Wird Martin Luther 2025 rehabilitiert?

Papst Franziskus, das Heilige Jahr und außerordentliche Wege zur Heiligsprechung


Papst Franziskus errichtete wieder eine Kommission für die Glaubenszeugen, doch für welche Glaubenszeugen?
Papst Franziskus errichtete wieder eine Kommission für die Glaubenszeugen, doch für welche Glaubenszeugen?

(Rom) Die Auf­he­bung der Exkom­mu­ni­ka­ti­on von Mar­tin Luther, dem unduld­sa­men deut­schen Refor­ma­tor (für die Pro­te­stan­ten) und Häre­si­ar­chen (für die Katho­li­ken), steht für eini­ge Kir­chen­krei­se auf der Tages­ord­nung. Spä­te­stens seit den 500-Jahr­fei­ern zu Luthers (nie erfolg­tem) The­sen­an­schlag zu Wit­ten­berg nah­men die­se Bestre­bun­gen Fahrt auf. 2017 war aus dem Mund eini­ger Kir­chen­ver­tre­ter nicht nur zu hören, so von Kar­di­nal Wal­ter Kas­per, daß Luther „recht hat­te“, son­dern auch, daß Luthers „Refor­ma­ti­on“ gar vom Hei­li­gen Geist inspi­riert gewe­sen sei. 2025 wird die Kir­che ein Hei­li­ges Jahr fei­ern. Wird Luther aus die­sem Anlaß reha­bi­li­tiert? Die Errich­tung einer vati­ka­ni­schen Kom­mis­si­on nährt sol­che Gerüchte.

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Die Geschich­te des frü­hen 16. Jahr­hun­derts, als sich gan­ze Län­der von der Kir­che und dem über­lie­fer­ten Glau­ben los­sag­ten, ist sehr kom­plex. Vie­les geschah schlei­chend, was eine Mah­nung auch an die Jetzt­zeit ist – gera­de im deut­schen Sprachraum.

Die dama­li­gen Vor­gän­ge las­sen sich auch grob zusam­men­fas­sen: Nimmt man die kirch­lich-reli­giö­sen Miß­stän­de jener Zeit, die Miß­ver­ständ­nis­se und poli­ti­schen Inter­ven­tio­nen zusam­men, las­sen sich die Nebel lich­ten. Es wird deut­lich, daß die von Luther und ande­ren gefor­der­ten und objek­tiv rich­ti­gen Refor­men mit Papst Hadri­an VI., der aus Utrecht stamm­te und daher mit den deut­schen Ver­hält­nis­sen bestens ver­traut war, bereits 1522 auf dem Stuhl Petri ange­kom­men waren. Zieht man ab, was Hadri­an erkann­te und anpran­ger­te und an Refor­men skiz­zier­te – deren Umset­zung dann zuge­ge­be­ner­ma­ßen noch eini­ge Jahr­zehn­te dau­er­te –, bleibt von Luther kaum mehr als cho­le­ri­scher Grö­ßen­wahn übrig, mit dem er sich über alles und jeden erhob, auch bestim­men zu wol­len, was Glau­bens­wahr­heit ist und was nicht und wel­che Tei­le zur Hei­li­gen Schrift gehö­ren und wel­che nicht. Ande­re folg­ten sei­nem maß­lo­sen Bei­spiel, das zum Selbst­läu­fer wur­de. Luther wäre wahr­schein­lich schon bald wie­der in der Ver­ges­sen­heit ver­schwun­den, hät­ten nicht deut­sche Für­sten in dem ent­sprun­ge­nen Augu­sti­ner-Ere­mi­ten die ein­zig­ar­ti­ge Gele­gen­heit erkannt, ihren Besitz­stand auf Kosten der Kir­che und ihre Macht auf Kosten des Kai­sers zu ver­meh­ren. Die Fol­gen waren enorm und ver­hee­rend: Reli­gi­ons­krie­ge, Zer­fall der Reichs­ge­walt und ein tief gespal­te­nes deut­sches Volk, das in der Nach­fol­ge des christ­lich gewor­de­nen (west-)römischen Rei­ches Trä­ger des Reichs­ge­dan­kens war.

Gestern mach­te Kar­di­nal Mar­cel­lo Semer­a­ro, ein enger Ver­trau­ter von Papst Fran­zis­kus, wäh­rend der Kon­fe­renz „Hei­lig­keit heu­te“ im römi­schen Augu­sti­nia­num eine bemer­kens­wer­te Ankün­di­gung. Kar­di­nal Semer­a­ro war 2004 von Papst Johan­nes Paul II. zum Bischof von Alba­no bei Rom ernannt wor­den. Papst Fran­zis­kus ernann­te ihn im April 2013 zum Sekre­tär des von ihm errich­te­ten Kar­di­nals­ra­tes (ehe­ma­li­ger C9-Rat) und im Okto­ber 2020 zum Prä­fek­ten der Kon­gre­ga­ti­on für die Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se. Einen Monat spä­ter kre­ierte er ihn zum Kardinal.

Semer­a­ro gab bekannt, daß mit Blick auf das Hei­li­ge Jahr 2025 erneut eine Kom­mis­si­on für Glau­bens­zeu­gen ein­ge­setzt wird, wie sie von Papst Johan­nes Paul II. anläß­lich des Hei­li­gen Jah­res 2000 ein­ge­setzt wor­den war. Gegen­über Vati­can­News, dem Nach­rich­ten­por­tal des Vati­kans, sag­te der Kardinal:

„Johan­nes Paul II. woll­te die­se Män­ner und Frau­en her­vor­he­ben, die zwar nicht hei­lig­ge­spro­chen wur­den, aber ihren Glau­ben stark zum Aus­druck brach­ten. Daher wur­de die Gemein­schaft San­t’E­gi­dio beauf­tragt, die­se Kom­mis­si­on ein­zu­set­zen. Es wur­de eine Liste mit Bio­gra­fien von Per­so­nen erstellt, die für die gesam­te christ­li­che Welt und nicht nur für die katho­li­sche Welt gespro­chen haben. Die Erfah­run­gen die­ser Kom­mis­si­on beschränk­ten sich auf das gro­ße Jubel­jahr 2000. Die­se Idee ist für das näch­ste Hei­li­ge Jahr wie­der auf­ge­grif­fen wor­den. Papst Fran­zis­kus hat um die Wie­der­ein­set­zung die­ser Kom­mis­si­on gebe­ten, dies­mal ohne Bezug auf einen bestimm­ten Umstand, son­dern in Ver­bin­dung mit der Tätig­keit des Dik­aste­ri­ums für die Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se. Aus die­sem Grund wird eine stän­di­ge Kom­mis­si­on ein­ge­rich­tet. In den näch­sten Tagen wer­den wir es in Gang set­zen, auch als Studienfach.“

Vati­can­News: Wer aber ist mit den Glau­bens­zeu­gen gemeint?

Kar­di­nal Semer­a­ro: Las­sen Sie mich ein Bei­spiel nen­nen: Diet­rich Bon­hoef­fer, ein Theo­lo­ge und Seel­sor­ger der Kir­che, der ermor­det wur­de, weil er sich dem Natio­nal­so­zia­lis­mus wider­setz­te, kommt mir sofort in den Sinn. Die Kir­che erklärt ihn nicht zu einem Mär­ty­rer, weil er kein Katho­lik war. Er ist jedoch eine auf­stre­ben­de Figur als christ­li­cher Zeu­ge. Es gibt vie­le ande­re wie Bon­hoef­fer. Die Hei­lig­keit ist für die Augen der Gläu­bi­gen nicht immer sofort erkenn­bar. Unse­re Auf­ga­be ist es, sie ans Licht zu brin­gen. Wir „bau­en kei­ne Hei­li­gen“, aber wir hel­fen dem Papst bei der Unter­schei­dung. Wir müs­sen zei­gen, daß die Hei­lig­keit nicht weit von uns ent­fernt ist, son­dern ein Ruf ist, der alle angeht. Es ist nicht not­wen­dig, hei­lig­ge­spro­chen zu wer­den, aber wir müs­sen dem Ruf zur Hei­lig­keit folgen.

War­um aber will der Papst, daß Nicht-Katho­li­ken zu „Hei­li­gen“ ohne Hei­lig­spre­chungs­pro­zeß erho­ben werden?

Außerordentliche Heiligsprechungen

Fran­zis­kus syste­ma­ti­siert offen­bar eine Idee, die von ihm bereits unter ver­schie­de­nen Titeln prak­ti­ziert wur­de. Gemein­sam ist den bis­he­ri­gen Fäl­len die Umge­hung eines regu­lä­ren Hei­lig­spre­chungs­ver­fah­rens, ohne die­ses in Fra­ge zu stel­len. Die­se Vor­ge­hens­wei­se ist von Fran­zis­kus auch aus ande­ren Berei­chen bekannt. Er ver­sucht nicht, das Bestehen­de de jure zu ändern, denn dar­an sind vie­le Moder­ni­sten geschei­tert. Fran­zis­kus beläßt esund erspart sich dadurch das Risi­ko Wider­stän­de zu wecken und lan­ge Dis­kus­sio­nen zu ent­fa­chen. Er eta­bliert neben dem Bestehen­den sei­nen eige­nen Weg, indem er neben den „ordent­li­chen“ einen „außer­or­dent­li­chen“ Weg stellt, der in eini­gen Fäl­len dann schritt­wei­se, so die Idee, den ordent­li­chen de fac­to ver­drän­gen soll.

Das bekann­te­ste Bei­spiel einer „außer­or­dent­li­chen“ Hei­lig­spre­chung war bis­her jene von Papst Johan­nes XXIII. (1958–1963). Anstoß dazu war die von Fran­zis­kus nicht mehr zu ver­hin­dern­de Hei­lig­spre­chung von Johan­nes Paul II. (1978–2005). Die­se zu blockie­ren oder abzu­sa­gen, was Fran­zis­kus als Papst mög­lich gewe­sen wäre, hät­te ihm in der Kir­che eine zu gro­ße und erbit­ter­te Geg­ner­schaft ein­ge­bracht. So setz­te er der Hei­lig­spre­chung des pol­ni­schen Pap­stes, der ein ordent­li­ches Ver­fah­ren vor­aus­ge­gan­gen war, die Hei­lig­spre­chung „motu pro­prio“ von Johan­nes XXIII. zur Sei­te. Mit der Dop­pel­hei­lig­spre­chung woll­te Fran­zis­kus, der Papst der Gesten und der Poli­ti­ker auf dem Papst­thron, gleich meh­re­re „Flie­gen auf einen Streich“ erle­gen, vor allem aber neu­tra­li­sie­ren, daß aus­ge­rech­net er, der gewählt wor­den war, um das „lan­ge“ Pon­ti­fi­kat von Johan­nes Paul II. zu über­win­den, die­sen Papst zu den Altä­ren erhe­ben muß­te. Bereits am 7. Juli 2013, Fran­zis­kus war kei­ne vier Mona­te im Amt, titel­te Katho​li​sches​.info:

„Eine wun­der­lo­se Hei­lig­spre­chung von Johan­nes XXIII. für eine ‚Hei­lig­spre­chung‘ des Konzils?“

Wäh­rend von sei­nem Vor­gän­ger Bene­dikt XVI. 2008 die Regeln für Hei­lig­spre­chun­gen ver­schärft wur­den, eta­blier­te Fran­zis­kus schritt­wei­se einen unor­tho­do­xen Son­der­weg. Im Vor­feld der auf den 27. April 2014 fest­ge­setz­ten Dop­pel­hei­lig­spre­chung der bei­den Päp­ste voll­zog Fran­zis­kus meh­re­re außer­or­dent­li­che Hei­lig­spre­chun­gen. Bei die­ser Gele­gen­heit reiz­te er die nur sel­ten ange­wand­te Form der „gleich­wer­ti­gen Kano­ni­sie­rung“ aus, wel­che Katho­li­ken betrifft, die seit Jahr­hun­der­ten vom gläu­bi­gen Volk als Hei­li­ge ver­ehrt wer­den, ohne for­mal im Sin­ne des im 18. Jahr­hun­dert fest­ge­leg­ten Hei­lig­spre­chungs­ver­fah­rens kano­ni­siert wor­den zu sein.

In den ersten 1700 Jah­ren kam es nur zwölf Mal zu einer „gleich­wer­ti­gen Kano­ni­sie­rung“. Die mei­sten Fäl­le betra­fen berühm­te Ordens­grün­der wie den hei­li­gen Romu­ald (951‑1027), Grün­der des Kamald­u­len­ser­or­dens; Nor­bert von Xan­ten (1080–1134), Grün­der des Prä­mon­stra­ten­ser­or­dens, Bru­no von Köln (1027–1101), Grün­der des Kar­täu­ser­or­dens; Petrus Nolas­cus (1182–1249), Grün­der des Mer­ce­da­rie­r­or­dens, aber auch Rai­mund Non­na­tus (1202–1240), der in mus­li­mi­scher Gefan­gen­schaft starb, in die er sich im Aus­tausch für die Frei­las­sung christ­li­cher Gefan­ge­ner bege­ben hatte.

In den ver­gan­ge­nen 300 Jah­ren bis Fran­zis­kus gab es 17 sol­cher Hei­lig­spre­chun­gen, dar­un­ter die des Kir­chen­leh­rers Petrus Damia­ni und der Sla­wen­apo­stel Kyrill und Metho­di­us. Je eine die­ser Hei­lig­spre­chun­gen betrifft Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. Der pol­ni­sche Papst erkann­te die Hei­lig­keit von drei Prie­stern an, die von unga­ri­schen Cal­vi­ni­sten getö­tet wor­den waren; Bene­dikt XVI. for­ma­li­sier­te die Hei­lig­keit von Hil­de­gard von Bin­gen, die er zur Kir­chen­leh­re­rin erhob.

Papst Fran­zis­kus mach­te in den ersten 14 Mona­ten sei­nes Pon­ti­fi­kats gleich sechs­mal von die­ser Son­der­form Gebrauch, dar­un­ter auch für Johan­nes XXIII., für den in Anspruch genom­men wur­de, das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil habe ihn bereits „per Akkla­ma­ti­on“ hei­lig­ge­spro­chen. Recht­lich beweg­te sich Fran­zis­kus aber in einer Grauzone.

Die „neuen“ Märtyrer

Im Ver­lauf sei­nes Pon­ti­fi­kats ging Fran­zis­kus dann dazu über, „neue“ Mär­ty­rer zu kano­ni­sie­ren. Im Juli 2017 hielt eine gemisch­te Kom­mis­si­on des Vati­kans mit der ser­bisch-ortho­do­xen Kir­che unter dem Vor­sitz von P. Ber­nard Ardu­ra ihre letz­te Sit­zung ab. In einer gemein­sa­men Erklä­rung wur­den Mär­ty­rer plötz­lich anders defi­niert, als es die Kir­che bis­her getan hatte.

Galt bis­her der Grund­satz des hei­li­gen Augu­sti­nus gegen die Dona­ti­sten: „Mar­ty­res non facit poe­na, sed cau­sa“, schien es nun zu hei­ßen: „Mar­ty­res non facit cau­sa, sed poe­na“. Was den Mär­ty­rer Chri­sti aus­macht, ist nicht an sich, daß er getö­tet wur­de, son­dern der Grund für die Gewalt­tat, die aus Haß auf den Glau­ben oder die katho­li­sche Moral zuge­fügt wor­den sein muß. Gilt nun das Gegen­teil, wie es damals schon die Dona­ti­sten vertraten?

Tat­säch­lich hat­te Papst Fran­zis­kus am 11. Juli 2017 mit dem Motu pro­prio Maio­rem hac dil­ec­tion­em die „obla­tio vitae“, die „Hin­ga­be des Lebens“, als neu­en Tat­be­stand für die Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se ein­ge­führt, was vom tra­di­tio­nel­len Ver­ständ­nis des Mar­ty­ri­ums abweicht. Am sel­ben Tag war von Kuri­en­erz­bi­schof Mar­cel­lo Bar­to­luc­ci, dem Sekre­tär der Kon­gre­ga­ti­on für die Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se, ein Arti­kel im Osser­va­to­re Roma­no ver­öf­fent­licht wor­den, indem er aus­führ­te, daß es neben den bis­her drei Wegen zur Kanonisierung:

  • das Mar­ty­ri­um,
  • der heroi­sche Tugendgrad,
  • die gleich­wer­ti­ge Kanonisierung,

nun noch einen vier­ten gibt:

  • die Hin­ga­be des Lebens.

Zu den Details der Neue­rung sie­he den Auf­satz „Das neue Pan­the­on der Mär­ty­rer von Papst Fran­zis­kus“ von Prof. Rober­to de Mattei.

Der neue, vier­te Weg zur Hei­lig­spre­chung wur­de auf Msgr. Oscar Arnul­fo Rome­ro, Erz­bi­schof von El Sal­va­dor, ange­wandt. Kuri­en­erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia, der Postu­la­tor in der Cau­sa Rome­ro, brach­te es so auf den Punkt:

„Der Erz­bi­schof von El Sal­va­dor ist nicht von athe­isti­schen Ver­fol­gern getö­tet wor­den, weil er den Glau­ben an die Drei­fal­tig­keit leug­nen soll­te. Er wur­de von Chri­sten ermor­det, weil er woll­te, daß das Evan­ge­li­um in sei­ner tie­fen Intui­ti­on der Hin­ga­be des Lebens gelebt wird.“

Die Dimen­si­on der Neue­rung, die Fran­zis­kus ein­führ­te, ver­deut­lich­te Rober­to de Mat­tei, indem er die Poli­ti­sie­rung der Hei­lig­spre­chungs­ver­fah­ren auf­zeig­te, wenn es nicht mehr not­wen­dig sein wür­de, in odi­um fidei den Tod zu erlei­den, son­dern etwa als „Fol­ge einer poli­ti­schen Ent­schei­dung im Dienst der Armen, der Ein­wan­de­rer und der ‚Rän­der‘ der Erde“. Sind dann die Gue­ril­le­ro-Prie­ster der 70er und 80er Jah­re, die „im Dienst der poli­ti­schen Revo­lu­tio­nen“ umge­kom­men sind, auch selig­zu­spre­chen? Oder sind auch alle Sol­da­ten zu den Altä­ren zu erhe­ben, die für ihr Vater­land gefal­len sind? Macht der „Lie­bes­dienst“, den Fran­zis­kus nennt, an den Gren­zen der Kir­che halt, oder gilt er mor­gen auch für ande­re Chri­sten, ande­re Reli­gio­nen oder sogar Ideologien?

Die „Mär­ty­rer des 20. Jahr­hun­derts“ über dem Haupt­por­tal der angli­ka­ni­schen West­min­ster Abbey in London

Das neue Pantheon

Die angli­ka­ni­sche Kir­che hat das „neue Pan­the­on der Mär­ty­rer“ bereits vor­weg­ge­nom­men, indem sie über dem Haupt­por­tal der West­min­ster Abbey in Lon­don Sta­tu­en der „Mär­ty­rer des 20. Jahr­hun­derts“ anbrin­gen ließ, wo Mar­tin Luther King, Oscar Rome­ro und Diet­rich Bon­hoef­fer neben­ein­an­der­ste­hen. King war Bap­tist, Rome­ro Katho­lik und Bon­hoef­fer Luthe­ra­ner. Die Aus­sa­gen von Kar­di­nal Semer­a­ro wei­sen in die­se Richtung.

Ist die­ser ver­welt­lich­te Kanon erwei­ter­bar auf Mahat­ma Gan­dhi, Nel­son Man­de­la und Che Gue­va­ra? In der Ver­gan­gen­heit waren bereits da und dort selt­sa­me „Hei­li­ge“ an Kir­chen­mau­ern, innen und außen, aufgetaucht. 

Im Okto­ber 2018 brach­te Fran­zis­kus sei­ne Neu­re­ge­lung in zwei kon­kre­ten Fäl­len zur Anwen­dung. Er sprach Oscar Rome­ro hei­lig und geneh­mig­te die Selig­spre­chung von Bischof Enri­que Angel­el­li. Bei­den haf­tet mehr oder weni­ger der Geruch von „poli­ti­schen Mär­ty­rern“ an (sie­he dazu auch „Die unglei­chen ‚Mär­ty­rer‘“).

Johan­nes Paul II. hat­te für das Hei­li­ge Jahr 2000 die Kom­mis­si­on für die Glau­bens­zeu­gen errich­tet, weil er ein Mar­ty­ro­lo­gi­um des 20. Jahr­hun­derts zusam­men­stel­len ließ. Er woll­te die Grau­sam­keit der men­schen­ver­ach­ten­den Ideo­lo­gien des zu Ende gehen­den Jahr­hun­derts im Zusam­men­hang mit der Glau­bens- und Kir­chen­ver­fol­gung sicht­bar machen. Als Ver­mächt­nis die­ses Jahr­hun­derts soll­te die War­nung vor ideo­lo­gi­scher Hybris wei­ter­ge­ge­ben wer­den. Vor allem aber soll­te das leuch­ten­de Bei­spiel der vie­len Glau­bens­zeu­gen davor bewahrt wer­den, von welt­li­chen Inter­es­sen und ihren eige­nen „Mär­ty­rern“ ver­dun­kelt zu wer­den und den Men­schen Weg­wei­ser und Hil­fe sein.

Kar­di­nal Semer­a­ro nann­te aber kei­nen ver­gleich­ba­ren Auf­trag für die neue Kom­mis­si­on für die Glau­bens­zeu­gen. Das erklärt die Sor­gen, die eini­ge Kir­chen­män­ner nicht nur in Rom wegen der Ankün­di­gung hegen – nicht nur mit Blick auf Mar­tin Luther.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​Giuseppe Nardi

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