Afrikanische, belgische und niederländische Bischöfe und Fiducia supplicans

Fiducia supplicans schlägt vor, daß die Kirche die Entchristlichung der heutigen Gesellschaft segnen soll


Die zehn Bischöfe Nordafrikas, fast ausnahmslos Europäer, haben sich in ihrer Reaktion auf Fiducia supplicans von den Bischöfen Schwarzafrikas abgekoppelt.
Die zehn Bischöfe Nordafrikas, fast ausnahmslos Europäer, haben sich in ihrer Reaktion auf Fiducia supplicans von den Bischöfen Schwarzafrikas abgekoppelt.

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Die Bischofs­kon­fe­renz der Regi­on Nord­afri­ka (CERNA), die vom 11. bis 15. Janu­ar in Rabat (Marok­ko) tag­te, hat die Erklä­rung Fidu­cia sup­pli­cans (sie­he hier) ange­nom­men, in der hin­sicht­lich der „pasto­ra­len Segens­pra­xis“ fest­ge­legt wird, daß es mög­lich ist, den Segen nicht nur ein­zeln zu ertei­len, son­dern auch Per­so­nen, die sich „in einer irre­gu­lä­ren Situa­ti­on“ befin­den und gemein­sam um den Segen bit­ten, vor­aus­ge­setzt, daß dies „kei­ne Ver­wir­rung für die Betrof­fe­nen selbst oder für ande­re schafft“. Mit die­ser Hal­tung wur­de die Ein­mü­tig­keit unter­gra­ben, die um das von Kar­di­nal Fri­do­lin Ambon­go unter­zeich­ne­te Kom­mu­ni­qué des Sym­po­si­ums der Bischofs­kon­fe­ren­zen von Afri­ka und Mada­gas­kar ent­stan­den war, in dem sich die afri­ka­ni­schen Bischö­fe klar gegen das Doku­ment von Kar­di­nal Vic­tor Manu­el Fernán­dez aussprachen.

Kar­di­nal Robert Sarah hat­te in einer Bot­schaft vom 6. Janu­ar die „natio­na­len oder regio­na­len Bischofs­kon­fe­ren­zen und jeden Bischof in der Welt ermu­tigt, dem Bei­spiel der afri­ka­ni­schen Bischö­fe zu fol­gen: ‚Indem wir das tun‘“, erklär­te er, „‘stel­len wir uns nicht gegen Papst Fran­zis­kus, aber wir stel­len uns ent­schie­den und radi­kal gegen eine Häre­sie, die die Kir­che, den Leib Chri­sti, ernst­haft unter­gräbt, weil sie im Wider­spruch zum katho­li­schen Glau­ben und zur Tra­di­ti­on steht’.“ Kar­di­nal Ambon­go, der nicht nur Vor­sit­zen­der der Afri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz ist, son­dern auch der Grup­pe der Kar­di­nä­le (Kar­di­nals­rat) ange­hört, die den Papst berät, bekräf­tig­te bei einem Tref­fen mit Papst Fran­zis­kus und Kar­di­nal Fernán­dez am 16. Janu­ar die Ableh­nung der afri­ka­ni­schen Bischö­fe gegen jede Form der Seg­nung sexu­el­ler Abwei­chung.

Das Sym­po­si­um der Bischofs­kon­fe­ren­zen von Afri­ka und Mada­gas­kar ver­sam­melt 35 natio­na­le oder regio­na­le Bischofs­kon­fe­ren­zen mit ins­ge­samt 669 Bischö­fen und 256 Mil­lio­nen Gläu­bi­gen. Es wur­de zu Recht fest­ge­stellt, daß die nord­afri­ka­ni­schen Bischö­fe nur zehn Bischö­fe in vier Staa­ten sind und alle­samt Euro­pä­er. Ihr Vor­sit­zen­der ist der spa­ni­sche Kar­di­nal Cri­stó­bal López, seit dem 29. Dezem­ber 2017 Erz­bi­schof von Rabat.

Man kann sich jedoch nicht vor­stel­len, daß sich homo­ge­ne kon­ti­nen­ta­le Blöcke bil­den, wenn es um Fra­gen der Leh­re geht: Es ist logi­scher, sich vor­zu­stel­len, daß es inner­halb die­ser Bün­de Brü­che gibt. Viel bedeut­sa­mer als der afri­ka­ni­sche Bruch ist in die­ser Hin­sicht der Bruch, der durch Fidu­cia sup­pli­cans inner­halb der soge­nann­ten „Euro­päi­schen Alli­anz“ ent­stan­den ist, die in den Jah­ren des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils vor allem aus den Bischö­fen Deutsch­lands, Öster­reichs, Frank­reichs, der Nie­der­lan­de, Bel­gi­ens und der Schweiz bestand. Beson­ders nach­denk­lich stimmt die Kluft, die sich zwi­schen den bel­gi­schen und nie­der­län­di­schen Bischö­fen auf­ge­tan hat, wenn man die histo­ri­schen, geo­gra­phi­schen, sprach­li­chen und kul­tu­rel­len Gemein­sam­kei­ten zwi­schen den bei­den Län­dern berücksichtigt.

In der Tat haben die bel­gi­schen Bischö­fe eine posi­ti­ve Hal­tung gegen­über dem Doku­ment des Glau­bens­dik­aste­ri­ums ein­ge­nom­men, wäh­rend die nie­der­län­di­schen Bischö­fe vor­sich­tig, aber deut­lich ihre Ableh­nung zum Aus­druck gebracht haben, sogar im Titel ihrer Erklä­rung vom 4. Janu­ar: „Ant­wort auf Fidu­cia sup­pli­cans“. Ins­be­son­de­re ist in der Erklä­rung der nie­der­län­di­schen Bischö­fe nir­gends von „gleich­ge­schlecht­li­chen Paa­ren“ oder „Seg­nun­gen“ die Rede, son­dern nur von Gebe­ten, die für ein­zel­ne gespro­chen wer­den sol­len, „damit sie Got­tes Wil­len für ihr Leben ver­ste­hen und wei­ter wach­sen kön­nen“. Die Nie­der­län­di­sche Bischofs­kon­fe­renz betont unter vor­sich­ti­ger Ver­wen­dung der drit­ten Per­son Sin­gu­lar („er/​sie“ und „sein/​ihr“), daß die Ehe nur mög­lich ist zwi­schen einem Mann und einer Frau, daß sie unauf­lös­lich ist und daß „die irre­gu­lä­ren Bezie­hun­gen, wel­cher Art auch immer, von Natur aus mora­lisch frag­wür­dig sind“.

Die Bel­gi­sche Bischofs­kon­fe­renz, die heu­te von Erz­bi­schof Luc Ter­lin­den ange­führt wird, wur­de acht­zehn Jah­re lang, von 1961 bis 1979, von Kar­di­nal Leo Jozef Sue­n­ens und anschlie­ßend mehr als drei­ßig Jah­re lang, von 1979 bis 2010, von Kar­di­nal God­fried Dan­neels (1933–2019) gelei­tet. Der bel­gi­sche Kar­di­nal­pri­mas Leo Jozef Sue­n­ens (1904–1996) führ­te 1968 den Pro­test gegen die Enzy­kli­ka Hum­a­nae Vitae von Papst Paul VI. an. Als Sue­n­ens 1979 in den Ruhe­stand trat, ernann­te er den von ihm geweih­ten Erz­bi­schof God­fried Dan­neels zu sei­nem Nach­fol­ger, der sei­ne ultra-pro­gres­si­ve Linie fort­setz­te. Kar­di­nal Dan­neels, Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel, war der wich­tig­ste Anfüh­rer der als „Mafia von St. Gal­len“ bekann­ten Grup­pe, die in zwei Kon­kla­ven die Kan­di­da­tur des Erz­bi­schofs von Bue­nos Aires, Jor­ge Mario Berg­o­glio, unter­stütz­te. 2005 schei­ter­te er, acht Jah­re spä­ter, 2013, war er erfolg­reich. Ins­ge­samt wur­de die bel­gi­sche Kir­che zwi­schen Sue­n­ens und Dan­neels fünf­zig Jah­re lang von zwei Kar­di­nä­len gelei­tet, die sie ver­wü­ste­ten. Heu­te sind im ehe­mals streng katho­li­schen König­reich Bel­gi­en die Kir­chen ver­las­sen, und der Islam ist die größ­te Reli­gi­on des Lan­des. Am 20. Sep­tem­ber 2022 ver­öf­fent­lich­ten die flä­mi­schen Bischö­fe ein Doku­ment mit dem Titel: „Homo­se­xu­el­len Men­schen seel­sor­ge­risch nahe sein“. Ihr Spre­cher Geert De Ker­pel sag­te der Tages­zei­tung Het Nieuws­blad am 19. Dezem­ber 2022: „Das ist ein sehr gro­ßer Durch­bruch, weil es vom höch­sten Organ der Kir­che kommt und weil es auch aus­drück­lich sagt, daß gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re dann den Segen bekom­men kön­nen.“

Einen ganz ande­ren Weg ist die Kir­che in den Nie­der­lan­den gegan­gen, wo es ange­sichts des der­zei­ti­gen Zer­falls des euro­päi­schen Katho­li­zis­mus blü­hen­de Zei­chen der Wie­der­ge­burt gibt. Die Nie­der­län­di­sche Bischofs­kon­fe­renz wird, nach­dem an ihrer Spit­ze die pro­gres­si­ven Kar­di­nä­le Ber­nard Jan Alf­rink (1966–1975) und Johan­nes Wil­le­brands (1976–1983) stan­den, seit 1983 auf Geheiß von Johan­nes Paul II. von Kar­di­nal Adria­nus Johan­nes Simo­nis (1983–2008), Bischof Adria­nus Her­man van Luyn (2008–2011), Kar­di­nal Wil­lem Jaco­bus Eijck (2011–2016) und seit 2016 von Bischof Johan­nes Har­man­nes Joze­fus van den Hen­de geleitet.

Kar­di­nal Simo­nis wur­de von Johan­nes Paul II. zum Erz­bi­schof von Utrecht ernannt, um den Säku­la­ri­sie­rungs­pro­zeß in der nie­der­län­di­schen Kir­che zu stop­pen. Kar­di­nal Eijk, der 1999 von Kar­di­nal Simo­nis zum Bischof von Gro­nin­gen geweiht und 2007 von Bene­dikt XVI. zum Metro­po­li­tan-Erz­bi­schof von Utrecht ernannt wur­de, ist seit zwan­zig Jah­ren die domi­nie­ren­de Figur des nie­der­län­di­schen Epi­sko­pats und einer der ange­se­hen­sten Kir­chen­män­ner in Euro­pa. Im Jahr 2021 nahm er an einer inter­na­tio­na­len Kon­fe­renz in Rom, die von Voice of the Fami­ly zum The­ma „Die Gesund­heit der Kran­ken und das Heil der See­len. Kir­che und Gesell­schaft in einer dunk­len Zeit unse­rer Geschich­te“ ver­an­stal­tet wur­de, mit einem Vor­trag von gro­ßer theo­lo­gi­scher und wis­sen­schaft­li­cher Tie­fe teil. Sein Pro­gramm läßt sich mit fol­gen­den Wor­ten zusam­men­fas­sen, die er am 6. Okto­ber 2022 in Vero­na ver­kün­de­te: „Die Neue­van­ge­li­sie­rung kann nicht eine Anpas­sung des Evan­ge­li­ums an die Kul­tur bedeu­ten, auch nicht an die post­mo­der­ne Kul­tur, der vie­le Ele­men­te des christ­li­chen Glau­bens gewiß nicht gefal­len. Das Gegen­teil muß gesche­hen: Die Kul­tur muß chri­stia­ni­siert wer­den“. Ein Gegen­pro­gramm zu dem, was die Erklä­rung Fidu­cia sup­pli­cans vor­schlägt, wonach die Kir­che die Ent­christ­li­chung der heu­ti­gen Gesell­schaft seg­nen soll. Die Exi­stenz eines star­ken Gegen­sat­zes zwi­schen Bischö­fen und Kar­di­nä­len inner­halb der Kir­che ist heu­te eine nicht zu leug­nen­de Rea­li­tät. Die Pola­ri­sie­rung, die sich heu­te abzeich­net, ist jedoch eine gute Sache, wenn sie zu einer lehr­mä­ßi­gen Klä­rung führt, die im näch­sten Kon­kla­ve ihren Höhe­punkt fin­den könnte.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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