
(Rom) Die Ernennung des argentinischen Erzbischofs Victor Manuel „Tucho“ Fernández zum neuen Präfekten des römischen Glaubensdikasteriums führte zur scharfen Kritik in den USA. Eine US-amerikanische Gruppe, die sich mit dem Umgang der katholischen Hierarchie mit Fällen von sexuellem Mißbrauch durch Kleriker befaßt, beklagte, daß Papst Franziskus mit der Ernennung des argentinischen Prälaten für das so einflußreiche römische Amt, in dessen Zuständigkeit auch die Untersuchung und Disziplinierung von Mißbrauchsfällen gehört, eine „beunruhigende“ Wahl getroffen habe.
Am Samstag hatte der Vatikan bekanntgegeben, daß der langjährige und engste Protegé und Redenschreiber des Papstes, Msgr. Victor Manuel Fernández, der Erzbischof von La Plata, von Franziskus zum Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre ernannt wurde. Die vormalige Glaubenskongregation hat die Glaubenslehre zu schützen und zu fördern. Zu ihren Aufgaben gehört aber auch, die gegen Kleriker erhobenen Vorwürfe des sexuellen Mißbrauchs zu untersuchen.
BishopAccountability.org, eine US-Organisation mit Sitz in Massachusetts, befaßt sich seit 20 Jahren mit Mißbrauchsfällen und unterstützt Opfer. Sie verfügt nach eigenem Bekunden über das weltweit größte Online-Archiv über Mißbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Sie wirft Msgr. Fernández vor, sich 2019 geweigert zu haben, Opfern Glauben zu schenken, die einen Priester seiner Erzdiözese La Plata des sexuellen Mißbrauchs von Kindern beschuldigten.
Franziskus habe mit der Ernennung von Fernández zum neuen Glaubenspräfekten „eine rätselhafte und beunruhigende Entscheidung“ getroffen.
„In seiner Antwort auf die Anschuldigungen stellte sich Erzbischof Fernández hinter den beschuldigten Priester und weigerte sich, den Opfern zu glauben“, so BishopAccountability.org. Das Verhalten von Fernández „hätte untersucht“ werden müssen und er „nicht in eines der höchsten Ämter der Weltkirche befördert werden sollen“.
Der neue Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre wird sein Amt im Vatikan im September antreten und „immense Macht haben, besonders wenn es um die Beurteilung und Bestrafung von Priestern geht, die Kinder missbrauchen“, so BishopAccountability.org.
Msgr. Fernández gilt im Kreis der engen Papstvertrauten als der engste. Die US-Organisation schildert in ihrer Erklärung detailliert den Fall des genannten Priesters, den Msgr. Fernández gedeckt habe. Der Priester beging, wenige Stunden nachdem ein richterlicher Haftbefehl gegen ihn erlassen worden war, im Dezember 2019 Selbstmord.
BishopAccountability.org sieht aufgrund seiner bisherigen Handlungen keine Voraussetzungen, daß Msgr. Fernández geeignet wäre, den Anti-Mißbrauchskampf tatkräftig umzusetzen:
„Nichts in seinen Leistungen deutet darauf hin, daß er geeignet ist, den Kampf des Papstes gegen Mißbrauch und Vertuschung zu führen.“
Franziskus hatte versprochen, daß die katholische Kirche eine Null-Toleranz-Politik gegenüber sexuellem Mißbrauch durch Geistliche verfolgen würde. Seine mehr als ambivalente Haltung gegenüber der Homosexualität, die Karriereförderung homophiler Prälaten und das Verschweigen des zahlenmäßig größten Mißbrauchsübels, der pädophilen Homosexualität, lassen seit Jahren Zweifel an der päpstlichen Politik aufkommen. Zwischen den Worten und den Taten klafft offensichtlich eine große Lücke.
Erzbischof Fernández, der nominierte neue Glaubenspräfekt, reagierte energisch auf die Kritik der US-amerikanischen Organisation und wies die Vorwürfe zurück. Diese beharrt jedoch darauf.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Man stelle sich einmal vor, derartige Vorwürfe würden gegen Kardinal Woelki erhoben …