(Moskau) Während zwischen Peking und Rom Freundlichkeiten ausgetauscht werden, bleibt die Tür nach Moskau für Papst Franziskus weiterhin geschlossen. Damit reagierte der Kreml auf die Äußerungen von Franziskus in einem Reuters-Interview.
Das Interview von Philip Pullella war im ersten Teil am Montag und im zweiten Teil am Dienstag veröffentlicht worden. Franziskus äußerte darin seinen Wunsch, nach der Rückkehr aus Kanada nach Möglichkeit Moskau und dann Kiew besuchen zu können. Die Betonung des Kirchenoberhaupts lag dabei auf der Reihenfolge: zuerst nach Moskau, dann nach Kiew. Franziskus möchte, so seine Aussage, dazu beitragen, daß Rußland und die Ukraine wieder zum Frieden finden.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte gestern zu Interfax, daß es „keine substantiellen Kontakte zu einem möglichen Treffen zwischen Putin und dem Papst“ gebe. Ein eventueller Besuch von Papst Franziskus in Rußland und ein Treffen mit dem russischen Staatspräsidenten werden derzeit in Moskau „nicht diskutiert“.
Peskow war am 6. Juli auf einer Pressekonferenz gefragt worden, ob Wladimir Putin bereit sei, Papst Franziskus zu treffen. Seine Antwort:
„Ein solches Gipfeltreffen muß erörtert und vorbereitet werden, aber soweit ich weiß, gibt es derzeit keine konkreten Kontakte in dieser Richtung.“
Das verwundert zunächst, da Franziskus die führende Stimme im Westen ist, die Rußlands Position zumindest teilweise stützt. In einem am 14. Juni vom Corriere della Sera veröffentlichten Interview hatte Franziskus gesagt:
„Rußlands Truppen kämpfen grausam, aber schuld am Krieg ist die NATO.“
Einem Besuch des Papstes auf russischem Boden verweigert sich die russisch-orthodoxe Kirche. Den Patriarchen von Moskau Kyrill I. hatte Franziskus zudem in einem anderen Interview mit dem Corriere della Sera vom 3. Mai als „Ministranten Putins“ kritisiert.
Offiziell reagierte das Patriarchat zurückhaltend, doch soll der Unmut über die abschätzige Bemerkung des Papstes erheblich gewesen sein. Einige Wochen später wurde Metropolit Hilarion von Wolokolamsk vom Amt des „Außenministers“ des Patriarchats entbunden. Er galt als wesentlicher Baumeister der Kontakte zum Heiligen Stuhl.
Entscheidender als das Moskauer Patriarchat ist für den Kreml allerdings, daß er sein Kriegsziel noch nicht erreicht hat. Die Begegnung mit Franziskus hätte aus dieser Perspektive nur dann Sinn, wenn als Ergebnis ein Waffenstillstand angekündigt oder zumindest angedeutet werden könnte. Rußland vertritt die Position, keinen Krieg gewollt zu haben, und wird darin von Franziskus unterstützt. Dann aber scheiden sich die Positionen: Franziskus strebt einen Waffenstillstand jetzt und sofort an; Rußland will, da ihm der Krieg nunmal aufgezwungen worden sei, zumindest das gesteckte Kriegsziel erreichen.
Der Oblast Luhansk (Volksrepublik Lugansk) befindet sich seit wenigen Tagen zur Gänze unter russischer Kontrolle. Damit ist ein erklärter Etappensieg errungen, aber noch nicht die Linie erreicht, die Moskau erreichen will. In vier Oblasten wird weitergekämpft.
Der Kreml weiß, daß er nach einem Waffenstillstand keine zweite militärische Gelegenheit haben wird, seine Interessen in der Ukraine bzw. Kleinrußland geltend zu machen. Die Grenze, die durch den Krieg gezogen wird, wird voraussichtlich auf lange Sicht zwei Antagonisten trennen: Rußland und die NATO.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons