
(Rom) Am vergangenen 11. Juli ist Giacomo Kardinal Biffi gestorben. Ihm soll Joseph Kardinal Ratzinger im Konklave 2005, aus dem er als Papst Benedikt XVI. hervorging, hartnäckig in allen Wahlgängen seine Stimme gegeben haben. „Kardinal Biffi war ein Held der Kirche“ und das Gegenteil dessen, was bestimmte Prälaten heute anstreben. Wer das sagt, ist kein Geringerer als der Philosoph Marcello Pera, der von 2001 bis 2006 Präsident des italienischen Senats, dem Oberhaus des italienischen Parlaments war. Pera, einer der besten italienischen Popper-Kenner, lernte, als er das zweithöchste Amt im Staat bekleidete, Benedikt XVI. kennen. Daraus entstand eine Freundschaft, die auch fortbesteht, seit der Papst emeritiert ist. Aus der Übereinstimmung des Denkens zwischen beiden entstanden vor allem drei Bücher. Das jüngste wurde 2008 veröffentlicht und ist eine Antwort auf den Liberalismus. Freundschaft verband ihn auch mit Giacomo Kardinal Biffi. Am 14. Juli nahm Marcello Pera in der Kathedrale von Bologna an der Beerdigung des Kardinals teil, der von 1984 bis 2003 Erzbischof von Bologna war. Die Internet-Tageszeitung Rimini 2.0 stellte Pera dazu einige Fragen.
Was hat Kardinal Biffi für Bologna, für die Kirche und für Italien bedeutet?
Marcello Pera: Drei Dinge, um es ganz knapp zu sagen: Glauben, theologische Weisheit und Mut. Ein Gut, das in dieser Kombination heute nicht nur rar, sondern fast unauffindbar ist. Bologna und die Kirche müssen dankbar und stolz sein, daß sie ihn unter ihren Bischöfen hatten.

In den Nachrufen dieser Tage hieß es mehrfach, Kardinal Biffi habe eine Kirche zum Ausdruck gebracht, die inzwischen fast völlig verschwunden ist, da die Kirche von heute damit beschäftigt sei, so politisch korrekt zu sein, daß sie geradezu entmutigt, wenn nicht sogar behindert, wie es der Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz, Msgr. Nunzio Galantino, gegenüber der Kundgebung am 20. Juni zur Verteidigung der Familie getan hat. Was denken Sie darüber?
Marcello Pera: Wo ich tiefen Glauben sowie selbstbewußtes, ehrliches und lächelndes Zeugnis sah, sehe ich heute viel Kalkül und Karriere. Wo ich überlegte und vertiefte Doktrin spürte, fühle ich heute viel Ungefähres. Wo ich ein mutiges Wort wahrnahm, beobachte ich heute Anpassung. Ich bitte Sie, vergleichen Sie den Generalsekretär der Bischofskonferenz – und nicht nur ihn – nicht mit Giacomo Kardinal Biffi.
Aus welchem Grund?
Marcello Pera: Kardinal Biffi war ein Held der Kirche, ein Gigant der Doktrin. Er hegte kein Mißtrauen gegen die Theologie und bog sie nicht nach den gerade herrschenden modischen Interessen oder Mächtigen um. Er dachte nicht, daß die Barmherzigkeit eine Ausnahme von der Wahrheit oder die Wahrheit etwas Abstraktes sei. Er dachte auch nicht, daß die Wahrheit einer Ergänzung durch die Barmherzigkeit bedürfe, um lebendig, praktikabel und akzeptabel zu werden. Und er pflegte seine Karriere nicht, sondern scherzte darüber. Seine geistreichen Witze waren wunderbar, so treffend und so scharf!
Im Heiligen Jahr 2000 sorgte Kardinal Biffi für Diskussionen, als er zur Einwanderungsfrage Stellung nahm. Manche sprechen von „prophetischen Worten“. Er forderte zudem dazu auf, „die Identität der Nation zu schüzen“, denn „Italien ist kein wüstes oder fast unbewohntes Heideland ohne Geschichte, ohne lebendige und vitale Traditionen, ohne eine unverwechselbare kulturelle und spirituelle Physiognomie, das wahllos besiedelt werden kann, so als gäbe es keinen charakteristischen Reichtum des Humanismus und der Kultur, der nicht verlorengehen darf“. Ebenso forderte er auf, „die Sache mit den Moslems“ nicht zu unterschätzen, sondern ihr vielmehr„besondere Aufmerksamkeit“ zu schenken. Seit jener Rede sind 15 Jahre vergangen und man möchte hinzufügen, auch zu diesen Themen hat er richtig gesehen. Oder nicht?

Marcello Pera: Ich kann Ihnen mit den ersten Worten antworten, die ich zu ihm sagte, als ich ihn das erste Mal besuchte: „Verzeihen Sie mir, Eminenz, ich gehöre zu jenen, die noch nicht verstanden hatten. Danke, daß Sie es mir erklärt haben. Das werde ich nicht vergessen.“ Es macht mich deshalb traurig, daß es heute sogar seine Mitbrüder vergessen. Welchen Sinn hat es, noch von Evangelisierung zu sprechen, wenn man dann den Dialog predigt und ihn im Sinne der Nachgiebigkeit, des Geschwätzes und des Meinungsaustausches versteht und praktiziert? Als Jesus sagte: „Ich bin die Wahrheit“, wollte er damit vielleicht sagen, daß es auch viele andere gibt und daß alle gut gehen? Wenn man sagt: „Ich bin ein Jünger Christi“, meint man es dann genauso, als würde man sagen „Ich bin Vegetarianer“ oder „Ich bin Juventus-Fan“? Man denke an den berühmten und theologisch so gequälten Imperativ, den Jesus an jene gerichtet hat, die sich weigerten, die Einladung des Herrn anzunehmen: „compelle intrare“. Zugestanden, Jesus dachte nicht an Gewalt, er dachte nicht an Zwang. Er dachte an die rettende und unverzichtbare Wahrheit. Dennoch bezüglich Gewalt und Zwang: Welchen Wert haben die heiligen und unverzichtbaren, in den Verfassungen festgeschriebenen Prinzipien, wenn nicht die der gesetzlichen Gewalt und des Zwanges gegenüber allen, die nicht Teil der Gemeinschaft sein wollen, in der diese Verfassungen gelten? Wenn ein Moslem nach Italien kommt und der Staat ihn laizistisch unter die verfassungsmäßige Ordnung zwingt, nicht mehr als eine Ehe einzugehen, oder die Arbeit nicht fünfmal am Tag zu unterbrechen, sagt dann dieser Staat nicht „compelle intrare“? Auch das hatte Kardinal Biffi besser verstanden als viele möchtegern tolerante und weltoffene Verfassungsrechtler und Rechtsphilosophen: daß ein Staat, der auf die Kraft seiner Prinzipien verzichtet, kein Staat ist. Und wie scharfsinnig und geistvoll zeigte er sich gegenüber der Beschaffenheit unseres einheitlichen, freimaurerischen und antichristlichen Staates, gerade in den Tagen, in denen draußen die laute, sich selbst feiernde Rhetorik unserer Politiker und ihrer Höflinge ertönte, um einen neuen staatlichen Feiertag [1]Das 2006 vom linksdemokratischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano eingeführte „Fest der Republik Italien“, das jedes Jahr am 2. Juni an die Volksabstimmung über die Staatsform vom 2. Juni 1946 … Continue reading einzuführen, kalt im Volksbewußtsein wie alle anderen! Glauben Sie mir, Kardinal Giacomo Biffi war ein Großer. Danke Eminenz!
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Zam/Marcellopera.it (Screenshot)
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↑1 | Das 2006 vom linksdemokratischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano eingeführte „Fest der Republik Italien“, das jedes Jahr am 2. Juni an die Volksabstimmung über die Staatsform vom 2. Juni 1946 erinnern soll. Mit 54,3 Prozent der Stimmen für die Republik wurde die Monarchie abgeschafft. |
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Dazu passend aus einer Predigt von Hw Pater Henry Boulad über das Thema „Der Dialog mit dem Islam“:
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„Ich richte an Europa einen SOS-Ruf, denn ich befürchte, dass die Errungenschaften mehrerer Jahrhundert gerade dabei sind, durch eine rückständige Bewegung, die im Vormarsch ist, weggefegt zu werden.
Ich sage: Europa, Vorsicht, Achtung!
Vorsicht, denn im Namen der Toleranz laufen Sie Gefahr die Intoleranz einzuführen.
Im Namen der Öffnung einer Religion gegenüber laufen Sie Gefahr sich einem politischen System zu öffnen. “
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Wenn Jemand in die Ewigkeit abberufen wird, so wird meistens gelobt mitunter heiliggesprochen.
Aber es gibt auch heute noch Menschen, welche ein Leben geführt haben, das man ohne weite-
res als heilig bezeichnen kann. Einer davon ist mit Sicherheit Kardinal Biffi, von dem viele meinen,
er wäre ein guter Papst geworden. Aber Gottes Wege sind unergründlich, er geht oft andere Wege
als wir Menschen uns das wünschen würden. Ein kleiner Rest von Glaubensverteidigern ist uns
dennoch geblieben, die als solche ihre Stimme erheben und sich gegen den neuen Trend in der
Theologie und Lehre wenden. Der Glaube ist in der Wahrheit Christi zu finden und nicht im unend-
chen Dialog. Deshalb hat auch die allgemeine Ökumene und die Umarmung christlicher und nicht-
christlicher Gemeinschaften, der katholischen Kirche überaus geschadet und zu Verwirrungen
beigetragen.
Das „compelle intrare“ bedeutet im Zusammenhang des Gleichnisses Jesu vom großen Gastmahl (Lukas 14,15–24; Matthäus 22,2–14) nicht das, was Augustinus und die katholische Kirche später daraus gemacht haben.
Ja, schön und gut, aber wenn dann ein Staat wie Israel mit den Muslimen eine klare Gangart fährt, dann ists auch wieder nicht recht, und die Superfrommen fallen in Schnappatmung vor Zorn und würden sich lieber mit den Muslimen verbünden als mit den Juden. Auch Pius X. sah lieber die Osmanen im Hl. Land als die Juden… na bravo!
Heute haben wir die Frucht: Die Juden sind weitgehend weg – ermordet oder nach Israel gegangen. Dafür haben wir die favorisierten Muslime nun im eigenen Land.
Wir haben die Juden, mit denen man sehr gut leben konnte, weggeekelt und bekamen dafür die Muslime, mit denen man weitaus weniger gut leben kann, jedenfalls mit nicht wenigen, auch wenn sie immer noch nicht „alle“ repräsentieren…
Es ist eben doch nicht so ganz egal, dass die Kirche sich starrköpfig über die Mahnungen des Römerbriefes hinweggesetzt hat.
Nun können wir lamentieren bis in alle Ewigkeiten – wir haben Wind gesät und ernten nun Sturm.
zeitschnur
Für mich einer der wichtigsten, von den meisten Katholiken, ob traditionell oder progressiv, am wenigsten verstandenen Gründen für meine erfolgte Distanzierung von Rom. Mit Rom ist man auf der falschen Seite in der Endzeit-Auseinandersetzung. Gegen Israel sind sich am Ende a l l e einig, von Russland über China, Iran, Türkei, USA usw. usf. bis zum Vatikan. Alle stehen am Ende gegen Israel und gegen den Gott Israels. (Et si omnes, ego non – Deo adiuvante.) Um das zu verstehen, muss man die Heilige Schrift lesen und das, was da gesagt wird, besonders für die letzte Zeit dieses Zeitalters und für das kommende Zeitalter, für das nehmen, was gesagt wird, ohne hinwegzunehmen oder hinzuzufügen oder umzudeuten. Habe gestern Sacharja zu Ende gelesen, da wurde mir das ein weiteres Mal klar.
Pius X. wollte sich weder mit den Juden noch mit den Mohammedanern „verbünden“ sondern hat freilich recht gehandelt denn solange der Unglaube der Juden andauert und ihre Feindschaft gegenüber der Kirche Gottes fortbesteht, muß die Kirche in ihren Bemühungen die Gefahren unterbinden, die dieser Unglauben und diese Feindschaft für den Glauben und die Moral ihrer Gläubigen darstellen könnten. Pius X. hat als großer katholischer Papst gewußt, daß die Kirche Zionismus niemals akzeptieren kann. Staatsrechtlich war die osmanische Herrschaft ein Faktum und mittels Verträgen konnten die Kirche Garantien für die Katholiken des Hl. Landes erwirken. In welche profanen Probleme sich das jüdische Volk verstrickt hat interessiert(e) (damals) die Kirche zu recht nicht, somit konnte sie auch nicht als Anwalt eines jüd. Staates Israel fungieren.
An Ratkaj
Pius X? Zionismus? Es scheint dass Benedikt XV und Pius XII eine ganz andere, positive Haltung dazu eingenommen haben! Stichwort Nahum Sokolow; und auch ein Artikel von M. Hesemann in kath.net
Den Zionismus hat kein Papst anerkannt. Soweit ging nicht einmal Papst Franziskus trotz seltsamer Gesten am Theodor-Herzl-Hügel. Die Kirche weiss schon, was das Ihre ist und was nicht. Eine politische Strömung des Judentums gehört jedenfalls nicht dazu.
Das Problem ist nicht der Zionismus, schon gar nicht die Juden. Das Problem ist, dass ein Teil der Christen, besonders der deutschen Christen, derzeit beim Stichwort Juden nicht klar denken kann. Das ist ein Problem der Christen, nicht der Juden oder der Zinisten.
Nun es ist ja kein Geheimnis, daß die Nachfolger von Pius X. am römischen Stuhl ihre Antwort auf den Antisemitismus von einem profanpolitischen Geist sich haben diktieren lassen, welchen Pius X. noch vehement verworfen hat, da er wie seine Vorgänger aus Treue zum kostbaren Vermächtnis der Wahrheit sich hat leiten lassen. Seine Ablehnung von Herzl hat hier ihren Ursprung, weil sich Pius X. eben nicht primär als Politiker verstand sondern als universaler Hirt der Christenheit.
Der erwähnte Artikel über die beiden Päpste und den Zionismus ist zu finden:
kath.net/news/46086
Ins Stammbuch von zeitschnur und Laemmlein geschrieben:
«Der Auserwählte ist immer «der Einzelne». Nun gab es aber doch ein auserwähltes Volk, das als Volk ein auserwähltes war! Wohl wahr, aber es genügt ein Blick, um zu sehn, dass innerhalb dieses auserwählten Volkes die wahrhaft Auserwählten die Einzelnen: die Väter, Moses und die Propheten waren; so dass auch das Volk auserwählt nur um dieser Einzelnen willen heisst, durch die Gott sich ihm offenbart hat, so wie das neue auserwählte Volk, das an die Stelle der Juden trat, die Kirche Christi, auserwählt und christlich heisst und ist durch Christus und die Heiligen. Seitdem aber diese herrscht, gibt es ein auserwähltes Volk im Sinne der Natur oder Rassebestimmung überhaupt nicht mehr, wiewohl es wirklich eines gegeben hat.
(…)
Die Juden, der edelste wie der gemeinste, leben auch heute noch vom Segen oder vom Fluche Gottes, der mit ihnen als Volk allein einen Bund geschlossen hat, den sie aber nur immer von neuem missverstanden, indem sie ihn selbstsüchtig, imperialistisch, preussisch-alldeutsch interpretierten; der ihnen zuerst sich geoffenbart hat; der ihnen zuerst seinen Sohn geschickt hat, der nach einer alten Weissagung sie nicht untergehen lässt, bis Christus wiederkommt, während jedes andere, bloss natürlich bestimmte Volk, wenn es die Gebote des Christentums, nachdem sie ihm einmal offenbart sind, nicht befolgt, ohne Gnade als solches den Gesetzen der verweslichen Natur unterworfen ist.
(…)
Aber um die Auseinandersetzung mit dem Christentum werden die Juden, eben weil sie «auserwählt» waren, unter keinen Umständen herumkommen, ich meine die ernste, die im Geist und in der Wahrheit, ich meine nicht die wissenschaftliche, die künstlerische, die philosophische, die literarische, die liberale, die tolerante, die symbolische, die entwicklungsgeschichtliche, die mythische, die theosophische, die humane, die vermittelnde, die soziale, die politische, die demokratische, die westliche, die östliche, die zionistische, die ästhetische die ethische oder was sonst noch die letzten Jahrzehnte an Ausflüchten ersonnen haben, um nur das religiöse Entweder-Oder: Ist Christus der Messias oder nicht? zu umgehn.»
Theodor Haecker, Essays, Kösel-Verlag München 1958, p. 28ff