Das vierte Jahr ohne Fastenexerzitien für die Römische Kurie

Gehören die geistlichen Übungen der Vergangenheit an?


Papst Franziskus bedankt sich am Ende der Fastenexerzitien 2019 beim Fastenprediger, dem Olivetanermönch P. Bernardo Gianni. Es waren die letzten Exerzitien, an denen Franziskus teilnahm.
Papst Franziskus bedankt sich am Ende der Fastenexerzitien 2019 beim Fastenprediger, dem Olivetanermönch P. Bernardo Gianni. Es waren die letzten Exerzitien, an denen Franziskus teilnahm.

(Rom) Die Fasten­ex­er­zi­ti­en für die Römi­sche Kurie schei­nen in ihrer vom Papst orga­ni­sier­ten Form wohl end­gül­tig der Ver­gan­gen­heit anzu­ge­hö­ren. Der zen­tra­le Moment der inne­ren geist­li­chen For­mung, den der Papst sich und sei­ner Füh­rungs­ebe­ne bie­tet, indem er sei­ne Akti­vi­tä­ten redu­ziert und sich im Gebet besinnt, wird im vier­ten Jahr in Fol­ge nicht mehr stattfinden.

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Die angeb­li­che Coro­na-Pan­de­mie wur­de zum Kata­ly­sa­tor der Auf­lö­sung. Wegen Coro­na haben sich gro­ße Men­gen an Gläu­bi­gen, auf Auf­for­de­rung der kirch­li­chen Obrig­keit, aus der Kir­che ver­ab­schie­det und sind nicht mehr zurück­ge­kehrt. Wegen Coro­na strich Papst Fran­zis­kus die Fasten­ex­er­zi­ti­en für sich und die Römi­sche Kurie und kehrt nicht mehr dazu zurück.

In Rom heißt es, das Inter­es­se von Fran­zis­kus an den Exer­zi­ti­en habe sich schon immer in Gren­zen gehal­ten. Bot Coro­na die will­kom­me­ne Gele­gen­heit, sich ihrer zu entledigen?

Die letz­ten Fasten­ex­er­zi­ti­en für die Römi­sche Kurie und den Papst fan­den 2020 statt, just genau bis zum Tag, bevor die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz im Ein­klang mit der Regie­rung den Lock­down ver­häng­te und wegen Coro­na alle Zele­bra­tio­nen einstellte.

Die ita­lie­ni­sche Regie­rung war die erste welt­weit, die den in der Geschich­te bei­spiel­lo­sen Lock­down ver­häng­te. Bis heu­te ist unge­klärt, war­um sie einen so radi­ka­len Schritt setz­te, von wem und auf­grund wel­cher Fak­ten ihr die­ser Schritt emp­foh­len wur­de. Die Unter­la­gen dazu wer­den bis heu­te unter Ver­schluß gehal­ten. Bekannt ist nur soviel, daß der stän­di­ge wis­sen­schaft­li­che Bei­rat der Regie­rung nur eine Qua­ran­tä­ne für zwei Gemein­den der Lom­bar­dei mit 10.000 Ein­woh­nern emp­foh­len hatte.

Um genau zu sein, fan­den die Fasten­ex­er­zi­ti­en 2020 zwar noch statt, doch Fran­zis­kus selbst nahm schon nicht mehr dar­an teil. Als Grund nann­te Fran­zis­kus Schnup­fen. Wäh­rend es also für die in Rom resi­die­ren­den Kar­di­nä­le und Kuri­en­obe­ren nun das vier­te Jahr ist, in denen der Papst ihnen kei­ne Exer­zi­ti­en mehr anbie­tet, ist es für Fran­zis­kus selbst bereits das fünf­te Jahr ohne die tra­di­tio­nel­len geist­li­chen Übungen.

Gestern gab das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt bekannt:

„Der Hei­li­ge Vater lädt die in Rom resi­die­ren­den Kar­di­nä­le, die Lei­ter der Dik­aste­ri­en und die Obe­ren der Römi­schen Kurie ein, in der ersten Fasten­wo­che – vom Abend des Sonn­tags, 18. bis zum Abend des Frei­tags, 23. Febru­ar 2024 – eine Zeit der per­sön­li­chen geist­li­chen Übun­gen zu leben, indem sie ihre Arbeits­tä­tig­kei­ten ein­stel­len und sich im Gebet sam­meln.
In die­ser Woche wer­den alle Ter­mi­ne des Hei­li­gen Vaters aus­ge­setzt, ein­schließ­lich der Gene­ral­au­di­enz am Mitt­woch, 21. Februar.“

Im Vor­jahr hieß es zur Begrün­dung: „Auf­grund der anhal­ten­den epi­de­mio­lo­gi­schen Not­la­ge durch Covid-19…“. Dabei hät­te nach drei vom Papst sei­nen Mit­ar­bei­tern unter Andro­hung der Ent­las­sung auf­ge­nö­tig­ten „Imp­fun­gen“ mit expe­ri­men­tel­len mRNA-Gen­prä­pa­ra­ten doch aus­rei­chend „Schutz“ garan­tiert sein sol­len. Oder nicht? 

Nach­dem drei Jah­re in Fol­ge die Strei­chung der Fasten­ex­er­zi­ti­en mit dem Coro­na-Virus begrün­det wur­de, gibt es in die­sem Jahr gar kei­ne Begrün­dung mehr. Die bis­he­ri­gen Exer­zi­ti­en wer­den nicht ein­mal mehr erwähnt. Es heißt nur mehr, der Papst lädt die Kar­di­nä­le, Dik­aste­ri­en­lei­ter und Obe­ren ein, „per­sön­li­che Übun­gen“ eigen­in­itia­tiv und selbst­or­ga­ni­siert durch­zu­füh­ren. Die Exer­zi­ti­en sind damit nur mehr fakul­ta­tiv und mit indi­vi­du­el­lem orga­ni­sa­to­ri­schem Auf­wand verbunden.

Die bis 2020 gel­ten­de Form der Fasten­ex­er­zi­ti­en war von Papst Pius XI. 1929 mit der Enzy­kli­ka Mens Nost­ra ein­ge­führt wor­den. Der Papst gab damit einen Anstoß zur all­ge­mei­nen För­de­rung geist­li­cher Exer­zi­ti­en. Dazu schrieb er:

„Exer­zi­ti­en sind Frucht der Bekeh­rung eines Ein­zel­nen, die Got­tes Wil­le zum Segen und zur För­de­rung der gan­zen Kir­che gedei­hen ließ. Die Gna­de soll­te in dem Einen sie­gen, um spä­ter durch ihn vie­len Men­schen zum Durch­bruch eines neu­en Lebens zu verhelfen.“

Ver­bun­den war damit auch die Über­le­gung, den um den Papst ver­sam­mel­ten wich­tig­sten Mit­ar­bei­tern gemein­sa­me geist­li­che Impul­se zu geben. Ursprüng­lich fan­den die geist­li­chen Übun­gen im Advent, der Klei­nen Fasten­zeit des über­lie­fer­ten Ritus, statt. Unter Papst Paul VI. wur­den sie in die Gro­ße Fasten­zeit, die vier­zig­tä­gi­ge Fasten­zeit vor Ostern, verschoben. 

Der Papst ernann­te jeweils einen Fasten­pre­di­ger, der die Exer­zi­ti­en hielt. In den ersten Jah­ren waren es sogar zwei, die jeweils dem­sel­ben Orden ange­hör­ten. Zwei Jesui­ten, P. Gio­van­ni Oldrè SJ und Ales­sio Magni SJ, mach­ten vor hun­dert Jah­ren den Auf­takt, ein Jesu­it, P. Pie­tro Bova­ti SJ, been­de­te 2020 die Reihe.

In den 60er Jah­ren fie­len sie zwei­mal aus: 1962, weil Johan­nes XXIII. sich statt­des­sen auf die Eröff­nung des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils vor­be­rei­ten woll­te, und 1963, weil Paul VI. sie als hin­der­lich für die Durch­füh­rung der zwei­ten Kon­zil­s­pe­ri­ode betrach­te­te. Das war der Grund für ihre Ver­schie­bung in die Gro­ße Fasten­zeit des dar­auf­fol­gen­den Jahres.

Die Fasten­ex­er­zi­ti­en unter Fran­zis­kus und die von ihm ernann­ten Fasten­pre­di­ger sorg­ten für eini­ge Ver­wun­de­rung. Fran­zis­kus berief mehr­fach Exer­zi­ti­en­mei­ster, die er kurz dar­auf in hohe Ämter ernann­te wie Ange­lo De Dona­tis (2014), den er zu sei­nem Kar­di­nal­vi­kar für die Diö­ze­se Rom mach­te, oder José Tolen­ti­no de Men­don­ça (2017), den er zum Archi­var und Biblio­the­kar an der Römi­schen Kurie ernann­te. Bei­de kre­ierte Fran­zis­kus zu Kardinälen.

Zum regel­rech­ten Skan­dal wur­de eine ande­re Per­so­nal­ent­schei­dung. Fran­zis­kus ernann­te 2020 Mar­ko Ivan Rup­nik, damals noch Jesu­it, zum Fasten­pre­di­ger für die immer par­al­lel statt­fin­den­den Fasten­ex­er­zi­ti­en für die Mit­ar­bei­ter und Ange­stell­ten der Römi­schen Kurie. Zum dama­li­gen Zeit­punkt hat­te die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on bereits die Exkom­mu­ni­ka­ti­on Rup­niks fest­ge­stellt. Den­noch oder gera­de des­halb ließ Fran­zis­kus ihn in der Sala Cle­men­ti­na des Apo­sto­li­schen Pala­stes die Exer­zi­ti­en pre­di­gen, um sei­ne schüt­zen­de Hand über sei­nen Mit­bru­der zu ver­deut­li­chen. Nie­mand an der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on wag­te dage­gen zu protestieren.

Die Fasten­ex­er­zi­ti­en fan­den immer im Vati­kan statt. Fran­zis­kus war es, der sie ab 2014 in das Exer­zi­ti­en­haus Divin Mae­stro Aric­cia des Ordens der Gesell­schaft vom hl. Apo­stel Pau­lus ver­leg­te. Begrün­det wur­de der Orts­wech­sel mit der Wich­tig­keit, sich zurück­zu­zie­hen und das gewohn­te Umfeld für eini­ge Zeit hin­ter sich zu las­sen. Der Papst wünsch­te sogar, daß die Teil­neh­mer gemein­sam mit ihm im Auto­bus nach Aric­cia rei­sen. Aller­dings ver­lor Fran­zis­kus recht schnell das Inter­es­se an sei­ner eige­nen Idee.

Der Künst­ler­prie­ster Mar­ko Ivan Rup­nik pre­dig­te (Bild) auf Anwei­sung von Fran­zis­kus 2020 Fasten­ex­er­zi­ti­en für die Ange­stell­ten der Römi­schen Kurie, obwohl die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on sei­ne Exkom­mu­ni­ka­ti­on fest­ge­stellt hatte.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: TV2000/​Youtube/​VaticanMedia (Screen­shots)

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