„Die Stadt der brennenden Wünsche“

Fastenexerzitien der Römischen Kurie mit Papst Franziskus und Bischof Zanchetta


Fastenexerzitien 2019 der Römischen Kurie mit Papst Franziskus. Im Vordergrund Abt Bernardo Francesco Gianni OSB Oliv.
Fastenexerzitien 2019 der Römischen Kurie mit Papst Franziskus. Im Vordergrund Abt Bernardo Francesco Gianni OSB Oliv.

(Rom) Am Abend des Ersten Fasten­sonn­ta­ges haben die Fasten­ex­er­zi­ti­en des Pap­stes und der Römi­schen Kurie begon­nen. Über Twit­ter bat Fran­zis­kus um das Gebet „für mich und mei­ne Mit­ar­bei­ter“. Unter „mei­nen Mit­ar­bei­tern“, die an den Exer­zi­ti­en teil­neh­men, befin­det sich auch Bischof Gustavo Oscar Zanchetta.

Anzei­ge

Um 18 Uhr am Sonn­tag­abend haben die dies­jäh­ri­gen Fasten­ex­er­zi­ti­en für die Kurie begon­nen. Sie fin­den wie­der­um im Exer­zi­ti­en­haus „Divin Mae­stro“ in Aric­cia statt. Gehal­ten wer­den sie vom Oli­ve­ta­ner­abt Ber­nar­do Fran­ces­co Gian­ni von der Abtei San Mini­a­to al Mon­te in Flo­renz. Die Oli­ve­ta­ner sind ein Reform­zweig des Bene­dik­ti­ner­or­dens, der vor genau 700 Jah­ren, 1319, als Ere­mi­ten­be­we­gung ent­stan­den war. Die Mön­che sind wegen ihres Ordens­klei­des auch als „Wei­ße Bene­dik­ti­ner“ bekannt. 1960 schlos­sen sich die Oli­ve­ta­ner als Kon­gre­ga­ti­on der Bene­dik­t­i­ni­schen Kon­fö­de­ra­ti­on an. Der Kon­gre­ga­ti­on gehö­ren welt­weit 26 eigen­stän­di­ge Mönchs­klö­ster an.

Das The­ma der Exer­zi­ti­en, die noch bis zum 15. März dau­ern, lau­tet: „Die Stadt der bren­nen­den Wün­sche. Für öster­li­che Blicke und Gesten im Leben der Welt“. Der erste Teil bezieht sich auf den Flo­ren­ti­ner Dich­ter Mario Luzi (1914–2005), der gei­stig der Renou­veau catho­li­que (Katho­li­sche Erneue­rung) nahe­stand. Anläß­lich sei­nes 90. Geburts­ta­ges ernann­te ihn der dama­li­ge ita­lie­ni­sche Staats­prä­si­dent Car­lo Aze­glio Ciam­pi zum Sena­tor auf Lebens­zeit. Luzi starb fünf Mona­te spä­ter, ohne im Par­la­ment das Wort ergrei­fen zu kön­nen. Das The­ma wur­de von Abt Ber­nar­do Fran­ces­co Gian­ni gewählt, der anläß­lich von Luzis Tod über den Lyri­ker publizierte.

In sei­nem letz­ten Tweet vor Beginn der Exer­zi­ti­en schrieb Papst Franziskus:

„Ich bit­te alle, im Gebet an mich und mei­ne Mit­ar­bei­ter der Römi­schen Kurie zu den­ken, die wir heu­te abend die Woche der geist­li­chen Exer­zi­ti­en beginnen.“

Mit „mei­ne Mit­ar­bei­ter“ mein­te Papst Fran­zis­kus auch den argen­ti­ni­schen Kuri­en­bi­schof Gustavo Oscar Zan­chet­ta, der 2017 flucht­ar­tig sein Bis­tum Oran im Stich ließ und für ein hal­bes Jahr abtauch­te. Dem Papst über­mit­tel­te er mit sei­nem Ver­schwin­den das Rück­tritts­ge­such, das die­ser umge­hend akzep­tier­te. Zurück­blieb eine irri­tier­te Diö­ze­se, die nicht wuß­te, wie ihr geschah. Spä­ter tauch­te Zan­chet­ta plötz­lich im Vati­kan wie­der auf und erhielt von Fran­zis­kus eine hoch­ran­gi­ge Posi­ti­on in der Apo­sto­li­schen Güter­ver­wal­tung APSA, die eigens für ihn neu­ge­schaf­fen wur­de. Damals war bereits bekannt, daß er Finan­zen und Ver­wal­tung von zwei Bis­tü­mern, zuerst als Gene­ral­vi­kar die sei­nes Hei­mat­bis­tum, dann als Bischof die sei­ner Diö­ze­se Oran, im Cha­os hin­ter­las­sen hat­te. Eine Anstel­lung in der Güter­ver­wal­tung des Vati­kans erstaun­te daher besonders. 

Kurz vor Weih­nach­ten 2018 wur­de dann bekannt, daß nicht die finan­zi­el­le Zer­rüt­tung sei­nes Bis­tums der Grund für den nächt­li­chen Abgang als Bischof war, son­dern Vor­wür­fe eines homo­se­xu­el­len Dop­pel­le­bens und der sexu­el­len Belä­sti­gung sei­ner Seminaristen.

Am 4. Janu­ar wur­de vom vati­ka­ni­schen Pres­se­amt gemel­det, daß ein argen­ti­ni­scher Bischof mit Ermitt­lun­gen in der Sache beauf­tragt wur­de. Bischof Zan­chet­ta wer­de wäh­rend der Ermitt­lun­gen „die Arbeit ruhen­las­sen“. Soll­ten sich die Ver­dachts­mo­men­te erhär­ten, wird der Fall an die Son­der­kom­mis­si­on für die Bischö­fe weitergeleitet“.

Der Inte­rims-Vati­kan­spre­cher Gisot­ti begrün­de­te das Vor­ge­hen des Vati­kans damit, daß zum Zeit­punkt von Zan­chet­tas Rück­tritt als Diö­ze­san­bi­schof von Oran nur Vor­wür­fe wegen eines zu auto­ri­tä­ren Füh­rungs­stils bekannt waren, aber noch kei­ne Vor­wür­fe des sexu­el­len Fehlverhaltens.

Kurz dar­auf platz­te eine veri­ta­ble Medien­bom­be: Die argen­ti­ni­sche Tages­zei­tung El Tri­bu­no ver­öf­fent­lich­te eine Ein­ga­be von 2015, die beleg­te, daß der Vati­kan bereits damals, also zwei Jah­re vor Zan­chet­tas flucht­ar­ti­gem Ver­las­sen sei­nes Bis­tums, über sexu­el­les Fehl­ver­hal­ten infor­miert war. Die Ein­ga­be war von den bei­den Gene­ral­vi­ka­ren, dem Regens des Prie­ster­se­mi­nars und wei­te­rer Prä­la­ten des Bis­tums gemacht wor­den. Dar­in ging es auch um Auto­ri­ta­ris­mus im Umgang des Bischofs mit sei­nen Prie­stern, aber auch um „obszö­ne Sel­fies“ des Bischofs, die auf sei­nem Smart­phone gefun­den wur­den und um die sexu­el­le Belä­sti­gung von Semi­na­ri­sten durch den Bischof. 

2016 wand­te sich der Regens des Prie­ster­se­mi­nars „sehr besorgt“ an die Apo­sto­li­sche Nun­tia­tur in Argen­ti­ni­en wegen des Ver­hal­tens von Bischof Zan­chet­tas gegen­über den Semi­na­ri­sten des ersten Stu­di­en­jah­res, die er zum Unter­richt zu sich in die bischöf­li­che Resi­denz kom­men las­se. Das Ver­hal­ten des Bischofs ver­lan­ge „drin­gen­de Maß­nah­men“ zum Schutz der Semi­na­ri­sten, so der Regens an den Nuntius.

Seit­her ist die Glaub­wür­dig­keit des Hei­li­gen Stuhls in der Sache schwer erschüt­tert. Fran­zis­kus hält jedoch an sei­ner Agen­da fest, als wäre nichts gesche­hen. Bis­her auch an Bischof Zan­chet­ta. Der Schutz der Semi­na­ri­sten vor lüster­nen Bischö­fen scheint jeden­falls kein vor­ran­gi­ges Ziel die­ses Pon­ti­fi­kats. Fran­zis­kus hielt an Kar­di­nal McCar­ri­ck bis zum letzt­mög­li­chen Augen­blick fest, eben­so an Weih­bi­schof Pine­da von Tegu­ci­gal­pa. Für Bischof Zan­chet­ta gilt es noch immer. Alle haben sich an ihren eige­nen Semi­na­ri­sten ver­grif­fen. In allen Fäl­len han­del­te Fran­zis­kus erst, als Medi­en zu laut die sexu­el­len Umtrie­be aufdeckten.

Der bri­ti­sche Catho­lic Herald titel­te gestern:

„Bischof, gegen den wegen sexu­el­ler Ver­feh­lun­gen ermit­telt wird, ist mit Papst Fran­zis­kus bei geist­li­chen Exerzitien“.

Auf Anfra­gen des Catho­lic Herald nach dem aktu­el­len Stand im Fall Zan­chet­ta, reagier­te das Pres­se­amt bis­her nicht.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!