Die Kirche wird nicht erst heute durch den Heiligen Geist geführt

Die Kirche hat immer die Geister geprüft, ob sie aus Gott sind. Tut sie es auch heute?


"Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" von Francisco de Goya (1799)
"Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" von Francisco de Goya (1799)

Kom­men­tar zum Syn­oden­do­ku­ment von Msgr. Mari­an Eleganti*

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Schon im ersten Satz fällt die Beto­nung der Tau­fe auf als Grund­la­ge für die ega­li­tä­re Syn­oda­li­tät und Mit­be­stim­mung der­je­ni­gen, die bis­her nicht mit­be­stim­men konn­ten, weil sie kei­ne Bischö­fe waren. Durch das Doku­ment zieht sich viel Weih­rauch für das Ereig­nis selbst, das als Gespräch im Geist – aber wer kann sagen, in wel­chem? – den Teil­neh­mern in dank­ba­rer Erin­ne­rung bleibt, wie sie selbst sagen. 

Falsch erscheint mir die Beru­fung auf die Tra­di­ti­on für die­se Syn­ode und auf das Kon­zil, des­sen Tex­te über die hier­ar­chi­sche Ver­fas­sung des Vol­kes Got­tes und den Wesens­un­ter­schied zwi­schen all­ge­mei­nem und beson­de­rem Prie­ster­tum in der neu­en Syn­oda­li­tät weder beach­tet noch umge­setzt, son­dern ver­wäs­sert wer­den. Die Syn­ode soll­te nach ihrer eige­nen Behaup­tung alle Getauf­ten ein­be­zie­hen, aber weder die kaum 1 Pro­zent der Teil­neh­men­den am welt­wei­ten syn­oda­len Pro­zess und noch weni­ger die in Rom Ver­sam­mel­ten kön­nen wirk­li­che Reprä­sen­ta­ti­vi­tät des gesam­ten Vol­kes Got­tes und des Wel­tepi­sko­pa­tes bean­spru­chen. Trotz­dem konn­ten die hei­ssen The­men (neu?) iden­ti­fi­ziert wer­den, die schon seit 50 Jah­ren hin­läng­lich bekannt sind. Ich bin erstaunt über den angeb­li­chen Erkennt­nis­ge­winn. Jeder, der mit den Mecha­nis­men sol­cher Ver­samm­lun­gen und Mei­nungs­bil­dungs­pro­zes­se ver­traut ist, weiss, dass am Ende nicht die Dis­kus­sio­nen, son­dern die Redak­tio­nen im Back­of­fice für das Schluss­plä­doy­er bzw. ‑doku­ment den Aus­schlag geben, wes­halb man genau hin­schaut, mit wem (Mode­ra­to­ren, Rela­to­ren, Redak­to­ren, Exper­ten) die­se Teams besetzt sind. Sie erar­bei­ten einen fina­len Text, der unter gro­ssem Zeit­druck dann in der Schluss­ver­samm­lung durch­ge­paukt wird mit Zwei­drit­tel­vo­ten, da Ver­bes­se­run­gen und Kor­rek­tu­ren ohne­hin nicht mehr mög­lich und rea­li­stisch sind. Statt des sei­ten­schwe­ren Over­kills an Syn­oden­ly­rik wür­de es genü­gen, 10 The­sen nach offe­nen Debat­ten im Ple­num, die für alle nach innen und aussen trans­pa­rent geführt wer­den, zur Abstim­mung zu brin­gen und das Ergeb­nis dem Papst als Emp­feh­lung zu prä­sen­tie­ren. Statt­des­sen hat­ten wir Infor­ma­ti­ons­em­bar­go und run­de Tische, die von­ein­an­der wenig mit­be­kom­men, weil sie sich nur ihrem eige­nen The­ma wid­men durf­ten. So wis­sen nur weni­ge die wah­ren Ver­hält­nis­se. Umso mehr Mut­ma­ssun­gen gibt es und viel­leicht ein paar Indis­kre­tio­nen. Damit müs­sen wir, die Exklu­dier­ten, zufrie­den sein. Ein Detail am Ran­de: Sogar die­se Cir­culi mino­res an run­den Tischen wer­den uns als Abbild des escha­to­lo­gi­schen Hoch­zeits­mah­les prä­sen­tiert, um der mani­pu­la­ti­ven Metho­do­lo­gie der neu­en Syn­oda­li­tät eine höhe­re Wei­he und die Sal­bung der Hl. Schrift zu ver­lei­hen. Wie lieblich!

Beim Namen genannt wird auch die Befürch­tung vie­ler Gläu­bi­gen, dass die Leh­re der Kir­che ver­än­dert – und die apo­sto­li­sche Tra­di­ti­on ver­las­sen wird. Tat­säch­lich kann man schon jetzt sehen, wie begrün­det die Befürch­tung ist und sich bewahr­hei­ten könn­te. Das ega­li­tä­re Mit­be­stim­mungs­recht der Lai­en auf einer Bischofs­syn­ode ist jeden­falls bereits der erste Schritt mit Vor­bild­cha­rak­ter dazu und kei­nes­wegs harm­los. Dass Kard. Schön­born damit kei­ne Pro­ble­me hat (Bischofs­syn­ode mit nur erwei­ter­ter Par­ti­zi­pa­ti­on), ver­wun­dert nicht, bleibt aber sub­stanz­los und oppor­tu­ni­stisch. Auch die von den Redak­to­ren ange­spro­che­ne wei­te­re Befürch­tung der Syn­oden­skep­ti­ker, dass Mehrheits­entscheidungen den kirch­li­chen und geist­li­chen Cha­rak­ter der Lei­tung der Kir­che durch die Bischö­fe und Prie­ster ver­än­dern und ihre hier­ar­chi­sche Struk­tur in Fra­ge stel­len wer­den, könn­te sich als eine sich selbst erfül­len­de Pro­phe­zei­ung der syn­oda­len Akti­vi­sten her­aus­stel­len. Das übli­che Framing, dass bei den Beden­ken­trä­gern vor allem Äng­ste auf­kom­men, Macht zu ver­lie­ren, ist Vul­gär­psy­cho­lo­gie der syn­oda­len Redak­to­ren und kei­ne Theo­lo­gie wie auf der Sei­te der erste­ren. Denn für sie geht um die Sakra­men­ta­li­tät des kirch­li­chen Amtes, die von Chri­stus selbst begrün­det wur­de, nicht um Macht und Macht­kon­trol­le, auch nicht um Äng­ste, sie zu verlieren.

Mit viel Auf­wand wird durch das Para­dig­ma der neu­en Syn­oda­li­tät eine neue Gestalt der Kir­che pro­pa­giert, ja gera­de­zu dekre­tiert, als hät­te die Kir­che eine Gene­ral­über­ho­lung nötig, wel­che sie von ihrer bis­he­ri­gen Sünd­haf­tig­keit befreit und als ein mit der Welt ver­söhn­tes, gemein­sa­men Haus gene­ral­sa­niert. In ihm sol­len sich auch alle jene behag­lich woh­nen, die sich bis jetzt durch ihre Leh­re und Moral aus­ge­schlos­sen und ver­letzt fühl­ten. Unter die­se Sanie­rung gehö­ren dann auch Begrif­fe wie Sün­der, Häre­ti­ker Schis­ma­ti­ker, Sodo­mi­sten, Ehe­bre­cher u. a., die gemäss dem neu­en Glau­bens­prä­fek­ten bes­ser nicht mehr gebraucht wer­den sol­len, weil sie nur ver­let­zen. Wer kennt das Sprich­wort: „Wahr­heit tut weh?“ Nur die „Miss­brauchs­tä­ter“ wer­den wei­ter­hin beim Namen genannt.

Die neue Syn­oda­li­tät ver­steht sich als eine Art Hei­lungs­pro­zess für die Aus­ge­schlos­se­nen und bis­lang nicht Inklu­dier­ten, weil die alte Kir­che Ross und Rei­ter benann­te, den Sün­der lieb­te, die Sün­de klar und unmiss­ver­ständ­lich ver­ur­teil­te. Das glei­che gilt für den Irr­tum. So meint man, neu­es Ver­trau­en wie­der­ge­win­nen und Glaub­wür­dig­keit wie­der­her­stel­len zu kön­nen, eine Illusion.

In der Tat erscheint der Begriff der Syn­oda­li­tät, eine wei­te­re im Abschluss­do­ku­ment genann­te Befürch­tung, vage und eine Mode­er­schei­nung. Die aus­ste­hen­de Har­mo­ni­sie­rung der ange­streb­ten Neue­run­gen für die Lei­tung der Kir­che mit dem gel­ten­den Kir­chen­recht steht jeden­falls, wie fest­ge­hal­ten wird, noch aus. Wie Bischof Over­beck unum­wun­den gesteht, wird sie nicht gelin­gen, ohne dass man mit der Tra­di­ti­on bricht. Er scheint dazu bereit zu sein. Die Beteue­run­gen der Syn­oden­vä­ter und ‑müt­ter, dar­an nicht zu rüh­ren, erschei­nen dane­ben wie Nebel­ker­zen. Ob die Syn­ode 2024 so weit gehen wird, bleibt abzu­war­ten. In die­sem Kon­text lesen wir im Abschluss­be­richt: „Es müs­sen Wege für eine akti­ve­re Betei­li­gung von Dia­ko­nen, Pres­by­tern und Bischö­fen am syn­oda­len Pro­zess im kom­men­den Jahr ent­wickelt wer­den. Eine syn­oda­le Kir­che kann nicht ohne ihre Stim­men, ihre Erfah­run­gen und ihren Bei­trag aus­kom­men. Wir müs­sen die Grün­de für den Wider­stand eini­ger von ihnen gegen die Syn­oda­li­tät ver­ste­hen“. Wie rich­tig und gut geschrieben!

Die Grün­de aller­dings sind denk­bar ein­fach, schnell genannt und deren zwei: 

1.

Die neue Syn­oda­li­tät unter­mi­niert die sakra­men­ta­le Struk­tur der Kir­che, das Bischofs- und das Prie­ster­amt und nimmt ihnen ihr sakra­men­ta­les Pro­pri­um bzw. hin­dert sie an der Aus­übung des­sel­ben, näm­lich ihrer Voll­mach­ten, zu lei­ten, zu leh­ren und zu hei­li­gen, ohne durch Mehr­heits­ent­schei­de gebun­den (wohl aber je nach­dem gut bera­ten) zu sein.

2.

Was bis jetzt von der Kir­che als wahr und ver­bind­lich ver­kün­det wor­den war (z. B. in Bezug auf Sakra­men­ta­li­tät der Kir­che, Bischofs­amt, Prie­ster­amt, Unauf­lös­lich­keit der Ehe und Wie­der­ver­hei­ra­tung, Homo­se­xua­li­tät und homo­sex. Part­ner­schaft, Frau­en­prie­ster­tum und Frau­en­dia­ko­nat, Mit­be­stim­mung etc.) bleibt es auch in Zukunft und kann durch Grup­pen­pro­zes­se, Neu­sprech und Dou­ble­speech nicht über­holt wer­den. Weder Papst noch Syn­oden besit­zen die Voll­macht, die sakra­men­ta­len Bau­ge­set­ze der Kir­che zu ver­än­dern. That´s it!

Noch ein Letz­tes: Die Kir­che wird nicht erst heu­te durch den Hei­li­gen Geist geführt, son­dern wur­de es schon immer. Sie hat aber immer die Gei­ster geprüft, ob sie aus Gott sind. Ob die Gesprä­che mit dem Geist im syn­oda­len Pro­zess tat­säch­lich im Hei­li­gen Geist geführt wur­den, wird sich histo­risch erwei­sen. Die­je­ni­gen, die sich am sicher­sten waren, dass ihre Ansich­ten und Refor­men vom Hei­li­gen Geist stamm­ten, waren in auf­fal­len­der Wei­se – histo­risch gese­hen – Häre­ti­ker, Sek­tie­rer und Schis­ma­ti­ker, nicht Hei­li­ge. Je mehr man es betont, im Geist zu sein, umso ver­däch­ti­ger wird man. Wir tun es nicht, hof­fen es nur und beten darum.

*Msgr. Mari­an Ele­gan­ti OSB war von 1999 bis 2009 Abt der Bene­dik­ti­ner­ab­tei St. Otmars­berg im Kan­ton Sankt Gal­len, dann von 2009 bis 2021 Weih­bi­schof der Diö­ze­se Chur.

Bild: Wiki­com­mons

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