Auf Kardinal Becciu warten viele Fragen

Staatsanwaltschaft ermittelt zu verschiedenen Operationen


Kardinal Angelo Becciu steht im Mittelpunkt von Ermittlungen der vatikanischen Staatsanwaltschaft. Immer neue Details werden bekannt, die Papst Franziskus veranlaßt hätten, ihn aller Funktionen zu entheben.
Kardinal Angelo Becciu steht im Mittelpunkt von Ermittlungen der vatikanischen Staatsanwaltschaft. Immer neue Details werden bekannt, die Papst Franziskus veranlaßt hätten, ihn aller Funktionen zu entheben.

(Rom) Ver­gan­ge­ne Woche kam es zu einer dra­ma­ti­schen Begeg­nung zwi­schen Papst Fran­zis­kus und Kar­di­nal Ange­lo Becciu, der bis dahin zu sei­nem eng­sten Ver­trau­ten­kreis gehör­te. Fran­zis­kus hat­te den sar­di­schen Pur­pur­trä­ger mit dem Ruf eines Tech­no­kra­ten, für den „kon­ser­va­tiv“ oder „pro­gres­siv“ kei­ne inter­es­san­ten Kate­go­rien sind, zu sei­nem Dele­ga­ten beim Mal­te­ser­or­den ernannt, ihn an die Spit­ze einer römi­schen Kon­gre­ga­ti­on beför­dert, eines der rang­höch­sten Mini­ste­ri­en der Römi­schen Kurie, und ihn zum Kar­di­nal kre­iert. Doch vor weni­gen Tagen folg­te auf den stei­len Auf­stieg ein jäher Absturz.

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Der Papst rech­ne­te sei­nem Ver­trau­ten vor, daß der ango­la­ni­sche Unter­neh­mer Anto­nio Mos­qui­to vor weni­gen Mona­ten 1,5 Mil­lio­nen Euro in das Unter­neh­men von Becci­us Brü­dern inve­stier­te. Mos­qui­to ist ein Freund des Kar­di­nals. In des­sen Akti­en­ge­sell­schaft Fal­con Oil Hol­ding Ango­la woll­te Becciu 2013 250 Mil­lio­nen Euro aus den vati­ka­ni­schen Kas­sen inve­stie­ren. Kon­kret soll­te das Geld in eine Ölbohr­in­sel vor den Küsten des afri­ka­ni­schen Lan­des im Off­shore-Block 15/​06 flie­ßen. „Das ist nicht in Ord­nung“, soll Fran­zis­kus zu sei­nem Kar­di­nal gesagt haben, jeden­falls gibt es Emi­lia­no Fit­ti­pal­di so in der Tages­zei­tung Doma­ni wie­der.

Das war aber nur ein Grund, wes­halb das Kir­chen­ober­haupt von Becciu den Rück­tritt von sei­nen Ämtern und den Ver­zicht auf sei­ne Rech­te als Kar­di­nal for­der­te. Ganz fal­len gelas­sen wur­de der ein­sti­ge Sub­sti­tut des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs aller­dings nicht, denn die Kar­di­nals­wür­de wur­de ihm von Fran­zis­kus belas­sen. Der Papst nuan­ciert bei den Stra­fen. Den genau­en Grund dafür wird man erst noch erfah­ren müssen.

Als Becciu 2011 Sub­sti­tut des vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­ats wur­de, erhielt er Kennt­nis vom „Not­gro­schen“ des Hei­li­gen Stuhls. Des­sen Wert wur­de im ver­gan­ge­nen Jahr auf 650 Mil­lio­nen ange­ge­ben und stammt zum Groß­teil aus dem Peters­pfen­nig.

Kurz vor dem Amts­ver­zicht von Papst Bene­dikt XVI. schrieb Becciu, damals Kuri­en­erz­bi­schof, im Janu­ar 2013 an Enri­co Cras­so, der für die Cre­dit Sui­s­se tätig war, die tra­di­tio­nell die Inve­sti­tio­nen des Apo­sto­li­schen Stuhls abwickel­te. Zusam­men mit Fal­con Oil, ENI und ande­ren Aktio­ni­sten woll­te sich Becciu mit dem Geld des Hei­li­gen Stuhls an der Erd­öl­för­de­rung vor der Küste Ango­las betei­li­gen. Den Unter­neh­mer Anto­nio Mos­qui­to kann­te Becciu aus sei­ner Zeit als Nun­ti­us in Angola.

Von Raf­fae­le Min­cio­ne, auch gegen ihn wird von der vati­ka­ni­schen Staats­an­walt­schaft inzwi­schen ermit­telt, wur­de eine Risi­ko­rech­nung ange­fer­tigt, die den Hei­li­gen Stuhl eine hal­be Mil­li­on Euro koste­te. Das Ergeb­nis fiel nega­tiv aus. Die Inve­sti­ti­on sei „nicht wirt­schaft­lich“, Mos­qui­to finan­zi­ell gese­hen kein geeig­ne­ter Geschäfts­part­ner. Min­cio­ne, der auf die­se Wei­se Kon­takt zu Becciu erhielt, mach­te nun sei­ner­seits einen Vor­schlag, das Geld in die Invest­ment­ge­sell­schaft Athe­na mit Sitz in Luxem­burg und ver­wal­tet von sei­ner WRM Hol­ding zu inve­stie­ren. Über die­sen Weg wur­de dem Vati­kan ein 45-Pro­zent­an­teil an der Luxus­im­mo­bi­lie Har­rods in Lon­don ver­kauft, die Min­cio­ne zwei Jah­re zuvor zu gün­sti­ge­ren Bedin­gun­gen gekauft hat­te. Die­se Trans­ak­ti­on brach­te die Ermitt­lun­gen ins Rollen.

Gegen Anto­nio Mos­qui­to wird zwar nicht ermit­telt, den­noch inter­es­siert sich die Staats­an­walt­schaft für die vor kur­zem erfolg­te Inve­sti­ti­on in das Becciu-Unter­neh­men. Sein Erd­öl-Pro­jekt, das 2013/​2014 nicht zustan­de kam, steht am Anfang der Inve­sti­tio­nen, die den Vati­kan viel Geld geko­stet haben. Hell­hö­rig wur­den die Ermitt­ler, als vor weni­gen Mona­ten Mos­qui­to plötz­lich 1,5 Mil­lio­nen Euro an Becci­us Brü­der zahl­te. Die Braue­rei Angel’s srl auf Sar­di­ni­en wird zu 95 Pro­zent von Becci­us Bru­der Mario und zu fünf Pro­zent von sei­nem Bru­der Fran­ces­co gehal­ten. Das Gesell­schafts­ka­pi­tal beträgt 10.000 Euro. Die Inve­sti­ti­on Mos­qui­tos ist 150 Mal so groß. Die vati­ka­ni­sche Staats­an­walt­schaft will Klar­heit haben, ob alles rech­tens ist oder sich hin­ter die­ser Über­wei­sung ein ande­res Geschäft ver­steckt, das sie inter­es­sie­ren könnte. 

Der Kar­di­nal ver­tei­digt sich mit dem Hin­weis, daß sein Bru­der Mario Mos­qui­to vor eini­gen Jah­ren ohne sei­ne Ver­mitt­lung ken­nen­ge­lernt habe und sich eine Geschäfts­part­ner­schaft ergab, mit der er nichts zu tun habe. Mario Becciu, ein Psy­cho­lo­ge, erklär­te auf Nach­fra­ge, er habe Mos­qui­to ein Pro­jekt unter­brei­tet, mit dem auti­sti­schen Men­schen gehol­fen wer­den solle.

800.000 Euro habe die Braue­rei von Mos­qui­to bereits erhal­ten. Die­se pro­du­ziert aber selbst kein Bier, son­dern ver­treibt nur wel­ches von einer ande­ren Braue­rei. Dar­an sei das Coro­na­vi­rus schuld, so die Erklä­rung von Mario Becciu. Alles sei regu­lär, sagt er.

Doch Papst Fran­zis­kus scheint es anders zu sehen. Die Geschäfts­kon­tak­te, der Geld­fluß in ein Bier­pro­jekt für Auti­sten und die Lon­do­ner Immo­bi­li­en schei­nen ihn nicht zu überzeugen.

Kar­di­nal Becciu kann die Reak­ti­on des Pap­stes nicht ver­ste­hen. Im Vati­kan wun­dert man sich dar­über nicht. Der Kar­di­nal sei ein Tech­no­krat. Es bestehe kein Zwei­fel, daß er dem regie­ren­den Papst in größ­ter Treue erge­ben war. Die­se Gefolg­schaft sei für jemand wie Becciu fel­sen­fest gewe­sen. Sei­ne eige­nen Inter­es­sen sehe er davon völ­lig los­ge­löst. Des­halb sei für ihn, der bereit gewe­sen wäre, für sei­nen Papst alles zu geben, nicht nach­voll­zieh­bar, daß ihn die­ser fal­len läßt. Des­halb bezeich­ne­te er sei­ne Ent­las­sung durch Fran­zis­kus als „sur­re­al“.

Unter­des­sen wur­de von den Brü­dern Becciu ein Rechts­an­walt beauf­tragt, Ver­leum­dungs­kla­gen zu prüfen. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Info­Va­ti­ca­na

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