Papst Franziskus: „Wer Kritik an Fiducia supplicans übt, ist ein Ideologe“

"Ich fürchte kein Schisma"


Papst Franziskus will trotz der Widerstände zu Fiducia supplicans "vorwärts" gehen und auf die Einwände keine Rücksicht nehmen.
Papst Franziskus will trotz der Widerstände zu Fiducia supplicans "vorwärts" gehen und auf die Einwände keine Rücksicht nehmen.

(Rom) Erneut ver­tei­dig­te Papst Fran­zis­kus die Erklä­rung Fidu­cia sup­pli­cans des römi­schen Glau­bens­dik­aste­ri­ums, mit der Homo-Seg­nun­gen ein­ge­führt wer­den. Es ist die zwei­te Ver­tei­di­gung durch Fran­zis­kus inner­halb weni­ger Tage. Die­ses Mal geschah sie im Rah­men eines Interviews.

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Die umstrit­te­ne Erklä­rung, die welt­weit in der Kir­che auf Wider­stand stößt, war am 18. Dezem­ber mit aus­drück­li­cher Bil­li­gung von Fran­zis­kus erlas­sen wor­den. Ver­ant­wort­lich dafür ist sein Ghost­wri­ter und Lieb­lings-Pro­te­gé Vic­tor Manu­el Fernán­dez, dem er seit 2009 zu einer Bil­der­buch­kar­rie­re ver­half. Und von dem die argen­ti­ni­sche Berg­o­glia­ne­rin Sr. Lucia Caram im spa­ni­schen Fern­se­hen erklär­te, daß er selbst „schwul“ sei.

Erst ein­mal jedoch nahm Fran­zis­kus bis­her offi­zi­ell zu Fidu­cia sup­pli­cans Stel­lung. Das war am ver­gan­ge­nen Frei­tag in einer Anspra­che, die er just an die Mit­glie­der des Glau­bens­dik­aste­ri­ums hielt, mit Kar­di­nal Fernán­dez an der Spitze.

Am gest­ri­gen Mon­tag ver­öf­fent­lich­te die Turi­ner Tages­zei­tung La Stam­pa ein Inter­view mit Fran­zis­kus. Die Haupt­schlag­zei­le ist zwar dem Nah­ost-Kon­flikt gewid­met, indem der Papst die Umset­zung der Zwei-Staa­ten-Lösung for­dert. Fidu­cia sup­pli­cans, das radi­kal­ste Doku­ment der Moral-Revo­lu­ti­on sei­nes Pon­ti­fi­kats, folgt aber sofort als zwei­ter Teil der Haupt­schlag­zei­le. Und das mit einer hef­ti­gen Ansage:

„Wegen der Homo-Paa­re grei­fen sie mich an, aber ich fürch­te ein Schis­ma nicht“.

Fran­zis­kus bevor­zugt den Weg des „infor­mel­len Lehr­am­tes“, indem er befreun­de­ten Medi­en Inter­views gibt. Dabei han­delt es sich fast aus­nahms­los um welt­li­che Medi­en, die ihm bereit­wil­lig und unter­stüt­zend offen­ste­hen. Die­ses Mal war La Stam­pa an der Rei­he, deren lang­jäh­ri­ger Vati­kan-Kor­re­spon­dent Andrea Tor­ni­el­li im ersten Teil des argen­ti­ni­schen Pon­ti­fi­kats der Haus- und Hof­va­ti­ka­nist von Fran­zis­kus war und nun­meh­ri­ge Haupt­chef­re­dak­teur aller Vati­kan­me­di­en ist.

Kri­tik müs­se man ertra­gen, so Fran­zis­kus, aber die kom­me ohne­hin nur von klei­nen „Grüpp­chen“, die zudem „ideo­lo­gisch“ moti­viert sei­en. Zwei Sei­ten­hie­be mit dem schwe­ren Hart­holz-Knüp­pel. Den Hei­li­gen Geist bean­sprucht der Papst impli­zit für die umstrit­te­ne römi­sche Erklä­rung. Zudem bekräf­tig­te er, daß die Schwarz­afri­ka­ner ein kul­tu­rel­les Pro­blem hät­ten, da sie Homo­se­xua­li­tät noch ableh­nen, wäh­rend der Rest der Welt kein Pro­blem mehr damit habe. Doch er hof­fe, daß sich das „all­mäh­lich“ alles legen wer­de. Es sei also nur eine Fra­ge der Zeit, bis der Para­dig­men­wech­sel der Aner­ken­nung der Homo­se­xua­li­tät sich all­ge­mein durch­set­zen werde. 

In den Aus­sa­gen von Fran­zis­kus geht es nicht nur um das, was er sagt und wie er es sagt, son­dern auch um die Aus­las­sun­gen, um das, was er nicht sagt, wozu er schweigt. Dazu gehört vor allem sein berüch­tig­tes „Nein, Jein, Ja“, eine Bot­schaft, die die Welt, an die er sich bevor­zugt in welt­li­chen Medi­en wen­det, sehr genau ver­steht, auch und vor allem jene Tei­le, die unaus­ge­spro­chen bleiben.

Ein Schis­ma fürch­tet Fran­zis­kus hin­ge­gen nicht. In sei­ne Ant­wort ist eine frü­he­re Aus­sa­ge zu inte­grie­ren, als er am 23. Dezem­ber 2016 intern wis­sen ließ, daß es „nicht aus­ge­schlos­sen“ sei, daß er in die Geschich­te ein­ge­hen wer­de als der, „der die katho­li­sche Kir­che gespal­ten hat“. Doch, wie er die Welt nun wis­sen ließ, beein­drucke ihn das nicht. Anders aus­ge­drückt: Es wäre ihm egal, denn die Schis­ma­ti­ker sind, da er der Papst ist, per defi­ni­tio­nem immer die ande­ren und zudem Ideologen.

Hier die Über­set­zung der Fidu­cia sup­pli­cans betref­fen­den Tei­le des Interviews:

La Stam­pa: Im ver­gan­ge­nen Som­mer haben Sie in Lis­sa­bon vor Mil­lio­nen jun­ger Men­schen mit Nach­druck erklärt, daß die Kir­che für „alle, alle, alle“ da ist: Ist es die gro­ße Her­aus­for­de­rung Ihres Pon­ti­fi­kats, die Kir­che für alle zu öffnen?

Papst Fran­zis­kus: Das ist der Lese­schlüs­sel von Jesus. Chri­stus ruft alle hin­ein. Alle. Es gibt ein eige­nes Gleich­nis: Das Gleich­nis von der Hoch­zeit, zu der nie­mand erscheint, und dann schickt der König die Die­ner „an die Weg­kreu­zung, und jeden, den ihr fin­det, ruft ihr zum Hoch­zeits­mahl“. Der Got­tes­sohn will deut­lich machen, daß er kei­ne aus­er­wähl­te Grup­pe, kei­ne Eli­te, haben will. Viel­leicht wird sich also jemand „ein­schmug­geln“, aber in die­sem Moment ist es Gott, der sich um ihn küm­mert, der ihm den Weg weist. Wenn ich gefragt wer­de: „Aber kön­nen die­se Men­schen, die sich in einer so unzu­läng­li­chen mora­li­schen Situa­ti­on befin­den, auch hin­ein­ge­hen?“, dann sage ich: „Alle, sagt der Herr“. Sol­che Fra­gen wer­den mir vor allem in letz­ter Zeit gestellt, nach eini­gen mei­ner Entscheidungen…

La Stam­pa: Ins­be­son­de­re die Seg­nung von „irre­gu­lä­ren und gleich­ge­schlecht­li­chen Paaren“ .…

Papst Fran­zis­kus: Ich wer­de gefragt, wie das mög­lich ist. Ich ant­wor­te: Das Evan­ge­li­um ist da, um alle zu hei­li­gen. Natür­lich unter der Bedin­gung, daß der gute Wil­le vor­han­den ist. Es ist not­wen­dig, genaue Anwei­sun­gen für das christ­li­che Leben zu geben – ich beto­ne, daß nicht die Ver­bin­dung geseg­net wird, son­dern die Per­so­nen. Aber wir sind alle Sün­der: War­um also eine Liste von Sün­dern erstel­len, die in der Kir­che sein kön­nen, und eine Liste von Sün­dern, die nicht in der Kir­che sein kön­nen? Das ist nicht das Evangelium.

La Stam­pa: In dem viel­be­ach­te­ten Fern­seh­in­ter­view mit Fabio Fazio in der Sen­dung Che Tem­po Che Fa haben Sie über den Preis der Ein­sam­keit gespro­chen, den man nach einem sol­chen Schritt zah­len muß: Wie lebt man mit dem Kampf­ge­schrei derer, die sich dage­gen erheben?

Papst Fran­zis­kus: Wer mit Vehe­menz pro­te­stiert, gehört klei­nen ideo­lo­gi­schen Grup­pen an. Die Afri­ka­ner sind ein Son­der­fall: Für sie ist Homo­se­xua­li­tät kul­tu­rell „häß­lich“. Sie dul­den sie nicht. Aber im all­ge­mei­nen hof­fe ich, daß all­mäh­lich alle durch den Geist der Erklä­rung Fidu­cia sup­pli­cans des Glau­bens­dik­aste­ri­ums beru­higt wer­den: Sie will ein­schlie­ßen, nicht aus­schlie­ßen. Sie lädt dazu ein, die Men­schen auf­zu­neh­men und sich Gott anzuvertrauen.

La Stam­pa: Lei­den Sie unter Einsamkeit?

Papst Fran­zis­kus: Ein­sam­keit ist so wech­sel­haft wie der Früh­ling: In die­ser und jener Jah­res­zeit kann es ein schö­ner Tag sein, mit Son­nen­schein, blau­em Him­mel und einer ange­neh­men Bri­se; 24 Stun­den spä­ter kann das Wet­ter dun­kel sein. Wir alle erle­ben Ein­sam­keit. Wer sagt: „Ich weiß nicht, was Ein­sam­keit ist“, dem fehlt etwas. Wenn ich mich ein­sam füh­le, dann bete ich vor allem. Und wenn ich Span­nun­gen in mei­nem Umfeld wahr­neh­me, ver­su­che ich in aller Ruhe, einen Dia­log und eine Dis­kus­si­on zu begin­nen. Aber ich gehe jeden­falls immer vor­wärts, Tag für Tag.

La Stam­pa: Befürch­ten Sie ein Schisma?

Papst Fran­zis­kus: Nein. In der Kir­che gab es schon immer Grüpp­chen, die schis­ma­tisch gefärb­te Über­le­gun­gen anstell­ten… man muß sie gewäh­ren las­sen, sie vor­bei­zie­hen las­sen… und nach vor­ne schauen.

Text/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Stam­pa (Screen­shot)

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