In den kommenden Monaten könnte die Kirche in zahlreichen Ländern vor einem nicht geringen moralischen Problem stehen. Mehrere EU-Staaten, darunter die Regierungen in Berlin, Paris und Rom, haben Kaufabsichten für den in Oxford vom Pharmaunternehmen AstraZeneca hergestellten Coronaimpfstoff abgegeben. Die Kaufoption betrifft gleich mehrere hundert Millionen Impfdosen. Mit dem Unternehmen, vor allem mit dem Impfstoff ist es aber so eine Sache.
Das Unternehmen AstraZeneca wurde bereits in der Vergangenheit wegen Problemen bekannt. Mit dem Coronaimpfstoff könnte es nun gleich knüppeldick kommen. Da ist zunächst die Frage des Testverfahrens. Die Zulassung von Pharmaka ist genau geregelt und dauert Jahre. Wiederholt wurde jedoch angedeutet, dieses Verfahren für den Coronaimpfstoff abzukürzen, um „schnell” einen Impfstoff zu haben, der von Bill Gates und verschiedenen Regierungen bereits im März zum Allheilmittel erklärt wurde. Mehr noch: Es wurde schon damals, ohne nähere Kenntnis des Virulenzverlaufs verkündet, eine Rückkehr zur Normalität werde es erst geben, wenn es einen Impfstoff gibt. Die Politik manövrierte sich damit selbst in eine Sackgasse und nahm die Völker in Geiselhaft. Seither wartet alles auf den Impfstoff. Der Oxford-Impfstoff könnte laut Ankündigungen bereits zum Jahresende vorliegen, was zwangsläufig die Nichteinhaltung der Zulassungsregeln bedeuten würde,was nur mit Hilfe der Politik möglich sein wird.
Der erzeugte Erwartungsdruck lastet seither auf der Impfstoffentwicklung. Zudem konkurrieren weltweit zwischen 160 und 180 Pharmaunternehmen und Labors in einem Wettrennen, bei dem jeder der Erste sein will, denn es geht um das Milliardengeschäft, ja das Jahrtausendgeschäft der Pharmaindustrie. Auch dieser Wettlauf ist alles andere als ein Garant für Sorgfalt und Zuverlässigkeit.
Daraus ergibt sich auch das nächste Problem: AstraZeneca, das den von Bill Gates und den westlichen Regierungen bevorzugten Oxford-Impfstoff entwickelt, erklärte, keine Haftung für mögliche unerwünschte Wirkungen und Nebenwirkungen übernehmen zu wollen. Die Frage ist hochbrisant: Es steht eine Impfpflicht im Raum, die auch dann gegeben ist, wenn sie nur indirekt sein sollte, etwa durch formal freiwillige Impfung, aber faktische Aussperrungen und Zugangsverbote für jene, die keine Impfung vorweisen können, aber die Hersteller übernehmen keine Haftung!? In Österreich wollen Universitäten ihren Studenten im bevorstehenden akademischen Jahr den Zutritt zu den Universitätsgebäuden, damit zu Lehrveranstaltungen und Prüfungen verweigern, wenn sie nicht eine Erklärung unterzeichnen, sich an die Coronamaßnahmen zu halten und beispielsweise eine Maske zu tragen. Der Staat zwingt möglicherweise direkt oder indirekt zur Impfung und die Bürger sollen auch noch das volle Risiko dafür tragen?
In diesem Zusammenhang ist von Interesse, was die Wirtschaftsseite Business Insider am 5. Juni berichtete:
„Zwei Milliarden Dosen des Oxford-Coronavirus-Impfstoffs werden von AstraZeneca nach einem 750-Millionen-Dollar-Deal mit Wohltätigkeitsorganisationen entwickelt, die von der Bill and Melinda Gates Foundation unterstützt werden.“
Das dritte Problem betrifft die Verwendung von Zellinien abgetriebener Kinder durch AstraZeneca bei der Herstellung des Coronaimpfstoffes. Auf diesen schwerwiegenden Punkt machte erneut der Vatikanist Marco Tosatti aufmerksam:
„Mit anderen Worten: Wenn ich diesen Impfstoff verwende, unterstütze ich den Markt für die Verwendung abgetriebener Kinder und mache mich folglich moralisch mitschuldig.”
Indirekt würde man auch mitschuldig an der Tötung ungeborener Kinder, denn sie ist Voraussetzung für die Gewinnung der Zellinien, die zur Herstellung des Impfstoffs eingesetzt werden.
Obwohl das Problem bereits seit Wochen bekannt ist, gab es in Europa kaum Reaktionen darauf. Die Bekämpfung des Coronavirus „heiligt” alle Mittel? Auch von kirchlicher Seite war bisher nur wenig zu hören. Ausnahmen bestätigen die Regel, bieten aber dafür umso wichtigere Anhaltspunkte.
Bedenken in Australien
Der anglikanische Erzbischof von Sydney in Australien, Glenn Davies, brachte seine Bedenken zum Ausdruck und erklärte, den Oxford-Impfstoff wahrscheinlich boykottieren zu wollen.
Die australische Bundesregierung hatte ebenfalls ein internationales Abkommen unterzeichnet, das allen Australiern Zugang zum britischen Impfstoff des Pharmakonzerns AstraZeneca sichern soll, sobald er zugelassen wird.
Die Verwendung von Gewebe abgetriebener Kinder zur Herstellung des Impfstoffs „ist verwerflich”, so der anglikanische Erzbischof. Seiner Meinung schlossen sich auch katholische und griechisch-orthodoxe Kirchenführer Australiens an und verfaßten einen gemeinsamen Brief an Premierminister Scott Morrison.
Der Anglikaner ließ sich zwar eine Hintertür offen, lehnt aber nach derzeitigem Kenntnisstand eine Empfehlung für den Impfstoff ab. Es gebe „ernsthafte Bedenken” gegen seine Verwendung. Es werde alles von der Art der Entwicklung anderer Impfstoffe abhängen.
Der katholische Erzbischof von Sydney, Msgr. Anthony Fisher, hingegen fiel ihm in den Rücken. Fisher, ein Dominikaner und Bioethiker, war von Papst Franziskus zum Erzbischof ernannt worden, als dieser Kardinal George Pell als Präfekten des neuerrichteten Wirtschaftssekretariat an die Römische Kurie berufen hatte. Msgr. Fisher kann „nichts Unmoralisches” am Oxford-Impfstoff erkennen, wie er dem Catholic Weekly erklärte, wenn das die einzige Möglichkeit sei, eine Infizierung durch das Coronavirus zu verhindern. Er folgt damit der Linie der Bischofskonferenz von England und Wales, die bereits eine Verwendung von Gewebe abgetriebener Kinder für unbedenklich erklärte, da der Oxford-Impfstoff einem höheren Gut diene. Natürlich sei Abtreibung abzulehnen, so Englands Bischöfe, und auch Erzbischof Fisher betonte, die Vorstellung, daß für die Herstellung des Impfstoffs Gewebe abgetriebener Kinder verwendet wird, habe ihn „zutiefst erschüttert”. Letztlich wurde dem Gates-Impfstoff jedoch grünes Licht erteilt.
Eine offizielle Antwort von Premierminister Morrison steht noch aus. Dem Einfluß von Bill Gates und seinem Oxford-Impfstoff entziehen sich Regierungschefs nicht so leicht.
Der griechisch-orthodoxe Metropolit von Australien, Makarios Griniezakis, ließ wissen, er werde sich öffentlich zum Impfstoff erst äußern, wenn eine Antwort des Premierministers vorliegt.
Ein Sprecher von Catholic Health Australia, der größten nichtstaatlichen Gruppe von Gesundheits- und Altenpflegediensten Australiens, sagte, die Gruppe hoffe, daß es verschiedene Impfoptionen geben werde:
„Wir unterstützen Forschung auf der Grundlage höchster ethischer Standards und hoffen daher auf eine Forschung, die die ethischen Standards keines Australiers kompromittiert. Wenn diese Standards kompromittiert werden, haben wir die moralische Pflicht, nach Alternativen zu suchen.“
Wie der anglikanische Erzbischof schob auch der Sprecher ein „aber“ nach: „Sollte es jedoch keine Alternativen geben, haben wir die Pflicht, uns im Sinne des Allgemeinwohls um alle Australier zu kümmern.”
Die katholische Gruppe vertritt 75 Krankenhäuser und 550 Altenpflegedienste.
Wird die Stimme des Papstes hörbar?
Laut australischen Quellen werde derzeit weltweit an der Entwicklung von ungefähr 167 Corona-Impfstoffen geforscht. Viele von ihnen verwenden keine Zelllinien von abgetriebenen Kindern. Deshalb formuliert Marco Tosatti einen indirekten Appell an Papst Franziskus, den er nicht erwähnte, aber dessen Bild er dazu veröffentlichte:
„Vielleicht wäre es angebracht, daß eine moralische Autorität laut und deutlich spricht, um klarzustellen, daß es für viele Katholiken ein moralisches Problem gibt. Hoffen wir, daß das geschieht …
Gestern nahm Papst Franziskus bei der zweiten Generalaudienz, die wieder, wenn auch in eingeschränkter Form, mit Volksbeteiligung stattfand, zum Impfstoff Stellung, sagte allerdings nichts zur genannten Frage.
Das Kirchenoberhaupt beschränkte sich darauf, Kritik daran zu üben, daß manche ein Geschäft mit dem Impfstoff machen wollen. Dabei handelte es sich weder um eine grundsätzliche Kritik noch um die Formulierung von Bedenken, wie sie anhand der drei genannten Problemkreise aufgezeigt wurden.
Franziskus kritisierte, daß Politiker sich Impfdosen für ihr Land sichern wollen, aber andere leer ausgehen könnten. Der Impfstoff sei nicht nur eine Frage des Einzelnen, sondern der Allgemeinheit, so Franziskus, der die Impffrage auf Kapitalismuskritik und Dritte-Welt-Lobbyismus reduzierte.
Mit seiner Wortmeldung unterstützte Franziskus als moralische Autorität den flächendeckenden Impfgedanken als angeblich einzigen Schutz gegen das Coronavirus, wie es Bill Gates und die meisten westlichen Regierungen behaupten.
Die Frage, ob es überhaupt noch einen Sinn macht, sich in Europa gegen das Coronavirus impfen zu lassen, da sich dessen Virulenz auf ein Minimum reduziert hat, und die Frage, wie sinnvoll es grundsätzlich ist, daß gesunde Menschen, die keine Gefahr laufen, durch das Coronavirus Schaden zu nehmen, sich impfen lassen sollen, sind weitere Fragen, die jedoch auf einem anderen Blatt stehen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)