(Rom) Nicht nur die Luxusimmobilie Harrods in der Londoner Sloane Avenue, in deren Anteile seit 2014 vom Vatikan 385 Millionen Euro für Kauf und Umbau investiert wurden, bringen Kardinal Angelo Becciu in Verlegenheit. Die Financial Times bestätigte weitere Investitionen in Luxusimmobilien im Wert von rund 110 Millionen Euro. Die britische Tageszeitung zitiert dazu E‑Mails, Kontoauszüge und weitere Dokumente. Im Mittelpunkt der Geldflüsse steht jeweils der vor wenigen Tagen deshalb als Präfekt der Heiligsprechungskongregation abgesetzte Kardinal Becciu.
Unterdessen nahm die Familie Becciu, involviert sind neben dem Kardinal auch zwei seiner Brüder, einen Anwaltswechsel vor, da ihr erster Rechtsbeistand, der gegen links und rechts mit Klagen gedroht hatte, von sich im Internet „leichtbekleidete“ Fotos veröffentlicht hatte. Eine Nebensächlichkeit, die jedoch die Position des Kardinals im Vatikan nicht begünstigt.
Die neuen Enthüllungen belasten Kardinal Beccciu, der formal bis vergangene Woche einer der engsten Vertrauten von Papst Franziskus war. Hinter den Kulissen soll das Verhältnis wegen der Ermittlungen bereits im Herbst 2019 abgekühlt sein.
Die vier Luxusimmobilien, die von Becciu in seiner Zeit als Substitut des Kardinalstaatssekretärs für den Vatikan gekauft wurden, befinden sich am Cadogan Square sowie zwischen Hans Place und Pavilion Road in Knightsbridge, einer noblen, sehr teuren Londoner Wohngegend am Übergang zum Stadtteil Chelsea. Hans Place wird in der britischen Hauptstadt als bevorzugter Wohnort von „internationalen Geschäftsleuten und Superreichen“ genannt.
Die Käufe wurden, so Financial Times, durch Darlehen der inzwischen abgewickelten Tessiner Bank BSI, bis zur Auflösung die älteste aktive Bank der Schweiz, und der Zürcher Rothschild Bank finanziert.
In den kommenden Tagen wollen die ermittelnden vatikanischen Staatsanwälte Gian Piero Milano und Alessandro Diddi die Anklagen formalisieren, für die sich der Kardinal wird verantworten müssen. Spätestens nächste Woche soll Becciu vom Staatsanwalt vernommen werden. Die vatikanischen Ermittler stellten zudem einen Rechtshilfeantrag an die italienische Staatsanwaltschaft in Rom, um zu klären, ob Straftaten auch auf italienischem Staatsgebiet begangen wurden. Die italienischen Ermittlungen werden von Staatsanwältin Maria Teresa Gerace geleitet. Sie betreffen die Investitionen in die Luxemburger Gesellschaft Athena und die Geschäfte der Familie Becciu mit dem angolanischen Geschäftsmann Antonio Mosquito.
Kardinal George Pell, von 2014 bis 2017 erster Präfekt des Wirtschaftssekretariats des Heiligen Stuhls, ist gestern nach Rom gekommen und bereit, die ihm zur Verfügung stehenden Informationen, die er in seiner Amtszeit sammeln konnte, den Ermittlern zur Verfügung zu stellen. Allerdings soll er das mit einer Audienz bei Papst Franziskus gekoppelt haben, den er zuerst sehen und unterrichten möchte, bevor er mit den Ermittlern spricht.
Kardinal Pell war Anfang April nach dreizehn Monaten Gefängnis vom Obersten Gerichtshof von Australien freigesprochen, aber seither nicht von Papst Franziskus empfangen worden. Der nun explodierte Finanzskandal um Kardinal Becciu und seine ehemalige Abteilung im vatikanischen Staatssekretariat könnte auch diesbezüglich die Karten neu gemischt haben.
Kardinal Pell erwartet weiterhin seine Rehabilitierung durch Papst Franziskus. Der Kardinal kann immerhin noch bis zum 8. Juni 2021 an einem eventuell stattfindenden Konklave teilnehmen, von dem Kardinal Becciu trotz Beibehaltung der Kardinalswürde (sein Wahlrecht würde bis zum 2. Juni 2028 gehen) vorerst ausgeschlossen wurde.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Religiondigital (Screenshot)