Der neue Maya-Ritus ist unter Dach und Fach. Dies gab Kardinal Felipe Arizmendi Esquivel bekannt. Die Schaffung indigener Sonderriten ist ein schon Jahrzehnte zurückreichendes Anliegen der Befreiungstheologie und ihrer progressiven westlichen Unterstützer. Unter Papst Franziskus wird seit Jahren konkret an der Verwirklichung eines Maya- und eines Amazonas-Ritus gearbeitet. Die Vollendung des Maya-Ritus wurde, so Kardinal Arizmendi, abgeschlossen, jene des Amazonas-Ritus stehe, so andere Quellen, unmittelbar bevor. Der von Papst Franziskus kreierte Kardinal spricht von einem „historischen Schritt zur Inkulturation des Glaubens“. Kritiker wie Kardinal Walter Brandmüller bezeichneten das dahinterstehende Denken als „Neuauflage des klassischen Modernismus“.
Kardinal Arizmendi war von 2000 bis 2017 Bischof von San Cristobal de la Casas im mexikanischen Staat Chiapas, der viele Jahrzehnte eine politische wie religiöse Problemzone war. In seiner Zeit als Bischof beendete er das sogenannte „Chiapas-Experiment“ seines Vorgängers Samuel Ruiz Garcia. Dieses bestand darin, eine entkolonialisierte, sprich enteuropäisierte Indigenisierung der Kirche zu propagieren. Zentraler Teil sollte, zufälligerweise, eine Hauptforderung der kirchlichen 68er-Bewegung in Westeuropa und Nordamerika sein: das Ersticken des zölibatären Priestertums. Dieses wurde zum Auslaufmodell erklärt, denn die Chiapas-Indios hätten „keinen Zugang“ dazu, weil es ihnen „kulturell fremd“ sei. Der daraus folgende, in Wirklichkeit künstlich erzeugte Priestermangel verlange „innovative“ Lösungen, nämlich die Installierung eines indigenen, vor allem aber verheirateten Klerus. Durch die Chiapas‑, dann auch Amazonas-Hintertür versuchen progressive westliche Kirchenkreise ihr Ziel der Zölibatsbeseitigung durchzusetzen, nachdem sie auf dem direkten Weg am Widerstand von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gescheitert sind. Msgr. Arizmendi setzte diesen Versuchen im Chiapas, keine Priester mehr zu weihen, dafür aber Hunderte von verheirateten Diakonen in der Erwartung, sie in absehbarer Zukunft dann zu Priestern weihen zu können, ein Ende. Katholisches.info schrieb jedoch am 13. November 2019:
„Der Eindruck, Bischof Arizmendi sei ein tatkräftiger Erneuerer des katholischen Glaubens, erwies sich aber als nicht wirklich zutreffend. Vielmehr war er vor allem ein gehorsamer Befehlsempfänger, der unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. die römischen Wünsche erfüllte und dies nun ebenso unter Papst Franziskus tut, wenn auch mit anderem Schrittempo und anderer Richtung.“
Unter Papst Franziskus änderte Arizmendi nämlich schnell seine Haltung, denn Franziskus war bei seinem Mexiko-Besuch 2015 eigens in den Chiapas gereist, um am Grab von Bischof Ruiz Garcia zu beten. Eine jener demonstrativen Gesten, mit denen Franziskus der Welt signalisiert, wen es zu schätzen oder wen es zu verachten gilt.
Der von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. verhängte Stopp des Chiapas-Experiments wurde von Arizmendi, nachdem der Wind in Rom gedreht hatte, ebenso schnell wieder aufgehoben. Im Zusammenhang mit der Amazonassynode verteidigte er plötzlich die Aufweichung des priesterlichen Zölibats. Gleiches tat er mit der Pachamama-Aktion von Papst Franziskus. Die vatikanischen Medien gaben ihm dabei so großen Raum, als würde er im Namen von Franziskus antworten: Die Pachamama sei kein Götze, sondern Ausdruck der Schöpfung, und die sei eine Manifestation der Liebe Gottes, so der Bischof. In der Tat war seine Verteidigung mit Santa Marta abgesprochen.
Die Belohnung folgte kurz darauf: Papst Franziskus zeichnete Arizmendi 2020 mit der Verleihung der Kardinalswürde aus, was dem Bischof auch über seine Emeritierung hinaus einen zentralen Platz in der Kirche Mexikos sicherte. Seine wöchentliche Kolumne wird von mehreren Tages- und Wochenzeitungen abgedruckt, auch auf internationaler Ebene. Zudem ist Arizmendi bis heute in der Mexikanischen Bischofskonferenz für die Glaubenslehre zuständig. Als informeller „oberster Glaubenswächter“ seines Heimatlandes hat seine Stimme Gewicht.
Die deutsch-amerikanische Historikerin und Publizistin Maike Hickson veröffentlichte im Frühjahr 2023 bei LifeSiteNews eine ausführliche Analyse über die zum damaligen Zeitpunkt bekannten Vorbereitungen des Maya-Ritus. Ihr Resümee:
„Der neue Ritus ist voll von heidnischem Götzendienst und heidnischen Symbolen.“
Es verwundert nicht, daß es Kardinal Arizmendi zufällt, die katholische Öffentlichkeit auf den Maya-Ritus einzustimmen. Die „Maya-Messe“ sei „kein neuer Ritus“, so der Kardinal am 13. November in seiner wöchentlichen Kolumne. Es gebe nur „indigene liturgische Anpassungen“.
Am 8. November hatte das römische Dikasterium für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung „die lang erwartete Anerkennung einiger liturgischer Anpassungen“ für die Meßfeier der Maya-Ethnien in der Diözese San Cristobal de Las Casas genehmigt. Arizmendi, der maßgeblich an den Arbeiten beteiligt war, schreibt dazu:
„Es ist die offizielle Anerkennung der Kirche, daß diese Anpassungen gültig und legitim sind; sie sind die Liturgie der Kirche und nicht nur Gebräuche und Sitten, die mit Mißtrauen betrachtet werden. Das ist sehr bedeutsam, denn es ist der zweite Fall in der gesamten nachkonziliaren Geschichte, in dem liturgische Anpassungen genehmigt wurden. Der andere Fall betraf die Diözesen von Zaire in Afrika. Diese Riten sind eine Form der Verkörperung des Glaubens in einer für diese Kulturen sehr spezifischen Ausdrucksweise. Wir haben sie nicht selbst erfunden, sondern greifen auf, was sie leben und was mit dem römischen Ritus übereinstimmt.“
Sein Resümee, das er der Christenheit präsentiert:
„Ein historischer Schritt zur Inkulturation des Glaubens.“
Die „Anpassungen“ und der erste exklusive Dienst für Frauen in der Messe
Doch hören wir, was der Kardinal zu den „Anpassungen“ sagt:
„Rituelle Tänze bei der Gabenbereitung, beim Gebet der Gläubigen oder bei der Danksagung nach der Kommunion wurden gebilligt. Es handelt sich dabei nicht um Folklore, sondern um einfache, monotone und kontemplative Bewegungen der ganzen Gemeinde, die von traditioneller Musik begleitet werden und dasselbe ausdrücken wie der römische Ritus, nur in einer anderen kulturellen Form. Der Inhalt der Messe wird nicht verändert, sondern die Art und Weise, ihn auszudrücken.“
Und weiter:
„Es wurde beschlossen, daß eine, zwei oder drei Frauen anstelle des Priesters das Amt des Inzensators bei der Messe ausüben. Nachdem der Priester den Weihrauch aufgelegt und gesegnet hat, inzensieren sie den Altar, die Bilder, die Evangelien, die Meßdiener und die Gemeinde. Sie tun dies nicht mit dem üblichen Weihrauchfaß, sondern mit einem kulturspezifischen Weihrauchfaß. Dies ist keine feministische Forderung, sondern etwas Traditionelles bei diesen indigenen Völkern; sie sind es, die in den traditionellen Gebeten gewöhnlich Weihrauch verwenden.“
So einfach geht der Kardinal zur Tagesordnung über, obwohl es sich bei der Einführung der „Inzensatorinnen“, gemeint ist der Dienst des Thuriferars, die Einführung eines ersten spezifisch weiblichen liturgischen Dienstes überhaupt in der Kirchengeschichte ist. Der Altardienst ist seit apostolischer Zeit Männern vorbehalten, so wie Christus es gewollt hatte. Die Einführung neuer Dienste im Novus Ordo Missae wie Laien-Lektoren (durch Paul VI. mit dem Dekret Ministeria quaedam von 1972), Ministrantinnen (durch Paul VI. mit der Instruktion De ministeriis liturgicis von 1972) und Laien-Kommunionhelfer (ebenfalls durch Paul VI. mit der Instruktion Immensae caritatis von 1973), bezieht zwar erstmals auch Frauen ein, ist aber geschlechtsungebunden, also immer Männern und Frauen zugänglich. Die Tradition lehnte und lehnt diese Neuerungen grundsätzlich ab, weil sie nicht mit der liturgischen Überlieferung übereinstimmen.
Die Einführung der „Inzensatorinnen“ – Arizmendi vermeidet die traditionelle Bezeichnung des Dienstes als Thuriferar, um den neuen Charakter zu unterstreichen – im Maya-Ritus ist nun ein absolutes historisches Novum, indem ein eigener liturgischer Dienst erfunden wird, der ausschließlich Frauen vorbehalten ist.
Weiter zeigt Kardinal Arizmendi, wohin der schleichende Wechsel von einem Zelebranten zu einem „Vorsteher“ in der Liturgie führt:
„Es wurde auch gebilligt, daß ein Laie, in einigen Regionen Vorsteher oder Vorsteherin genannt, die Personen von anerkannter moralischer Bedeutung sind, bestimmte Teile des Gemeinschaftsgebets leitet, entweder zu Beginn der Messe, um die Gemeinde in die Feier einzuführen, die Anliegen zu nennen und um Vergebung zu bitten, oder im Gebet der Gläubigen, nachdem der Priester die erste Einladung ausgesprochen hat und mit dem Schlußgebet schließt, oder nach der Kommunion als Danksagung, die der Priester mit dem Gebet der Postcommunio abschließt. Dies soll den Priester nicht seines Dienstes als Vorsitzender der Versammlung berauben, denn er ist es, der die Feier leitet und diese Momente autorisiert. Dieser Laie betet nicht nur für sich selbst, sondern fördert und leitet das Gebet aller. Dies ist eine weitere Möglichkeit, die Gemeinde einzubeziehen; nicht der Inhalt des römischen Ritus wird verändert, sondern sein kultureller Ausdruck.“
Papst Franziskus lebt diese Spaltung und Entkoppelung vor, indem er nun schon seit längerem nicht mehr selber zelebriert, der Heilige Stuhl aber jeweils behauptet, er, Franziskus, stünde, wenn er anwesend ist, der Zelebration vor, sei eben ihr „Vorsteher“. Wer Zelebrant ist, also das Meßopfer darbringt, tritt in die zweite Reihe, scheint selbst für den Vatikan weniger interessant zu sein, da dessen Namen nicht einmal mehr immer erwähnt wird. Anders als Kardinal Arizmendi schreibt, handelt es sich dabei natürlich um eine Entthronung des Priesters und eine Gewichtsverschiebung hin zu den priesterlosen Praktiken des Protestantismus, wo der Vorsteher und Prediger die zentrale Rolle einnimmt, weil das Verständnis des Meßopfers und der Eucharistie fehlt.
Kardinal Arizmendi zitiert, wie könnte es anders sein, das Zweite Vatikanische Konzil, um die Neuerung zu rechtfertigen, denn das Konzil überragt mehr als 1900 Jahre apostolischer Tradition und ist der magische Türöffner. Er verweist konkret auf die Konstitution Sacrosanctum Concilium über die liturgische Erneuerung:
„‘Die Kirche strebt auch in der Liturgie keine starre Gleichförmigkeit in Dingen an, die weder den Glauben noch das Wohl der ganzen Gemeinschaft berühren; im Gegenteil, sie achtet und fördert den Genius und die besonderen Eigenschaften der verschiedenen Ethnien und Völker. Sie studiert mit Sympathie und bewahrt, wenn sie kann, alles, was sie an den Bräuchen der Völker findet, das nicht untrennbar mit Aberglauben und Irrtümern verbunden ist, und nimmt es manchmal sogar in die Liturgie selbst auf, sofern es mit dem wahren und authentischen liturgischen Geist in Einklang gebracht werden kann. Bei der Revision der liturgischen Bücher sind unter Wahrung der wesentlichen Einheit des Römischen Ritus legitime Abweichungen und Anpassungen an die verschiedenen Gruppen, Regionen und Völker, besonders in den Missionen, zuzulassen, was bei der Festlegung der Struktur der Riten und Rubriken zu berücksichtigen ist’ (Nr. 37–38). ‚An bestimmten Orten und unter bestimmten Umständen ist eine tiefgreifendere Anpassung der Liturgie dringend erforderlich, die größere Schwierigkeiten mit sich bringt… Anpassungen, die als nützlich oder notwendig erachtet werden, sollen dem Apostolischen Stuhl zur Einführung mit dessen Zustimmung vorgeschlagen werden‘ (ebd. 40).
Um die Anordnungen des Konzils umzusetzen, veröffentlichte die damalige Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung am 25. Januar 1994 die Instruktion mit dem Titel Die römische Liturgie und die Inkulturation. Darin heißt es unter anderem, daß ‚die Vielfalt die Einheit der Kirche nicht beeinträchtigt, sondern sie bereichert‘ (Nr. 1). ‚Die Liturgie der Kirche muß in der Lage sein, sich in jeder menschlichen Kultur auszudrücken und dabei ihre Identität durch die Treue zu der vom Herrn empfangenen Tradition zu bewahren (ebd. 18). „‘Die Liturgie muß, wie das Evangelium, die Kulturen respektieren, aber gleichzeitig lädt sie uns ein, sie zu reinigen und zu heiligen’ (Ibid 19–20). ‚Die Vielfalt in einigen Elementen der liturgischen Feiern ist eine Quelle der Bereicherung, wobei die substantielle Einheit des Römischen Ritus, die Einheit der ganzen Kirche und die Integrität des Glaubens, der den Heiligen ein für allemal überliefert wurde, zu achten sind‘ (Ibid 70).
In seiner Ermahnung Querida Amazonia vom 12. Februar 2020 sagt Papst Franziskus: ‚Ein notwendiger Prozeß der Inkulturation vernachlässigt nichts von dem Guten, das in den Kulturen Amazoniens bereits existiert, sondern sammelt es und bringt es im Licht des Evangeliums zur Fülle‘ (Nr. 66). ‚Das erlaubt uns, in der Liturgie viele Elemente zu sammeln, die der Erfahrung der Indigenen in ihrem innigen Kontakt mit der Natur eigen sind, und indigene Ausdrucksformen in Liedern, Tänzen, Riten, Gesten und Symbolen zu fördern. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte bereits zu diesem Bemühen um die Inkulturation der Liturgie unter den indigenen Völkern aufgerufen, doch sind seither mehr als fünfzig Jahre vergangen, und wir sind in dieser Richtung kaum vorangekommen‘ (Ibid. 86).“
Arizmendi schließt seine Ausführung mit dem Wunsch, daß die erfolgte Genehmigung des Maya-Ritus „den Prozeß der Förderung ähnlicher Anpassungen in anderen indigenen Gruppen fördern möge. In diesem Sinne hoffen wir, daß Bischöfe und Pastoralreferenten daran interessiert sind, vielen katholischen Ausdrucksformen unserer indigenen Gruppen einen liturgischen Wert zu verleihen, und sie nicht als bloße Folklore oder Relikte vergangener Zeiten betrachten oder sie als Synkretismus und Heidentum verachten oder verurteilen.“
Die Vorwürfe der Kritiker sind Arizmendi durchaus bekannt, wenngleich er sie zusammen mit Santa Marta nicht gelten läßt. Wie künstlich und der Kirchengeschichte fremd die Erfindung eines „indigenen“ Ritus am grünen Tisch ist, scheint jedoch weder Arizmendi noch anderen Förderern des neuen Ritus bewußt zu sein noch ihn zu stören.
Damit keine Zweifel aufkommen, dem Kardinal würde etwas unterstellt, was er gar nicht meinte, soll er in diesem Video selbst zu Wort kommen:
Text: Giuseppe Nardi
Bild: SMM/LifeSiteNews/vatican.va (Screenshots)