
(Rom) Kurz vor Beginn des Budapest-Besuchs von Papst Franziskus erinnert der Vatikanist Sandro Magister daran, daß Franziskus sich zwar neben dem vatikanischen Presseamt auch ein eigenes Kommunikationsdikasterium zulegte, aber die ihm wichtigsten Anliegen über sein ganz persönliches Pressebüro in Santa Marta abwickelt – und das nicht immer zum Nutzen der Kirche.
Begeben wir uns mit Magister auf eine kleine Reise durch die Wirrnisse, Besonderheiten und Skurrilitäten der päpstlichen Pressearbeit:
„Bei seinem Besuch am 28. April in Budapest wird Franziskus die beiden medienwirksamsten Momente seiner Reisen nicht vermissen lassen: die Pressekonferenz im Flugzeug beim Rückflug nach Rom und das Gespräch mit den örtlichen Jesuiten, das hinter verschlossenen Türen stattfindet, aber dann aber von ‚La Civiltà Cattolica‘ mitgeschrieben und veröffentlicht wird.“
Das Wesentliche bei diesen „medienwirksamsten Momenten“ ist:
„In beiden Fällen wird er, wie immer, frei sprechen, über das, was er will, und ohne Zwänge, auch nicht in bezug auf das, was er vorher gesagt hat, und wird sich nicht scheuen, das Vorhergesagte zu ändern oder ihm zu widersprechen, wenn es ihm opportun erscheint, wie er es schon mehrmals getan hat. Den vatikanischen Ämtern fällt einfach zu, das Gesagte zu transkribieren und zu protokollieren in jenem gigantischen und unübersichtlichen Reservoir an gesprochenen und geschriebenen Worten, das für zukünftige Historiker das ‚Lehramt‘ von Papst Jorge Mario Bergoglio darstellen wird.“
Magisters Anspielung ist explizit. In diesem „gigantischen und unübersichtlichen Reservoir“ an Aussagen wird sich nämlich alles finden, alles und das Gegenteil davon „und zu viel“. Zuviel?
„So viel, daß die Beamten, die für die Archivierung seiner Reden zuständig sind, seit einiger Zeit zumindest einige Exzesse, unflätige Ausdrücke und Schimpfwörter von der Gosse herausschneiden und entfernen müssen.“
Papst Franziskus scheint nicht damit zu rechnen, Aussicht auf eine Heiligsprechung zu haben.
Bis vor wenigen Monaten war es nämlich üblich, daß die päpstlichen Archivare alles sammelten und auf der offiziellen Seite des Heiligen Stuhls alles veröffentlichten, was Franziskus öffentlich sagte. Journalisten können etwas auslassen oder ein wenig umschreiben. Welcher Archivar eines Papstes würde aber dergleichen wagen?
Seit Beginn des derzeitigen Pontifikats wiederholen sich Szenen, in denen Franziskus sich mit jemand öffentlich trifft, dazu zählen auch die offiziellen Audienzen (ausgenommen jene mit US-Präsident Joe Biden), die von den zuständigen Büros vorbereitete Rede beiseitelegt und aus dem Stegreif spricht. Alles aber wird aufgezeichnet und transkribiert, nicht nur die vorbereiteten Worte, sondern auch die frei hinzugefügten. Es gilt das gesprochene Wort.
Auf diese Weise kommt es in den Veröffentlichungen, die von der offiziellen Internetseite des Heiligen Stuhls vorgenommen werden, zu wenig eleganten Texten, wie zum Beispiel am 24. Oktober, als Franziskus Seminaristen und Priester empfing, die in Rom studieren und denen er auf eine unschuldige Frage über die digitale Welt mit einem „nachdrücklichen Exkurs über das Laster des Betrachtens pornografischer Bilder“ antwortete, so Magister, „als ob dies ein Laster aller anwesenden und abwesenden Priester und Seminaristen wäre und darüber hinaus auch der Nonnen und geweihten Seelen“.

Am darauffolgenden 10. Dezember hatte dann aber irgendjemand im Vatikan das Gefühl, „das Maß sei voll“, denn bei einer Audienz vor Seminaristen und Priesterausbildern aus Barcelona legte Franziskus den schriftlich vorbereiteten Text beiseite, weil er „langweilig“ sei. Dann ging er bei seiner Stegreifrede über die Grenze des Veröffentlichbaren hinaus und brandmarkte „Karrieristen und Aufsteiger“ mit unflätigen Schimpfworten aus der Gossensprache von Buenos Aires.
Der daraus entstehende Schaden betrifft vor allem das Bild von seinem eigenen Lebenswandel, das er der Nachwelt hinterläßt, könnte man meinen. Franziskus ging jedoch darüber hinaus und tätigte Aussagen, die das Lehramt und die Sakramentenordnung betreffen. Er forderte die anwesenden geweihten und angehenden Priester dazu auf, in der sakramentalen Beichte alles und immer zu vergeben, „auch wenn wir sehen, daß es keine Absicht zur Reue gibt“. Um keine Zweifel an der Absicht seiner Aussage zu lassen, nannte er einen Beichtvater, der in einer Frage die Lossprechungen verweigert, einen „Delinquenten“.
Doch siehe da: Von diesen Aussagen des Papstes wurde offiziell nichts veröffentlicht. Veröffentlicht wurde die vorbereitete Rede. Die tatsächlich von Franziskus gesprochenen Worte sickerten nur aufgrund von Berichten der irritierten Anwesenden durch. Ähnliches ist von anderen Begegnungen bekannt, zuletzt von der Audienz für die Gemeinschaft der Seligpreisungen am 17. April. Die offizielle Seite des Heiligen Stuhls veröffentlichte sicherheitshalber nur einige Fotos, aber überhaupt keinen Text.
„Auch das Staatssekretariat sieht sich seit einiger Zeit veranlaßt, der verbalen Maßlosigkeit von Franziskus Einhalt zu gebieten“, so Magister.
Bis zum Sommer 2020 war es üblich, den beim Presseamt des Vatikans akkreditierten Journalisten die Worte, die der Papst beim sonntäglichen Angelus sprechen würde, einige Stunden vorher mitzuteilen, einschließlich des Anhangs, der oft Bezüge zu aktuellen Ereignissen und internationalen politischen Fragen enthielt.
Am 5. Juli 2020 wurden die Journalisten jedoch einige Minuten vor Mittag gewarnt, daß die letzten fünfzehn Zeilen des an sie verteilten Textes nicht vom Papst verlesen werden würden. Mit diesen vom Staatssekretariat vorbereiteten und diplomatisch austarierten Zeilen sollte Franziskus erstmals zu den Freiheitsbeschränkungen in Hongkong Stellung nehmen, zu denen er bis dahin geschwiegen hatte. Der Papst schwieg aber auch an diesem Tag. Da der Text vorlag, wurde er anschließend von verschiedenen Presseorganen publik gemacht. Dadurch wurde das Schweigen des Papstes zur repressiven Politik des kommunistischen Regimes der Volksrepublik China noch „lauter hörbar“.
Um solche Zwischenfälle künftig zu vermeiden, werden den Medienvertretern seither nur mehr die Kurzkatechesen zum Tagesevangelium übermittelt, aber nicht mehr die aktuellen Zusätze im Anschluß an das Gebet.

Um die Römische Kurie auf seine Weise zu reformieren, errichtete Franziskus 2015 neben dem bereits bestehenden Presseamt ein eigenes Kommunikationsdikasterium (damals noch Kommunikationssekretariat genannt). Nachdem der erste Präfekt dieser Kurienbehörde über eine durch ihn erfolgte Manipulation eines Briefes von Benedikt XVI. stürzte, mit der er Franziskus ein besonderes „Geschenk“ zu dessen fünftem Thronjubiläum machen wollte, wird sie seit Juli 2018 von dem Laien Paolo Ruffini geleitet. Inhaltlich gibt jedoch seit Dezember 2018 Andrea Tornielli den Ton an, ein Duzfreund des Papstes mit direktem Zugang zu Santa Marta, der in den fünf Jahren davor der Haus- und Hofvatikanist des derzeitigen Pontifikats war.
„Aber Bergoglio hat nie eine besondere Vorliebe für die offiziellen Kommunikationskanäle gezeigt“, wie Sandro Magister zurecht erinnert.
„Die wenigen Male, die er die Tageszeitung L’Osservatore Romano besuchte, demütigte er die Redakteure, vom Herausgeber Andrea Monda abwärts, mit gnadenlosen Witzen über die geringe Zahl der verkauften Exemplare. Und in zehn Jahren hat er der ‚Zeitung des Papstes‘ nur eines seiner unzähligen links und rechts gegebenen Interviews gewährt.“
Und selbst dieses Interview war kein echtes, sondern aus dem Vorwort zu einem Buch über den heiligen Josef zusammengestellt. Franziskus, der ansonsten durchaus daran interessiert ist, Schlagzeilen zu machen, war an solchen in seinem eigenen Blatt nicht interessiert, weil ihn seine hauseigene Tageszeitung schlicht und einfach nicht interessiert.
Ebenso wenig interessiert ihn das offizielle Presseamt des Heiligen Stuhls. Die Peinlichkeiten, die sich daraus ergeben, zeigten sich beim jüngsten Krankenhausaufenthalt des Papstes. Während die Bilder von Franziskus um die Welt gingen, die ihn bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz mit schmerzverzerrtem Gesicht zeigten, und schließlich bekannt wurde, daß er bewußtlos im Krankenhaus ankam, meldete das Presseamt – mangels anderer Informationen –, der Papst habe sich für schon länger „geplante Untersuchungen“ in das Krankenhaus begeben. Anders ausgedrückt: Wer etwas über den Gesundheitszustand des Papstes erfahren möchte, kann sich die Mitteilungen des Presseamtes sparen. Die Informationspolitik zu diesem Thema war immer sehr zurückhaltend, so eklatant irreführend aber war sie bisher nicht. Immerhin sagte Franziskus selbst anschließend, daß es knapp für ihn war. „Einige Stunden mehr und ich wäre wohl nicht mehr hier“.
Im Vatikan gibt es also zwei Presseämter: das offizielle und eines in Santa Marta. Letzteres wird von Franziskus persönlich geleitet. Sein Hauptinstrument sind Interviews. Zu diesen sagt Magister:
„Die immense Menge an Interviews, die Franziskus den unterschiedlichsten Medien gewährt, durchläuft in der Tat nicht den Filter des Kommunikationsdikasteriums.“
Die offiziellen Vatikanmedien wie der Osservatore Romano, VaticanNews oder CTV können nur im Nachhinein eingreifen, so geschehen mit einem geschönten Bericht über das 83minütige Interview zwischen Franziskus und einem Dutzend angeblicher Jugendlicher aus aller Welt, das am 5. April auf der Streaming-Plattform Disney Plus ausgestrahlt wurde. Das Interview war bereits Monate zuvor in einem Filmstudio im römischen Vorort Pietralata aufgenommen worden.
„Ein surreales Interview“, so Magister.
Es war eindeutig feindselig konzipiert, sodaß dem Disney-Konzern, dessen Gender-Agenda bekannt ist und zumindest in Florida vom dortigen Gouverneur Ron DeSantis bekämpft wird, eine böse Absicht nachgesagt werden muß. Die Fragen der gedrillten „Jugendlichen“ waren „frech und feindselig“ (Magister). Der Papst wurde von ihnen regelrecht bedrängt. Eine Gesprächspartnerin sagte dem Papst ins Gesicht, sie produziere und verkaufe Porno-Videos, „um sich wertvoller zu machen und mit ihrer Tochter besser leben zu können“. Die eigene Verkommenheit einfach so hingeknallt.
Und wie reagierte Franziskus?
Der Papst riet, sich nicht zu scheuen, den Vatikan um Geld zu bitten, um jemandem zu helfen:
„Du bittest, denn hier drinnen [im Vatikan] stiehlt sowieso jeder! Ich weiß also, wo man stehlen kann, und ich schick Dir das Geld.“
Das war die Antwort.
Und der Osservatore Romano titelte dazu euphemistisch: „Offener und ehrlicher Dialog in einem Dokumentarfilm über den Papst“.
Abschließend als Grundsatz: Wenn eine Aussage des Papstes bekannt wird, gilt es zunächst nachzuprüfen, ob sie aus dem offiziellen Presseamt des Heiligen Stuhls oder aus dem „Presseamt“ von Santa Marta stammt. Die Unterschiede in ihrer Gewichtung könnten frappierend sein. Es gilt das gesprochene Wort.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshots)
Ich frage mich ob da nicht etwas in den päpstlichen Gemächern des Vatikans ist, was Bergoglio scheut wie der Teufel das Weihwasser. Irgendetwas, was er nicht erträgt, da gut und heilig.