
Von Roberto de Mattei*
Politische Verbrechen kennzeichnen nicht nur die amerikanische Geschichte, in der innerhalb von hundert Jahren vier Präsidenten ermordet wurden, sondern sind im Westen Teil der Geschichte der Macht. George Minois, ein französischer Historiker, der diesem Thema ein Buch gewidmet hat („Le couteau et le poison. L’assassinat politique en Europe 1400–1800″, Fayard, Paris 1997), stellt fest, daß der Mord am Ende des Mittelalters, im Zeitalter des Humanismus und der Renaissance, Teil der politischen Praxis wurde. Damals waren Gift und Dolch die bevorzugten Mittel, um politische Gegner niederzuhalten, ohne daß dies bedeutete, die Grundsätze der bestehenden Ordnung in Frage zu stellen. Nach der Französischen Revolution erhielt das politische Verbrechen eine ideologische Dimension, die in den vorangegangenen Jahrhunderten unbekannt war. Die aufeinanderfolgenden Komplotte und Attentate gingen nicht auf Palastverschwörungen oder Hofintrigen zurück, sondern waren das Ergebnis eines politischen und ideologischen Projekts.
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hat die revolutionäre Linke mit Hunderten von Aufständen und Anschlägen ganz Europa mit Blut überzogen. Unter den Schlägen der Anarchisten und der Geheimbünde fielen Zar Alexander II. (1881), der Präsident der Französischen Republik Sadi Carnot (1894), Kaiserin Elisabeth von Österreich (1898), König Umberto I. von Italien (1900), US-Präsident William McKinley (1901), König Alexander von Serbien (1903), König Karl I. von Portugal (1909), König Georg I. von Griechenland (1913) und schließlich Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich. Dieses letzte politische Attentat, das am 28. Juni 1914 verübt wurde, war der Auslöser für den Ersten Weltkrieg.
Revolutionäre politische Morde haben nichts mit der katholischen Theorie des Tyrannenmords zu tun, die der heilige Thomas von Aquin in der Summa Theologiae (I‑II, q. 105, a. 1 ad 2) und De Regimine principum (I, 6) dargelegt hat. Nach Ansicht des Doctor Angelicus kann ein Tyrann, der seine Herrschaft mißbraucht, nicht durch Privatinitiative getötet werden, aber wenn es für das Gemeinwohl notwendig ist und es keine höhere Instanz gibt, an die man sich wenden kann, kann sich das ganze Volk gegen ihn erheben. In der Nachfolge des heiligen Thomas von Aquin traten zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert die Doktoren der Zweiten Scholastik, Robert Bellarmin und Francisco Suarez, auf, die den Aufstand gegen den Fürsten erlaubten, sofern das Gemeinwohl dies erforderte und es eine ernsthafte und konkrete Aussicht auf Erfolg gab. In diesem Sinne ermutigte der heilige Pius V. zum Aufstand gegen die englische Königin Elisabeth I., die er 1570 exkommunizierte und für entthront erklärte. Thomas von Aquin und die deutschen Verschwörer vom 20. Juli 1944 wurden von Oberst Jean-Marie Bastien-Thiry zu seiner Verteidigung angeführt, der am 11. März 1963 nach dem gescheiterten Attentat von Petit-Clamart auf den französischen Präsidenten Charles De Gaulle erschossen wurde.
Im 20. Jahrhundert gab es zahlreiche politische Attentate, von denen einige noch immer geheimnisumwittert sind, wie die auf US-Präsident John Fitzgerald Kennedy (1963) und Papst Johannes Paul II. (1981), aber nie ohne Auftraggeber oder Komplizen aus Politik und Ideologie.
Im 21. Jahrhundert werden Anschläge verübt, die nicht politisch motiviert sind, sondern häufig auf Haß, Frustration, Geltungsdrang oder den Wahnsinn einzelner zurückzuführen sind. Zu den sozialen Ursachen, die in Amerika zur Rechtfertigung politischer Gewaltakte angeführt werden, gehört der freie Zugang zum Waffenmarkt, aber die Pathologie der Gewalt ist auch in Europa verbreitet und braucht keine Waffen, um ihren zerstörerischen Geist zum Ausdruck zu bringen. In Wirklichkeit gibt es in den USA wie in Europa eine Pandemie von Geisteskrankheiten, die den Nährboden für jede Art von Gewalt bilden. Der britische Historiker Niall Ferguson zitiert einen seiner Kollegen von der New York University: „In den Vereinigten Staaten gab es noch nie eine Generation, die so ‚depressiv, ängstlich und zerbrechlich‘ war wie die Generation Z, die zwischen 1997 und 2012 geborenen Amerikaner, mit ‚außerordentlich hohen Raten von Angst, Depression, Selbstverletzung, Selbstmord und Zerbrechlichkeit‘“ (Il Foglio, 6. März 2023).
Die wahnsinnigen Handlungen von Einzelpersonen stellen keinen Ausnahmefall dar, sondern sind Ausdruck der psychischen Labilität der westlichen Gesellschaft, die den Gebrauch der Vernunft verliert, weil sie die Eckpfeiler des Glaubens und des Naturrechts verloren hat. Ausdruck dieser intellektuellen Labilität ist der Erfolg virtueller Bewegungen wie QAnon und BlueAnon, spiegelbildliche Ausprägungen des rechts- und linksextremen Neo-Komplottismus. Das gescheiterte Attentat auf Donald Trump am 14. Juli in der Stadt Butler löste eine Flut von Wortmeldungen in den sozialen Medien aus, bei denen das Narrativ über das, was passiert ist, wichtiger ist als das, was passiert ist. QAnon, das die Covid-Pandemie als eine zur Unterwerfung der Menschheit organisierte Farce bezeichnet hatte, sagt, es sei sicher, daß ein „antifaschistischer Terrorist“, der mit dem israelischen Mossad unter einer Decke stecke, auf Trump geschossen habe. BlueAnon erwidert, daß die Schießerei ein inszeniertes Attentat war, das mit Unterstützung der Geheimdienste organisiert worden sei, um Trump zum Helden zu machen. „Noch nie in der Geschichte“, schreibt der Journalist Gianni Riotta unter Berufung auf eine Untersuchung des Luiss Datalab und der Italian Digital Media Observatory UE (Teil der Europäischen Beobachtungsstelle für digitale Medien EDMO), „hat ein einziges Ereignis solche Massen an Desinformation ausgelöst, die es in bezug auf Umfang und Online-Durchdringung mit den traditionellen Quellen aufnehmen können“ (La Repubblica, 16. Juli 2024).
Der außergewöhnliche Schnappschuß von Associated Press, auf dem Donald Trump blutend mit erhobener Faust und der amerikanischen Flagge im Hintergrund zu sehen ist, vermittelt das Bild eines kämpferischen und entschlossenen Anführers. Das Foto wurde jedoch umgehend von den Gegnern durch künstliche Intelligenz retuschiert und zeigt den Agenten im Vordergrund, der zufrieden lacht. Laut linken Globalisten sei die Schießerei von Trump selbst ermutigt, möglicherweise sogar organisiert worden. Für die rechten Anti-Globalisten ist der Versuch, Trump zu eliminieren, hingegen Teil einer Reihe von kriminellen Anschlägen, die bereits gegen den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico und den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán wegen ihrer Opposition gegen die Neue Weltordnung verübt wurden. Die Stärke der gegensätzlichen Narrative ist in Wirklichkeit das äußerst schwache ‚cui prodest‘.
Sind wir beispielsweise sicher, daß die Beseitigung von Donald Trump nur der globalistischen Linken nützen würde? In einem Artikel in Il Corriere della Sera vom 15. Juli stellt Paolo Mieli fest, daß Trump eine Persönlichkeit ist, von der man sich alles erwarten kann, und daß seine Wahl den Feinden des Westens keinen sicheren Vorteil bieten würde: „Für Moskau, Peking und Teheran wäre ein Bürgerkrieg, der die Vereinigten Staaten zerrüttet, auf jeden Fall bequemer als Trumps Unberechenbarkeit.“ Die Nachricht von der Existenz eines iranischen Komplotts zur Ermordung Trumps (verbreitet von der New York Times am 16. Juli) scheint Mielis Analyse zu bestätigen, was natürlich nicht bedeutet, daß Teheran, Moskau oder Peking hinter dem Attentat auf Trump stecken, sondern lediglich, daß es keine Beweise dafür gibt, daß der „Deep State“ seine Hand im Spiel hat.
Die Moskau-Korrespondentin von La Repubblica, Rosalba Castelletti, berichtete am 16. Juli, daß es einen Film gibt, der von Kreml-Analysten wie eine Vorhersage angesehen wird: „Civil War“ von Alex Garland. Der Film zeigt den stattfindenden Zerfall der Vereinigten Staaten durch die Augen zweier Pressefotografen, die durch ein verwüstetes Land reisen. In Moskau wird dieses Szenario als das Schicksal des Westens gesehen, das auch das Ergebnis der geistigen Verwirrung ist, in dem sich dieser befindet. Deshalb muß man sich angesichts von Ereignissen wie dem Attentat vom 14. Juli an die Realität der Fakten halten, ohne von ihr abzuweichen und ohne sich in imaginären Erzählungen zu verlieren. Donald Trump lebt, weil die Kugeln, die auf ihn abgefeuert wurden, ihn um wenige Millimeter verfehlt haben, und er ist auf dem besten Weg, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Aber noch ist alles möglich. Nur Gott sieht voraus, bestimmt und kennt das Geheimnis der geschichtlichen Ereignisse. Wer behauptet, die verborgene Wahrheit von allem zu kennen, und jedes Ereignis den Manövern von Menschen zuschreibt, läuft Gefahr, in einer Welt der Träume zu leben. Es erwartet ihn leider ein böses und dramatisches Erwachen.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
Bücher von Prof. Roberto de Mattei in deutscher Übersetzung und die Bücher von Martin Mosebach können Sie bei unserer Partnerbuchhandlung beziehen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/agendadigitale.eu
Die Vereinigten Staaten von Amerika wurden geboren aus dem Widerstand gegen die britische Krone und das Parlament in London. Es war ein blutiger Widerstand. War er gerechtfertigt? Kann dieser unfriedliche Umsturz, die Revolte oder Rebellion oder gar Revolution mit guten Gründen erklärt und gerechtfertigt werden? Sowohl Demokraten als auch Republikaner werden diese Frage eindeutig mit JA beantworten.
Dahingehend gibt es eine tiefreichende Übereinstimmung beider politischer Hauptlager in den USA. Aber dann bleibt die Frage, wie man mit dem erfolgreichen Umsturz politisch umgeht im weiteren Verlauf der Zeit danach und wie Land und Gesellschaft sich dann aufstellen und politisch gestaltend wirken. Und in Beantwortung dieser Frage trennen sich die Geister.
Es ist hochinteressant, daß Kardinal Burke sich in der laufenden 9 monatigen Novene auf die Erscheinungen der Jungfrau von Guadelupe in Mexiko im Jahre 1531 beruft- und nicht irgendwie auf die sog. Gründungsväter des sich neu konstituierenden Gemeinwesens USA aus dem Jahre 1776. Man könnte als Katholik sagen: diese Fixierung auf 1776 ff. mit dem Widerstand gegen das protestantische England (König wie Parlament) lockert sich und wird auch aufgegeben, weil der Staat USA mit dieser geistigen Fixierung auf das anti-katholische England/Großbritannien in der Tat auf tönernen Füßen steht. Wirklich unabhängig vom protestantischen/nicht-katholischen Vereinigten Königreich ist man eben nicht, denn bis heute feiert man diesen Umsturz aus dem 18. Jahrhundert.
Der Grundfehler der „Gründungsväter“ der USA bestand darin, sich nicht vom Protestantismus und seinen Irrungen getrennt zu haben, nicht katholisch geworden zu sein, sondern sich nur technisch-politisch vom protestantischen Großbritannien getrennt hatten. Dieser „Urfehler“ der founding fathers bringt bis heute viel Elend in den USA mit sich und so viele unnötige Parteienkämpfe.
England hatte sich bekanntlich freiwillig und auch durch brutale Gewalt (viele Morde und Repressionen gegen Katholiken) von der Kirche und den katholischen Staatenwelt getrennt. Insofern geschah diesem protestantischen England mit der Abtrennung der Kolonisten irgendwie recht. Aber wie gesagt ist diese Abtrennung noch kein wirkliches Fundament für die Begründung des eigenen Staatswesens. Die Dinge sind jedoch im Fluß wie an dem Novenentext von Kardinal Burke ersichtlich ist: hin zur Katholizität. Nur im Katholischen hat ein Staat ein potentiell sicheres, tragendes Fundament. Dasselbe gilt gleichermaßen für das heutige Europa.
Es ist eine Zeit der Unsicherheit und deswegen auch der Gewalt.
Was Covid betrifft, haben Sie, Herr de Mattei, jetzt ein böses Erwachen.
Die angeblichen Verschwörungstheorien darüber erweisen sich nämlich, auch von den Plandemienutznießern nicht zu leugnen, mehr und mehr als wahr!
„… was natürlich nicht bedeutet, daß Teheran, Moskau oder Peking hinter dem Attentat auf Trump stecken, sondern lediglich, daß es keine Beweise dafür gibt, daß der „Deep State“ seine Hand im Spiel hat.“
Na ja. Wer glaubt, dass Moskau hinter der Sprengung von Nord-StreamII steht, ist auch im Stande, dasselbe von diesem Attentatsversuch zu behaupten. Ansonsten ist obige Gleichsetzung maximal obskurer Theorien mit dem allzu Augenscheinlichen („Deep State“ als Täter) selbst aus transatlantisch-einäugiger Sicht ein reichlich starkes Stück bzw ein billiger Taschenspieler-Trick.
Tut mir leid, aber wieder einmal ein verwirrtes Verwirrstück, das uns Herr de Mattei zu einem politischem Thema von globalem Interesse da vorlegt. QAnon wird als Nebelkerze gezündet, mit dem Trump durch seine Aussagen über den Wahlbetrug und die Demonstration am 6. Januar impliziet als Verbündeter diskreditiert wird. Als Gegenpart wird BlueAnon aus dem Ärmel gezogen, womit die komplette Bandbreite der geistig unzurechnungsfähigen Befürworter der DeepState-Theorie erledigt sind.
Tut mir leid, ich finde das erbärmlich. Kein Wort zum Tag des Attentats, einem 13. Kein Wort von ihm, der sonst, und das sei ihm zugute gehalten, keine Gelegenheit ausläßt, Fatima zu befördern. Kein Wort, dass Donald Trump, als zumindest nicht katholischer Christ, eine Statue unserer lieben Frau von Fatima erbeten und auch erhalten hat. https://www.youtube.com/watch?v=LmD7n_YxIGQ Kein Wort, dass Göttliche Provenienz am 13. Juli 2024 genauso deutlich zum Vorschein kam, wie am 13. Mai 1981. Kein Wort, dass eine Statue des hl. Erzengel Michaels im Haus von Donald Trump seinen Platz hat. https://rumble.com/v57lj05-amazing-how-father-altman-got-president-trump-the-statue-of-saint-michael.html
Und schließlich kein Wort zu den Ungereimtheiten beim Attentat. https://www.nius.de/ausland/die-zehn-groessten-seltsamkeiten-am-mordanschlag-auf-donald-trump/ba98ba6b-860e-45fe-9bd7-dff0fbd36632
Tut mir leid, diese Einschätzung trieft von Voreingenommenheit und Einseitigkeit.
Herzlichen Dank, 140968, ich stimme Ihen vollumfänglich zu.
Als Ergänzung dazu der Beitrag von Michael Knowles – über den jeder denken darf, was er will – aber diese Fakten sind doch sehr aufschlussreich: https://m.youtube.com/watch?v=uqKakSBZfVo