schlechter vatikanischer Regierung: Die Korruption und die Präsenz einer sehr mächtigen Homo-Lobby – die sich größtenteils aus McCarricks Schützlingen zusammensetzt – ist ganz und gar auf den neuen bergoglianischen Kurs ausgerichtet und auf eine skandalöse Anpassung an die woken Positionen der radikalen Linken, die die Vereinigten Staaten zerstören. Zu diesen korrupten Leuten sind die Kardinäle Spellman, Bernardin, Dearden, McCarrick und ihre Nachkommen sowie die Gesellschaft Jesu zu zählen, die eine entscheidende Rolle bei der Auflösung der Katholizität spielt.
Der „gesunde“ Teil der Bischöfe – den ich als Nuntius in jeder Hinsicht zu fördern und zu verteidigen versucht habe – ist eine Minderheit, konservativ, aber mit einem Konzilsansatz.
Taylor Marshall: Was halten Sie von dem Argument des munus-ministerium, daß Benedikt XVI. nicht zurückgetreten sei?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Der Amtsverzicht Benedikts XVI. ist aufgrund der Verfahrensfehler und des kanonischen Monstrums, das er hervorgebracht hat, sicherlich ungültig, wie Prof. Enrico Maria Radaelli so treffend erklärt hat. Die Erfindung des „emeritierten Papsttums“ hat den Primat des Petrus weiter untergraben und den Weg zu jenem „zerlegten Papsttum“ geebnet – in einer surrealen Trennung von munus und ministerium ohne theologische oder kanonische Grundlage –, das sich nun zu einer Neuinterpretation der Rolle des Papstes in einem ökumenischen Schlüssel entwickelt, wie wir in dem kürzlich vom Dikasterium für die Förderung der Einheit der Christen veröffentlichten Studiendokument „Der Bischof von Rom“ sehen. Eine Einheit, die ein Hinweis auf die wahre Kirche Christi ist, die die katholische Kirche ist und die bezeichnenderweise vom Zweiten Vatikanischen Konzil als ein zu erreichendes Ziel präsentiert wird, das durch eine Interpretation des Dogmas erreicht werden soll, die zu keinen Konflikten mit den Irrtümern der nichtkatholischen Sekten führt.
Die Tatsache, daß Ratzinger subjektiv den Verzicht auf das Papsttum in Erwägung gezogen hat, ändert nichts an der Nichtigkeit der Verzichtserklärung. Ungeachtet der Aura der Orthodoxie, die das Pontifikat Benedikts XVI. umgibt, vor allem in gemäßigten konservativen Kreisen, stellen seine Neudefinition der Institution des Petrus und die Schaffung des emeritierten Papsttums den äußersten Ausdruck der häretischen Instanzen in Ratzingers Theologie dar und müssen als solche Gegenstand einer sehr präzisen Verurteilung sein, zusammen mit den anderen Häresien (die durch die Studien des bedeutenden Professors Radaelli gut herausgestellt wurden), die der deutsche Theologe nie verleugnet hat.
Taylor Marshall: Was sollte der nächste Papst tun? Sollte er Bergoglio zum Anti-Papst erklären? Das Vaticanum II für ungültig erklären?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Als unser Herr vor 2024 Jahren in Israel Fleisch geworden ist, gab es weder einen König noch ein Priestertum. Wenn wir uns der Endzeit nähern, glaube ich, daß die Vakanz des Apostolischen Stuhls von Dauer sein wird. Wenn Er auf die Erde zurückkehrt, wird sich unser Herr das zeitliche Zepter und die geistliche Krone zurückholen und die heute unrechtmäßigen königlichen und priesterlichen Vollmachten wieder in sich selbst aufnehmen.
Sollte die Vorsehung der Kirche aber einen wahren Papst schenken wollen, könnte dieser daran zu erkennen sein, daß er die Nichtigkeit des Konzils erklärt und die von diesem verursachten Katastrophen verurteilt. Ein heiliger Papst würde den Novus Ordo abschaffen und die überlieferte Liturgie wiederherstellen, weil ihm die Ehre Gottes, die Ehre der Kirche und das Heil der Seelen am Herzen liegen würden.
Taylor Marshall: Papst Leo II. erklärte das Anathema gegen seinen Vorgänger Papst Honorius. Wird das wieder passieren?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Das wäre das mindeste. Die Verurteilung des Irrtums ist notwendig, um die verletzte Ordnung wiederherzustellen, die in Gott, der höchsten Wahrheit, begründet ist. Honorius wurde von Papst Leo II. exkommuniziert, nicht weil er ein Häretiker war, sondern weil profana proditione immaculatam fidem subvertere conatus est – er mit unheiligem Verrat versuchte, die Reinheit des Glaubens zu untergraben, weil er die monothelitische Häresie nicht klar verurteilt hatte, nach der es in Christus nicht zwei Willen gibt, einen göttlichen und einen menschlichen gemäß den beiden Naturen, sondern nur einen. Bergoglios subversives Vorgehen ist weitaus schwerwiegender, ebenso wie die Irrlehren, die das Zweite Vatikanische Konzil nicht nur nicht bekämpft hat, sondern für die es sich vielmehr, in einer kolossalen Täuschung der kirchlichen Körperschaft, zum pastoralen Vehikel machte.
Taylor Marshall: Wenn Bergoglio ein Anti-Papst sein sollte, wären seine Kardinäle dann nicht auch Anti-Kardinäle und ungültig? Wie würde ein Konklave ablaufen? Sind Sie zur Lösung dieses Problems mit der Cassiciacum-These vom „materiellen Papsttum“ von Guérard des Lauriers einverstanden?
Erzbischof Carlo Maria Viganò: Das Kardinalskollegium besteht in seiner Mehrheit aus weitgehend kompromittierten und korrupten Persönlichkeiten. Darüber hinaus macht die Illegitimität Bergoglios (auch wegen der Verstöße gegen die Bestimmungen der Apostolischen Konstitution Universi Dominici Gregis, die seine Wahl ungültig machen) alle seine Regierungshandlungen und somit auch alle Ernennungen des Heiligen Kollegiums null und nichtig. Wenn die vom Vorgänger ernannten Kardinäle anerkennen würden, daß Bergoglio nicht Papst ist, und ein Konklave einberufen würden, müßten sie den Mut haben, nicht nur die gegenwärtigen Auswirkungen, sondern auch deren Ursachen zu beklagen, die alle auf das Zweite Vatikanische Konzil zurückgehen.
Die sogenannte Cassiciacum-These hat ihren Namen von der Stadt Cassago Brianza in der Lombardei, in die sich 387 der heilige Augustinus mit seiner Mutter zum Gebet zurückzog, bevor er die Taufe empfing. Diese These, die 1978 von Pater Guérand des Lauriers OP formuliert wurde, sieht in den nachkonziliaren Päpsten, von Montini bis Bergoglio, eine äußere Akzeptanz des Papsttums, die durch ein inneres Hindernis (den Wunsch, die neuen Instanzen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu fördern, die dem ewigen Lehramt der Kirche widersprechen) beeinträchtigt wird – ein Hindernis, das die Mitteilung des göttlichen Charismas durch Gott verhindert, das normalerweise dem Stellvertreter Christi zukommt. In Ermangelung dieser „objektiven und gewohnheitsmäßigen Absicht, das Wohl und den Zweck der Kirche zu fördern und zu verwirklichen“, wären die nachkonziliaren Päpste also nur materiell Päpste, da nur kanonisch gewählt, und damit eigentlich „Nicht-Päpste“.
Die Konzilsrevolution, deren unerbittlicher Vollstrecker Bergoglio ist, hat die Auflösung der römischen Katholizität in eine freimaurerisch inspirierte falsche Religion ohne Dogmen zum Ziel, die durch die Parlamentarisierung der Kirche nach dem Vorbild der zivilen Institutionen erreicht werden soll. Dies erfordert eine Verkleinerung des Papsttums und die Auslöschung der apostolischen Sukzession sowie einen radikalen Umsturz des Amtspriestertums. Aus diesem Grund ist es, auch wenn es im Augenblick angebracht ist, das endgültige Urteil über die Konzilspäpste auszusetzen, notwendig, all das, was sie hervorgebracht haben, sozusagen in Klammern zu setzen, insbesondere den Katechismus und die Lehre, die Reform der Messe und der Sakramente, und unter diesen den Weiheritus.
Was ich sagen kann, ist, daß es im Hinblick auf die Thesen des Sedisvakantismus oder Sedisprivationismus – die auch Elemente enthalten, die man theoretisch teilen kann – unmöglich ist, zu denken, daß der Herr es zulassen würde, daß Seine Kirche über sechzig Jahre lang verfinstert und der ordentlichen Gnadenmittel – der Sakramente – beraubt bleibt, mit nicht gültig geweihten Bischöfen und Priestern und daher mit ungültigen Messen und Sakramenten. Das Mysterium iniquitatis kann nicht den Verlust der von Christus der Kirche verheißenen Hilfe bedeuten: Ecce ego vobiscum sum usque ad consummationem sæculi (Mt 28,19). Aber unsererseits ist es dringend notwendig, die Integrität des Depositum Fidei (Lex credendi) und seines betenden Ausdrucks (Lex orandi) wiederherzustellen, damit die Pforten der Hölle nicht vorherrschen.
+ Carlo Maria Viganò, Erzbischof
Die Originalvideos:
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: taylormarshall.com/VaticanMedia (Screenshots)