(Rom) Der Leiter des römischen Dikasteriums für die Glaubenslehre bekräftigte gegenüber OSV News, daß sein umstrittenes Buch „Die mystische Leidenschaft“ von 1998 „nach heutigen Maßstäben unbequem“ sei. Es habe „nicht den Nutzen“, den er sich zu der Zeit, als er es schrieb, vorgestellt hatte. Doch wie ehrlich ist die Antwort des derzeitigen Glaubenspräfekten?
Das Buch veröffentlichte der Argentinier, damals schon seit zwölf Jahren Priester, nicht in einem argentinischen, sondern einem mexikanischen Verlag. Ein Hinweis, daß er sich wohl schon damals einer „unbequemen“ Seite der Publikation bewußt war.
Er habe, so der seit September 2023 amtierende Glaubenspräfekt, „die wenigen Exemplare, die in einigen Buchhandlungen erhältlich waren, gekauft und vernichtet“.
Sein Buch habe „eine Einladung zu einer Welt der leidenschaftlichen Liebe, die in den Tiefen unseres Seins verborgen ist“, sein wollen.
In drei Kapiteln des Buches geht es ausdrücklich um den Orgasmus, und das letzte Kapitel trägt den Titel „Gott im Orgasmus des Paares“. An anderer Stelle wird von der „leidenschaftlichen Begegnung eines 16jährigen Mädchens mit Jesus“ berichtet, das ihn am Strand streichelt und auf den Mund küßt.
Das Buch erschien zu einer Zeit, als Fernández bereits Berater verschiedener Kommissionen der Argentinischen Bischofskonferenz war, gefördert von Jorge Mario Bergoglio, der seit 1997 als Erzbischofkoadjutor die Geschicke der Erzdiözese Buenos Aires leitete.
Sexuelle Mißbrauchsopfer sind „erschüttert“ von Teilen des Buches. Faith Hakesley, selbst Mißbrauchsopfer eines Klerikers und Autorin des Buches „Schimmer der Gnade: Momente des Friedens und der Heilung nach sexuellem Mißbrauch“ nannte das Buch „absolut ekelerregend“.
Teresa Pitt Green von Spirit Fire, einem Netzwerk von Mißbrauchsopfern, das mit der Kirche zusammenarbeitet, äußerte sich besorgt über das Buch, da es ein „sehr beunruhigendes Maß an Unangemessenheit“ beinhalte.
Von OSV News mit dieser Kritik konfrontiert, antwortete Kardinal Fernández nur bedingt einsichtig. Mehr noch beeilte er sich, mit dem Finger auf andere zu zeigen:
„Ich stimme zu, daß es nach heutigen Maßstäben ein unbequemes Buch ist. In der Tat wurde ich selbst vor 25 Jahren, einige Monate nach seinem Erscheinen, darauf aufmerksam und habe es zurückziehen lassen, weil ich den Eindruck hatte, daß es nicht den Nutzen hat, den ich mir vorgestellt hatte, und daß sehr junge oder sehr alte Menschen verwirrt werden könnten.
Außerdem habe ich die wenigen Exemplare, die in einigen Buchhandlungen erhältlich waren, aufgekauft und vernichtet. Deshalb bedauere ich, daß die ultrakonservativen Kreise, die mich nicht akzeptieren, dieses Buch benutzt und verbreitet haben. Das ist völlig gegen meinen Willen, und damit ist nichts Gutes getan. Ich würde heute etwas ganz anderes schreiben.“
Wie im bergoglianischen Hofstaat üblich: Schuld sind die Konservativen, von Tucho Fernández gleich zu „Ultrakonservativen“ gesteigert, was für ihn offensichtlich eine Steigerung von böse zu ganz böse zu sein scheint. Seine Reaktion bestätigt, daß für Santa Marta wirklich tadelnswert vor allem jene sind, die Licht ins Dunkel bringen.
Fernández betonte in seiner Antwort auch, er habe „das Material über den männlichen und weiblichen Orgasmus wissenschaftlichen Büchern entnommen“. Heute aber, so der Kardinal entgegenkommend, „ziehen wir es vor, daß Laien diese Forschung betreiben und nicht Priester“.
„Im Laufe der Jahre haben wir viele Dinge gelernt, vor allem in den letzten Jahrzehnten“, so der Kardinal und engste Vertraute von Papst Franziskus.
Stimmt das aber? Wie ehrlich ist die Reaktion des Glaubenspräfekten?
Erst nachdem OSV News die Fragen an Fernández geschickt hatte, wurde bekannt, daß der Kardinal 2004 und auch noch 2022, damals schon Erzbischof von La Plata, weitere Bücher dieser pornographischen Art veröffentlichte. Katholisches.info schrieb deshalb: „Erotische Schriften des ‚Pornopräfekten‘ sind keine ‚Jugendsünde‘, sondern Dauerzustand“.
Auf einige Fragen, die von Mißbrauchsopfern zum Buch von 1998 aufgeworfen wurden, antwortete der Kardinal OSV News erst gar nicht: ob das explizite Material in dem Buch dem Inhalt ähnelt, der von geistig-sexuellen Mißbrauchstätern verwendet wird, die versuchen, die Opfer gegenüber sexuellen Grenzverletzungen zu verwirren, und ob das Buch, wie Pitt Green betont, wahrscheinlich gegen die aktuellen Standards der US-Bischöfe zur Mißbrauchsverhinderung verstößt, also die „Charta zum Schutz von Kindern und Jugendlichen“, auch bekannt als Dallas-Charta.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Adoración y Liberación (Screenshot)