(Rom/Peking) Im September 2018 unterzeichneten die kommunistische Volksrepublik China und der Heilige Stuhl ein Geheimabkommen. Vom Inhalt ist inoffiziell nur bekannt, daß dem Regime in Peking von Papst Franziskus das alleinige Nominierungsrecht bei den Bischofsernennungen eingeräumt wurde. Die erhoffte Entspannung blieb jedoch aus. Auf das Entgegenkommen Roms folgte kein Entgegenkommen Pekings. Das kommunistische Regime bewegte sich um keinen Millimeter.
Staats- und Parteichef Xi Jinping stattete im Rahmen seiner Europareise im März dem Papst keinen Überraschungsbesuch ab. Im Vatikan hatte man es bis zuletzt gehofft und entsprechend darauf hingearbeitet. In der Volksrepublik China hat das Geheimabkommen das Regime gegenüber der Kirche gestärkt, ohne daß bisher Gegenleistungen erkennbar wären. Der Vatikan drängte sogar zwei rechtmäßige Bischöfe zum Amtsverzicht, damit sie regimehörigen Bischöfen Platz machen. Dennoch werden die Zerstörungen von Kirchen und anderen kirchlichen Einrichtungen fortgesetzt. Auch beim religionsfeindlichen Kurs der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zeigt sich keine Verbesserung.
Am 4. April wurde die Kirche einer katholischen Pfarrei in Qianyang in der Provinz Shaanxi auf Weisung der Behörden abgerissen. Das Gebäude umfaßte im ersten Obergeschoß den Kirchenraum und im Erdgeschoß ein Ambulatorium für die Armen, das von katholischen Ordensfrauen geführt wurde. Am vergangenen Donnerstag wurde alles dem Erdboden gleichgemacht.
Die Pfarrei zählt gut 2.000 Gläubige und ist Teil des Bistums Fengxiang, dem einzigen Bistum, das sich zur Gänze der Kontrolle des kommunistischen Regimes entzieht. Weder der Bischof noch Priester noch Laien gehören der regimehörigen Patriotischen Vereinigung an. Als Teil der romtreuen Untergrundkirche sind sie ständig im Visier des Staates.
Papst Benedikt XVI. erklärte in seinem Brief an die Katholiken in China die Unvereinbarkeit von Patriotischen Vereinigung und katholischer Kirche. Von Papst Franziskus wurde das Schreiben nicht zurückgenommen. Aus seinem Umfeld wurde sogar betont, es habe noch immer seine Gültigkeit. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Franziskus hob vor der Unterzeichnung des Geheimabkommens die Exkommunikation aller Bischöfe auf, die Mitglied der Patriotischen Vereinigung sind und erkannte sie als legitime Bischöfe an, obwohl sie ohne Einwilligung Roms von den Kommunisten ernannt und eingesetzt worden waren.
Der Vatikanist Gianni Valente schrieb am 30. März 2018 auf Vatican Insider, als die Verhandlungen für das Abkommen bereits auf Hochtouren liefen, daß die Situation im Bistum Mindong zum Lackmustest werde, ob das kommunistische Regime zu einer Kursänderung bereit und imstande sei. Er gab zu verstehen, daß davon die Zustimmung Roms abhängen werde. Mindong wurde damals noch vom Untergrundbischof Msgr. Guo Xijin regiert. Der Vatikanist Sandro Magister erinnert heute an diesen Artikel, weil Valente der von Papst Franziskus „am meisten gelesene und zitierte“ Vatikanist ist.
Ein Jahr später ist das Abkommen unterzeichnet, doch der Lackmustest wurde nicht bestanden. Die Entwicklung in Mindong belegt kein Gelingen des Abkommens, sondern sein Scheitern. Valente ging auf dieses „Detail“ bisher nicht ein.
Der rechtmäßige, romtreue Bischof Guo Xijin wurde von Rom zum Rücktritt gedrängt. Neuer Oberhirte wurde Vincenz Zhan Silu, ein von der Kommunistischen Partei Chinas ernannter und gegen den Willen Roms geweihter Bischof. Er ist Vorsitzender des Bischofsrats, dem regimehörigen Pendant zur Bischofskonferenz, und stellvertretender Vorsitzender der Patriotischen Vereinigung, die als „katholischer Arm“ des kommunistischen Regimes bezeichnet werden kann. Guo Xijin sollte, wie ihm der Vatikan sagte, im Gegenzug zum Weihbischof des Bistums werden.
Vor einem Jahr war Bischof Guo Xijin kurz vor Ostern aus der Haft entlassen worden, sodaß er am Gründonnerstag mit seinen Priestern die Chrisammesse zelebrieren konnte. Geschehen mußte das auf Anweisung der Staatsbehörden so zeitig am frühen Morgen, daß ja niemand etwas mitbekommt. Die Zelebration des Triduum Sacrum wurde ihm hingegen verwehrt.
Ein halbes Jahr nach dem Inkrafttreten des Geheimabkommens deutet alles darauf hin, daß der Bischof 2019 weder die Chrisammesse noch das Ostertriduum zelebrieren wird dürfen. Gleiches war schon 2017 geschehen. Am Beginn der Karwoche wurde er damals verhaftet und verschwand für 20 Tage an einem unbekannten Ort.
Begründet wurden die Sanktionen in den vergangenen Jahren mit seiner Weigerung, die heilige Liturgie mit dem exkommunizierten Bischof Zhan Silu zu zelebrieren, den das Regime im selben Bistum als Bischof eingesetzt hatte. Seit der Unterzeichnung des Geheimabkommens taugt das nicht mehr als Begründung. Obwohl Bischof Guo Xijin gegenüber dem Regime standhaft war, dem eigenen Papst konnte er aber nicht widerstehen. Er folgte im Dezember 2018 dem Wunsch des Papstes, trat als Diözesanbischof zurück und erklärte sich bereit, künftig als Weihbischof seinem Bistum zu dienen. So kam es zum Wechsel an der Diözesanspitze, obwohl der Größenunterschied zwischen der romtreuen Untergrundkirche und der regimehörigen Nationalkirche mit mindestens 80 zu höchstens 20 Prozent eklatant ist.
„Während der Vatikan einen Schritt zurück machte, bewegte sich Peking um keinen Millimeter“, so der Vatikanist Sandro Magister.
Papst Franziskus hob die Exkommunikation von Bischof Zhan Silu auf und ernannte ihn zum neuen Diözesanbischof von Mindong. Vereinbarungsgemäß machte er Bischof Guo Xijin zum Weihbischof von Mindong. Peking tat aber nicht dasselbe. Weder von Zhan Silu noch vom Regime in Peking wurde Msgr. Guo Xijin bisher als Weihbischof anerkannt. Für das Regime ist er nur ein Priester. Dazu Magister:
„Da er nicht als Bischof anerkannt ist, lebt er weiterhin in der Illegalität. Das Regime kann ihn jederzeit verhaften, verschleppen und an der Zelebration hindern.“
AsiaNews berichtete, daß die staatlichen Behörden in den vergangenen Monaten mehrfach von ihm verlangten, Mitglied der regimehörigen Patriotischen Vereinigung zu werden, was er ablehnte. Gleiches gilt für Dutzende von Untergrundpriestern des Bistums. Sie sollen ein Dokument unterschreiben, mit dem sie erklären, in den Dienst von Bischof Zhan Silu zu treten, die Gesetze des Staates zu achten, in offizielle Organisationen des Regimes einzutreten und die „Unabhängigkeit“ der chinesischen Kirche zu unterstützen. Gemeint ist damit die „Unabhängigkeit“ von Rom und die Abhängigkeit von der Kommunistischen Partei. Die „Einheit“ der katholischen Kirche soll nicht im Sinne von Kirche und Papst wiederhergestellt werden, sondern im Sinne und unter der Ägide des Regimes.
Am 3. Februar hatte Kardinal Fernando Filoni, der Präfekt der römischen Kongregation für die Evangelisierung der Völker im Osservatore Romano das Geheimabkommen gelobt und geschrieben:
„Ich hoffe nicht mehr von Situationen hören und lesen zu müssen, in denen das Abkommen instrumentalisiert wird, um Personen zu zwingen, zu tun, wozu sie nicht einmal das chinesische Gesetz zwingt wie die Mitgliedschaft in der Patriotischen Vereinigung.“
Der Fall Mindong ist kein Einzelfall. Es gibt noch schwerwiegendere Fälle. Ende März wurde Msgr. Augustin Cui Tai, der Untergrundbischof von Xuanhua in der Provinz Hebei verhaftet. Sein Aufenthaltsort ist seither unbekannt. Im „besseren“ Fall soll er damit an der Zelebration der Kar- und Osterliturgie gehindert werden. Im schlimmeren Fall wird er einer Gehirnwäsche unterzogen und unter Druck gesetzt, Mitglied der Patriotischen Vereinigung zu werden.
Der Bischof wurde von einem seiner eigenen Priester namens Zhang Li verraten. Dieser hatte seinen Oberhirten den Behörden zur Anzeige gebracht und behauptet, Bischof Cui Tai halte sich nicht an das chinesisch-vatikanische Abkommen. Dieses verlangte nach Meinung des Priesters von allen „Illegalen“, in die „offizielle“, also regimhörige Kirche einzutreten und sich deren Bedingungen zu unterwerfen.
Das Entgegenkommen des Vatikans zeitigte bisher nicht die erhoffte Entspannung, von einem Entgegenkommen des kommunistischen Staates ganz zu schweigen. Aus dem Vatikan gibt es aber keine Reaktion. Dort schweigt man seit September zu den Negativmeldungen, den Kirchenzerstörungen, den Verhaftungen, dem Druck und den kirchenfeindlichen Gesetzen und Bestimmungen. Als Staats- und Parteichef Xi Jinping vor zwei Wochen Wochen Rom besuchte, stellte P. Antonio Spadaro SJ, einer der engsten und einflußreichsten Vertrauten von Papst Franziskus, mit großer Öffentlichkeit sein Buch „Die Kirche in China. Eine zu schreibende Zukunft“ vor. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, einer der Architekten des Geheimabkommens, hatte dazu ein begeistertes Vorwort beigesteuert.
Magisters Resümee der vatikanischen Chinapolitik unter Papst Franziskus:
„Die vatikanischen Behörden hatten auf unterschiedliche Weise zu verstehen gegeben, daß die Tore des Apostolischen Palastes offenstehen, sogar sperrangelweit offen, für einen Besuch des chinesischen Staatspräsidenten beim Papst.
Der Besuch fand aber nicht statt. Er wurde von Xi Jinping nicht einmal in Erwägung gezogen. Eine weitere Ohrfeige für die Kirche von Rom, die stillschweigend eingesetzt wurde.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/AsiaNews
Ich weiß gar nicht mehr was ich dazu sagen soll.
Franziskus schadet der Kirche Christi
„Der Weg der Gottlosen ist wie das Dunkel;
sie erkennen nicht,
worüber sie stürzen.“
Sprüche 4.19