Die „Sinisierung“ der Religion in der Volksrepublik China

Die Moschee von Najiaying


Polizei der Volksrepublik China sichert Durchsetzung der "Sinisierung" einer Moschee gegen die Proteste der betroffenen Moslems. Die gleiche Sinisierung wird auch von der katholischen Kirche verlangt.
Polizei der Volksrepublik China sichert Durchsetzung der "Sinisierung" einer Moschee gegen die Proteste der betroffenen Moslems. Die gleiche Sinisierung wird auch von der katholischen Kirche verlangt.

Im Bezirk Ton­ghai wird hart gegen Pro­te­ste gegen den Reno­vie­rungs­plan vor­ge­gan­gen, der den Wie­der­auf­bau einer Moschee­kup­pel „im chi­ne­si­schen Stil“ durch­set­zen will. Mit Hil­fe von Sym­bo­len ver­schär­fen die Behör­den ihre Kon­trol­le und Zen­sur der Reli­gio­nen. Sie unter­bra­chen die Tele­fon­ver­bin­dun­gen der gan­zen Stadt und zen­sier­ten auf Wei­bo die Suche nach „Moschee Najiay­ing“. Ara­bi­sche Wör­ter auf Schil­dern mos­le­mi­scher Geschäf­te wur­den ent­fernt. Fol­gen­der Bericht von John Ai für Asia­News betrifft eine Moschee, bie­tet jedoch einen Ein­blick in das Ver­ständ­nis von „Sini­sie­rung“, die von der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Chi­nas ange­strebt und auch bei der katho­li­schen Kir­che ein­ge­for­dert wird (sie­he in die­sem Zusam­men­hang den jüng­sten Peking-Besuch des Hong­kon­ger Bischofs Ste­phen Chow und eben­so: 100 Jah­re Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Chi­nas).

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Peking (Asia­News) Die mus­li­mi­sche Gemein­de einer Stadt im Süd­we­sten Chi­nas war das gan­ze Wochen­en­de über in schwe­re Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Poli­zei ver­wickelt, um den von den Behör­den ange­ord­ne­ten Abriß der Kup­pel einer Moschee im ara­bi­schen Stil zu ver­hin­dern. Nach dem von der ört­li­chen Ver­wal­tung gewünsch­ten Pro­jekt soll das neue Gewöl­be im „chi­ne­si­schen Stil“ gebaut wer­den, was den Zorn der isla­mi­schen Gläu­bi­gen her­vor­ruft. Poli­zi­sten in Schutz­an­zü­gen umstell­ten das Gebets­haus und wur­den dabei von Mus­li­men behin­dert (hier das Video), die den Ein­griff zu ver­hin­dern such­ten. Loka­le Quel­len berich­ten, daß der Plan, die Moschee selbst zu reno­vie­ren und zu sanie­ren, Teil eines umfas­sen­de­ren Plans zur „Sini­sie­rung“ ist – der auch Chri­sten betrifft –, um die reli­giö­se Kon­trol­le zu verstärken.

Die Moschee von Najiaying

Die Zusam­men­stö­ße fan­den vor der Moschee in Najiay­ing in der Stadt Nagu im Kreis Ton­ghai in der Pro­vinz Yunnan statt, einem Gebiet, in dem die mus­li­mi­sche Volks­grup­pe der Hui im Ver­gleich zum Rest des Lan­des in der Mehr­heit ist. Mos­lems ver­sam­mel­ten sich am 27. Mai vor dem Gebets­haus und ver­such­ten, die Behör­den, die den Abriß der Kup­pel ange­ord­net hat­ten, zu blockie­ren. Ein­hei­mi­sche ver­such­ten, Tag und Nacht vor der Moschee zu demon­strie­ren, um sie zu schüt­zen. Im Inter­net kur­sier­ten Vide­os, die zei­gen, wie Poli­zi­sten in Ein­satz­klei­dung mit Schil­den den Zugang zu den Demon­stran­ten ver­sperr­ten, wäh­rend die­se began­nen, Stei­ne und Fel­sen auf die Poli­zei zu wer­fen. Eini­ge Demon­stran­ten durch­bra­chen die Blocka­de und ris­sen ein Gerüst um, das zuvor auf­ge­stellt wor­den war, um Abriß­ar­bei­ten an der Fas­sa­de zu ermöglichen.

Am 28. Mai tra­fen wei­te­re Poli­zi­sten in der Nähe der Moschee ein, und im Inter­net wur­den neue Auf­nah­men ver­öf­fent­licht, die Dut­zen­de von Poli­zei­fahr­zeu­gen zei­gen, die rund um das Gebäu­de geparkt sind.

Die Najiay­ing-Moschee stammt aus dem 13. Jahr­hun­dert und war ein mus­li­mi­sches Gebets­haus nach dem Vor­bild eines chi­ne­si­schen Tem­pels. Das heu­ti­ge Gebäu­de ist das Ergeb­nis einer Reno­vie­rung im Jahr 2004, bei der eine Kup­pel im ara­bi­schen Stil und vier Mina­ret­te errich­tet wur­den, die bis zu 3.000 Men­schen Platz zum Gebet bie­ten. Heu­te ist die Moschee ein wich­ti­ges Zen­trum für die ört­li­che mos­le­mi­sche Gemein­de, nicht nur für die Gläu­bi­gen, son­dern auch für die Behör­den selbst, die die Moschee im Rah­men eines umfas­sen­de­ren Pro­jekts der „Sini­sie­rung“ von Gebets­stät­ten, Kult­or­ten und Reli­gio­nen in ihrem chi­ne­si­schen Stil wie­der­her­stel­len woll­ten. Der Washing­ton Post zufol­ge könn­te der Kon­flikt sei­ne Wur­zeln in einem Gerichts­ur­teil aus dem Jahr 2020 haben, wonach ein Teil der Gebäu­de­struk­tur für ille­gal erklärt wor­den war.

Die ört­li­chen Behör­den for­dern die Demon­stran­ten auf, sich vor dem 6. Juni der Poli­zei zu stel­len, um eine mil­de­re Stra­fe zu erhal­ten. Die Tele­fon­ver­bin­dun­gen in die Stadt sind tot. Wäh­rend die Poli­zei Berich­ten zufol­ge Fahr­zeu­ge mit ein­ge­bau­ten Gerä­ten schick­te, um den Mobil­funk­ver­kehr zu stö­ren, der weit­ge­hend abge­schnit­ten oder unter­bro­chen wur­de. Inzwi­schen wer­den auch Vide­os und Infor­ma­tio­nen über die Grün­de des Pro­tests in den chi­ne­si­schen sozia­len Netz­wer­ken zen­siert. Eine Suche nach „Najiay­ing-Moschee“ auf Wei­bo, einem chi­ne­si­schen Dienst, der mit Twit­ter ver­gleich­bar ist, lie­fert kei­ne Ergebnisse.

Die chi­ne­si­schen Behör­den befür­wor­ten das Kon­zept der „Sini­sie­rung“, um die Kon­trol­le über die Reli­gio­nen zu ver­schär­fen. Reli­giö­sen Grup­pen wird befoh­len, die Ideo­lo­gie der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Chi­nas, ein­schließ­lich Xi Jin­pings Gedan­ken­gut, zu pre­di­gen und „grund­le­gen­de sozia­li­sti­sche Wer­te“ als Teil der Leh­ren und der Ethik der Reli­gio­nen neu zu inter­pre­tie­ren. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat Peking wei­te­re Restrik­tio­nen in Xin­jiang ver­hängt, und schät­zungs­wei­se eine Mil­li­on eth­nisch mus­li­mi­sche Chi­ne­sen – dar­un­ter Uigu­ren und Kasa­chen – sind in Umer­zie­hungs­la­gern inhaf­tiert [ins­ge­samt gibt es in Chi­na geschätz­te 25 Mil­lio­nen Mos­lems]. Die Behör­den leug­nen die Exi­stenz die­ser Lager und behaup­ten, daß es sich bei den soge­nann­ten Haft­an­stal­ten in Wirk­lich­keit um Schu­len für die Berufs­aus­bil­dung und zur Bekämp­fung des (isla­mi­schen) Extre­mis­mus handelt.

Die Bemü­hun­gen der Behör­den, ande­re mus­li­mi­sche Grup­pen zu sini­sie­ren, haben sich außer­halb von Xin­jiang in aller Stil­le aus­ge­brei­tet. In der Ver­gan­gen­heit wur­de die chi­ne­sisch­spra­chi­ge Volks­grup­pe der Hui eher tole­riert, doch seit 2019 wer­den auch sie ver­stärkt kon­trol­liert. Die Regie­rung hat Kup­peln und Sym­bo­le wie die Mond­si­chel ent­fernt und Gebäu­de in Yunnan, Nin­gxia und Qing­hai – wo es eine gro­ße isla­mi­sche Bevöl­ke­rung gibt – in einen chi­ne­si­schen Stil umge­wan­delt. Schließ­lich wur­den im gan­zen Land isla­mi­sche Sym­bo­le und ara­bi­sche Wör­ter auf mus­li­mi­schen Laden­schil­dern entfernt.

Anmerkung

In den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren wur­den bereits zahl­rei­che Kir­chen in Tei­len Chi­nas teil­wei­se oder ganz zer­stört, christ­li­che Sym­bo­le wer­den aus der Öffent­lich­keit ver­bannt, beson­ders sol­che, die als „zu sicht­bar“ gel­ten (sie­he auch die Bei­trä­ge: Poli­zei zer­stört Frau­en­klo­ster und Kom­mu­ni­sti­sches Chi­na zer­stört zwei Mari­en­hei­lig­tü­mer). Als Haupt­grund wird von den Behör­den in völ­li­ger Will­kür „Ille­ga­li­tät“ ange­führt. Die „aus­län­di­sche“ Spra­che der Kir­che, gegen die wie gegen das Ara­bi­sche vor­ge­gan­gen wer­den kann, ist Latein. Die Will­kür in der Spra­chen­fra­ge zeigt sich bereits im obi­gen Bei­trags­bild, auf dem die Poli­zei mit eng­li­scher Auf­schrift „Poli­ce“ zu sehen ist.

Übersetzung/​Anmerkung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Asia­News

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