(Rom) Als Nachfolger von Papst Franziskus wird von dessen Umfeld und von Franziskus selbst ein Purpurträger besonders ins Auge gefaßt: der philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle. Am 10. September war der 63-jährige Kardinal bei seiner Ankunft am Flughafen von Manila positiv auf das Coronavirus getestet worden. Da derzeit Meldungen zur Unterstützung des Pandemie-Narrativs täglich willkommene Verbreitung finden, wurde auch dieser Test zur weltweiten Nachricht. Zum kleinen Superlativ wurde sie, weil Tagle der „erste Kurienkardinal” ist, der positiv getestet wurde. Wichtiger war für die Berichterstattung wohl eher, daß der philippinisch-chinesische Purpurträger in einflußreichen progressiven Kirchenkreisen als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge von Papst Franziskus gesehen wird.
Jemand war offensichtlich besorgt. Viele wurden besorgt gemacht. Völlig unbegründet, wie sich nun bestätigte, aber eigentlich von Anfang an feststand. Heute meldete das Päpstliche Philippinische Kolleg in Rom, daß der Kardinal wieder „gesund” sei. In Wirklichkeit hatte bereits am 11. September Vatikansprecher Matteo Bruni erklärt, daß Kardinal Tagle „symptomfrei” sei. Eine Erkrankung lag also nie vor. Sehr wahrscheinlich gehört der Kardinal zur großen Gruppe von positiv Getesteten, die symptomfrei sind – derzeit in Europa rund 95 Prozent aller „Fälle” –, aber fälschlich jeden Tag von den Medien als „Infizierte” oder „Erkrankte” gemeldet werden.
Weil die Corona-Maßnahmen der Regierungen es vorsehen, so auch auf den Philippinen, begab sich der Kardinal in häusliche Quarantäne, die er nun nach 14 Tagen wieder verlassen hat. Das Päpstliche Philippinische Kolleg in Rom schreibt dazu – auch fälschlich –, der Kardinal habe sich von dem Coronavirus „erholt”. Das mußte er gar nicht, weil weder Beschwerden noch eine Erkrankung vorlagen. Ob er infektiös war, wurde ebenso wenig erhoben wie näher überprüft, was an ihm „positiv” getestet worden war. Das Problem ist, daß derzeit durch zu viele Tests zu viele falsche „Positive” erhoben, aber unverdrossen wie ein tägliches Kriegsbulletin publiziert werden.
Die „Genesung” des Kardinals, so Gregory Gaston, Rektor des Päpstlichen Philippinischen Kollegs, sei „eine große Freude für die ganze Kirche”. Nicht minder begeistert meinte der Priester: „Gott möchte, daß er weiterhin im Amt für die Missionen im Vatikan dient, um Gottes frohe Botschaft von Liebe, Freude, Frieden, Gerechtigkeit, Vergebung und Versöhnung zu überbringen – all das braucht die Welt heutzutage in besonderem Maße.”
Kardinal Tagle, Exponent der progressiven Schule von Bologna, an deren Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils er mitarbeitete, wurde von Johannes Paul II. zum Bischof von Imus, von Benedikt XVI. zum Erzbischof von Manila und Kardinal und von Papst Franziskus am 8. Dezember 2019 zum Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker ernannt. Seit 2015 ist Kardinal Tagle Vorsitzender von Caritas Internationalis, der Dachorganisation aller nationalen Caritasverbände, ein Amt, das er trotz seiner Ernennung zum Dikasterienleiter vorerst bis 2023 ausüben will. Er folgte darin Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga nach, der sich nach der Wahl von Papst Franziskus selbst als möglicher Franziskus II. ins Spiel gebracht hatte. Wegen Skandalen, die sein Erzbistum Tegucigalpa betreffen, mußte der Honduraner seine Hoffnungen auf den Stuhl Petri wieder begraben.
Von solchen hielt sich Kardinal Tagle fern. Natürlich ist er nicht der einzige Papabile, aber mit Sicherheit der in progressiven Kirchenkreisen derzeit am höchsten quotierte. Unübersehbar sind zudem Gunsterweise durch Papst Franziskus, zuletzt im vergangenen Mai, als er Tagle zum Kardinalbischof und damit in den höchsten Rang des Kardinalskollegiums beförderte.
Als Präfekt der ehemaligen Propaganda Fide, zu deren Zuständigkeitsbereich alle einstigen oder heutigen Missionsgebiete der Neuzeit gehören, bringen den Kardinal in Kontakt mit dem Großteil der bestehenden Diözesen. Er steht damit jenem Teil der Weltkirche bei, in den sich das kirchliche Schwergewicht verlagert. Als Vorsitzender der Caritas Internationalis steht er einem zweiten Bereich vor, der im Pontifikat von Papst Franziskus eine zentrale Rolle spielt. Beide Bereiche sichern dem Kronprinzen von Franziskus eine herausragende Vernetzung in der Kirche.
Siehe auch: Der Aufstieg des Luis Antonio Tagle.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: rcam.org