Sodoms Sünde

Fremdenfeindlichkeit oder extrem sündhaftes Verhalten, das im Versuch einer homosexuellen Vergewaltigung gipfelt?


Im Som­mer 2016 wur­de von einem hohen Kir­chen­ver­tre­ter beim Welt­ju­gend­tag in Kra­kau, als er Jugend­li­chen pre­dig­te, die Behaup­tung auf­ge­stellt, Sodom und Gomor­rha sei­en nicht zer­stört, son­dern geret­tet wor­den. Drei Jah­re spä­ter, wie­der­um im Juli, wie­der­hol­te Kar­di­nal Gual­tie­ro Bas­set­ti, der Vor­sit­zen­de der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, die­se Behaup­tung. Nur weni­ge Mona­te spä­ter, im Novem­ber 2019, ver­öf­fent­lich­te die Päpst­li­che Bibel­kom­mis­si­on unter dem Vor­sitz von Glau­bens­prä­fekt Luis Kar­di­nal Lada­ria das Doku­ment „Was ist der Mensch?“, in dem sich eben­falls die glei­che Behaup­tung fin­det (sie­he dazu Papst Fran­zis­kus hat „die zwei­te Wen­de für die katho­li­sche Glau­bens­leh­re gestar­tet“). Die Bibel­kom­mis­si­on emp­fiehlt eine „intel­li­gen­te Inter­pre­ta­ti­on“, was vor allem nach einer Recht­fer­ti­gung ihres eige­nen Vor­ge­hens klingt, aber auch den Bei­geschmack der poli­tisch kor­rek­ten Anpas­sung, kon­kret an den homo­phi­len Zeit­geist, zu ent­hal­ten scheint, also oppor­tu­ni­stisch wirkt (sie­he dazu auch Die Mas­ken fal­len: Der ange­kün­dig­te Para­dig­men­wech­sel zur Homo­se­xua­li­tät – Eine Chro­no­lo­gie, die inzwi­schen um eini­ge Punk­te zu ergän­zen wäre, beson­ders den deut­schen Vor­stoß zur Seg­nung homo­se­xu­el­ler Paa­re). Gegen das von Papst Fran­zis­kus in Auf­trag gege­be­ne Doku­ment, das bis heu­te nur in ita­lie­ni­scher, pol­ni­scher und korea­ni­scher Spra­che vor­liegt, nimmt der Fun­da­men­tal­theo­lo­ge, Exeget und Alt­phi­lo­lo­ge Don Alfre­do Maria Mor­sel­li Stellung.

Anzei­ge

Von Don Alfre­do Maria Morselli*

Die bibli­sche Erzäh­lung über die Sün­de von Sodom und Gomor­rha und die dar­aus resul­tie­ren­de Stra­fe Got­tes war Gegen­stand zwei­er offen­sicht­li­cher Falsch­dar­stel­lun­gen. Die erste betrifft das Schick­sal die­ser bei­den Städ­te: Msgr. Nun­zio Galan­ti­no1 und Kar­di­nal Gual­tie­ro Bas­set­ti2 erklär­ten, daß die­se Städ­te dank der Gebe­te Abra­hams geret­tet wur­den3. In Wirk­lich­keit wis­sen wir, daß die Sache ganz anders ver­lau­fen ist.4

Aber die Miß­ver­ständ­nis­se über das Schick­sal der bei­den gott­lo­sen Städ­te schlecht­hin sind damit nicht zu Ende. Ein zwei­ter Irr­tum besteht dar­in, den Grund für ihre Ver­damm­nis abzu­schwä­chen: Die schreck­li­che Sün­de der ver­such­ten homo­se­xu­el­len Gewalt wur­de näm­lich auf das Ver­hal­ten einer sozia­len und poli­ti­schen Ein­heit her­ab­ge­stuft, „die Aus­län­der nicht mit Respekt will­kom­men hei­ßen will“5. So drückt sich nie­mand gerin­ge­rer als die Päpst­li­che Bibel­kom­mis­si­on in einem vor kur­zem erschie­ne­nen Doku­ment aus.

Die­se Art der Inter­pre­ta­ti­on ist nicht neu: Bereits Der­rick Sher­win Baley6 (1910–1984) argu­men­tier­te in sei­nem Buch „Homo­se­xua­li­ty and the Western Chri­sti­an Tra­di­ti­on“ (1955), daß die Ver­ur­tei­lung der Stadt auf Ver­ge­wal­ti­gun­gen und feh­len­de Gast­freund­schaft zurück­zu­füh­ren war. Spä­ter argu­men­tier­te John Bos­well7 (1947–1994) in sei­nem Buch „Chri­stia­ni­ty, social tole­rance, and homo­se­xua­li­ty“ (1980), daß Sodom zer­stört wur­de, weil sei­ne Bewoh­ner ver­sucht hat­ten, die Engel zu ver­ge­wal­ti­gen. Für bei­de Autoren war Homo­se­xua­li­tät weder ein Grund für das gött­li­che Ein­grei­fen noch wer­de sie durch die­se Stel­le ver­ur­teilt.8

Laut der Päpst­li­chen Bibel­kom­mis­si­on, die im wesent­li­chen die Posi­tio­nen der bei­den Autoren wie­der­gibt, wer­de die erwähn­te „Les­art der Geschich­te von Sodom“ durch Weish 19,13–17 bestä­tigt, wo die exem­pla­ri­sche Bestra­fung von Sün­dern (zuerst Sodom, dann Ägyp­ten) damit begrün­det wer­de, weil „sie eine tie­fe Frem­den­feind­lich­keit gezeigt hat­ten“ 9. Auf der Grund­la­ge die­ser Argu­men­ta­ti­on spielt die Päpst­li­che Bibel­kom­mis­si­on auch die unmiß­ver­ständ­li­chen Grün­de dafür her­un­ter, wes­halb Sodom in Wirk­lich­keit gezüch­tigt wur­de, und die in Jud 710 und 2 Petr 2,6–1011 genannt sind: „Sie trie­ben Unzucht und gin­gen wider­na­tür­li­chen Lastern nach“(Jud 7), wegen des „unmo­ra­li­schen Ver­hal­tens gesetz­lo­ser Men­schen“ (2 Petr 2,7f) und weil sie „mit gott­lo­ser Lei­den­schaft dem Fleisch nach­ge­hen“ (2 Petr 2,10).12

Ange­sichts die­ser Aus­sa­gen der Päpst­li­chen Bibel­kom­mis­si­on ist ent­ge­gen­zu­hal­ten, daß die Exege­se von Weish 19,13–17, die von der Kom­mis­si­on als grund­le­gen­des Argu­ment vor­ge­legt wird, falsch ist und auf einer Über­set­zung beruht, die eben­falls falsch ist.

Der Feh­ler besteht dar­in, den Bewoh­nern von Sodom Frem­den­haß zuzu­schrei­ben, obwohl der hei­li­ge Text einen sol­chen aus­schließ­lich von den Ägyp­tern berichtet.

Lesen wir die Peri­ko­pe ab Weish 19,1013, damit der brei­te­re Kon­text uns mehr Klar­heit verschafft:

Weish 19,10 (EÜ): „Denn sie dach­ten zudem auch an das, was im frem­den Land gesche­hen war: wie Mücken nicht von Tie­ren, son­dern von der Erde her­vor­ge­bracht wur­den und wie der Fluß nicht Was­ser­tie­re, son­dern eine Men­ge Frö­sche aus­warf. 11 Schließ­lich sahen sie [die Juden in der Wüste] auch Vögel auf eine neue Wei­se ent­ste­hen, als sie, um ihre Gier zu befrie­di­gen, nach üppi­gen Spei­sen ver­lang­ten. 12 Zu ihrem Trost ent­stie­gen näm­lich Wach­teln dem Meer. 13 Die Stra­fen kamen über die Sün­der [die Ägyp­ter] nicht ohne War­nung durch wuch­ti­ge Blit­ze. Mit Recht muß­ten sie für ihre bösen Taten lei­den, weil sie einen so schlim­men Frem­den­haß gezeigt hat­ten“ [LXX: μισοξενίαν].

Die rhe­to­ri­sche Figur, die unse­re Stel­le beein­flußt, ist die Syn­kra­sis, der Ver­gleich zwi­schen zwei The­men: Der Ver­gleich erfolgt zwi­schen den Juden und den Ägyp­tern. Vers 10 bezieht sich ein­deu­tig auf die Juden im ägyp­ti­schen Exil und erin­nert an die Pla­gen von Mücken (Ex 8,12ff) und Frö­schen (Ex 7,27ff), Stra­fen, die in Sodom nicht vor­kom­men. Dann spricht Vers 11 von den Juden, die in der Wüste mit Wach­teln genährt wer­den. Auch dar­in fin­det sich nichts, was auf Sodom hindeutet.

Und so kom­men wir zu Vers 14. Es wird nütz­lich sein, die Über­set­zung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz CEI 2008 (die unse­rer Mei­nung nach falsch ist), jene von Giu­sep­pe Scar­pat14 (die wir bevor­zu­gen und deren Rich­tig­keit wir ver­tei­di­gen wer­den), die LXX (in den unter­such­ten Ver­sen ver­glei­chen wir die kri­ti­sche Aus­ga­be von Zieg­ler) und die Vetus lati­na (Hrsg. P. Saba­tier) zu vergleichen.

Nun wol­len wir sehen, war­um Scar­pats Über­set­zung gegen­über der CEI 2008 (und vie­len ande­ren) vor­zu­zie­hen ist. Die Unter­schie­de betref­fen im wesent­li­chen zwei Punkte:

a) „Die einen“ [rich­tig] ver­sus „schon ande­re“ [falsch]: gr. οἱ μὲν, dem οὗτοι δὲ in 14b gegen­über­steht, kann nicht mit „ande­re“ über­setzt wer­den, son­dern ein­fach mit „die einen“: es ist die klas­si­sche Para­ta­xis des grie­chi­schen μὲν … δὲ; und die­se οἱ μὲν sind das erste Sub­jekt der vor­he­ri­gen Syn­kra­sis: Der Ver­gleich erfolgt ganz klar zwi­schen Juden und Ägyp­tern. An die­ser Stel­le deu­tet nichts auf die Sodo­mi­ten hin.

b) Die Ungläu­bi­gen [rich­tig] ver­sus Unbe­kann­te [falsch]: Das grie­chi­sche Wort ἀγνοοῦντας ist eine akti­ve Form von ἀγνοέω = igno­rie­ren, nicht wis­sen, im Dun­keln sein, wört­lich: „Jene, die nicht wis­sen“, und wird ver­wen­det, um die­je­ni­gen zu benen­nen, die das Gesetz, die über­na­tür­li­che Offen­ba­rung, nicht ken­nen. Die­se Inter­pre­ta­ti­on wird auch von Weish 13,1 gestützt: „Töricht waren von Natur alle Men­schen, denen die Got­tes­er­kennt­nis fehl­te“ (θεοῦ ἀγνωσία). Auch in Weish 14,22, wo von Göt­zen­die­nern die Rede ist, heißt es: „Als ob es nicht genug wäre, in der Erkennt­nis Got­tes zu irren, nen­nen sie in dem hef­ti­gen Zwie­spalt, den die Unwis­sen­heit in ihr Leben bringt, (ἐν μεγάλῳ ζῶντες ἀγνοίας πολέμῳ) so gro­ße Übel auch noch Frie­den“. Im Neu­en Testa­ment sie­he Apo­stel­ge­schich­te 17,30: „Gott, der über die Zei­ten der Unwis­sen­heit hin­weg­ge­se­hen hat, läßt jetzt den Men­schen ver­kün­den, daß über­all alle umkeh­ren sol­len“ (χρόνους τῆς ἀγνοίας).15

Auch die Vetus lati­na ist rich­tig, auch wenn auf den ersten Blick die Ver­wen­dung des Wor­tes igno­tos dar­auf hin­deu­ten könn­te, daß es dem ita­lie­ni­schen igno­ti (Unbe­kann­te) ent­spricht, doch in Wirk­lich­keit hat das latei­ni­sche igno­tus auch eine akti­ve Bedeu­tung: unwis­send sein, etwas nicht wis­sen.16

In die­sem Vers kann man den Wil­len des Autors erken­nen, die Juden vor dem Vor­wurf der Men­schen­feind­lich­keit zu schüt­zen. So erklärt Scarpat:

„… im wesent­li­chen bekräf­tigt die­se Stel­le das jüdi­sche Prin­zip von ἀμιξία: Die in Ägyp­ten ankom­men­den Israe­li­ten (παρόντες) beschränk­ten sich dar­auf, die Ungläu­bi­gen unter sich nicht will­kom­men zu hei­ßen (τοὺς ἀγνοοῦντας), was zur Fol­ge hat­te, daß sie als Men­schen­fein­de ange­se­hen wur­den. wäh­rend es nur eine reli­giö­se Vor­sichts­maß­nah­me war, von der auch Fla­vi­us Joseph […] spricht ( c. Ap 2,210) […] ‚jeder, der kom­men will, um nach unse­ren Geset­zen zu leben, den begrüßt [der Gesetz­ge­ber] mit Freund­lich­keit, weil er glaubt, daß nicht nur wegen der Ras­se, son­dern auch wegen der Lebens­ent­schei­dung Gemein­sam­kei­ten bestehen, aber er woll­te nicht, daß wir uns mit jenen eng ver­bin­den, die nur zufäl­lig zu uns gekom­men sind‘. Die hier dar­ge­stell­te Situa­ti­on ist anders (vgl. Ex 22,21; 23,9; Lev. 19,33), aber die Gei­stes­hal­tung gegen­über dem Frem­den ist iden­tisch mit der kon­stan­ten kla­ren Zurück­wei­sung des Ungläu­bi­gen und der Ver­mei­dung, ver­schie­de­ne Sit­ten und Über­zeu­gun­gen zu ver­mi­schen (αναμίγνυσθαι).

[…] Es ist eine Ant­wort auf den Vor­wurf der Men­schen­feind­lich­keit, den die Anti­ke ein­hel­lig den Juden zuschreibt, die die schlech­ten Ein­flüs­se einer Welt fürch­ten, die ihren reli­giö­sen Prin­zi­pi­en wider­spre­chen, aber ihre Men­schen­feind­lich­keit beschränkt sich auf die Ableh­nung der ἀγνοοῦντες, der Ungläu­bi­gen. Die­ser Hal­tung der Israe­li­ten stell­ten die Ägyp­ter die Ver­fol­gung jener Frem­den ent­ge­gen, die Ägyp­ten nur zugu­te gekom­men waren.“17

Der Sinn unse­rer Stel­le ist also fol­gen­der: Wäh­rend die Juden dar­auf ach­ten, sich nicht mit oppor­tu­ni­sti­schen Ungläu­bi­gen zu ver­mi­schen, haben die Ägyp­ter eine har­te Feind­se­lig­keit gegen­über den Gästen geübt. Die Feind­se­lig­keit wur­de noch dadurch häß­li­cher, daß sie die Juden zunächst freu­dig auf­ge­nom­men, sie aber dann ver­sklavt hat­ten, indem sie ihnen sogar erwor­be­ne Rech­te verweigerten.

Nach wie vor fin­det sich von den Sodo­mi­ten nicht die klein­ste Spur.

Wir fah­ren mit der Ana­ly­se der Peri­ko­pe fort.

Lei­der wer­den auf­grund des vor­he­ri­gen Feh­lers auch die Ver­se 15 und 16 als Ver­gleich zwi­schen den Sodo­mi­ten und den Ägyp­tern ange­se­hen. In Wirk­lich­keit spre­chen wir immer nur von Ägyp­tern und Juden. Vers 16 ver­schärft den Vor­wurf der unge­rech­ten Miß­hand­lung der Juden durch die Ägyp­ter, die unge­recht gehan­delt haben, nach­dem sie die Juden freu­dig auf­ge­nom­men hat­ten und nach­dem die­se selbst durch ihre Arbeit und ihren Auf­ent­halt Rech­te erwor­ben hatten.

Lesen wir wei­ter: Ab die­sem Punkt ist kei­ne Ver­gleichs­ta­bel­le mehr erfor­der­lich, da kei­ne beson­de­ren Über­set­zungs­pro­ble­me vorliegen.

Weish 19,17: „Wie jene an der Türe des Gerech­ten [die Sodo­mi­ten] mit Blind­heit geschla­gen wur­den, so auch die­se [die Ägyp­ter], als sie von dich­ter Fin­ster­nis umge­ben waren und jeder ver­such­te, sei­ne Türe zu fin­den. 18 Die Ele­men­te ver­än­dern sich unter­ein­an­der, wie auf einer Har­fe die Töne den Rhyth­mus ändern und doch den glei­chen Klang behal­ten. Dies läßt sich aus der Betrach­tung der Gescheh­nis­se deut­lich erkennen.19 Land­tie­re ver­wan­del­ten sich in Was­ser­tie­re und schwim­men­de Tie­re stie­gen ans Land.“

Erst an die­ser Stel­le erscheint eine Anspie­lung auf die Sodo­mi­ten, aber ledig­lich um eine gewis­se Ähn­lich­keit zwi­schen der Bestra­fung der letz­te­ren und der Pla­ge der Fin­ster­nis anzuzeigen.

In unse­rer Peri­ko­pe haben wir also einen ersten Ver­gleich zwi­schen Ägyp­tern und Juden, dann einen zwei­ten zwi­schen der neun­ten Pla­ge und der Bestra­fung der Sodo­mi­ten, wor­auf der Text sofort wie­der zur ersten Syn­kra­sis zurückkehrt.

Daß jene, die grau­sam zu den Gästen waren, die Ägyp­ter und nicht die Sodo­mi­ten sind, beweist zudem Vers 19: „Land­tie­re ver­wan­del­ten sich in Was­ser­tie­re und schwim­men­de Tie­re stie­gen ans Land“. Das läßt sich über die Ereig­nis­se von Sodom abso­lut nicht sagen, son­dern nur über die zwei­te und ach­te ägyp­ti­sche Pla­ge, die Inva­si­on von Frö­schen aus den Was­ser­läu­fen18 und die Inva­si­on von Heu­schrecken19.

An die­ser Stel­le kön­nen wir gelas­sen der Schluß­fol­ge­rung der Päpst­li­chen Bibel­kom­mis­si­on wider­spre­chen, die wie folgt for­mu­liert ist:

„Abschlie­ßend müs­sen wir daher sagen, daß die Geschich­te über die Stadt Sodom (wie auch die von Gabaa) eine Sün­de dar­stellt, die in man­geln­der Gast­freund­schaft mit Feind­se­lig­keit und Gewalt gegen den Frem­den besteht, ein Ver­hal­ten, das als sehr schwer­wie­gend beur­teilt wird und daher mit äußer­ster Här­te sank­tio­niert zu wer­den hat, weil die Ableh­nung des ande­ren, des bedürf­ti­gen und wehr­lo­sen Aus­län­ders der Beginn des sozia­len Zer­falls ist, da es eine töd­li­che Gewalt in sich trägt, die eine ange­mes­se­ne Bestra­fung ver­dient.“ 20

In Wirk­lich­keit zielt der Schwer­punkt des Berichts über die Stadt Sodom aber nicht auf Kri­tik an man­geln­der Gast­freund­schaft ab, son­dern auf die Ver­ur­tei­lung eines ins­ge­samt unmo­ra­li­schen Ver­hal­tens (Gen 13,13: „Die Leu­te von Sodom aber waren sehr böse und sün­dig­ten schwer gegen den Herrn“), eines Eis­bergs der Bos­heit, des­sen Spit­ze aus einer beson­ders absto­ßen­den Ent­wei­hung der Gast­freund­schaft besteht: dem Ver­such der homo­se­xu­el­len Vergewaltigung.

Des­halb sind die, was wir nicht ver­ges­sen soll­ten, vom Hei­li­gen Geist inspi­rier­ten Aus­füh­run­gen von 2 Petr 2, 6–10 und von Jud 7 rich­tig: In Sodom ging es genau dar­um, um „unmo­ra­li­sches Ver­hal­ten gesetz­lo­ser Men­schen“ (2 Petr 2,7), um Men­schen, „die mit gott­lo­sen Lei­den­schaf­ten dem Fleisch nach­ge­hen“ (2 Petr 2,10) und „sich der Unmo­ral hin­ga­ben und wider­na­tür­li­chen Lastern folg­ten“ (Jud 7).

Der grie­chi­sche Text von Jud 7 benennt mit Prä­zi­si­on die Natur des Lasters: ἀπελθοῦσαι ὀπίσω σαρκὸς ἑτέρας (vgl. abe­un­tes post car­nem alteram): sie folg­ten einem ande­ren Fleisch, anders als das ver­pflich­ten­de. Und trotz der unbe­dach­ten Aus­füh­run­gen von Msgr. Galan­ti­no und Kar­di­nal Bas­set­ti wer­den die Sodo­mi­ten für die­se und ande­re Sün­den „exem­pla­risch mit ewi­gem Feu­er bestraft“ (Jud 7).

*Don Alfre­do Maria Mor­sel­li, 1986 zum Prie­ster geweiht, zele­briert seit­her unun­ter­bro­chen nur im über­lie­fer­ten Römi­schen Ritus; des­halb wur­de er aus der Lehr­tä­tig­keit ent­fernt und wech­sel­te wegen des bedrücken­den Kli­mas das Bis­tum; er ist Pfar­rer im Erz­bis­tum Bolo­gna und gehört zu den Erst­un­ter­zeich­nern der Cor­rec­tio filia­lis gegen die Ver­brei­tung von Häre­si­en, die Papst Fran­zis­kus wegen des umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­bens Amo­ris lae­ti­tia über­mit­telt wur­de; 2018 sag­te er, nicht aus­zu­schlie­ßen, daß Fran­zis­kus von Per­so­nen umge­ben sei, die „Häre­ti­ker sind“; nach dem Pacha­ma­ma-Skan­dal im Okto­ber 2019 im Peters­dom kam von Don Mor­sel­li im Novem­ber 2019 die Anre­gung, „nicht nur den Peters­dom, son­dern den gan­zen Vati­kan zu exorzieren“.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Dog­maTv


1 Msgr. Nun­zio Galan­ti­no, lehr­te Theo­lo­gi­sche Anthro­po­lo­gie, 2011 zum Bischof von Cass­a­no all’­Jo­nio ernannt, 2013 von Papst Fran­zis­kus zum Gene­ral­se­kre­tär der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz beru­fen, seit 2018 Prä­si­dent der Güter­ver­wal­tung des Apo­sto­li­schen Stuhls.

2 Kar­di­nal Gual­tie­ro Bas­set­ti, 1992 Gene­ral­vi­kar der Erz­diö­ze­se Flo­renz, 1994 Bischof von Mas­sa Marit­ti­ma-Piom­bi­no, 1998 Bischof von Arez­zo, seit 2009 Erz­bi­schof von Peru­gia, Papst Fran­zis­kus ernann­te ihn 2017 zum Prä­si­den­ten der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz und nahm ihn 2014 ins Kar­di­nals­kol­le­gi­um auf.

3 In sei­ner Pre­digt bei der Mes­se am 24. Juli 2016 für ita­lie­ni­sche Teil­neh­mer beim Welt­ju­gend­tag in Kra­kau sag­te Erz­bi­schof Galan­ti­no tat­säch­lich, daß das Gebet zu Gott „aus Zuhö­ren und Ant­wor­ten besteht, durch die eine ech­te Bezie­hung zu Gott her­ge­stellt wird, die dazu drängt, kühn zu sein, kühn, wie Abra­hams Gebet zugun­sten von Sodom ist. Eine Stadt, auf die außer Abra­ham nie­mand gewet­tet hät­te. Sein Für­bitt­ge­bet und sein Wunsch, es zu wagen, ret­ten Sodom. Die Stadt ist geret­tet, weil es die Gerech­ten gibt, wenn auch nur weni­ge, aber die Stadt ist vor allem geret­tet, weil es Abra­ham gibt, einen Mann des Gebets, der nicht als uner­bitt­li­cher Anklä­ger han­delt, nicht dage­gen, son­dern dafür spricht“.
Kar­di­nal Bas­set­ti blieb nicht hin­ter Msgr. Galan­ti­no zurück, wenn er knap­per fol­gen­de The­se ver­trat: „Sodom und Gomor­rha wur­den dank Abra­ham und sei­ner Für­spra­che geret­tet, weil er wuß­te, wie barm­her­zig der Herr ist“.

4 Gen 19, 24–29: „[…] ließ der Herr auf Sodom und Gomor­rha Schwe­fel und Feu­er reg­nen, vom Herrn, vom Him­mel her­ab. Er ver­nich­te­te von Grund auf jene Städ­te und die gan­ze Gegend, auch alle Ein­woh­ner der Städ­te und alles, was auf den Fel­dern wuchs. Als Lots Frau zurück­blick­te, wur­de sie zu einer Salz­säu­le. Am frü­hen Mor­gen begab sich Abra­ham an den Ort, an dem er dem Herrn gegen­über­ge­stan­den hat­te. Er schau­te gegen Sodom und Gomor­rha und auf das gan­ze Gebiet im Umkreis und sah: Qualm stieg von der Erde auf wie der Qualm aus einem Schmelz­ofen. Als Gott die Städ­te der Gegend ver­nich­te­te, dach­te er an Abra­ham und ließ Lot mit­ten aus der Zer­stö­rung fort­ge­lei­ten, wäh­rend er die Städ­te, in denen Lot gewohnt hat­te, von Grund auf zerstörte.“

5 Päpst­li­che Bibel­kom­mis­si­on: „Was ist der Mensch?“ (Ps 8,5). Ein Gang durch die bibli­sche Anthro­po­lo­gie, 30–9‑2019, § 187

6 Angli­ka­ni­scher Theo­lo­ge der Church of England.

7 Pro­fes­sor der Geschich­te an der Yale University.

8 G. Del Guer­cio: Gesù non era con­tra­rio all’omosessualità? Sie­te sicu­ri? (War Jesus nicht gegen Homo­se­xua­li­tät? Bist du sicher?). Ale­teia , 29-10-2016.

9 „Was ist der Mensch?“ § 187.

10 Jud 7 (EÜ): „Auch Sodom und Gomor­rha und ihre Nach­bar­städ­te sind ein Bei­spiel: In ähn­li­cher Wei­se wie jene trie­ben sie Unzucht und woll­ten mit Wesen ande­rer Art ver­keh­ren; daher wer­den sie mit ewi­gem Feu­er bestraft“, so die Ein­heits­über­set­zung. In der Vul­ga­ta heißt es: „exfor­ni­ca­tae et abe­un­tes post car­nem alteram fac­tae sunt“.

11 2 Petr 2,6–10 (EÜ): „Auch die Städ­te Sodom und Gomor­rha hat er ein­ge­äschert und zum Unter­gang ver­ur­teilt, als ein Bei­spiel für alle Gott­lo­sen in spä­te­ren Zei­ten. Den gerech­ten Lot aber, der unter dem aus­schwei­fen­den Leben der Got­tes­ver­äch­ter litt, hat er geret­tet; denn die­ser Gerech­te, der mit­ten unter ihnen wohn­te, muß­te Tag für Tag ihr gesetz­wid­ri­ges Tun sehen und hören, und das quäl­te den gerech­ten Mann Tag für Tag. Der Herr kann die From­men aus der Prü­fung ret­ten; bei den Unge­rech­ten aber kann er war­ten, um sie am Tag des Gerichts zu bestra­fen, beson­ders die, die sich von der schmut­zi­gen Begier­de ihres Kör­pers beherr­schen las­sen und die Macht des Herrn ver­ach­ten. Die­se fre­chen und anma­ßen­den Men­schen schrecken nicht davor zurück, die über­ir­di­schen Mäch­te zu lästern.“

12 „Was ist der Mensch?“, § 186.

13 Über­set­zung nach CEI 2008.

14 Giu­sep­pe Scar­pat, Libro del­la Sapi­en­za, Bd. III, Bre­scia 1999.

15 So G. Scar­pat, Libro del­la Sapi­en­za, S. 321 und R. Bult­mann, TWNT , «ἀγνοέω». Vgl. auch Apo­stel­ge­schich­te 3,17.

16 So G. Scar­pat, Libro del­la Sapi­en­za, S. 383; ad abun­dan­ti­am, ich über­neh­me aus dem For­cel­li­ni [Egi­dio For­cel­li­ni 1688–1768, ita­lie­ni­scher Phi­lo­lo­ge]: „Acti­ve Igno­tus, quem­ad­mo­dum et Gr. ἄγνωστος, est qui non novit, insci­us, igna­rus, che non cono­sce, ign­a­ro [der nicht weiß, ahnungs­los]. Naevi­us apud Non. P. 124.28. Merc. Ignotae ite­ris sumus. Cic. 5. Fam. 12. a med. Illi arti­fi­ces cor­po­ris simu­la­cra igno­tis nota facie­b­ant. Id. 3. Herenn. 6.12. Ab audi­torum per­so­na, si lau­da­bimus, quo­niam nihil novi, nihil apud igno­tos lau­de­mus, nos monen­di cau­sa pau­ca dic­tur­os, aut si erunt igno­ti, ut talem vir­um velint cogno­s­ce­re pete­mus. Nepos Age­sil. 8. Igno­ti, faciem eius quam intuer­en­t­ur, contem­ne­b­ant: qui autem virt­utem noverant, non poterant admi­ra­ri satis. Phaedr. 1.11. Vir­tutis expers, ver­bis iac­tans glo­ri­am, Igno­tos fal­lit, notis est deri­sui. Cal­li­strat. Dig. 49.14.2. sub fin. Igno­tus iuris sui.
Ita Tor­ren­tin.; bei Halo­an­der edi­dit igna­rus. Adde Curt. 5.12. in fin.; et Quin­til. 6.2.3. Hinc ali­quan­do igno­tus und igna­rus ut vari­an­tes lec­tion­es in MSS. occur­runt, quem­ad­mo­dum apud Ovid. 5. Trist. 9.2. Misit in ignotam qui rude semen humum.

17 G. Scar­pat, Libro del­la Sapi­en­za, S. 321f.

18 Ex 7,28: „Der Nil wird von Frö­schen wim­meln; sie wer­den her­auf­kom­men und in dein Haus ein­drin­gen, in dein Schlaf­ge­mach, auf dein Bett wer­den sie kom­men, in die Häu­ser dei­ner Die­ner und dei­nes Vol­kes, in dei­ne Back­öfen und Backschüsseln.“

19 Ex 10,19: „Der Herr ließ den Wind in einen sehr star­ken West­wind umschla­gen, der die Heu­schrecken fort­trug und ins Schilf­meer warf. Im gan­zen Gebiet von Ägyp­ten blieb kei­ne ein­zi­ge Heu­schrecke mehr übrig.“

20 „Was ist der Mensch?“, § 188.

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