Der bekannte deutsche Schriftsteller Martin Mosebach nimmt in einem Interview, das die deutschamerikanische Historikerin Maike Hickson mit ihm führte, zum Motu proprio Traditionis custodes Stellung. Der Verteidiger des überlieferten Ritus rät darin von inakzeptablem Entgegenkommen gegenüber Hierarchen ab. Es sei klar, daß jene, die der Tradition feindselig gesinnt sind, nie zufriedengestellt werden könnten. Vor allem die Petrusbruderschaft müsse nun eine „bittere Lektion“ lernen. Mosebach geht jedoch davon aus, daß die Priester der Tradition, die den „allerunbequemsten Weg zum Priestertum“ auf sich genommen haben, sich auch von rechtspositivistischen, auf falsche Voraussetzungen gegründeten Einschränkungen „nicht abhalten“ lassen werden. In der englischen Übersetzung wurde das Interview bereits von LifeSiteNews veröffentlicht. Hier Mosebachs originale Antworten:
Maike Hickson: Würden Sie zunächst für unsere Leser Ihre erste Reaktion auf Traditionis Custodes und den Begleitbrief zusammenfassen?
Martin Mosebach: Das Motu proprio Traditionis Custodes ist inzwischen von so vielen bedeutenden Stimmen analysiert worden, daß es unnötig ist, im Detail noch einmal darauf einzugehen. Nur zwei Punkte möchte ich deshalb hervorheben, die ein Problem darstellen, was ein Kirchenrechtler lösen müßte – mir fehlen dazu die kanonistischen Voraussetzungen.
Erstens beruht die päpstliche Entscheidung wohl auf unrichtigen Voraussetzungen. Es hält sich das hartnäckige Gerücht, gestützt auf Personen, die den Anspruch erheben, die entsprechenden Papiere eingesehen zu haben, daß die Umfrage unter den Bischöfen bezüglich ihrer Erfahrungen mit dem alten Ritus exakt zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangt ist als in dem päpstlichen Schreiben behauptet. Da die Umfrage geheimgehalten wird, ist dies Gerücht nicht zu zerstreuen. Sodann sind die in Traditionis Custodes behaupteten Fakten unrichtig: Der von Papst Paul VI. promulgierte Ritus ist nun einmal nicht der einzige Ritus der katholischen Kirche. Papst Franziskus nimmt für sich ein angebliches Recht in Anspruch, nachdem Papst Pius V. den römischen Ritus neugeschaffen habe. Nun hat aber Pius V. keinen neuen Ritus geschaffen, sondern einen damals bereits über 1000 Jahre alten Ritus, den Ritus Gregors des Großen, der der Ritus der Päpste war, allgemein eingeführt, und der auch von Gregor keineswegs geschaffen, sondern nur geordnet worden war.
Des weiteren wirft Papst Franziskus vielen Anhängern des alten Ritus vor, das II. Vaticanum anzugreifen, wobei das Gegenteil stimmt: Die überwiegende Zahl der Anhänger des alten Ritus beklagt, daß bei der Meßreform Pauls VI. nicht die Vorgaben des II. Vaticanum befolgt worden sind. Das ist in einem breiten Schrifttum seit langem bewiesen. Im übrigen ist es irreführend, immerfort auf das II. Vaticanum hinzuweisen, das gar nicht den letzten Stand der Lehre darstellt, sondern vom Magisterium der Kirche, wo eine Klärung vonnöten war, längst weiterentwickelt worden ist. Ich weise hin etwa auf die Instruktion Dominus Iesus. Insofern ist das II. Vaticanum bereits historisch. Im übrigen darf eine Liturgie nicht danach beurteilt werden, ob ihre sie in der Gegenwart feiernden Anhänger genehme politische Überzeugungen vertreten. Bekanntlich wird das Vaterunser sogar von den Häretikern gebetet und ist deshalb dennoch verbindlich für die Katholiken.
Der Papst behauptet, das Motuproprio Papst Benedikts sei verfaßt worden, um die Anhänger der Piusbruderschaft in die volle Gemeinschaft mit der Kirche zurückzuholen. Auch dies ist nachweislich falsch. Papst Benedikt hat sein Motuproprio erlassen, weil er von dem hohen geistlichen Wert des alten Ritus überzeugt war. Er bezeichnete ihn als „vergrabenen Schatz“, der wieder ans Licht gehoben werden müsse. Die Rekonziliation der Piusbruderschaft spielte in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle. Das wichtigste Versäumnis von Papst Franziskus ist aber, daß er mit keinem Wort auf die Lehre seines Vorgängers eingeht, die überlieferte Liturgie sei niemals verboten gewesen, weil sie gar nicht verboten werden könne – hier liege eine Grenze päpstlicher Vollmacht. Diese Lehre steht weiterhin im Raum. Ihre Gültigkeit ist unabhängig von dem Dokument, in dem sie veröffentlicht wurde. Papst Benedikt hat sich immer wieder in diesem Sinne geäußert. Es wird jetzt erst klar, daß es die historisch vielleicht wirkungsträchtigste Initiative seines Pontifikats war, eine traditionswidrige Papolatrie, wie sie nach dem I. Vaticanum entstanden war, behutsam zu revidieren. Das bedeutendste Wort, das ein Papst sprechen kann, ist: „Non possumus“1, die Bezeichnung der unübersteigbaren Grenzen, die dem Papstamt durch die Tradition gesteckt sind. Persönlich beklage ich den Ton des Motu proprio Traditionis Custodes. Ein Papst muß kein Gentleman sein, aber es ist betrüblich, wenn Verhöhnung der Unterlegenen Eingang in einen Gesetzesakt der Kirche findet. Ein Dekret, das einen Angriff auf die Tradition enthält, „Traditionis custodes“ zu nennen, hat etwas von Schadenfreude, die zu äußern sich mit dem hohen Amt nicht verträgt.
Maike Hickson: Im Lichte von Traditionis Custodes haben mehrere Bischöfe Schritte unternommen, um die Präsenz traditioneller lateinischer Messen in ihrer Diözese zu reduzieren. Vor allem die Erzdiözese Guadalajara hat ein Dekret erlassen, mit dem sie eine Quasi-Pfarrei der Petrusbruderschaft auflöste und von ihren Priestern verlangt, ein Dokument zu unterzeichnen, in dem sie die Novus-Ordo-Liturgie als „einzigen“ Ausdruck des römischen Ritus deklarieren und erklären, daß sie bereit sind, die Novus-Ordo-Messe gelegentlich zu feiern. Vorerst kann die FSSP ihr reguläres Meßprogramm fortsetzen, doch wird es nach Beendigung der COVID-Krise von der Erzdiözese überprüft werden. Dieses Dekret ist ein schwerer Schlag für ihr Apostolat.
Was ist Ihre Reaktion auf ein solches Dekret? Sollten die FSSP-Priester die Aufhebung einer blühenden und wachsenden Quasi-Pfarrei akzeptieren oder sollten sie alternative Wege finden, um diesen Gläubigen zu dienen?
Martin Mosebach: Ich weiß nicht, was die Oberen der Petrusbruderschaft entscheiden. Aber eines ist doch klar: Junge Männer, die bereit waren, den allerunbequemsten Weg zum Priestertum zu gehen, die durch die Berufung von vornherein von allen kirchlichen Karrieren ausgeschlossen sind, die nur an sehr wenigen Orten in den Diözesen wirken dürfen und unter dem Generalverdacht der Gesellschaft stehen, rückständig und obskurantistisch zu sein, und die trotzdem dem alten Ritus die Treue halten wollen, die wird man mit einem rechtspositivistischen, auf falsche Voraussetzungen gegründeten Verbot nicht davon abhalten können. Die Situation in Guadalajara kenne ich nicht, es scheint mir aber, als habe sich der Erzbischof dort die Notbremse eingebaut, eine neue Entscheidung erst nach Ende der Corona-Krise fällen zu wollen – die wird aber wohl noch etwas dauern in Mexiko.
Maike Hickson: Sollte Ihrer Meinung nach ein traditioneller katholischer Priester ein Dokument unterschreiben, das die Messe aller Zeiten für im Wesentlichen nicht existent und die Novus-Ordo-Liturgie für den „einzigen“ Ausdruck des römischen Ritus hält?
Martin Mosebach: Ich weiß nicht, was ein Moraltheologe dazu sagen würde; nach meinem Gefühl begeht jemand keine Lüge, wenn er eine offenkundig unsinnige Behauptung unter Zwang bestätigt, etwa, daß eine Kuh drei Hörner habe oder daß die Messe Pauls VI. der einzige römische Ritus sei. Nur ist zu befürchten, daß es Bischöfe gibt, für die eine solche Unterschrift keine lästige Formsache ist und die nach Unterzeichnung sofort fragen werden: „Und wieso wollen Sie eine Liturgie feiern, die es nach Ihrer eigenen Auffassung nicht gibt?“ Schlauheit wird hier nur in den Fällen weiterhelfen, wo mit dem Bischof ein augenzwinkerndes Einverständnis besteht. Das mag es aber in manchen Fällen geben.
Maike Hickson: Glauben Sie, daß ein Priester, der im traditionellen römischen Ritus geweiht wurde und ausschließlich die traditionelle Messe zelebriert hat, akzeptieren sollte, zeitweise die Novus-Ordo-Messe anzubieten?
Martin Mosebach: Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Ich kenne vorzügliche Priester, die immer schon den alten und den neuen Ritus nebeneinander zelebrieren. Sie erfüllen eine wichtige apostolische Aufgabe, denn sie bringen Leute in Verbindung mit dem alten Ritus, die ihn sonst niemals kennengelernt hätten. Diese Priester machen es sich nicht leicht: Je länger sie den alten neben dem neuen zelebrieren, desto mehr leiden sie oft unter der Verstümmelung des neuen, die ihnen immer mehr bewußt wird. Für die Priester, die von Anfang an ausschließlich im alten Ritus zelebriert haben, ist ein Wechsel zwischen den Riten allerdings unzumutbar. Hier entsteht freilich ein Problem: Solange man grundsätzlich daran festhält –was die meisten Anhänger der Tradition gegenwärtig immer noch tun –, daß der Ortsbischof ein wirklicher Bischof der Kirche ist und daß die Reformmessen gültige Meßfeiern sind, wird man als Kleriker die Teilnahme an der Ölweihmesse des Bischofs am Gründonnerstag kaum verweigern können. Robert Spaemann meinte, zur Bekundung der Einheit mit dem Bischof genüge es aber, bei dieser Messe zur Kommunion zu gehen. Das leuchtet mir ein. Wer wirklich Anlaß hat zu glauben, daß der Bischof nicht mehr gültig konsekriert, der darf natürlich nicht kommunizieren, aber soweit gehen nicht einmal die Piusbrüder.
Maike Hickson: Ist diese diözesane Forderung nicht ein Weg, diese traditionellen Priester darauf vorzubereiten, die traditionelle Liturgie bald ganz aufzugeben?
Martin Mosebach: Solange es bei der Kommunion in der Ölweihmesse bleibt, würde ich das nicht sagen. Anders, wenn der Bischof von einem Traditions-Priester verlangen würde, gelegentlich oder regelmäßig auch im Novus Ordo „auszuhelfen“. Papst Franziskus verfolgt zweifellos solche Strategien. Man muß sehen, wie viele Bischöfe ihm da folgen werden. Vergessen wir nicht: Auch Summorum Pontificum ist an vielen Orten nicht umgesetzt worden! Generell ist es ein schwerer Angriff auf die spirituelle Integrität eines Menschen, wenn man ihn zwingt, zwischen den Riten hin und her zu pendeln. Für Leute, die gar nicht wissen, was ein Ritus ist – im Westen die Mehrheit der Kirchenmitglieder –, ist das aber ein völlig unverständlicher Standpunkt.
Maike Hickson: Ein ähnlicher Vorgang scheint sich in Le Havre, Frankreich, abzuspielen, wo ein Dekret durchgesickert ist, demzufolge der dortige Bischof entschieden hat, daß die FSSP keine Taufen und Trauungen mehr im traditionellen Ritus vornehmen darf. Dies wäre, sollte es schließlich verkündet werden, auch ein schwerer Schlag für das FSSP-Apostolat in Frankreich.
Haben Sie einen Kommentar zu dieser Diözesanentscheidung? Sollten traditionelle Katholiken akzeptieren, daß ihnen verwehrt wird, ihre Kinder nach dem traditionellen Ritus taufen zu lassen? Sollten traditionelle katholische Priester das Verbot dieser Sakramente akzeptieren?
Martin Mosebach: Auch den Le-Havre-Fall kenne ich nicht genügend. Auffällig ist hier aber die Pointe, daß der Piusbruderschaft Taufen und Eheschließungen im alten Ritus erlaubt sind, dasselbe den Petrusbrüdern aber verboten wird, obwohl sie einen opferreichen Weg beschritten haben, um in Einheit mit dem Papst zu bleiben. Das Schlimme ist freilich, daß die Folge dieses Dekrets – die Anhänger des alten Ritus lassen eben bei der Piusbruderschaft taufen und trauen – vom Papst ausdrücklich erwünscht ist. Weg mit solchen Leuten, bloß niemanden, der mit der Alten Kirche verbunden ist, festhalten. Die sind nur ein Hindernis bei der Umsetzung der innerkirchlichen Revolution! Ich würde übrigens jedem raten, seine Kinder unbedingt im alten Ritus taufen zu lassen. Der neue Taufritus ist hoch defizitär!
Maike Hickson: Was sollte die Petrusbruderschaft tun? Sollte sie dem Beispiel von Erzbischof Marcel Lefebvre folgen und sich ungerechten Anordnungen widersetzen, die die Praxis des traditionellen katholischen Glaubens, wie er uns überliefert wurde, verletzen?
Martin Mosebach: Sie sollten das auf gar keinen Fall akzeptieren! Es ist Unrecht, was uns geschieht, und wir müssen das nicht hinnehmen. Das Kirchenrecht kennt in den essentiellen Fragen keinen Positivismus, kein „Hoc volo, sic iubeo!“2 Nur, wer sich gegen Traditionis Custodes wehrt, der muß damit rechnen, daß der Gemeinde die Kirche weggenommen wird und daß die Priester suspendiert werden. Damit wird eine Aufbauarbeit von Jahren gefährdet. Es mag auch vorkommen, daß manche Gemeindemitglieder, für die der Drohgestus des Papstes noch von geistlicher Bedeutung ist, sich nicht mehr in eine „verbotene“ Messe wagen. Wer Widerstand leisten will, der muß bereit sein, dafür einen Preis zu zahlen. Allzu hoch wird er meiner Einschätzung nach nicht sein: Der linke Flügel der Kirche befolgt schon lange keine Anweisungen aus Rom mehr, ohne auch nur die kleinste Sanktion befürchten zu müssen. Das gilt zwar nicht für die Tradition, aber die Waffen sind stumpf geworden.Wer nimmt das Kirchenstrafrecht denn noch ernst?
Die Petrusbruderschaft muß jetzt eine bittere Lektion lernen. Sie glaubte, durch Abspaltung von der Piusbruderschaft und Unterwerfung unter das Reformdiktat mit Sicherheit und Anerkennung belohnt zu werden. Jetzt dürfte es für einige Petrusbrüder, vornehmlich deutsche, Zeit sein, Erzbischof Lefebvre Abbitte zu leisten. Die Feindschaft der gegenwärtig in der Kirche herrschenden Kreise gegen die Tradition ist bedingungslos. Dort wird man erst ruhen, wenn die Tradition restlos vernichtet ist. Papst Franziskus hat neulich offenbar gesagt: „Die Tradition tötet uns“. Er weiß gar nicht, wie recht er hat: Ja, die Tradition wird früher oder später über ihn zu Gericht sitzen, weil sie die Essenz der Kirche ist, weil sie auch die Basis des Papsttums ist, das ohne Tradition gar nicht existiert.
Maike Hickson: Die Situation einer traditionellen katholischen Gemeinschaft von Karmelitinnen in den Vereinigten Staaten befindet sich derzeit in einer sehr schmerzhaften Situation, nachdem Rom eine Apostolische Visitation geschickt hat. Es scheint, als wolle man gegen diesen Orden vorgehen, der Häuser in Fairfield (Pennsylvania) und in Valparaiso (Nebraska), dem Ort des Mutterhauses, und anderswo hat.
Die Visitation findet unter der Schirmherrschaft von Kardinal João Braz de Aviz statt, der hinter der Zerstörung des Werks der Franziskanerinnen der Unbefleckten stand. Sollten die Nonnen einen Befehl aus Rom akzeptieren, entweder ihr Kloster aufzulösen oder ihre Lebensweise zu ändern, indem sie sich an modernere Methoden anpassen und die traditionellen karmelitischen aufgeben?
Martin Mosebach: Nach meiner Überzeugung besitzen diese Nonnen das volle moralische Recht, den Visitatoren die Tür zu weisen und die darauf zu erwartenden römischen Korrespondenzen ungeöffnet zurückzuschicken. Sie sollten nur auf eines achten: ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen, damit es bei einer möglichen römischen Auflösung des Ordens, Suspendierung der Oberin etc. nicht eingezogen werden kann. Dann muß man ein paar Jahre in einer legitimen Illegalität durchhalten, aber mit Gewißheit nicht solange, wie die Piusbruderschaft durchgehalten hat.
Maike Hickson: Diese verschiedenen Beispiele bergoglianischer Versuche, die Tradition zu unterdrücken, passen zu den jüngsten Worten von Papst Franziskus, wonach der Versuch, „die Vergangenheit wiederherzustellen“, „alle töten wird“. Er nennt jetzt sogar die Arbeit von EWTN „das Werk des Teufels“. Wie würden Sie die Worte von Papst Franziskus interpretieren, was ist sein Ziel?
Martin Mosebach: Was mir an Papst Franz noch am besten gefällt, ist, daß er gelegentlich den Teufel erwähnt. Aber daß er ihn für alles verantwortlich macht, was ihm nicht paßt, das sollte der Teufel sich verbitten. Daß die Kritik an ihm so ungnädig ausfällt, verursacht er selbst: Zum einen fordert er immerfort zum Dialog auf und zugleich verweigert er entschieden jeden Dialog – man denke nur an die Behandlung der Dubia. Auf diese Weise kann er die intellektuelle Auseinandersetzung schwerlich beeinflussen.
Maike Hickson: Hat Papst Franziskus recht, wenn er sagt, daß in den Gemeinschaften der traditionellen lateinischen Messe Menschen zusammenkommen, die dem Zweiten Vatikanischen Konzil kritisch gegenüberstehen?
Martin Mosebach: Die Dokumente des II. Vaticanum sind in der Realität kaum mehr von besonderer Bedeutung, die davon geschiedene nachkonziliäre Entwicklung allerdings in höchstem Maße. Wer in die alte Messe geht, der ist über diese nachkonziliäre Entwicklung todunglücklich. Der sieht mit Trauer und Verzweiflung, wie das „Haus voll Glorie“ eine verwahrloste Hütte im Weinberg geworden ist. Der ist mit der nachkonziliären Entwicklung nicht einverstanden, und der weigert sich, sie sich gegen die Evidenz schönzuschwätzen. Sollte der Papst das meinen, dann sieht er das richtig.
Maike Hickson: Sollten wir diese Tatsache verheimlichen, um Papst Franziskus nicht noch mehr Anlaß zu geben, uns zu unterdrücken, oder sollten wir aufrecht für die Wahrheit unseres Glaubens einstehen und Widerstand leisten im Vertrauen darauf, daß Gott uns helfen wird?
Martin Mosebach: Wer ist „wir“? Ich lebe seit ungefähr 1980 in einem kleinen Kreis von Menschen, der nie etwas anderes getan hat, als sich zur Tradition zu bekennen, die längste Zeit davon ohne die geringste Hoffnung gehört zu werden, von irgendwelchen „Dialogangeboten“ganz zu schweigen. Priester müssen manchmal vorsichtiger sein, vor allem wenn sie Verantwortung übernommen haben. Ein Priester, der voll Bekennermut seinen Standpunkt behauptet, daraufhin weggeschickt wird, dem die Kirche genommen und dessen Wirkungsmöglichkeiten abgeschnitten werden, der mag abwägen, wie lange er schweigen kann und wann das sinnlos geworden ist. In den Verfolgungen der Katholiken unter Elisabeth I. von England entwickelten die Jesuiten ein Modell, das sie „equivocation“ nannten: Die Wahrheit verschweigen, ohne zu lügen. Den Tod am Galgen hat ihnen diese Technik meistens doch nicht erspart. Es kommt ein Punkt, an dem man sich nicht mehr geschickt herauswinden kann, sondern um das Bekenntnis der nackten Wahrheit nicht herumkommt. Wer als Oberer Verantwortung für Seminaristen, Schüler, Ordensangehörige übernommen hat, mag oft vor der schwierigen Überlegung stehen, wieviel von seinem Apostolat auf dem Spiel steht, wenn er den progressistischen Inquisitoren klar und deutlich sagt, was er von ihrem Kirchenmodell hält. Ich würde dann eine scheinbare Nachgiebigkeit nicht verurteilen wollen, nur darauf hinweisen, daß sie den Modernisten niemals genügen wird. Generell meine ich, daß man keine Angst haben sollte: Die Amtskirche ist zutiefst geschwächt. Die Härte, zu der sie unter Paul VI. noch fähig war, die steht ihr nicht mehr zu Gebote. Wer wirtschaftlich nicht von ihr abhängig ist, der ist von ihren Strafen und Zwangsmaßnahmen nicht mehr erreichbar, wenn man den Mut besitzt, eine Suspendierung nicht zu fürchten, und bereit ist, sich einfach darüber hinwegzusetzen. Traditionis Custodes ist Unrecht, dem muß man sich nicht beugen.
Maike Hickson: Was ist Ihre Vorhersage für die nahe Zukunft? Wird es mehr und mehr von dieser Unterdrückung und diesen Angriffen auf traditionelle katholische Gemeinschaften geben?
Martin Mosebach: Niemand kann gegenwärtig sagen, was geschehen wird. Wird die Ordenskongregation zu Zwangsmaßnahmen gegen die Traditionsorden schreiten? Werden die Traditionsinstitute und Klöster sich beugen oder nach dem Vorbild von Erzbischof Lefebvre den offenen Dissens wagen? Man vergesse nicht: Der „Ungehorsam“ war für den Erzbischof ein viel größeres Wagnis, als er es heute ist, wo die Autorität der Hierarchen durch ihr eigenes Verschulden delegitimiert und zusammengebrochen ist. Er hingegen ist de facto rehabilitiert worden. Mir scheint für die Zukunft wichtig, daß alle, die in der Tradition Verantwortung tragen, sich ohne Scheuklappen darüber klar werden, was sie bereit sind, im äußersten Fall des Konfliktes zu tun. Man darf jetzt nicht angstvoll warten, sondern muß wissen, was im äußersten Fall zu tun ist. Dieser äußerste Fall, der Versuch einer rabiaten und radikalen Ausrottung der Tradition nach den Phantasien, wie sie in gewissen Zellen von Sant’Anselmo reifen, muß vielleicht nicht eintreten und wird es vielleicht auch nicht, weil es doch zu viele Bischöfe gibt, denen dabei unwohl wäre. Man folge aber der alten Devise: „Si vis pacem, para bellum“, wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor.
Maike Hickson: Wie gehen wir Katholiken, die sich der neuen ökologischen, ökumenischen, LGBT-Kirche von Papst Franziskus nicht anschließen wollen, mit der Frage des Gehorsams um? Werden wir akzeptieren müssen, eine Zeit lang als Ausgestoßene, „Schismatiker“, „ungehorsame Katholiken“ zu leben, um der Wahrheit willen?
Martin Mosebach: Gehorsam ist eine der obersten Tugenden des Christentums. Auch dem schlechten Herrn sei zu gehorchen, „denn das ist Gnade“. Christus brachte sich zum Opfer, „dem Willen des Vaters gehorsam“. So ist die Eucharistie in ihrem Kern mit dem Gehorsam verbunden. Man versteht das Unbehagen, wenn gerade das Meßopfer nun mit einem Akt des Ungehorsams gegen den Papst einhergehen soll. Man wird in dieser Hinsicht nicht zu generellen Lösungen gelangen. Ich kenne eine Nonnenabtei, in der man vom überlegenen Wert des alten Ritus überzeugt ist, diese Überzeugung aber unter großem Leiden der Einheit der Kongregation zum Opfer bringt und dafür betet, daß eines Tages die ganze Kongregation zum alten Ritus übergeht. Natürlich empfinde ich für diese Haltung Hochachtung. Es wäre für mich allerdings ausgeschlossen, sie zu übernehmen. Die heillose Lage der nachkonziliären Kirche besteht eben darin, daß ihre höchsten Werte – der Gehorsam – dazu benutzt wurden, sie auszuhöhlen und ihren Niedergang zu befördern. Wir befinden uns in einer im System der Kirche sozusagen nicht vorgesehenen Notsituation, in welcher sie ihre Kräfte nicht mehr zu einer wirklichen Reform einsetzen kann, sondern mit jeder Maßnahme immer nur noch tiefer in den Abgrund rutscht. Als Papst Benedikt die Exkommunikation der Pius-Bischöfe aufhob, hat er diese Notlage im Grunde anerkannt und die Gegenwehr vom Odium des Ungehorsams befreit. Wer in der Erkenntnis des Schatzes, den die alte Messe darstellt, zum Beispiel Kinder zu erziehen hat und ihnen die Teilhabe an diesem Schatz verweigert, weil der Papst in Überdehnung seiner Befugnisse das so will, der müßte fortwährend gegen sein Gewissen handeln. Ja, wir wissen: Ein katholisches Gewissen ist nur bedingt die letzte Instanz, aber in einem derart krassen Fall von Willkür, wie ihn Traditionis Custodes darstellt, zeigt sich eben doch, daß katholischer Gehorsam kein Kadavergehorsam ist, sondern mit dem Gebrauch der Vernunft einhergehen darf. Zu den Usancen der Jesuiten gehörte immer auch, den Gehorsam der Ordensmitglieder durch allerlei Schikanen zu erproben, aber solche fragwürdigen Führungsmethoden sind für die Gesamtkirche wohl nicht verbindlich.
Maike Hickson: Und schließlich, wie sollen wir ohne die richtige Autorität leben, wenn wir aufgrund unserer Treue zu Christus ausgeschlossen werden? Sollten wir einfach auf Gottes Vorsehung vertrauen?
Martin Mosebach: Auf Gottes Vorsehung, noch wichtiger: auf Gottes Gegenwart zu vertrauen ist immer angezeigt, auch in glücklichen Stunden. Ohne Autorität aber müssen wir keinesfalls leben. Im Gegenteil: Wir sind umgeben von den Zeugnissen der kirchlichen Autorität. Schon wenn wir eine der alten Kathedralen betreten, wenn wir die Kunstwerke des Mittelalters betrachten, wenn wir den Gregorianischen Choral und die Polyphonie des Palestrina hören, empfangen wir Äußerungen der Autorität. Wir besitzen nicht nur die heilige Schrift, sondern eine „Wolke von Zeugen“, die Martyrer und Kirchenväter, nennen wir aus der jüngeren Zeit nur Cardinal Newman und Joseph Pieper. Das sind die Maßstäbe, denen jede Neuerung in der Kirche standhalten muß. Sein Höchstmaß an Autorität kann jeder Papst nur entfalten, solange er sich nicht in einen Gegensatz zu diesen beredten und stummen Zeugen der Tradition setzt. Man könnte nach 2000 Jahren Kirchengeschichte sagen: Die Autorität ist auch ohne Papst da. Vielleicht ist es diese Befürchtung, die den gegenwärtig regierenden im geheimen zur Empörung treibt.
Bild: LifeSiteNews
1 Wir können nicht!
2 Das will ich, so befehle ich’s!
Vielen Dank für die Bereitstellung dieses großartigen Interviews! Maike Hickson stellt die richtigen Fragen, Martin Mosebach hat differenzierte und profunde Antworten parat. Sehr gut!
Die Petrusbruderschaft muß sich nun entscheiden, wie sie weitermacht. 1988 stellten sich die Dinge noch völlig anders dar. Damals war ein solches Katastrophenpontifikat wie das jetzige kaum oder nicht vorstellbar. Mittlerweile ist aber klar, daß der Kirchenapparat feindlich übernommen worden ist und Wohlwollen gegenüber der Tradition tatsächlich nicht oder nur in Spurenelementen vorhanden ist.
Ich fände es unvertretbar, wenn die Priester der FSSP jetzt irgendwelche idiotischen Erklärungen unterschreiben sollen. Wenn die deutschsprachigen Bischöfe die FSSP daher deswegen aus den Kirchen vertreiben sollten, muß man sich überlegen, auf Privaträume auszuweichen.
Transgender infiltrieren Priesterseminare (Im Bundestag sind auch zwei eingezogen).
DNA-Tests und Leibesvisitationen werden angeordnet
Der Wahnsinn hat kein Ende:
https://catholicherald.co.uk/233436–2/
„Den Hoffnungslosen sage, daß Ich Meine Kirche erneuern werde. Seid voller Freude, habt Hoffnung und bleibt Meinem Wort treu. Das, was ihr erlebt, dauert nur eine kurze irdische Zeit.“ (Sievernich, 6.9.21)
Der Papst hat auch keine Vollmacht, mich gegen meine Überzeugung zum Impfen zu zwingen.
Ich kann mich nur immer wieder Wiederholen.…
Aufstehen und genau so laut wie die Mädels von Maria 2.0 losschreien…
Stellen wir uns den Zerstörern der Kirche in den Weg. Ich bin fest davon überzeugt dass wir himmlischen Beistand bekommen.
Die allerseligste Jungfrau steht uns mit dem Erzengel Michael bei. Daran glaube ich ganz fest aus der Tiefe meines Herzens.
Wo sind die gut organisierten, disziplinierten Gruppen, welche für geplante Aktionen erforderlich wären, auf der glaubenstreue Seite? Mir sind leider keine untergekommen, dafür jede Menge Maulhelden und Internetschwätzer, die meinen, mit ihren Kommentaren könnte irgend etwas bewegt werden. Dabei wäre es dringend nötig, sich zu sammeln und zu organisieren, solange die socal media noch für jeden zugänglich sind. Dies empfinden die meisten als unbequem (am Ende soll man noch was tun…!) und bleiben lieber für sich isoliert, daher haben hauptamtlich angeleitete und durchgeplante Aktionen der „anderen Seite“ freies Spiel.
Wenn die Autorität die Heilige Schrift missachtet, so zum Beispiel mit dieser LGBT-Sache, so gilt das Wort Gottes mehr als das der Autorität. Dann muss man wissen, man kann sich auch teilhaftig an ihren Sünden machen! Die Kirche rutscht immer mehr ab und wenn ein Oberhaupt die Gläubigen dazu nötigt eine experimentelle Impfung zu machen und ein Zeichen aufzunehmen das ein Vorläufer des Zeichen des Tiers ist, dann ist allerhöchste Vorsicht geboten! Gott verlangt von uns, dass wir Sinn und Verstand benutzen! Wir sollen die Bibel lesen und unseren Hirten auch auf die Finger schauen, denn wie Paulus sagt, müssen wir alles prüfen und einander korrigieren wenn es sein muss und das gilt auch für uns Gläubige gegenüber unseren Priestern und Bischöfen!
Wir alle müssen Verantwortung über unser Leben übernehmen und auch selber kontrollieren, prüfen und korrigieren.
Wenn es soweit kommt dass der Greuel an Heiliger Stätte steht, dann müssen wir die Heilige Kommunion geistig erbitten und auf den Berg
Danke für dieses Interview
Die wohl einzige Art, ohne Hass, vernuftgeleitet und klarsichtig dem unglücklichseligen Dekret Franziskus‘ zu begegnen!
Hoffentlich findet dieses Interview grosse Verbreitung – bitte mithelfen!