2021 jährt sich zum 100. Mal die Gründung zahlreicher kommunistischer Parteien. 1921 wurden Vorposten der bolschewistischen Revolution in Italien, Spanien, Belgien, Luxemburg, Schweden und der Schweiz errichtet, aber auch in Kanada und vor allem in China. Am 23. Juli 1921 wurde in Shanghai die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) gegründet. Seit 1949 kontrolliert sie die von ihr ausgerufene Volksrepublik China totalitär. Ihr derzeitig mächtiger Mann und Generalsekretär (Vorsitzender) ist „Kaiser“ Xi Jinping, der zugleich Staatspräsident und Vorsitzender des höchsten militärischen Führungsorgans des Landes ist. Wegen der Corona-Maßnahmen steht noch nicht genau fest, wie bombastisch Chinas kommunistische Machthaber die Hundertjahrfeiern gestalten werden. Mit einer Machtdemonstration ist zu rechnen. Die bekommen bereits Chinas Katholiken zu spüren.
Aus Anlaß der kommunistischen Parteigründung vor hundert Jahren erhielten die Katholiken genaue Anweisungen vom Regime: ein Programm, das darauf abzielt, die Kirche in einen Lautsprecher der Parteipropaganda zu verwandeln. Chinas Katholiken sollen gezwungen werden, die Kommunisten, ihre größten Verfolger, zu feiern.
Die Kommunistische Partei Chinas übt seit 72 Jahren die absolute Macht im bevölkerungsreichsten Land der Welt aus. Sie kontrolliert auch die Patriotische Vereinigung, die von ihr 1958 als regimehörige, schismatische Abspaltung von der katholischen Kirche ins Leben gerufen wurde. Diese Patriotische Vereinigung, offiziell die anerkannte katholische Kirche des Landes, gab ein „pastorales“ Programm aus, das in Wirklichkeit durch und durch politisch ist. Sein Ziel ist es, die kommunistischen Machthaber zu feiern und die Unterwerfung der Kirche unter die Partei zu festigen.
Das Regime verlangt die Registrierung von Religionsgemeinschaften. Dem versuchen sich die kirchentreuen Katholiken Chinas seit Jahrzehnten und unter großen Entbehrungen zu entziehen, denn Registrierung bedeutet Kontrolle und Überwachung. Vor allem liefert sie dem Regime für den Fall einer neuen Verfolgung fertige Proskriptionslisten, mit denen die katholische Kirche mit einem Schlag ausgelöscht werden könnte. Und mit einer neuerlichen Verfolgung rechnen sie immer. Chinas Katholiken haben auf leidvolle Weise erfahren, wie brutal und grausam die Kommunisten die Kirche verfolgen.
Am 28. Juni 2019, neun Monate nach der Unterzeichnung des umstrittenen Geheimabkommens zwischen den kommunistischen Machthabern und dem Heiligen Stuhl, erließ der Vatikan Schock-Richtlinien, mit denen er die romtreuen Untergrundbischöfe aufforderte, sich vom Regime registrieren zu lassen.
Mit der Registrierung werden Bischöfe, Priester, Diakone in Staatsbeamte umgewandelt, mit allen damit verbundenen Pflichten und Zwängen. Wer sich nicht an die von der Partei ausgegebenen Richtlinien hält, kann jederzeit aus seinem religiösen Amt entfernt werden.
Vor diesem Hintergrund sind die neuen Richtlinien zu den 100-Jahrfeiern der Kommunistischen Partei Chinas zu sehen:
„Halten Sie sich an die Religionspolitik Chinas, indem Sie die nationale Einheit, die religiöse Harmonie und die soziale Stabilität wahren.“
In diesem Zusammenhang wird erwartet, daß die Priester im Juli 2021 vollzählig an den Parteifesten teilnehmen. Berichten von AsiaNews zufolge werden die regimehörigen Katholiken Chinas ein Symposium „zum 100. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas“ abhalten und „die bewegenden Ereignisse in der Zeit des Langen Marsches“, des Gründungsmythos der Partei, vertiefen. Als Langer Marsch wird der Rückzug der von Mao angeführten Roten Armee in den Jahren 1934/1935 genannt, mit dem sie sich dem Zugriff der überlegenen nationalchinesischen Truppen der Kuomintang entziehen konnte.
Die Richtlinien zum Parteijubiläum wurden von der regimehörigen katholischen Zeitschrift Die Kirche in China vorweggenommen, die auch viele weitere Initiativen erwähnt, darunter „Schulungen in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für Sozialismus“; Vorbereitungskurse für die Sondersitzung der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, eines beratenden Organs des Nationalen Volkskongresses (Parlament), Aktionen zum „Aufbau der Patriotischen Vereinigung“.
Alle Initiativen haben ein Ziel: die Kirche der Partei zu unterwerfen und diese Unterwerfung zu festigen. Das entspricht der Linie, die vom Regime seit der Unterzeichnung des Geheimabkommens mit dem Vatikan verfolgt wird und vor der kritische Stimmen wie jene der grauen Eminenz der chinesischen Untergrundkirche, Joseph Kardinal Zen, emeritierter Bischof von Hongkong, wiederholt gewarnt hatten. Kardinal Zen warnte Papst Franziskus und Kardinalstaatssekretär Parolin, daß es dem kommunistischen Regime bei der Unterzeichnung des Abkommens allein darum gehe, seine Herrschaft zu festigen und auch jene Teile der Kirche unter seine Kontrolle zu bringen, die sich dieser bisher unter großen Opfern entzogen hatten.
Theoretisch wurde Papst Franziskus mit der Unterzeichnung des Geheimabkommens vom Regime zwar als Kirchenoberhaupt anerkannt, doch in der Praxis brachte das für die chinesischen Gläubigen keine Verbesserungen. Ihnen wird weiterhin nur die Partei vorgesetzt, und die „hat immer recht“. In den Richtlinien kommt dies in der Aufforderung zum Ausdruck, „den Grundsatz der Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Religion“ einzuhalten. „Unabhängigkeit und Selbstverwaltung“ meine eine von Rom unabhängige, „sinisierte“ Kirche unter der Kontrolle der Partei.
Die Religionsfeindlichkeit der chinesischen Kommunisten
Die Parteifeierlichkeiten sollen die Unterwerfung auf eine groteske Spitze treiben. Die Katholiken, an erster Stelle Bischöfe und Priester, werden gezwungen, ihre schlimmsten Verfolger zu feiern. Chinas Kommunisten waren wie die sowjetischen Kommunisten von Anfang an radikal und brutal atheistisch. Aus den ersten Jahren der Kommunistischen Partei Chinas kommt eine unerbittliche Feindschaft gegen die Religion in ihren Publikationen zum Ausdruck. Was das konkret bedeutete, wurde 1927 deutlich, als die Kommunisten erstmals in einem Gebiet, in Nanchang, die Macht übernahmen. Dort wurden taoistische Tempel und Mönche zu ihren Opfern, die sich der Verfolgung nur entziehen konnten – hier wurde bereits ein bis heute praktiziertes Muster deutlich –, wenn sie sich der Partei unterwarfen.
Systematischer wurde die Religionspolitik in den ersten kommunistischen Staaten umgesetzt, die von 1931 bis 1934 in Fujian und Jiangxi errichtet wurden. Am konsequentesten wurde die rote Parteiherrschaft nach dem Langen Marsch erstmals in Shaanxi (1935–1945) verwirklicht: Kollektivierung des Bodens durch Verfolgung und Beseitigung „reicher Bauern“, Unterdrückung aller Formen von persönlicher Freiheit, Schaffung eines marxistischen Kultes, der ab der Grundschule verpflichtend war, und Zwangserfassung der Gesellschaft in Parteiorganisationen schon im Kindesalter. Im Laufe der Zeit verschmolz der Marxismus mit einem Personenkult, den Mao Tse-tung um seine Person förderte und der heute Xi Jinping gilt. Massenhinrichtungen nach öffentlichen Schauprozessen, die „Volksprozesse“ genannt wurden, und die systematische Anwendung von Folter, um Geständnisse zu erlangen, aus denen herausgelesen wurde, was das Regime hören wollte, standen bereits in den beiden großen Säuberungen von 1930/31 und 1942/43 an der Tagesordnung.
In dieser Frühphase des Kommunismus in China ist die Verfolgung der katholischen Kirche und der protestantischen Christen nur ein Randkapitel, weil die Kommunisten keine Gebiete mit hohem Christenanteil kontrollierten und weil die vorrangigen Feinde andere waren: „reiche“ Bauern, echte oder vermeintliche nationalchinesische „Spione“ und kommunistische Abweichler, die Mao Tse-tung nicht bedingungslos folgten, sowie ab Beginn des Zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs 1937 echte oder vermeintliche Kollaborateure der Japaner. Die feindselige Propaganda gegen die Religion war jedoch ständig präsent, die zudem vor dem von Europa verschiedenen Religionsverständnis zu sehen ist, das in China historisch prägend ist.
Die erste Verfolgungswelle
Die erste große Christenverfolgung, insbesondere der Katholiken, fand in den 1950er Jahren kurz nach Maos Machtübernahme statt. Das erste Opfer war kein Priester oder Missionar, sondern der italienische Militärberater Antonio Riva, der 1950 zusammen mit dem Japaner Ryuichi Yamaguchi wegen angeblicher Verschwörung zur Ermordung Maos und Verrats der chinesischen Invasionspläne in Tibet an die USA verhaftet wurde. Riva, 1896 als Sohn italienischer Eltern in Shanghai geboren, war im Ersten Weltkrieg ein hochdekoriertes Fliegeraß der italienischen Luftwaffe. Im selben Jahr, als in China die kommunistische Parteigründung erfolgte, wurde von Benito Mussolini in Italien die Nationale Faschistische Partei (PNF) gegründet, der er noch im selben Jahr beitrat und deren Auslandssektion er in China gründete. Riva, der nach dem Krieg nach China zurückgekehrt war, baute dort sein eigenes Unternehmen im Bereich der zivilen und militärischen Luftfahrt auf. Ab 1934 war er mit Billigung der italienischen Regierung als Ausbildner der nationalchinesischen Luftwaffe tätig. Auch nach dem Sieg der Kommunisten blieb er, der mit einer Amerikanerin verheiratet war, im Land. Zum ersten Jahrestag der kommunistischen Machtübernahme wurde er 1950 unter einem falschen Spionagevorwurf verhaftet. Der Schauprozeß gegen ihn sollte nicht nur von Rückschlägen im Koreakrieg ablenken, sondern vor allem dazu dienen, die öffentliche Meinung Chinas gegen den Vatikan anzuheizen.
Die Historiker Jung Chang und Jon Halliday schreiben in ihrer 2005 veröffentlichten, vom kommunistischen Regime nicht autorisierten Mao-Biographie:
„Mao war sehr interessiert am Vatikan, insbesondere an dessen Fähigkeit, Anhänglichkeit und Hingabe über nationale Grenzen hinweg zu wecken. Italienische Besucher wurden häufig mit Fragen zur Autorität des Papstes gelöchert. Die Beharrlichkeit der Katholiken alarmierte das Regime, das die falsche Behauptung eines Attentats [dessen Riva beschuldigt wurde] benutzte, um die Übernahme katholischer Institutionen, einschließlich der Schulen, Krankenhäuser und Waisenhäuser, zu beschleunigen. Eine durchsichtige Verleumdungskampagne beschuldigte die Ordensfrauen und Priester einer Reihe abscheulicher Taten, von Mord über Kannibalismus bis zu medizinischen Experimenten an Neugeborenen.“
Antonio Riva wurde am 17. August 1951 in Peking nahe dem Himmelstempel öffentlich hingerichtet. Sein Fall war der Auftakt zu einer langjährigen, grausamen Christenverfolgung. Zur Rechtfertigung sprach das Regime von einer Kampagne gegen „staatsfeindliche Konterrevolutionäre“.
In einem ersten Schritt wurden die ausländischen Bischöfe, Priester und Ordensleute des Landes verwiesen. Ihre Zahl wurde von 5.500 im Jahr 1950 auf höchstens zehn im Jahr 1955 dezimiert. Zur Vorbeugung hatten die ausländischen Bischöfe, die damals in dem Missionsland noch die Mehrheit des Episkopats stellten, im Einvernehmen mit Papst Pius XII. einheimische Priester zu Bischöfen geweiht in der Hoffnung, daß zumindest diese unter den neuen Machthabern weiterwirken könnten.
Doch kaum hatten sich die Kommunisten der lästigen ausländischen Zeugen entledigt, begann in einem zweiten Schritt die blutige Verfolgung der chinesischen Katholiken, von denen viele hingerichtet und hunderttausende in Konzentrationslagern eingesperrt wurden. Innerhalb weniger Jahre war die katholische Kirche in China ausgelöscht worden, zumindest offiziell. Im Untergrund überlebte sie und gelang es ihr durch die Weihe von Geheimbischöfen, wenn auch unter prekären Bedingungen, ihren Fortbestand zu sichern. Zum Zeitpunkt der kommunistischen Machtübernahme gab es unter den 550 Millionen Einwohnern gut drei Millionen chinesische Katholiken. Allein im Jahr 1955, als die Ausweisung der ausländischen Missionare abgeschlossen wurde, wurden 20.000 von ihnen verhaftet. In den folgenden Jahren überstieg die Zahl der Verhaftungen und Deportationen jährlich die 100.000. Am Höhepunkt dieser ersten staatlichen Verfolgungswelle war nach Schätzungen eine Million chinesischer Katholiken gleichzeitig in kommunistischen Konzentrationslagern interniert.
Um für das Ausland den Schein zu wahren und im Inland den Rest der dezimierten Katholiken unter Kontrolle zu bringen, wurde parallel 1957 (offiziell 1958) die Patriotische Vereinigung als schismatische, regimehörige katholische Kirche gegründet. Zur Lage der Kirche in China siehe die emblematische Biographie von Kardinal Kung.
Kulturrevolution – die zweite Verfolgungswelle
Von 1966 bis 1976, in den Jahren der sogenannten Kulturrevolution, wurden die Katholiken erneut zur Zielscheibe von Angriffen des kommunistischen Regimes. Nun waren nicht einmal mehr die „offiziellen“ Katholiken der Patriotischen Vereinigung vor dem Wüten der Roten Garde sicher. Über das turbulenteste und vielleicht blutigste Jahrzehnt des kommunistischen China ist bis heute nur wenig bekannt. Was bekannt ist, läßt erschaudern. Es sind Episoden der rohen Gewalt und des Martyriums, von zerstörten und geplünderten Kirchen und von aus Haß auf den Glauben getöteten Priestern und Ordensfrauen. Die erklärte Absicht der Kulturrevolution war die Ausrottung der Religion und die Durchsetzung des maoistischen Kultes, der inzwischen zu einer wahren Religion ausgebaut worden war. Die Gefängnisse und Konzentrationslager waren in dieser Zeit der letzte Ort, wo noch ein katholischer Klerus existierte und wirken und missionieren konnte.
Zumindest die Kulturrevolution wird von der gegenwärtigen Führung der Kommunistischen Partei als dunkles Kapitel der eigenen Geschichte anerkannt, wenn auch instrumentalisiert thematisiert, denn einige Elemente sind unter Staats- und Parteichef Xi Jinping wieder lebendig: die Umwandlung der Kirche in einen Lautsprecher der Parteipropaganda, die systematische Umerziehung zum Sozialismus, die Zerstörung von Kirchen, die Entfernung von Kreuzen und christlichen Symbolen, die Verstümmelung religiöser Gebäude oder ihre Umwandlung in Parteizentren. Das sind die Merkmale, die heute mit der „Sinisierung“ der Kirche gerechtfertigt werden, mit dem von der Partei ausgegebenen Ziel, ein „Christentum mit chinesischen Merkmalen“ zu schaffen. Wenn die Christen selbst in ihren eigenen Häusern gezwungen werden, religiöse Symbole und Bilder von Jesus zu entfernen und durch die Porträts von Mao Tse-tung und Xi Jinping zu ersetzen, dann ist das nichts anderes als die Fortsetzung der Kulturrevolution, wenn auch mit anderen Methoden.
Chinas Untergrundkatholiken sind auf sich allein gestellt, aus dem Vatikan erhalten sie derzeit wenig Unterstützung. Dort beschränkt man sich im Rahmen einer neuen Ostpolitik auf den Aufbau von diplomatischen Beziehungen und fällt dabei den eigenen Gläubigen in den Rücken, wie die Richtlinien vom 28. Juni 2019 verdeutlichten.
Über Chinas Kommunisten herrscht im Westen ein verklärtes Bild. Das hat mit der grundsätzlichen Bereitschaft linker Politiker, Journalisten und Kulturschaffender zu tun, sozialistische Regime durch die rosarote Brille zu sehen und vor Menschenrechtsverletzungen beide Augen zu verschließen. Es hat aber auch damit zu tun, daß Chinas Kommunisten heute mit Anzug und Krawatte auftreten und mit ihnen gute Geschäfte gemacht werden können.
Chinas Katholiken aber kennen ihre Verfolger. Sie wissen, wer ihre Peiniger sind. Und sie erinnern sich an ihre Märtyrer.
Deshalb will sie das kommunistische Regime zwingen, zum hundertsten Gründungsjubiläum der Kommunistischen Partei ihre Henker zu feiern.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/MiL/AsiaNews/Youtube (Screenshot)