Aktuelle Forschungen von US-Philosophieprofessor Peter Chojnowski liefern Beweise dafür, was kritische Geister schon seit Jahrzehnten aussprechen: Diejenige Person, die von 1967 bis zu ihrem Tod 2005 der Weltöffentlichkeit als Sr. Lucia von Fatima präsentiert wurde, kann nicht die echte Seherin gewesen sein.
Diese Angelegenheit stinkt zum Himmel. Denn es ist ja nicht erklärlich, warum die Ereignisse von Fatima, bereits 1930 von der Kirche (Diözesanbischof von Leiria-Fatima, Dom Jose Alves Correia da Silva) anerkannt und immens populär im gläubigen Volk [1], nach dem Interview von Sr. Lucia am 26. Dezember 1957 mit Pater Fuentes und vor allem in den Jahren nach dem Konzil so gut wie keine Wirkung mehr entfalteten.
Seit der Veröffentlichung einiger diesbezüglicher Überlegungen vom 6. November 2014 sind bereits fast fünf Jahre ins Land gezogen.
In der Zwischenzeit teilte mir ein Künstler mit, der auf Portraits – mithin auf die minutiöse Beobachtung physiognomischer Details – spezialisiert ist, daß die seit 1967 gezeigte Sr. Lucia nicht dieselbe Person sein kann wie die von den früheren Photos bekannte. Somit erhielten meine im Artikel von 2014 ausgesprochenen Vermutungen erhöhte Bedeutung und Dringlichkeit.
Da die gesamte offizielle vatikanische Fatima-Geschichte voller Ungereimtheiten ist, gehen wir darauf noch einmal ausführlich ein, diesmal auf die offenkundigste Frage: Wie sollen zwei physiognomisch und habituell völlig unähnliche Menschen dieselbe Person sein können – und was folgt daraus?
Sr. Lucia Truth – ein Projekt zur Aufklärung
Mittlerweile hat der erwähnte Dr. Chojnowski ein Projekt namens Sr. Lucia Truth gestartet. Er beauftragte zwei Firmen, die sich mit Gesichtserkennung beschäftigen (Animetrics und iPRoBe, deren Berichte hier: Animetrics Facial Analysis Report, iPRoBe Facial Recognition), sowie den Plastischen Chirurgen Dr. Julio Garcia, den Zahnmediziner Ruud Karsten und die forensische Malerin Lois Gibson mit Gutachten über die Identität der beiden Personen. Die Schlußfolgerung bestätigte, was das nackte Auge aufgrund der vorliegenden Photographien erkennen muß: Die beiden Personen sind einander in keiner Weise ähnlich, somit handelt es sich um zwei verschiedene Individuen. [2]
Zur Vorgeschichte: Bruch der Kontinuität und merkwürdige Interviews
An dieser Stelle komme ich auf einige Überlegungen von vor fünf Jahren zurück:
Erstaunlich ist bezüglich der öffentlichen Wirksamkeit von Sr. Lucia, wie gesagt, daß es seit dem 26. Dezember 1957 kein nachvollziehbares und (an den bekannten Teilen der Fatima-Botschaft gemessenes) inhaltlich plausibles Interview mit der Seherin mehr gibt. Das ist umso bizarrer, als die Fatima-Botschaft ja kirchlich als übernatürlich anerkannt ist, man kirchlicherseits den Sehern also konzedierte, daß sie im wortwörtlichen Sinn direkte Adressaten einer göttlichen Botschaft waren. Und das soll nicht für Interviewpartner, Geistliche, Hierarchen interessant sein? (Zur historischen Aufarbeitung vgl. die relativ zeitnahen Publikationen Dr. Ludwig Fischer, Fátima – Das portugiesische Lourdes, Kirnach-Villingen 1930, oder Luis Gonzaga da Fonseca SJ, Maria spricht zur Welt, italienische Erstauflage Le Meraviglie di Fàtima, 1931, 20. Auflage 1996, Freiburg, Schweiz, und William Thomas Walsh, Our Lady of Fatima, 1947)
Im Gegenteil isolierte die kirchliche Obrigkeit die Seherin ab 1958, beschränkte die Kontaktmöglichkeiten drastisch und gestattete keine Interviews mehr (Stellungnahme des Ordinariats von Coimbra: „Sr. Lucia hat nichts weiteres mitzuteilen“).
Viel später, am 11.10.1992 kam es doch zu einem Interview, und zwar mit dem portugiesisch-kanadischen Journalisten Carlos Evaristo als Dolmetscher, das zwei Stunden lang dauerte – und in dem Sr. Lucia ihren eigenen früheren Aussagen von vor 1960 widersprach.
Auch ein zweites, diesmal einstündiges Interview in Anwesenheit von Herrn Evaristo genau ein Jahr später, also am 11.10.93, fand statt.
Beide Interviews dienten offensichtlich dem Zweck, die Botschaft von Fatima mit der Situation der nachkonziliaren Kirche und Welt kompatibel zu machen. In den Aussagen von Sr. Lucia bis zum 26.12.57 und denen nach diesem Datum besteht also ein Bruch.
Carlos Evaristo spielt ohnehin eine undurchsichtige Rolle: Diese Filmaufnahmen (mit gruseliger und suggestiver Hintergrundmusik) zeigen klar, daß Evaristo eine bestimmte Absicht verfolgte, nämlich alle kritischen Stimmen zu delegitimieren. Die Anhänger des verstorbenen Fr. Gruner werden dort unfreundlich als „Satelliten“ und „Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet. Herr Evaristo tritt sehr selbstbewußt auf – und spricht das Evidente, nämlich die Verschiedenheit der Physiognomien, nicht an.
Sr. Lucia wird dafür in diesem Bericht vom portugiesischen Fernsehen dahingehend zitiert, daß das Dritte Geheimnis nicht in der Bibel enthalten sei. Das widerspricht früheren Aussagen, wonach es sehr wohl in der Bibel, nämlich in den Evangelien und der Apokalypse des Johannes (spezifisch die Kapitel 8 bis 13), enthalten sei.
Desgleichen sagt dort Sr. Lucia, daß die Bekehrung Rußlands keine Bekehrung zum katholischen Glauben oder zum Christentum wäre, sondern lediglich eine von einem schlechteren Zustand zu einem besseren (!).
Klarerweise widerspricht das dem vor 1960 Gesagten.
Schließlich ist das Interview der angeblichen Seherin mit Kardinal Tarcisio Bertone vom 17. November 2001 sehr merkwürdig: Es ist schon Mark Fellows (Fatima in Twilight, Niagara Falls 2003) aufgefallen, daß in der publizierten Zusammenfassung nur wenige Aussagen der Seherin enthalten sind. Sollte jemand, der mehrerer Visionen und Auditionen der Gottesmutter gewürdigt und mit einer inhaltlich klar umrissenen Botschaft beauftragt worden ist, tatsächlich so wenig, fast nichts, zu sagen haben? Und sollte dieser Mensch den Kern der Botschaften, wie er in den 40er und 50er Jahren verkündet worden ist, vergessen oder relativiert haben?
Das ist unglaubhaft – ganz abgesehen davon, daß Papst Benedikt am 13.05.2010 in Fatima, wenn auch etwas kryptisch, sagte, daß die Botschaft von Fatima doch noch nicht abgeschlossen sei („Wer glaubt, daß die prophetische Mission Fatimas beendet sei, der irrt sich.“) und damit der Erklärung der Glaubenskongregation vom 26.06.2000, somit seiner eigenen, und dem erwähnten Bertone-Interview widersprach.
Leider steckt Papst emeritus Benedikt XVI. durch seine Unterstützung des auf die Unterminierung der Glaubwürdigkeit von Fatima abzielenden Lügenbuches von Kardinal Bertone Die Seherin von Fatima (2007) selbst in einer schlechten Situation, worauf wir hier schon ausführlich eingegangen sind.
Aber eben, es stellt sich die Frage: Konnte es sich wirklich um diejenige Person handeln, die als Kind erschütternder Visionen gewürdigt worden war?
Die merkwürdigen Photographien
Chojnowski beschäftigt sich ausführlich mit den vorliegenden und im Internet und Büchern greifbaren Photographien.
Dabei fällt eines sofort auf: Die schon bekannten Photos von Sr. Lucia als Kind und als junge Ordensschwester im Dorotheerinnenhabit einerseits und als Karmelitin andererseits sind merkwürdig. Man muß kein Kriminalbeamter oder Gerichtsmediziner sein, um festzustellen, daß zwischen den beiden Physiognomien keinerlei Ähnlichkeit besteht. Auch der Altersunterschied, der gemäß den jeweiligen Angaben etwa 20 Jahre ausmachen müßte, ist nicht erkennbar. Schließlich besteht zwischen beiden Personen ein erheblicher Unterschied in der Art und Weise, sich in der Öffentlichkeit zu geben, d. h. die Ausstrahlung ist eine andere.
Man darf auch nicht vergessen, daß es in Zeiten ohne Internet nicht allzu schwer gewesen sein dürfte, eine Schmierenkomödie dieser Art aufzuführen. Wer kannte schon in den 60er Jahren Sr. Lucia persönlich? [3]
Schließlich war das Fernsehen damals auch noch bei weitem nicht so flächendeckend verbreitet wie heute.
Die damals noch lebenden Verwandten und Bekannten der Seherin waren aufgrund der strengen Karmelklausur vermutlich genauso weit weg von dieser wie jeder andere Zeitgenosse. Selbst wenn Verwandte einen Besuch im Karmel machen durften, waren sie durch das Gesprächsgitter (möglicherweise doppelt und mit Vorhang) von der besuchten Schwester getrennt. Damit war die Identität der betreffenden Schwester auch zu verschleiern.[4]
Fazit: Weg mit der Selbstzensur, weg mit den Ausflüchten, auf den Tisch mit der Wahrheit!
Haben wir wirklich jemals geglaubt, daß eine Person, die im Jahr 1947 so aussieht [die Quellenangabe 1958 ist irrig, da Sr. Lucia den Habit der Dorotheerinnen trägt, aber 1948 in den Karmelitenorden wechselte], im Jahr 1967 so aussieht?
Vielleicht, vielleicht nicht, jedenfalls haben viele von uns ihre Wahrnehmung selbst zensiert. Wir wollten nicht sehen.
Es ist unerheblich, was Carlos Evaristo der von ihm genannte, offenbar sehr wichtige Priester Prof. Msgr. José Geraldes Freire und viele andere, die die offizielle vatikanische Fatima-Politik verteidigen, zu Protokoll geben: Wir sehen ja mit eigenen Augen, wie sehr die Fatima-Botschaft von der Kirchenobrigkeit unterdrückt wird [5] und ihre Wirkung im Kirchenvolk so gut wie vollständig verloren hat. Der Hierarchie ist es also bestimmt nicht um die Warnungen und Verheißungen Unserer Lieben Frau von Fatima gegangen.
Dazu: Rußland hat sich nicht bekehrt. Die Periode des Friedens ist nicht eingetreten. Die Kirche befindet sich in einem Zustand apokalyptischer Zerrüttung, vom Papst bis in die Pfarren Europas. Derjenige Zustand geistlicher Erneuerung, der Portugal nach der Weihe dieses Landes 1931 zuteil wurde und ein Modell für die Weltebene hätte sein sollen, ist nicht eingetreten. Diejenige Person, die aufgrund einer besonderen Sendung durch die Muttergottes der Kirche und der Welt eine wichtige Botschaft auszurichten hatte, verlor ihre Wirkkraft – und sah plötzlich ganz anders aus. Gleichzeitig wurde die Botschaft uminterpretiert, nicht zuletzt vom damaligen Kardinal Ratzinger und späteren Papst Benedikt XVI. Dazu brauchte man offenbar eine Person, die sich als Sr. Lucia ausgab und die neue vatikanische Politik mitmachte.
Sogar die Heiligsprechung von Jacinta und Francisco sind in diesem Zusammenhang als Ablenkungsmanöver, mithin als suspekt zu bewerten: Warum wurde nicht auch deren Cousine heiliggesprochen, nicht einmal seliggesprochen?
Die Antwort kann nur lauten: Diejenigen, die auf diesem Gebiet die Autorität besitzen, verhindern bewußt die für eine Seligsprechung notwendigen Untersuchungen. Zweck dieser Kabale ist, die nachkonziliare Verwirrung weiter zu betreiben.
Eine wissenschaftlich einwandfreie und nachvollziehbare Biographie der Seherin von Fatima soll nicht geschrieben werden und existiert auch bis dato nicht.
Denn dann käme der ganze satanische Widerstand konspirativer Kreise in der Kirchenhierarchie gegen eine Botschaft des Himmels zum Vorschein.
Daher wurde auch bezüglich der öffentlichen persona von Sr. Lucia eine üble Schmierenkomödie aufgeführt.
Daher der Appell an alle, die aufgrund ihrer Fachkompetenz Bescheid wissen müssen, und an alle, die aufgrund ihres Amtes die Gläubigen zu lehren und zum Heil zu führen haben, einschließlich Papst emeritus Benedikt XVI.: Legen Sie die Wahrheit auf den Tisch!
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, seit der Lektüre von Mark Fellows Fatima in Twilight vor acht Jahren mit der Thematik beschäftigt.
[Update: 23.09.2019]: Das nunmehr für das Jahr 1947 ausgewiesene Foto von Sr. Lucia wurde ursprünglich mit der Angabe 1957 veröffentlicht. Der Fehler wurde korrigiert, da Sr. Lucia auf dem Foto im Habit der Dorotheerin zu sehen ist, aber 1948 in den Karmelitenorden übergetreten ist. Das Foto stammt daher bereits aus dem Jahr 1947 oder früher.
[1] Die portugiesischen Bischöfe weihten ihr Land am 13. Mai 1931 dem Unbefleckten Herzen Mariens und wiederholten die Weihe angesichts der Kriegsgefahr am 13. Mai 1938. Man berichtet von einer sich geradezu explosionsartig ausbreitenden Renaissance des katholischen Lebens, von einer abrupten Steigerung der priesterlichen Berufungen und von einer Verzehnfachung der Anzahl der Ordensleute. Auch die Regierung von Präsidenten Antonio de Oliveira Salazar, der Portugal aus dem Weltkrieg und dem Kommunismus heraushielt, wird naturgemäß als segensreiche Wirkung der Weihe betrachtet. Und natürlich der Sieg über den Kommunismus 1974/75. An diesem Beispiel sieht man, welche Wirkung eine solche Weihe in anderen Ländern gehabt hätte, von der explizit geforderten Weihe Rußlands ganz zu schweigen. Das gläubige Volk hat darum gewußt oder es zumindest geahnt. Darum war Fatima auch bis etwa 1960 so populär. Umso massiver war die Enttäuschung, als das Dritte Geheimnis dann unterdrückt wurde. Darauf verlief sich das Bewußtsein für die Fatima-Botschaft. 1917 hatten 70.000 Augenzeugen das Sonnenwunder gesehen, 2019 weiß nur eine winzige Minderheit in und außerhalb der Kirche um Fatima und die Tragweite. Das Werk der Subversion war offenbar erfolgreich.
[2] Die Untersuchung Chojnowskis zur Identität der Seherin von Fatima ist verdienstvoll. Leider polemisiert er auf seiner Internetseite Radtradthomist oft unnötig massiv gegen verdienstvolle traditionsverbundene Katholiken, die die betreffende Frage anders thematisieren. Er tendiert überhaupt zu überschießenden Formulierungen (auch in seinen Vorträgen erkennbar). Diese Vorgangsweise ist kritisch zu bewerten.
[3] Chojnowski versucht auch nachzuweisen, daß einige der Photos, etwa von Papst Paul VI. mit der (angeblichen) Seherin Photomontagen sind. Darauf können wir aus Platzgründen nicht eingehen.
[4] Man hat von offizieller Fatima-Seite, World Apostolate of Fatima (WAF) und Vatikan, sehr schlecht über Fr. Nicholas Gruner gesprochen. Dieser hat übrigens die Austauschtheorie abgelehnt, zumindest gab er an, daß bis 1989 die Identität der Seherin feststeht (in diesem Interview antwortet er allerdings etwas kompliziert und weitschweifig auf eine einfache Frage; der Interviewführer, John Vennari, ebenfalls bereits verstorben, scheint damit nicht zufrieden zu sein). Fr. Gruner stieß damit aber unter den eigenen Sympathisanten (siehe Postings) auf Widerspruch. Nach einem Leserbrief bei Tradition in Action habe er die Austauschversion aber doch als möglich akzeptiert:
I did speak with Fr. Gruner about the two Sr. Lucy’s theory at the St. Joseph Forum Conference and he did say that he thought it was possible. K.W.R.
[5] Das geht bis hinunter auf die Pfarrebene, wo etwa Pfarrer den Fatima-Zusatz („O mein Jesus…“) beim pfarr-offiziellen Rosenkranz ausdrücklich verbieten.