
(Peking) In der Diözese Hebei veröffentlichte der offizielle Bischof einen Hirtenbrief, in dem er triumphierend behauptet, in den vergangenen Monaten mit 30 Priestern konzelebriert zu haben, die bisher der Untergrundkirche angehörten. Die Mitteilung verdeutlicht den massiven Druck, der auf Untergrundpriester ausgeübt wird – unter Berufung auf Papst Franziskus.
Als „offizielle“ Kirche gilt in der Volksrepublik China die Ende der 1950er Jahre vom kommunistischen Regime installierte Chinesische Katholisch-Patriotische Vereinigung. Die weiterhin in der Einheit mit Rom stehende Kirche überlebt seither im Untergrund.
Die Diözese Baoding wurde 1946 errichtet. Ihr Bischof ist ein Suffragan des Erzbischofs von Peking. Seit 1995 wird die Diözese vom romtreuen Untergrundbischof Su Zhi-Min geleitet, nachdem er auf sein Amt seit 1993 als Bischof-Koadjutor vorberitet worden war. Bischof Zhi-Min wurde aber 1997 verhaftet. Seither fehlt von ihm jede Spur. 2003 wurde er in einem Krankenhaus gesehen. Mehr ist seit 25 Jahren nicht von ihm bekannt. Der 1932 geborene Bischof wäre heute 90 Jahre alt. Wo er seither gefangengehalten wird oder ob er überhaupt noch lebt, wird von den Kommunisten geheimgehalten.
Bischof Francis An Shuxin wurde 1993 zum Weihbischof von Baoding und 2007 zum Bischof-Koadjutor ernannt. Dann schloß er sich der Patriotischen Vereinigung an und wurde 2010 offiziell vom Regime zum Bischof von Baoding bestellt. Bischof An Shuxin gehört zu den Schismatikern, die 2018 im Vorfeld der Unterzeichnung des chinesisch-vatikanischen Geheimabkommens von Papst Franziskus als rechtmäßige Bischöfe anerkannt wurden.
Am vergangenen 15. Juli veröffentlichte An Shuxin einen „Hirtenbrief über die zivile Registrierung des Klerus in der Diözese Baoding“. In dem Text teilt er mit, daß in den vergangenen Monaten mehr als 30 Priester mit ihm konzelebriert hätten. Dazu zitiert er das chinesisch-vatikanische Geheimabkommen von 2018, den Pastoralen Leitlinien zur staatlichen Registrierung des Klerus in China von 2019 und andere päpstliche Erklärungen, um alle Kleriker aufzufordern, sich offiziell vom Staat registrieren zu lassen, und alle Gläubigen, registrierte Kleriker zu akzeptieren, um die „Einheit der Diözese“ zu fördern.
Sollte das aber nicht geschehen, droht Bischof An Shuxin den Gläubigen mit der Aussetzung der Sakramente. Zudem betont er, daß die besonderen Privilegien, die der Heilige Stuhl im Juni 1978 den nicht registrierten Klerikern gewährte, abgeschafft worden seien. Die staatlichen Behörden seien daher bei Verstoß in jeder Hinsicht ermächtigt, gegen diese Priester vorgehen zu können.
Die Pastoralen Leitlinien über die staatliche Registrierung des Klerus in China wurden am 28. Juni 2019 zwar vom „Heiligen Stuhl“ veröffentlicht, jedoch weiß man bis heute nicht von wem, da sie nicht unterzeichnet sind. Diese seltsame und unbefriedigende Situation wiederholte sich soeben mit einer nicht unterzeichneten Erklärung vom 21. Juli, mit der dem deutschen Synodalen Weg ein Schuß vor den Bug gesetzt wurde.
Wer steht aber für solche Erklärungen gerade? Auf wen kann man sich berufen? Wieviel sind Dokumente dieser Art wert im Gegenwind? In der chinesischen Untergrundkirche wurden die Leitlinien, da nicht unterschrieben, jedenfalls einfach weitgehend ignoriert. Kardinal Joseph Zen, emeritierter Bischof von Hongkong und graue Eminenz der Untergrundkirche, tadelte die Leitlinien, denn mit ihnen könne man „sogar die Apostasie rechtfertigen“.
Als die Leitlinien im Sommer 2019 veröffentlicht wurden, waren Beobachter überzeugt, daß sie vor allem auf die Provinz Fujian abzielten. Die Diözese Mindong gilt als „Versuchsfeld für das chinesisch-vatikanische Abkommen“, so AsiaNews.
Der jüngste Vorstoß, die China-Dokumente von Papst Franziskus zu mißbrauchen, erfolgte jedoch in der Provinz Hebei. AsiaNews spricht von einer „beispiellosen ‚Zwangsumwandlung‘ des Untergrundklerus“. Der Pressedienst des Missionsordens PIME (Päpstliches Institut für die auswärtigen Missionen) zitiert eine chinesische Quelle:
„Neben der völligen Einschränkung der persönlichen Freiheit (durch Überwachung und Inhaftierung) der nicht-offiziellen Geistlichen und dem Mißbrauch, den die chinesischen Behörden mit physischem und psychischem Druck für ihre ‚Umwandlung‘ betrieben haben, war die Verwendung der Pastoralen Leitlinien des Heiligen Stuhls ein weiteres wichtiges Mittel als Drohung. Dieses Dokument ist für die Regierung zur mächtigsten Waffe geworden, um den Untergrundklerus unter dem Banner des Vatikans zu ‚transformieren‘.“
Die Reaktionen auf das vatikanische Dokument waren bereits 2019 ganz unterschiedlich ausgefallen. Eine Reihe von Autoren wiesen auf Zweideutigkeiten und auf eine offensichtliche Unkenntnis der Lage in der Volksrepublik China und des Regimes hin.
Andere sprachen von einem „Ausverkauf“, da die romtreue Untergrundkirche von Papst Franziskus dem Regime ausgeliefert worden sei. Der kirchenfeindlichen Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) geht es um die totale Kontrolle. Dieser entzieht sich die Untergrundkirche seit 70 Jahren. Papst Franziskus setzte dem den Wunsch entgegen, die „Einheit“ der chinesischen Kirche wiederherzustellen, indem sich regimehörige und romtreue Kirche wieder zusammenfinden. Dafür sei ein zu hoher Preis zu zahlen, wie Kritiker wie Kardinal Zen warnten: Die Untergrundkirche solle laut Papst Franziskus, nach sieben Jahrzehnten des opferreichen Ausharrens, vor den Kommunisten kapitulieren.
Die chinesische Quelle von AsiaNews schreibt:
„Dieses Mal spielten die Pastoralen Leitlinien unter einem noch nie dagewesenen Druck eine ‚entscheidende‘ Rolle. Die Priester von Baoding, die seit Jahrzehnten für ihre Loyalität bekannt waren, unterzeichneten innerhalb von zwei oder drei Monaten, was sie zuvor in völligem Widerspruch zu ihrem Glauben abgelehnt hatten, und teilten die Eucharistie mit Bischof An, der sich der Patriotischen Vereinigung angeschlossen hatte. Aus diesem Grund sagen einige Leute, daß die Leitlinien eine sehr mächtige Waffe in den Händen der Regierung ist, da sogar die gläubige Kirche in Baoding massenhaft zusammengebrochen ist.“
Die romtreue Kirche hielt trotz Verfolgung und widrigster Bedingungen generationenlang dem kommunistischen Regime stand. Dem Papst kann sie aber nicht standhalten. Papst Franziskus verlangt von Priestern und Gläubigen, den Untergrund aufzugeben und sich vom Staat registrieren zu lassen. Das kommt der Kapitulation gleich durch Unterwerfung und Auslieferung.
„Der Schmerz hört damit nicht auf. Viele Priester hatten dieses Dokument [die Pastoralen Leitlinien] noch nie zuvor gesehen, und als die Regierungsbehörden es ihnen vorlasen, unterschrieben sie und akzeptierten die Bedingungen. Sie glaubten tatsächlich, daß das der Wille des Heiligen Stuhls sei. Die Verwirrung und die Skrupel ihres Gewissens konnte das aber nicht lindern. Einige Priester erlitten nach ihrer Unterschrift einen Nervenzusammenbruch, andere bereuten die Unterschrift später und reagierten mit großem Schmerz. Andere Priester wurden nach ihrer Unterschrift von ihren Gemeinden abgelehnt und wurden isoliert.“
Der anonyme chinesische Autor über die Lage in der Provinz Hebe schließt mit der dramatischen Feststellung:
„Die Folge ist, daß in der Diözese Baoding ein noch nie dagewesenes Chaos entstanden ist.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews