Verleumdungskampagne gegen Papst Benedikt

Die Chronik einer Rufmordkampagne


Deutsche Medien und Papst Benedikt XVI.: Eine Bereitschaft zur Verleumdung.
Deutsche Medien und Papst Benedikt XVI.: Eine Bereitschaft zur Verleumdung.

Gast­kom­men­tar von Hubert Hecker

1. Mediale Vorverurteilung

Anzei­ge

Mit der Prä­sen­ta­ti­on des Gut­ach­tens der Mün­che­ner WSW-Kanz­lei zum Bis­tum Mün­chen-Frei­sing am 20. Janu­ar 2022 begann eine bei­spiel­lo­se Ruf­mord­kam­pa­gne gegen den eme­ri­tier­ten Papst Benedikt.

Doch schon am 4. Janu­ar, also 14 Tage vor der Gut­ach­ten-Publi­ka­ti­on, hat­te die ZEIT auf ihrer Titel­sei­te die Erwar­tun­gen der Medi­en an das kom­men­de Gut­ach­ten so for­mu­liert: „Wie viel Schuld trägt Bene­dikt XVI. am Trei­ben eines Sexu­al­tä­ters in sei­nem alten Bistum?“

Das Fra­ge­inter­es­se der Zei­tung ging nicht dahin, ob Erz­bi­schof Ratz­in­ger vor 40 Jah­ren schul­dig gewor­den war am Seel­sor­ge­ein­satz eines Prie­sters aus einer ande­ren Diö­ze­se, zu dem die Dia­gno­se Pädo­phi­lie nicht mit­ge­teilt wor­den war, son­dern wie hoch der Schuld­an­teil des eme­ri­tier­ten Pap­stes an den Miss­brauch­sta­ten des dama­li­gen Kle­ri­kers sei.

Laut Pres­se­ko­dex gilt in Deutsch­land bei Ver­dachts­fäl­len von Fehl­ver­hal­ten die Unschulds­ver­mu­tung. Vie­le Medi­en über­ge­hen die­se Rechts­norm bei kirch­li­chen Miss­brauchs­fäl­len, ins­be­son­de­re wenn es um glau­bens­treue Bischö­fe geht und erst recht bei dem seit Jah­ren in sprung­be­rei­ter Feind­se­lig­keit medi­al attackier­ten Papst Benedikt.

Jeden­falls mar­kier­ten nach der obi­gen For­mu­lie­rung die ZEIT-Redak­teu­re den Papst schon vor der Gut­ach­ten­ver­öf­fent­li­chung als schul­dig Ver­ur­teil­ten. Die Medi­en spiel­ten sich mit ihrem Vor-Urteil als gesell­schaft­li­che Rich­ter­in­stanz auf.

Schon Anfang 2010, als die Medi­en in Deutsch­land die Miss­brauchs­fäl­le im Bereich der Kir­che als Skan­dal auf­mach­ten, geriet der inzwi­schen zum Papst gewähl­te Bene­dikt XVI. in den Sucher der Leit­me­di­en. Der Spie­gel setz­te damals drei­zehn Redak­teu­re an, um dem Papst Ver­wick­lun­gen in Miss­brauchs­fäl­le anzu­hef­ten. Das berich­te­te der dama­li­ge Spie­gel-Redak­teur Mat­thi­as Matus­sek. Obwohl die Jour­na­li­sten nichts Bela­sten­des gegen Ratz­in­ger fan­den, titel­te das nach­rich­ten­krea­ti­ve Maga­zin: „Miss­brauchs­fall im Ratz­in­ger-Bis­tum auf­ge­deckt.“ Mit ähn­li­cher Über­schrift: „Ratz­in­gers Bis­tum setz­te pädo­phi­len Pfar­rer ein“, ver­such­te auch die Süd­deut­sche Zei­tung auf die bil­li­ge Tour der Wort­as­so­zia­ti­on vom „Ratz­in­ger-Bis­tum“ den Papst als amt­li­chen Bei­hel­fer zu Miss­brauch­sta­ten anzuschwärzen.

2. Kein gutachterlicher Nachweis von Fehlverhalten, trotzdem Verdächtigungen und Unterstellungen

Nach zahl­rei­chen Nach­fra­gen und Vor­hal­ten von Sei­ten des WSW-Gut­ach­ters Wastl blieb Papst Bene­dikt bei sei­ner pro­to­koll­ge­stütz­ten Aus­sa­ge, zum Zeit­punkt der Ent­schei­dung über die Auf­nah­me des Prie­sters H. in der Ordi­na­ri­ats­sit­zung am 15. 1. 1980 habe er kei­ne Kennt­nis über die Vor­ge­schich­te des Ankom­men­den gehabt. Gegen­über die­ser Fest­stel­lung konn­te RA Wastl kei­ner­lei Gegen­be­wei­se oder Indi­zi­en für Fehl­ver­hal­ten anfüh­ren. Gleich­wohl ver­wei­gert er die zwin­gen­de Bewer­tung, dass in die­sem Fall kein kon­kre­ter Vor­wurf gegen den dama­li­gen Erz­bi­schof Ratz­in­ger zu erhe­ben mög­lich war.

Statt­des­sen ver­legt sich der Gut­ach­ter auf Mut­ma­ßun­gen, Gerüch­te, mora­li­sche Vor­wür­fe und Über­le­gun­gen zur „all­ge­mei­nen Lebens­er­fah­rung“, die aller­dings nach Auf­trag und Metho­de des Gut­ach­tens juri­stisch irrele­vant und irre­füh­rend waren.

Er mach­te Ratz­in­ger bzw. dem Bis­tum Mün­chen Vor­wür­fe wie „nicht nach­voll­zieh­ba­re Igno­ranz gegen­über“ dem Prie­ster H. sowie feh­len­de Nach­fra­ge­be­reit­schaft. Dann führt er zwei Zeit­zeu­gen an, die vom Hören­sa­gen gewusst haben woll­ten, dass Kar­di­nal Ratz­in­ger in spä­te­rer Zeit nach der Ordi­na­ri­ats­sit­zung im Janu­ar 1980 bis Mit­te 1982 doch Kennt­nis­se von der Vor­ge­schich­te des Peter H. gehabt haben müss­te. Schließ­lich glaubt er „plau­si­bel“ machen zu kön­nen, dass der Prie­ster H. in sei­ner ersten Seel­sor­ge­stel­le im Bis­tum Mün­chen miss­bräuch­lich auf­ge­fal­len wäre, was der Beschul­dig­te bestritt.

Wastl kann aus die­sen Plau­si­bi­li­täts­an­ga­ben natür­lich kei­nen gut­ach­ter­li­chen Vor­wurf destil­lie­ren. Im Gegen­teil muss­te er resü­mie­ren, dass aus die­sen unbe­wie­se­nen Annah­men „ein etwa­iges pflicht­wid­ri­ges und/​oder unan­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten“ von Kar­di­nal Ratz­in­ger „nicht ange­nom­men wer­den kann und jeden­falls nicht nach­weis­bar ist“ (S. 182 des WSW-Gut­ach­tens). Die­se Unschuld­san­nah­me gel­te eben­so für die spä­te­re Ver­set­zung von Peter H. in einen zwei­ten Ein­satz­ort im Bereich der Erzdiözese.

Wenn der juri­sti­sche Kern des Gut­ach­tens in einem Frei­spruch Ratz­in­gers vom Vor­wurf des Fehl­ver­hal­tens bestand – war­um führ­te der Gut­ach­ter dann die zahl­rei­chen Annah­men, Mut­ma­ßun­gen und Ver­däch­ti­gun­gen an, die in ihrer Gesamt­heit doch ein Fehl­ver­hal­ten des Erz­bi­schofs unter­stell­ten? Offen­bar waren sie für die Ver­dachts­be­stär­kung und Schul­dig­spre­chung in der media­len Öffent­lich­keit bestimmt, wie sich spä­ter herausstellte.

Die Mün­che­ner Kanz­lei WSW hat­te in ihrem vor­her­ge­hen­den Miss­brauchs­gut­ach­ten für das Erz­bis­tum Köln ähn­lich spe­ku­la­tiv-mora­lisch argu­men­tiert. Dar­auf­hin beauf­trag­te Kar­di­nal Woel­ki die Jura-Pro­fes­so­ren Jahn und Streng, das WSW-Gut­ach­ten bezüg­lich der „Ein­hal­tung metho­di­scher Stan­dards“ zu prü­fen. Der Prüf­be­richt vom Okto­ber 2020 kommt zu dem ver­nich­ten­den Urteil, dass das Kanz­lei­gut­ach­ten „die Min­dest­stan­dards einer juri­sti­schen Begut­ach­tung in mehr­fa­cher Hin­sicht ver­fehlt“, u. a. durch unkla­re Begrif­fe, Ver­mi­schung von Fak­ten­samm­lung und Bewer­tung, mora­li­sie­ren­de Unter­stel­lun­gen, Ver­las­sen der Neu­tra­li­täts­stand­punk­tes und ande­re Feh­ler. Eben die­se 2020 fest­ge­stell­ten schwer­wie­gen­den metho­di­schen Män­gel fin­den sich auch in dem spä­te­ren Mün­che­ner Gut­ach­ten vom Jan. 2022, wie oben aufgezeigt.

3. Im mündlichen Vortrag des Gutachters wandelt sich der Freispruch zum Schuldspruch

Die WSW-Kanz­lei lei­te­te nach der ver­nich­ten­den Kri­tik an ihrem Bericht kei­ner­lei metho­di­sche Kor­rek­tu­ren bei der spä­te­ren Erstel­lung des Mün­che­ner Gut­ach­tens ein. Im Gegen­teil wei­te­te RA Wastl die Pas­sa­gen mit vagen Ver­däch­ti­gun­gen und unbe­leg­ba­ren Mut­ma­ßun­gen noch wei­ter aus. Die­se mora­li­sie­ren­den Auf­bau­schun­gen bläh­ten das Gut­ach­ten auf über 1.800 Sei­ten auf (im Ver­gleich zu den 800 Sei­ten des Köl­ner Gut­ach­tens von Björn Gercke für das grö­ße­re Erz­bis­tum Köln).

Bei der öffent­li­chen Prä­sen­ta­ti­on des Gut­ach­tens unter­schlug RA Wastl voll­stän­dig sei­ne juri­stisch kor­rek­ten Fest­stel­lun­gen zur Nicht-Bela­stung von Erz­bi­schof Ratz­in­ger, wie oben anhand der Schrift­form dar­ge­stellt. Im Gegen­satz zu sei­nen juri­stisch-gut­ach­ter­li­chen Erkennt­nis­sen fokus­sier­te sich der Kanz­lei-Jurist aus­schließ­lich auf sei­ne schwam­mi­gen Ver­däch­ti­gungs­über­le­gun­gen zur Schuld-Unter­stel­lung. So behaup­te­te er, Ratz­in­gers Wis­sen um die pädo­se­xu­el­le Vor­ge­schich­te des Prie­sters H. in der Zeit nach der Ordi­na­ri­ats­sit­zung am 15.1.1980 sei für ihn „über­wie­gend wahr­schein­lich“. Mit sol­chen Ten­denz- und Plau­si­bi­li­täts­be­grif­fen liste­te er wei­te­re sub­jek­ti­ve Ver­dachts­mo­men­te gegen den dama­li­gen Mün­che­ner Erz­bi­schof auf. Sie waren – wie gesagt – gut­ach­ter­lich irrele­vant. Bei einem Gerichts­pro­zess hät­te die­se Fest­stel­lung nach dem Grund­satz: im Zwei­fel für den Ange­klag­ten, mit Sicher­heit zu einem Frei­spruch geführt. Bei der außer­ge­richt­li­chen Prä­sen­ta­ti­on im Sti­le eines Tri­bu­nals wur­de in die­sem Fall die besag­te For­mu­lie­rung als Beleg für das Schul­dig­sein ver­mit­telt und ver­stan­den. Denn die Begrif­fe und Bewer­tun­gen des Vor­trags waren offen­sicht­lich auf die Zuhö­rer und beson­ders die Medi­en­ver­tre­ter gemünzt. Die Gut­ach­ten­prä­sen­ta­ti­on bedien­te das oben auf­ge­zeig­te Medi­en­in­ter­es­se an einem Schuld­spruch gegen den pro­mi­nen­ten Ange­klag­ten. Doch der Höhe­punkt der Ankla­ge­re­de soll­te erst noch kommen.

4. Aus einer versehentlich unrichtigen Angabe skandalisierte man eine „Bilanz des Schreckens“

Wäh­rend der Erstel­lung des Gut­ach­tens hat­te RA Wastl dem eme­ri­tier­ten Papst zahl­rei­che Doku­men­te und Berich­te vor­ge­legt mit der Bit­te um Stel­lung­nah­me. Der 94-jäh­ri­ge Bene­dikt konn­te damals auf die Mit­hil­fe von fünf Juri­sten zurück­grei­fen bei der Durch­sicht von 8.000 rele­van­ten Doku­ment­sei­ten. Auf die­ser Basis beant­wor­te­te das Juri­sten­team die Fra­gen des Gut­ach­ters in Form einer 82-sei­ti­gen Stel­lung­nah­me. Dar­in wur­den die Unter­stel­lun­gen und Ver­däch­ti­gun­gen gegen Ratz­in­ger zurückgewiesen.

In dem Text stand aller­dings auch der unrich­ti­ge Satz, dass Erz­bi­schof Ratz­in­ger in der Ordi­na­ri­ats­sit­zung vom 15.1.1980 nicht anwe­send gewe­sen wäre, obwohl sein Name in der Anwe­sen­heits­zei­le ver­merkt war. Die feh­ler­haf­te Aus­sa­ge war offen­sicht­lich aus Ver­se­hen in die End­re­dak­ti­on des Tex­tes gerutscht, wie es bei der Prü­fung von 8.000 Doku­ment­sei­ten vor­kom­men kann. So cha­rak­te­ri­sier­te es der Papst­se­kre­tär Gäns­wein am Tag nach der Gut­ach­ten­prä­sen­ta­ti­on. Jeden­falls sprach für ein unab­sicht­li­ches Ver­se­hen und gegen eine absicht­li­che Falsch­aus­sa­ge auch eine frü­he­re Erklä­rung Bene­dikts, nach der er selbst­ver­ständ­lich sei­ne Sit­zungs­an­we­sen­heit aner­ken­ne, wenn sein Name im Pro­to­koll als anwe­send ver­merkt sei.

RA Wastl ver­mit­tel­te dage­gen bei sei­ner Gut­ach­ten­prä­sen­ta­ti­on den Ein­druck, die irr­tüm­li­che Aus­sa­ge sei eine bewuss­te Täu­schung Bene­dikts gewe­sen. In sei­ner „dra­ma­tur­gisch insze­nier­ten Rede, wie er selbst sag­te, spiel­te er sich als tri­bu­na­ler Anklä­ger auf mit einer Argu­men­ta­ti­on ad per­so­nam: Durch den unrich­ti­gen Satz in dem Schrift­stück (der Juri­sten) sei Bene­dikts Glaub­wür­dig­keit und die der von ihm unter­schrie­be­nen Stel­lung­nah­me grund­sätz­lich infra­ge zu stel­len. Damit bestä­tig­te er end­gül­tig die Schuld­er­war­tung der Medi­en gegen den ehe­ma­li­gen Papst.

Dar­über hin­aus bedien­te RA Wastl auch das media­le Skan­dal­in­ter­es­se, indem er sei­ne gesam­ten Aus­füh­run­gen ankün­dig­te als Bilanz des Schreckens, was im schrift­li­chen Gut­ach­ten sach­lich und fach­lich kor­rekt als pflicht­wid­ri­ges bzw. unan­ge­mes­se­nen Ver­hal­ten von kirch­li­chen Füh­rungs­kräf­ten bezeich­net wur­de. Mit dem Skan­dal­wort waren Asso­zia­tio­nen gesetzt von der Kir­che als Schreckens­kam­mer oder gar Schreckensherrschaft.

5. Bild-Zeitung und FAZ einig in der Bezichtigung der vorsätzlichen Lüge

Die Medi­en stürz­ten sich auf die Skan­dal­vor­la­ge von Wastl. DPA titel­te: „Bilanz des Schreckens. Gut­ach­ten bela­stet Bene­dikt“. Der Spie­gel setz­te wie immer noch eins drauf: „Irrepa­ra­bler Scha­den durch Bene­dikt“. Ein Tages­spie­gel-Redak­teur glaub­te zu wis­sen, dass „Ratz­in­ger sein Leben in Schan­de beschlie­ßen werde“.

Die Bild-Zei­tung hat­te 2005 dem neu­ge­wähl­ten Papst Bene­dikt ein ‚Hosi­an­na‘ berei­tet („Wir sind Papst“). Als er jetzt bei der Gut­ach­ten­vor­stel­lung zur media­len Hin­rich­tung prä­sen­tiert wur­de, stand das Blatt im Kreu­zi­gungs-Chor an vor­der­ster Stel­le, um Bene­dikt in sei­nem öffent­li­chen Anse­hen zu ver­nich­ten. Der FAZ-Jour­na­list Dani­el Deckers stieß mit sei­ner Titel-Zei­le „Bene­dikts Lüge“ ins glei­che Horn. Deckers behaup­tet in der Aus­ga­be vom 21. 1. 2022: Der vor­ma­li­ge Papst „hat die Gut­ach­ter belo­gen – und das mit Vor­satz“. Die ver­se­hent­li­che Aus­sa­ge in der Stel­lung­nah­me plat­zier­te er noch ein drit­tes Mal als „mani­fe­ste Lüge“.

Die Beur­tei­lung einer Aus­sa­ge als Lüge beinhal­tet, dass der Beschul­dig­te im Wis­sen um die Falsch­heit sei­ner Aus­sa­ge han­del­te, eben mit Vor­satz. Eine sol­che wil­lent­li­che Absicht Bene­dikts konn­ten aber Außen­ste­hen­de wie Wastl und Deckers nicht wis­sen und schon gar nicht bewei­sen. Es gehört zur jour­na­li­sti­schen Berufs­ethik, in die­sem Fall des Nicht­wis­sens min­de­stens die Alter­na­ti­ve des Ver­se­hens zu erör­tern. Deckers dage­gen ging mit sei­ner mora­li­sie­ren­den Tat­sa­chen­be­haup­tung sogar noch wei­ter, indem er Ratz­in­gers ver­meint­li­che Lüge als Fol­ge von sei­nen ‚lebens­ge­schicht­li­chen Schat­ten­sei­ten‘ dar­stell­te. So schloss sich Deckers den Angrif­fen von Jour­na­li­sten und Theo­lo­gen an, die auf­grund ihrer Mut­ma­ßung über eine ein­zi­ge Aus­sa­ge das gesam­te kirch­lich-theo­lo­gi­sche Lebens­werk von Joseph Ratz­in­ger zu des­avou­ie­ren versuchten.

Die­se Attacke mit Bezug auf den Miss­brauchs­kom­plex ist des­halb beson­ders infam, weil Ratz­in­ger als Kar­di­nal und Papst seit 1990 mehr gegen Miss­brauchs­vor­kom­men in der Welt­kir­che getan hat als jeder ande­re Kir­chen­füh­rer. Er hat die kirch­li­che Pro­zess­ord­nung refor­miert, als Glau­bens­prä­fekt dafür gesorgt, dass etwa 500 Miss­brauch­sprie­ster lai­siert wur­den, die Auf­stel­lung bzw. Ver­schär­fung der Richt­li­ni­en für natio­na­le Bischofs­kon­fe­ren­zen initi­iert, in zahl­rei­chen Reden, Schrif­ten und Rei­sen den Miss­brauch von Kle­ri­kern ange­pran­gert und mit vie­len Opfern gesprochen.

6. Eine mediale Rufmordkampagne gegen Papst em. Benedikt

Ein wei­te­rer Vor­wurf von Jour­na­li­sten und auch Kir­chen­leu­ten gegen Bene­dikt bestand dar­in, des­sen juri­sti­sche Stel­lung­nah­me zu den gut­ach­ter­li­chen Beschul­di­gun­gen als unge­hö­rig und unpas­send zu ver­ur­tei­len. Was nach unse­rer Rechts­ord­nung jedem Bür­ger recht­lich garan­tiert wird, dass er sich mit sach­li­chen Hin­wei­sen und Argu­men­ten gegen Ankla­gen und Beschul­di­gun­gen ver­tei­di­gen kann, wur­de dem eme­ri­tier­ten Papst abge­spro­chen. Bischof Bät­zing hat damals eben­falls mit den media­len Wöl­fen auf­ge­heult, Bene­dikts Ver­tei­di­gung gegen (unbe­rech­tig­te) Vor­wür­fe des Gut­ach­tens sei „desa­strös“. Er hät­te sei­ne Schuld als qua­si syste­mi­sche ein­ge­ste­hen sol­len, „egal ob er bei einer bestimm­ten Sit­zung dabei war“ oder nicht, wie Bät­zing erst kürz­lich wie­der im ZEIT-Inter­view vom 14. 9. sag­te. Auch die­ses Ansin­nen wider­spricht fun­da­men­tal unse­rer Rechts­ord­nung, nach der es nur eine per­sön­li­che Schuld gibt. Dar­um ging es ja auch in dem Gut­ach­ten, ob Ratz­in­ger in sei­nen Amts­hand­lun­gen und ‑ent­schei­dun­gen per­sön­li­ches Fehl­ver­hal­ten nach­ge­wie­sen wer­den konn­te – und um die Fra­ge ging es auch in sei­ner Stellungnahme.

Aber die­sen ratio­na­len Dis­kurs­rah­men woll­ten die deut­schen Medi­en nicht aner­ken­nen. Ihr schon vor­ab erklär­tes Ziel war es (sie­he oben), den eme­ri­tier­ten Papst als Schul­di­gen im kirch­li­chen Miss­brauchs­kom­plex gebrand­markt zu sehen – selbst ohne den Nach­weis von (per­sön­li­chem) Fehl­ver­hal­ten. Die glei­che media­le Skan­da­li­sie­rung ist bei Kar­di­nal Woel­ki zu beob­ach­ten, „auf dem alle ein­schließ­lich der DBK her­um­hacken, obwohl er den Gut­ach­tern zufol­ge nichts ver­tuscht hat“, so die ZEIT-Jour­na­li­stin Eve­lyn Fin­ger. Der Grund für die Medi­en­kam­pa­gnen gegen die bei­den füh­ren­den Kir­chen­män­ner Woel­ki und Ratz­in­ger liegt wohl in ihrer glau­bens­treu­en Grund­hal­tung. Denn soge­nann­te Reform-Bischö­fe mit nach­weis­li­chem Fehl­ver­hal­ten wie Marx und Bode wer­den von den Medi­en in Wat­te gepackt. Wenn Bischof Bät­zing in dem ZEIT-Gespräch betont: „Woel­ki stellt sich gegen die Mehr­heits­ent­schei­dun­gen des Syn­oda­len Weges“, bestä­tigt er indi­rekt den Hin­ter­grund für des­sen media­le Skandalisierung.

Die Zer­stö­rung des öffent­li­chen Anse­hens von Papst em. Bene­dikt ist den Medi­en jeden­falls gelun­gen. Nach einer Stu­die von Media Tenor zu der Repu­ta­ti­on von füh­ren­den katho­li­schen Kir­chen­leu­ten im Zusam­men­hang mit der Miss­brauchs­de­bat­te im Jah­re 2022 lag der deut­sche Papst mit wei­tem Abstand an unter­ster Stel­le. Sei­ne oben beschrie­be­nen Ver­dien­ste um die Bekämp­fung des Miss­brauchs in der Welt­kir­che wur­den durch die media­le Stig­ma­ti­sie­rung in der öffent­li­chen Erin­ne­rung aus­ge­löscht, ein wesent­li­cher Teil sei­nes Lebens­wer­kes durch die Ruf­mord­kam­pa­gne der dam­na­tio memo­riae preisgegeben.

Bild: Bild/​FAZ (Screen­shots)

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