
(Managua) In Nicaragua ist ein Bischof in den Hungerstreik getreten, um gegen die Repression des sandinistischen Regimes zu protestieren, mit der die Kirche „zum Schweigen“ gebracht werden soll. In Santa Marta gilt das Ortega-Regime hingegen als „befreundete“ Macht.
Bischof Rolando José Álvarez Lagos, Bischof von Matagalpa, ist am vergangenen Donnerstag, dem 19. Mai, in den unbefristeten Hungerstreik getreten. Auf diese drastische Weise protestiert der Oberhirte der zentralnicaraguanischen Diözese gegen die staatliche Unterdrückung der Kirche in dem mittelamerikanischen Land.
Die Lage sei unerträglich geworden, so der 2011 von Papst Benedikt XVI. ernannte Diözesanbischof gegenüber der internationalen Presseagentur AFP:
„Die Regierung wollte immer eine stumme Kirche. Sie will nicht, daß wir sprechen. Sie will nicht, daß wir den Menschen Hoffnung machen, ihnen verkünden oder Ungerechtigkeit anprangern. Aber wenn wir schweigen, werden die Steine schreien.“
Msgr. Álvarez ist nicht nur Bischof von Matagalpa, sondern zugleich auch Apostolischer Administrator von Estelí, einer nördlich angrenzenden Diözese, die seit Juli 2021 vakant ist. Er spricht somit für zwei der insgesamt neun nicaraguanischen Bistümer. Zudem leitet er den Bereich Kommunikation in der Nicaraguanischen Bischofskonferenz.
2021 wurden von der sandinistischen Ortega-Regierung 40 Regimegegner verhaftet, darunter sieben Präsidentschaftskandidaten. Der sozialistische Präsident mißbrauchte die Staatsmacht, um seine direkten Konkurrenten auszuschalten. Sie wurden zu bis zu dreizehn Jahren Gefängnis verurteilt. Zugleich wurden Dutzende von Organisationen verboten und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) des Landes verwiesen. Unter diesen Bedingungen ließ sich Ortega im Vorjahr zum vierten Mal in das Amt des Staats- und Regierungschefs wählen.
„Jeder in Nicaragua erlebt eine Situation des Terrors. Nicht nur die Ordensleute und Priester leben in einer Situation permanenter Schikanen, sondern auch die überwiegende Mehrheit der Nicaraguaner“, so Bischof Álvarez.
Zahlreiche Gläubige solidarisierten sich mit dem Bischof und sind über soziale Netzwerke und mit Gebeten in den Pfarreien aktiv geworden.
Der unmittelbare Anlaß für Bischof Álvarez am Donnerstag abend in den Hungerstreik zu treten, war seine demonstrative Überwachung durch die Polizei. Sie brachte das Faß zum Überlaufen. Er habe die Polizisten aufgefordert, ihn nicht mehr zu verfolgen. Diese antworteten ihm, auf „höheren Befehl“ zu handeln.
Der Bischof nahm darauf Zuflucht in einer Pfarrei in Managua, worauf die Kirche von der Polizei umstellt wurde.

Aus der Pfarrei wurde eine Messe des Bischofs über den Fernsehkanal der Bischofskonferenz ausgestrahlt, bei der er deutliche Worte fand. Darauf kappte die staatliche Medienaufsichtsbehörde den Kanal der Bischöfe aus dem Kabelfernsehnetz.
Claro Nicaragua, der Betreiber eines Kabelnetzes, gab die Strafaktion auf Twitter bekannt:
„Wir informieren unsere Abonnenten von Fernsehgeräten darüber, daß gemäß den Anweisungen von Telcor, der Regulierungsbehörde, Kanal 51, Canal Católico, aus dem Programmnetz der Dienste entfernt wird.“
Laut Medienberichten gilt die Sanktion für alle Kabelnetzbetreiber des Landes.
Der sandinistische Staatspräsident Daniel Ortega klagte die Bischöfe wiederholt an, „Putschverschwörer“ zu sein, weil sie Demonstranten, die 2018 nach brutalen Polizeiangriffen zur Niederschlagung der Proteste sich in Kirchen flüchteten, Aufnahme gewährt hatten.
Die Beziehungen zwischen Kirche und Staat waren jedoch schon zuvor zerrüttet, da sich das Regime immer massiver in die Angelegenheiten der Kirche einmischte und eine immer restriktivere Kontrolle ausübt. Die Bemühungen um einen Dialog, der von den Bischöfen versucht wurde, auch um Gespräche zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln, blieben fruchtlos.
Obwohl die nicaraguanische Verfassung nur zwei Amtszeiten eines Präsidenten vorsah, ließ sich Ortega bereits zum vierten Mal hintereinander wählen. Dieser Verfassungsbruch führte zu starken Verwerfungen im Land. Hinzu kommt, daß Ortega den Staat wie sein Familienunternehmen führt und Positionen mit Verwandten und engsten Vertrauten besetzt. Rosario Murillo, seine Ehefrau, ist Vizepräsidentin des Landes.
Im März wurde dem Apostolischen Nuntius für Nicaragua, Erzbischof Waldemar Sommertag, die Akkreditierung entzogen und er des Landes verwiesen. Der Vatikan zeigte sich „verwundert“.
Vizepräsidentin Murillo warnte im April:
„Jene, die es noch wagen im Namen Jesu Christi zu schreien, sollen sich schämen.“
Das sozialistische Regime von Daniel Ortega und seiner marxistischen Sandinisten versucht seit 15 Jahren sich an der Macht festzubeißen. Sie hatten bereits von 1979 bis 1990 regiert, als ein mit Moskau verbündetes Regime, mußten aber nach dem Zusammenbruch des Ostblocks das Feld räumen. 2006 gelang Ortega nach einer Reihe unerwarteter Ereignisse, darunter die Zerstrittenheit der bürgerlichen Parteien, mit 38 Prozent der Stimmen die Wahl zum Staats- und Regierungschef.
Die Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) stützt ihre Macht vor allem auf die Kontrolle der Hauptstadt Managua, deren Bürgermeister sie seit 2001 ununterbrochen stellt. Die amtierende Bürgermeisterin Reyna Rueda wurde 2018 laut amtlichem Ergebnis mit sagenhaften 87,6 Prozent der Stimmen gewählt.
Während die Kirche in Nicaragua leidet, genießt das Regime nach wie vor die Sympathien von Papst Franziskus. Das argentinische Kirchenoberhaupt hatte zuvor zahlreiche Schritte zur Rehabilitierung führender Vertreter der marxistischen Befreiungstheologie unternommen, die ein zentrales Element der marxistischen Partei FSLN darstellt (siehe auch Miguel D’Escoto – Sandinist, Befreiungstheologe, marxistischer Revolutionär, suspendierter Priester – von Papst Franziskus wiedereingesetzt). Auch durch die Emeritierung eines regimekritischen Bischofs kam Franziskus Ortega entgegen.
Der Vatikan stellte sich bisher taub zu den Ereignissen in Nicaragua.
Im Gegensatz dazu sprachen die anderen Bischöfe Nicaraguas Bischof Álvarez gestern ihre Solidarität aus.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Facebook (Screenshots)