(Tegucigalpa/Rom) Kardinal Maradiaga, Erzbischof von Tegucigalpa, Primas von Honduras, Koordinator des C9-Kardinalsrates, enger Vertrauter von Papst Franziskus und ehemaliger Vorsitzender der Caritas Internationalis, steht seit Weihnachten 2017 unter Beschuß. Der honduranische Purpurträger ist für seine kräftigen Worte bekannt. Seit der Veröffentlichung des Viganò-Dossiers teilt er Rundumschläge aus. Ein Zeichen für höchste Anspannung, nicht nur weil Papst Franziskus in der Kritik steht, sondern er selbst.
Eine kurze Rückblende
Es war noch offiziell keine Rede davon, daß Papst Franziskus wiederverheirateten Geschiedenen und anderen Personen in einer irregulären Situation die Zulassung zur Kommunion gewähren will. Kardinal Walter Kasper hatte seine berüchtigte Rede vor dem Kardinalskonsistorium Ende Februar 2014 noch gar nicht gehalten. Aufmerksame Beobachter, darunter der damalige Glaubenspräfekt und Noch-Nicht-Kardinal Gerhard Müller, warnten aber bereits mehr oder weniger deutlich vor einer solchen Absicht. Am 20. Januar 2014 spöttelte Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, der offensichtlich schon mehr wußte über den päpstlichen Fahrplan, in Richtung Müller, er solle in der Sache und grundsätzlich „ein wenig flexibel sein“.
Denn, so der Honduraner, der damals mit solchem Nachdruck als Sprecher von Franziskus auftrat, daß er von Vatikanisten als „Vizepapst“ bezeichnet wurde, „wir stehen in der Kirche am Beginn einer neuen Ära“.
Am 25. März 2017 attackierte Maradiaga im Schweizer Fernsehen auf ungewöhnlich polemische und untergriffige Art die vier Kardinäle, die Papst Franziskus Dubia (Zweifel) zum umstrittenen nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia vorgelegt haben. Seit zwei Jahren verweigert Franziskus jede Antwort darauf. Dasselbe Verhalten legt er nun im Zusammenhang mit dem ihn schwer belastenden Viganò-Dossier an den Tag.
Kardinal Maradiaga ätzte damals in Richtung der Kardinäle Brandmüller, Burke, Caffarra und Meisner:
„In erster Linie denke ich, daß sie Amoris laetitia nicht gelesen haben, weil das leider der Fall ist! Ich kenne die vier und sage: Sie sind bereits in Pension. Wie kommt es, daß sie nichts zu jenen sagen, die Waffen herstellen? Einige sind in Ländern, die Waffen produzieren und verkaufen für den Genozid, der in Syrien stattfindet – zum Beispiel. Warum? Ich möchte nicht – sagen wir – zu hart sein: Nur Gott allein kennt das Gewissen der Menschen und die inneren Beweggründe, aber von außen gesehen, scheint mir das ein neues Pharisäertum. Sie haben sich geirrt, sie sollten besser etwas anderes machen.“
Papst Franziskus rief seinen Vertrauten nicht zur Räson, geschweige denn verlangte er eine Entschuldigung von ihm.
Päpstlicher Kontaktmann zu George Soros
Kardinal Maradiaga, Angehöriger des Magic Circle um Papst Franziskus, ist der Mann, der direkte Kontakte mit George Soros unterhält und dessen Sponsoring des Papst-Besuches im September 2015 in den USA einfädelte. Wie im August 2016 durch Enthüllungen von DC Leaks bekannt wurde, finanzierte Soros den Papst-Besuch in Obama-Land mit 650.000 Dollar mit. Ohne Gegenleistungen? Kaum zu glauben. Seither sehen einige Beobachter darin einen Grund für das päpstliche Schweigen zu bestimmten, umstrittenen Themen wie der „Homo-Ehe“. Das gilt auch für das Dementi-Theater des Vatikans, als bekannt wurde, daß sich Franziskus in der päpstlichen Nuntiatur in Washington kurz mit Kim Davis getroffen hatte, jener gewählten County-Beamtin, die mit ihrem Widerstand gegen die „Homo-Ehe“ zum Symbol der Gewissensfreiheit geworden war. Für Papst Franziskus und sein Umfeld war oberste Priorität, Barack Obama und die hinter ihm stehenden Kräfte nicht zu irritieren.
Maradiaga ist ein Hauptvertreter eines rhetorischen Pauperismus in der Kirche. Er gilt aber auch als „Erfinder“ und Hauptverfechter der These, Papst Franziskus sei ein neuer Johannes XXIII., der den „neuen Frühling“ bringe, den dieser versprochen hatte. Vor allem auch der These, Franziskus sei das „Opfer“ von „Verrätern und Intriganten“, die im Dienst des Bösen die nötigen „Reformen“ verhindern wollten.
Im September 2017 brachte sich der Primas von Honduras und C9-Koordinator mit einem autobiographischen Buch kaum verhohlen als potentieller Nachfolger von Papst Franziskus in Stellung.
Purpurträger mit „dunklem Schatten“
Doch seit Weihnachten 2017 steht der Kardinal selbst massiv in der Kritik. Ihm werden Korruption, Bereicherung und Unterschlagung vorgeworfen. Von der Katholischen Universität von Honduras, deren Großkanzler – also Vorgesetzter – er ist, ließ er sich im Jahr 600.000 Dollar überweisen. Angeblich sei das Geld für die „armen Pfarreien“ seines Erzbistums bestimmt gewesen. Geflossen ist das Geld aber auf Privatkonten des Kardinals. Eine Weiterleitung an die „armen Pfarreien“ ist nicht belegt.
Martha Reichmann de Valladares, die Witwe des ehemaligen honduranischen Botschafters beim Heiligen Stuhl, erhebt noch weitergehende Anschuldigungen und wirft dem Kardinal vor, ihren Mann und sie um das Familienvermögen gebracht zu haben.
Besonders brisant ist jedoch, daß sein Weihbischof, Msgr. Juan Jose Pineda, der auf Maradiagas Wunsch ernannt wurde, eines Doppellebens überführt wurde. Pineda wird vom US-Vatikanisten Edward Pentin Korruption, Unterschlagung und ein homosexuelles Doppelleben vorgeworfen. Pineda habe sich auch gegenüber Untergebenen und Seminaristen des sexuellen Fehlverhaltens schuldig gemacht. Es gilt daher nicht als Zufall, daß Pineda faktisch zeitgleich emeritiert wurde, als Franziskus Theodore McCarrick die Kardinalswürde entzog. Beiden werden ähnliche Vorwürfe gemacht.
Während bei McCarrick die Schuld benannt wird, versuchen Pineda und Maradiaga mit Hilfe des Heiligen Stuhls jedes Fehlverhalten zu vertuschen. Martha Reichmann de Valladares spricht von einem Kardinal „mit dunklen Schatten“.
Es gilt als wenig glaubhaft, daß Kardinal Maradiaga von den Machenschaften seiner rechten Hand nichts gewußt haben will. Da grundsätzlich jede Machenschaft Pinedas bestritten wird, muß sich der Kardinal derzeit auch nicht rechtfertigen. Seine Strategie im Fall Pineda ist zwar nicht dieselbe von Papst Franziskus zum Viganò-Dossier, dennoch sind Parallelen unverkennbar. Beide weigern sich Rede und Antwort zu stehen und hoffen durch die Medien jener Kräfte ausreichend gedeckt zu werden, die Papst Franziskus bereits bei seinem US-Besuch 2015 nicht irritieren wollte, und zu denen er über seinen politischen Arm, Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, seit Beginn seines Pontifikats den Kontakt sucht.
Kardinal Maradiaga: „Fäkale Netzwerke“
Am vergangenen Sonntag holte Kardinal Maradiaga zu einem Rundumschlag gegen die Kritiker von Papst Franziskus und seine eigenen aus, die er gerne zusammenmischt. Bereits Anfang des Jahres, als erste Anschuldigungen gegen ihn laut wurden, behauptete er, wer ihn angreife, wolle in Wirklichkeit Papst Franziskus angreifen. Im Klartext wollte er damit sagen: Wer mich angreift, greift Papst Franziskus an, betreibe also Majestätsbeleidigung.
In seiner Predigt in der Kathedrale von Tegucigalpa bezeichnete der Kardinal die sozialen Netzwerke, in denen die Kritik gegen ihn Verbreitung findet, als „fäkale Netzwerke“.
Das klang vor wenigen Jahren noch ganz anders. Am 25. März 2014 berichtete die vatikanische Nachrichtenseite News.va, ein Vorläufer der heutigen Nachrichtenplattform Vatican News, über den Start eines „katholischen sozialen Netzwerks“ namens DeoSpace, „geleitet von seinem Generaldirektor, Herrn Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga S.D.B.“. (siehe den von Aleteia übernommenen Beitrag).
Martha Reichmann de Valladares: „Die Opfer sind wir“
Martha Alegria Reichmann de Valladares, die Witwe des ehemaligen honduranischen Botschafters, die sich von Kardinal Maradiaga um das Familienvermögen betrogen fühlt, kommentierte die Predigt des Kardinals auf der Internetseite Criterio:
„Kardinal Rodriguez Maradiaga ist kein Opfer, sondern ein Täter“.
In ihrem Haus ging der Kardinal jahrzehntelang ein und aus. „Er gehörte zur Familie“, wie sie im vergangenen Februar sagte. Die Witwe, nimmt heute kein Blatt vor den Mund:
„Kardinal Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga geht nicht nur mit Beleidigungen und Lügen gegen diejenigen vor, die den Mut haben, ihn zu beschuldigen, sondern nennt sie Auftragskiller, die anonym mediale Angriffe betreiben.“
Marta Reichmann-Valladares spricht von „einem Gipfel des Zynismus“.
Der Kardinal schlage deshalb so wild um sich, weil er keine „gültigen Gründe“ zu seiner Verteidigung vorbringen könne.
„Er hat keine Argumente, um zu beweisen, daß falsch ist, was gesagt wird. Als einziges Mittel bleibt ihm einerseits zu schweigen und andererseits zu beleidigen und zu lügen“.
Medien können Quellen durch die Anonymität schützen. Sobald es jedoch zu einem Gerichtsverfahren kommt, müssen sie die Namen nennen. Kardinal Maradiaga beschimpfe und beleidige, doch vor Verleumdungsklagen schrecke er zurück, denn dann geht es um Beweise.
Maradiaga, so Reichmann-Valladares, klagte nicht das italienische Wochenmagazin L’Espresso, wegen der behaupteten finanziellen Unregelmäßigkeiten, er klagte nicht den Vatikanisten Edward Pentin wegen der schwerwiegenden Vorwürfe gegen seinen Weihbischof Pineda, die auch den Kardinal betreffen, und er habe auch sie nicht geklagt, obwohl sie ihm erst am 9. April 2018 in einem ausführlichen Memorandum detaillierte Vorwürfe machte.
Gleiches gelte also auch für die im Viganò-Dossier enthaltenen Vorwürfe.
Es sei eine Lüge, daß die Kritiker sich „den Reformen der Kirche widersetzen“. Das sei nur ein Vorwand, mit dem Maradiaga sich entschuldigen wolle.
„Wir, die ihn anklagen, sind die Opfer.“
Und weiter:
„Wir sind die Menschen, die der stinkenden Fäulnis überdrüssig sind, die seit so vielen Jahren vertuscht wird, und der Beweis dafür ist, daß Pineda schließlich entfernt wurde.“
Martha Reichmann-Valladares beschuldigt Kardinal Maradiaga „willkürlich“ Priester seines Bistums „marginalisiert“, „ausgegrenzt“ und sogar vom Priestertum suspendiert zu haben, „nur weil sie den Kardinal über Machenschaften Pinedas informiert hatten“. Namentlich nennt sie die Priester Bernardo Font, Domingo Salvador und Francisco Torres, die Maradiaga vom Priestertum suspendierte. Letztere beiden starben „ihrem Schicksal außerhalb der Kirche überlassen“.
Die Botschafter-Witwe greift Worte des Kardinals aus seiner Sonntagspredigt auf und wendet sie gegen ihn:
„Das heißt, gegen den Willen Gottes zu handeln, deshalb ist Kardinal Rodriguez derjenige, der in den Augen Gottes nicht gefällig ist“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Criterio.hn/