Der Coronaimpfstoff und ein moralisches Problem

Papst Franziskus nimmt zum Coronaimpfstoff Stellung und redet doch vorbei


Bei der gestrigen Generalaudienz nahm Papst Franziskus zum Corona-Impfstoff Stellung, blieb dabei aber hinter den Erwartungen zurück.
Bei der gestrigen Generalaudienz nahm Papst Franziskus zum Corona-Impfstoff Stellung, blieb dabei aber hinter den Erwartungen zurück.

In den kom­men­den Mona­ten könn­te die Kir­che in zahl­rei­chen Län­dern vor einem nicht gerin­gen mora­li­schen Pro­blem ste­hen. Meh­re­re EU-Staa­ten, dar­un­ter die Regie­run­gen in Ber­lin, Paris und Rom, haben Kauf­ab­sich­ten für den in Oxford vom Phar­ma­un­ter­neh­men Astra­Ze­ne­ca her­ge­stell­ten Coro­na­impf­stoff abge­ge­ben. Die Kauf­op­ti­on betrifft gleich meh­re­re hun­dert Mil­lio­nen Impf­do­sen. Mit dem Unter­neh­men, vor allem mit dem Impf­stoff ist es aber so eine Sache.

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Das Unter­neh­men Astra­Ze­ne­ca wur­de bereits in der Ver­gan­gen­heit wegen Pro­ble­men bekannt. Mit dem Coro­na­impf­stoff könn­te es nun gleich knüp­pel­dick kom­men. Da ist zunächst die Fra­ge des Test­ver­fah­rens. Die Zulas­sung von Phar­ma­ka ist genau gere­gelt und dau­ert Jah­re. Wie­der­holt wur­de jedoch ange­deu­tet, die­ses Ver­fah­ren für den Coro­na­impf­stoff abzu­kür­zen, um „schnell” einen Impf­stoff zu haben, der von Bill Gates und ver­schie­de­nen Regie­run­gen bereits im März zum All­heil­mit­tel erklärt wur­de. Mehr noch: Es wur­de schon damals, ohne nähe­re Kennt­nis des Viru­lenz­ver­laufs ver­kün­det, eine Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät wer­de es erst geben, wenn es einen Impf­stoff gibt. Die Poli­tik manö­vrier­te sich damit selbst in eine Sack­gas­se und nahm die Völ­ker in Gei­sel­haft. Seit­her war­tet alles auf den Impf­stoff. Der Oxford-Impf­stoff könn­te laut Ankün­di­gun­gen bereits zum Jah­res­en­de vor­lie­gen, was zwangs­läu­fig die Nicht­ein­hal­tung der Zulas­sungs­re­geln bedeu­ten würde,was nur mit Hil­fe der Poli­tik mög­lich sein wird.

Der erzeug­te Erwar­tungs­druck lastet seit­her auf der Impf­stoff­ent­wick­lung. Zudem kon­kur­rie­ren welt­weit zwi­schen 160 und 180 Phar­ma­un­ter­neh­men und Labors in einem Wett­ren­nen, bei dem jeder der Erste sein will, denn es geht um das Mil­li­ar­den­ge­schäft, ja das Jahr­tau­send­ge­schäft der Phar­ma­in­du­strie. Auch die­ser Wett­lauf ist alles ande­re als ein Garant für Sorg­falt und Zuverlässigkeit. 

Dar­aus ergibt sich auch das näch­ste Pro­blem: Astra­Ze­ne­ca, das den von Bill Gates und den west­li­chen Regie­run­gen bevor­zug­ten Oxford-Impf­stoff ent­wickelt, erklär­te, kei­ne Haf­tung für mög­li­che uner­wünsch­te Wir­kun­gen und Neben­wir­kun­gen über­neh­men zu wol­len. Die Fra­ge ist hoch­bri­sant: Es steht eine Impf­pflicht im Raum, die auch dann gege­ben ist, wenn sie nur indi­rekt sein soll­te, etwa durch for­mal frei­wil­li­ge Imp­fung, aber fak­ti­sche Aus­sper­run­gen und Zugangs­ver­bo­te für jene, die kei­ne Imp­fung vor­wei­sen kön­nen, aber die Her­stel­ler über­neh­men kei­ne Haf­tung!? In Öster­reich wol­len Uni­ver­si­tä­ten ihren Stu­den­ten im bevor­ste­hen­den aka­de­mi­schen Jahr den Zutritt zu den Uni­ver­si­täts­ge­bäu­den, damit zu Lehr­ver­an­stal­tun­gen und Prü­fun­gen ver­wei­gern, wenn sie nicht eine Erklä­rung unter­zeich­nen, sich an die Coro­na­maß­nah­men zu hal­ten und bei­spiels­wei­se eine Mas­ke zu tra­gen. Der Staat zwingt mög­li­cher­wei­se direkt oder indi­rekt zur Imp­fung und die Bür­ger sol­len auch noch das vol­le Risi­ko dafür tragen?

In die­sem Zusam­men­hang ist von Inter­es­se, was die Wirt­schafts­sei­te Busi­ness Insi­der am 5. Juni berich­te­te:

„Zwei Mil­li­ar­den Dosen des Oxford-Coro­na­vi­rus-Impf­stoffs wer­den von Astra­Ze­ne­ca nach einem 750-Mil­lio­nen-Dol­lar-Deal mit Wohl­tä­tig­keits­or­ga­ni­sa­tio­nen ent­wickelt, die von der Bill and Melin­da Gates Foun­da­ti­on unter­stützt werden.“

Das drit­te Pro­blem betrifft die Ver­wen­dung von Zellini­en abge­trie­be­ner Kin­der durch Astra­Ze­ne­ca bei der Her­stel­lung des Coro­na­impf­stof­fes. Auf die­sen schwer­wie­gen­den Punkt mach­te erneut der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti aufmerksam:

„Mit ande­ren Wor­ten: Wenn ich die­sen Impf­stoff ver­wen­de, unter­stüt­ze ich den Markt für die Ver­wen­dung abge­trie­be­ner Kin­der und mache mich folg­lich mora­lisch mitschuldig.”

Indi­rekt wür­de man auch mit­schul­dig an der Tötung unge­bo­re­ner Kin­der, denn sie ist Vor­aus­set­zung für die Gewin­nung der Zellini­en, die zur Her­stel­lung des Impf­stoffs ein­ge­setzt werden.

Obwohl das Pro­blem bereits seit Wochen bekannt ist, gab es in Euro­pa kaum Reak­tio­nen dar­auf. Die Bekämp­fung des Coro­na­vi­rus „hei­ligt” alle Mit­tel? Auch von kirch­li­cher Sei­te war bis­her nur wenig zu hören. Aus­nah­men bestä­ti­gen die Regel, bie­ten aber dafür umso wich­ti­ge­re Anhaltspunkte.

Bedenken in Australien

Der angli­ka­ni­sche Erz­bi­schof von Syd­ney in Austra­li­en, Glenn Davies, brach­te sei­ne Beden­ken zum Aus­druck und erklär­te, den Oxford-Impf­stoff wahr­schein­lich boy­kot­tie­ren zu wollen.

Die austra­li­sche Bun­des­re­gie­rung hat­te eben­falls ein inter­na­tio­na­les Abkom­men unter­zeich­net, das allen Austra­li­ern Zugang zum bri­ti­schen Impf­stoff des Phar­ma­kon­zerns Astra­Ze­ne­ca sichern soll, sobald er zuge­las­sen wird.

Die Ver­wen­dung von Gewe­be abge­trie­be­ner Kin­der zur Her­stel­lung des Impf­stoffs „ist ver­werf­lich”, so der angli­ka­ni­sche Erz­bi­schof. Sei­ner Mei­nung schlos­sen sich auch katho­li­sche und grie­chisch-ortho­do­xe Kir­chen­füh­rer Austra­li­ens an und ver­faß­ten einen gemein­sa­men Brief an Pre­mier­mi­ni­ster Scott Morrison.

Der Angli­ka­ner ließ sich zwar eine Hin­ter­tür offen, lehnt aber nach der­zei­ti­gem Kennt­nis­stand eine Emp­feh­lung für den Impf­stoff ab. Es gebe „ernst­haf­te Beden­ken” gegen sei­ne Ver­wen­dung. Es wer­de alles von der Art der Ent­wick­lung ande­rer Impf­stof­fe abhängen.

Der katho­li­sche Erz­bi­schof von Syd­ney, Msgr. Antho­ny Fisher, hin­ge­gen fiel ihm in den Rücken. Fisher, ein Domi­ni­ka­ner und Bio­ethi­ker, war von Papst Fran­zis­kus zum Erz­bi­schof ernannt wor­den, als die­ser Kar­di­nal Geor­ge Pell als Prä­fek­ten des neu­errich­te­ten Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­at an die Römi­sche Kurie beru­fen hat­te. Msgr. Fisher kann „nichts Unmo­ra­li­sches” am Oxford-Impf­stoff erken­nen, wie er dem Catho­lic Weekly erklär­te, wenn das die ein­zi­ge Mög­lich­keit sei, eine Infi­zie­rung durch das Coro­na­vi­rus zu ver­hin­dern. Er folgt damit der Linie der Bischofs­kon­fe­renz von Eng­land und Wales, die bereits eine Ver­wen­dung von Gewe­be abge­trie­be­ner Kin­der für unbe­denk­lich erklär­te, da der Oxford-Impf­stoff einem höhe­ren Gut die­ne. Natür­lich sei Abtrei­bung abzu­leh­nen, so Eng­lands Bischö­fe, und auch Erz­bi­schof Fisher beton­te, die Vor­stel­lung, daß für die Her­stel­lung des Impf­stoffs Gewe­be abge­trie­be­ner Kin­der ver­wen­det wird, habe ihn „zutiefst erschüt­tert”. Letzt­lich wur­de dem Gates-Impf­stoff jedoch grü­nes Licht erteilt.

Eine offi­zi­el­le Ant­wort von Pre­mier­mi­ni­ster Mor­ri­son steht noch aus. Dem Ein­fluß von Bill Gates und sei­nem Oxford-Impf­stoff ent­zie­hen sich Regie­rungs­chefs nicht so leicht. 

Der grie­chisch-ortho­do­xe Metro­po­lit von Austra­li­en, Maka­ri­os Gri­nie­za­kis, ließ wis­sen, er wer­de sich öffent­lich zum Impf­stoff erst äußern, wenn eine Ant­wort des Pre­mier­mi­ni­sters vorliegt.

Ein Spre­cher von Catho­lic Health Austra­lia, der größ­ten nicht­staat­li­chen Grup­pe von Gesund­heits- und Alten­pfle­ge­dien­sten Austra­li­ens, sag­te, die Grup­pe hof­fe, daß es ver­schie­de­ne Imp­f­op­tio­nen geben werde:

„Wir unter­stüt­zen For­schung auf der Grund­la­ge höch­ster ethi­scher Stan­dards und hof­fen daher auf eine For­schung, die die ethi­schen Stan­dards kei­nes Austra­li­ers kom­pro­mit­tiert. Wenn die­se Stan­dards kom­pro­mit­tiert wer­den, haben wir die mora­li­sche Pflicht, nach Alter­na­ti­ven zu suchen.“

Wie der angli­ka­ni­sche Erz­bi­schof schob auch der Spre­cher ein „aber“ nach: „Soll­te es jedoch kei­ne Alter­na­ti­ven geben, haben wir die Pflicht, uns im Sin­ne des All­ge­mein­wohls um alle Austra­li­er zu kümmern.”

Die katho­li­sche Grup­pe ver­tritt 75 Kran­ken­häu­ser und 550 Altenpflegedienste.

Wird die Stimme des Papstes hörbar?

Laut austra­li­schen Quel­len wer­de der­zeit welt­weit an der Ent­wick­lung von unge­fähr 167 Coro­na-Impf­stof­fen geforscht. Vie­le von ihnen ver­wen­den kei­ne Zell­li­ni­en von abge­trie­be­nen Kin­dern. Des­halb for­mu­liert Mar­co Tosat­ti einen indi­rek­ten Appell an Papst Fran­zis­kus, den er nicht erwähn­te, aber des­sen Bild er dazu veröffentlichte:

„Viel­leicht wäre es ange­bracht, daß eine mora­li­sche Auto­ri­tät laut und deut­lich spricht, um klar­zu­stel­len, daß es für vie­le Katho­li­ken ein mora­li­sches Pro­blem gibt. Hof­fen wir, daß das geschieht …

Gestern nahm Papst Fran­zis­kus bei der zwei­ten Gene­ral­au­di­enz, die wie­der, wenn auch in ein­ge­schränk­ter Form, mit Volks­be­tei­li­gung statt­fand, zum Impf­stoff Stel­lung, sag­te aller­dings nichts zur genann­ten Frage.

Das Kir­chen­ober­haupt beschränk­te sich dar­auf, Kri­tik dar­an zu üben, daß man­che ein Geschäft mit dem Impf­stoff machen wol­len. Dabei han­del­te es sich weder um eine grund­sätz­li­che Kri­tik noch um die For­mu­lie­rung von Beden­ken, wie sie anhand der drei genann­ten Pro­blem­krei­se auf­ge­zeigt wurden.

Fran­zis­kus kri­ti­sier­te, daß Poli­ti­ker sich Impf­do­sen für ihr Land sichern wol­len, aber ande­re leer aus­ge­hen könn­ten. Der Impf­stoff sei nicht nur eine Fra­ge des Ein­zel­nen, son­dern der All­ge­mein­heit, so Fran­zis­kus, der die Impf­fra­ge auf Kapi­ta­lis­mus­kri­tik und Drit­te-Welt-Lob­by­is­mus reduzierte. 

Mit sei­ner Wort­mel­dung unter­stütz­te Fran­zis­kus als mora­li­sche Auto­ri­tät den flä­chen­decken­den Impf­ge­dan­ken als angeb­lich ein­zi­gen Schutz gegen das Coro­na­vi­rus, wie es Bill Gates und die mei­sten west­li­chen Regie­run­gen behaupten. 

Die Fra­ge, ob es über­haupt noch einen Sinn macht, sich in Euro­pa gegen das Coro­na­vi­rus imp­fen zu las­sen, da sich des­sen Viru­lenz auf ein Mini­mum redu­ziert hat, und die Fra­ge, wie sinn­voll es grund­sätz­lich ist, daß gesun­de Men­schen, die kei­ne Gefahr lau­fen, durch das Coro­na­vi­rus Scha­den zu neh­men, sich imp­fen las­sen sol­len, sind wei­te­re Fra­gen, die jedoch auf einem ande­ren Blatt stehen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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