Paukenschlag: Lucetta Scaraffia verläßt samt Frauenredaktion den Osservatore Romano

Diadochenkämpfe um Vatikanmedien


Neues Erdbeben beim Osservatore Romano. Lucetta Scaraffia (links) und Chefredakteur Andrea Monda.
Neues Erdbeben beim Osservatore Romano. Lucetta Scaraffia (links) und Chefredakteur Andrea Monda.

(Rom) Der Umbau in den Vati­kan­me­di­en geht wei­ter. Gestern ereig­ne­te sich das jüng­ste „Erd­be­ben“ mit dem geschlos­se­nen Rück­tritt der Redak­ti­on der Frau­en­bei­la­ge des Osser­va­to­re Roma­no.

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Wäh­rend Papst Fran­zis­kus sich auf den Kapi­tol begab, um der römi­schen Stadt­re­gie­rung einen Besuch abzu­stat­ten, wur­de im Vati­kan das „letz­te“ Kapi­tel der Ope­ra­ti­on auf­ge­schla­gen, mit der die vati­ka­ni­schen Medi­en der direk­ten Kon­trol­le von San­ta Mar­ta unter­stellt wer­den. Die gesam­te Redak­ti­on der Frau­en­bei­la­ge des Osser­va­to­re Roma­no kün­dig­te ihre Mit­ar­beit auf. Damit ist die „letz­te Basti­on des Wider­stan­des“ (San­dro Magi­ster) gegen die Neu­auf­stel­lung der Vati­kan­me­di­en gefallen.

Am 18. Dezem­ber des Vor­jah­res waren mas­si­ve, per­so­nel­le Ein­grif­fe bei den Medi­en des Vati­kans erfolgt. Der Haus­va­ti­ka­nist von Papst Fran­zis­kus, Andrea Tor­ni­el­li,  bis dahin Jour­na­list der Turi­ner Tages­zei­tung La Stam­pa, wur­de an die Römi­sche Kurie beru­fen und zu einer Art Gene­ral­chef­re­dak­teur mit Aus­rich­tungs- und Koor­di­nie­rungs­be­fug­nis für alle Vati­kan­me­di­en ernannt. Ein sol­ches Amt hat­te es bis­her nicht gegeben.

Monatliche Frauenbeilage
Monat­li­che Frauenbeilage

Eben­so wur­de Gio­van­ni Maria Vian, der bis­he­ri­ge Chef­re­dak­teur des Osser­va­to­re Roma­no, ent­las­sen und durch Andrea Mon­da ersetzt. 

Vian hat­te in sei­ner Amts­zeit die Frau­en­bei­la­ge Don­na Chie­sa Mon­do (Frau Kir­che Welt) der „Tages­zei­tung des Pap­stes“ ins Leben geru­fen. Gelei­tet wur­de sie von Lucet­ta Sca­raf­fia. Die Bei­la­ge ent­stand 2012 noch in der End­pha­se des Pon­ti­fi­kats von Bene­dikt XVI.

Sca­raf­fia war unter Vian zugleich Kolum­ni­stin des Osser­va­to­re Roma­no, rech­te Hand des Chef­re­dak­teurs und eine Art Che­fin vom Dienst, kurz­um, sie war eine zen­tra­le Figur der Zei­tung mit erheb­li­chem Ein­fluß auf die Blatt­li­nie. Ein Ein­fluß, der nicht unum­strit­ten war, was auch die Frau­en­bei­la­ge betrifft.

Als unter Papst Fran­zis­kus mit der Errich­tung des neu­en Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dik­aste­ri­ums der Umbau der vati­ka­ni­schen Medi­en­land­schaft ein­setz­te, zeich­ne­ten sich drei Aspek­te ab. Die Medi­en des Hei­li­gen Stuhls soll­ten grö­ße­re Schlag­kraft erhal­ten, sie soll­ten zen­tral koor­di­niert und der direk­ten Kon­trol­le von San­ta Mar­ta unter­stellt wer­den. Damit war das Ende der weit­ge­hen­den Auto­no­mie ein­ge­läu­tet, die bis dahin die ein­zel­nen Medi­en (ob Radio, Fern­se­hen, Tages­zei­tung usw.) genossen. 

Der glück­lo­se erste Prä­fekt des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­se­kre­ti­ats (inzwi­schen in Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dik­aste­ri­um umbe­nannt), Msgr. Dario Edo­ar­do Viganò (nicht zu ver­wech­seln mit dem ehe­ma­li­gen Apo­sto­li­schen Nun­ti­us Car­lo Maria Viganò) hielt eine gedruck­te Zei­tungs­aus­ga­be im Digi­tal­zeit­al­ter für über­holt. Glei­ches gilt für die Frau­en­bei­la­ge. Sei­nen Ses­sel muß­te er nach dem Skan­dal eines von ihm mani­pu­lier­ten Brie­fes von Bene­dikt XVI. glanz­los räu­men. Papst Fran­zis­kus fing sei­nen Ver­trau­ten aber sogleich auf und mach­te Viganò hin­ter den Kulis­sen zum ersten Bera­ter des­sel­ben Mini­ste­ri­ums, das er soeben mit Schimpf und Schan­de ver­las­sen muß­te. Sein erzwun­ge­ner Abgang von der Spit­ze been­de­te weder sei­nen Ein­fluß auf die Medi­en­po­li­tik des Pap­stes noch änder­te er etwas an den inter­nen Kanä­len im Vati­kan zu Medienfragen.

Mit der Ent­las­sung Vians ver­schwand seit dem 18. Dezem­ber 2018 auch Lucet­ta Sca­raf­fi­as Name aus dem Osser­va­to­re Roma­no. Auf ihre Mit­ar­beit wur­de ver­zich­tet. Die abrup­te Ent­las­sung Vians nahm sie den Medi­en­be­ra­tern des Pap­stes übel. Was blieb, war die monat­li­che Frau­en­bei­la­ge, deren Che­fin sie war. 

Die Frau­en­bei­la­ge lie­fer­te mit ihrem latent femi­ni­sti­schen Unter­ton zahl­rei­che zwei­fel­haf­te und umstrit­te­ne Bei­trä­ge. In der letz­ten Aus­ga­be „lüf­te­te sie den Schlei­er“ (San­dro Magi­ster) einer Wun­de, die nach Abhil­fe ver­langt: Es geht um sexu­el­le Aus­beu­tung und auch sexu­el­len Miß­brauch von Ordens­frau­en durch Kle­ri­ker. Das Aus­maß die­ses Phä­no­mens in bestimm­ten Welt­ge­gen­den ist aller­dings noch völ­lig unklar. Ein kon­kre­ter Fall eines Bischofs ist aus Indi­en bekannt. Klä­rung tut Not. 

Gestern warf Lucet­ta Sca­raf­fia „das Hand­tuch“, wie sie selbst schreibt, und mit ihr die gesam­te Redak­ti­on der Frau­en­bei­la­ge. Die Grün­de für die­sen Schritt erklä­ren sie in einem Schrei­ben an Papst Fran­zis­kus, das vom Vati­ka­ni­sten San­dro Magi­ster ver­öf­fent­licht wurde.

Sca­raf­fia spricht von einem „Kli­ma des Miß­trau­ens und der schritt­wei­sen Dele­gi­ti­mie­rung“. Die Frau­en­re­dak­ti­on habe zuletzt weder „Wert­schät­zung“ noch „Ver­trau­ens­vor­schuß“ wahr­neh­men können. 

„Mit dem Zusper­ren von ‚Don­na Chie­sa Mon­do‘ wird eine neue und außer­ge­wöhn­li­che Erfah­rung für die Kir­che been­det, viel­mehr zer­bro­chen: Erst­mals hat eine Grup­pe von Frau­en sich auto­nom orga­ni­siert und inner­halb durch Abstim­mung über Posi­tio­nen und den Ein­tritt neu­er Redak­teu­rin­nen bestimmt. Sie konn­te im Her­zen des Vati­kans und der Kom­mu­ni­ka­ti­on des Hei­li­gen Stuhls mit Intel­li­genz und frei­em Her­zen arbei­ten dank der Zustim­mung und der Unter­stüt­zung von zwei Päpsten.“

Sca­raf­fia ver­weist auf einen „nicht all­täg­li­chen Erfolg“ der Frau­en­bei­la­ge, die neben der ita­lie­ni­schen Aus­ga­be auch in einer gedruck­ten spa­ni­schen und fran­zö­si­schen Aus­ga­be und im Inter­net auch in einer eng­li­schen Aus­ga­be ver­öf­fent­licht wurde.

In ihrem Rück­tritts­schrei­ben umreißt Sca­raf­fia noch ein­mal die Auf­ga­ben und Zie­le der Frauenbeilage:

„In die­sen sie­ben Jah­ren war es unser Ziel, den Frau­en eine Stim­me zu geben, die in der Kir­che und für die Kir­che arbei­ten, indem wir uns dem Dia­log mit den Frau­en ande­rer Reli­gio­nen öffnen.“ 

Die For­mu­lie­rung deu­tet den pro­gres­si­ven Grund­kurs der Bei­la­ge an. So ver­steht sich, daß Lucet­ta dar­auf ver­gißt, zu erwäh­nen, daß ihre Frau­en­zeit­schrift wie­der­holt mehr zur Ver­wir­rung als zur Klar­heit beitrug.

Aus­drück­lich nennt Sca­raf­fia die Mit­ar­beit der „Schwe­stern der monasti­schen Gemein­schaft von Bose“, einer umstrit­te­nen, kano­nisch nur als Pri­vat­ver­ei­ni­gung von Lai­en­gläu­bi­gen aner­kann­te „öku­me­ni­sche“ Grup­pe ihres noch umstrit­te­ne­ren Grün­ders Enzo Bian­chi. Papst Fran­zis­kus mach­te ihn 2014 zum Con­sul­tor.

Die Gemein­schaft von Enzo Bian­chi, den der ehe­ma­li­ge Dekan der Phi­lo­so­phi­schen Fakul­tät der Late­ran­uni­ver­si­tät, Msgr. Anto­nio Livi, einen „fal­schen Pro­phe­ten“ nennt, wird von Sca­raf­fia noch ein zwei­tes Mal erwähnt und ver­deut­licht Schat­ten­sei­ten der Frauenbeilage.

„Unse­re Redak­ti­on, die sich jähr­lich für drei Tage zu geist­li­chen Exer­zi­ti­en im Klo­ster von Bose ver­sam­mel­te, arbei­te­te als intel­lek­tu­el­le und inne­re Werk­statt. Sie war auf­merk­sam, dar­auf zu hören und anzu­neh­men, wor­auf die Lese­rin­nen als frucht­ba­ren Ort oder zu recher­chie­ren­de Wirk­lich­keit hin­wie­sen, um in der Über­zeu­gung wie Sie, daß die Wirk­lich­keit über den Ideo­lo­gien steht, neue Weg des Dia­logs zu öff­nen. Und wir waren bereit, auch bis­her uner­forsch­te Wege zu beschrei­ten. Beson­ders reich und inter­es­sant war die Ver­tie­fung der Bezie­hun­gen zu den mus­li­mi­schen Frauen.“ 

Nun scheint es, so Sca­raf­fia, daß „eine vita­le Initia­ti­ve zum Schwei­gen“ gebracht wird, „und man zur über­hol­ten Sit­te der Ent­schei­dun­gen von oben und unter direk­ter männ­li­cher Kon­trol­le zurück­kehrt“. Im Schluß­satz zitiert sie aus dem Apo­sto­li­schen Schrei­ben Evan­ge­lii gau­di­um von Papst Fran­zis­kus: „Die Bean­spru­chung der legi­ti­men Rech­te der Frau­en auf­grund der festen Über­zeu­gung, daß Män­ner und Frau­en die glei­che Wür­de besit­zen, stellt die Kir­che vor tie­fe Fra­gen, die sie her­aus­for­dern und die nicht ober­fläch­lich umgan­gen wer­den können“.

Ausgabe 09/2018 zu Humanae vitae
Aus­ga­be 09/​2018 zu Hum­a­nae vitae

Dar­auf ant­wor­te­te noch gestern der seit Dezem­ber amtie­ren­de, neue Chef­re­dak­teur des Osser­va­to­re Roma­no, Andrea Monda.

Neben Höf­lich­kei­ten betont er, in den Mona­ten sei­ner Amts­zeit „Frau Pro­fes­sor Sca­raf­fia und der Frau­en­grup­pe der Redak­ti­on die­sel­be Auto­no­mie und die­sel­be tota­le Frei­heit gelas­sen zu haben, die die Monats­bei­la­ge seit ihrer Grün­dung cha­rak­te­ri­siert haben, indem ich mich jeder Form der Ein­mi­schung ent­hal­ten habe“.

Er habe sich dar­auf beschränkt, der frei­en Ent­schei­dung von Sca­raf­fia und ihrer Redak­ti­on ledig­lich „The­men und Per­so­nen für eine even­tu­el­le Mit­ar­beit“ vorzuschlagen.

Auch habe er kei­ne „Schwä­chung“ der Monats­bei­la­ge betrie­ben, „der viel­mehr der voll­stän­di­ge finan­zi­el­le Haus­halt bestä­tigt wur­de“, eben­so die Mög­lich­keit, die Bei­la­ge zu über­set­zen und in ande­ren Län­dern zu ver­brei­ten „trotz der all­ge­mei­nen Not­wen­dig­keit, die Kosten der Kurie zu beschränken“.

Er habe sei­ne Arbeit „im Zei­chen der Öff­nung und der von Papst Fran­zis­kus gewünsch­ten ‚Paru­sie‘ getan, in des­sen Wor­ten und in des­sen Lehr­amt wir uns alle wiedererkennen“.

Und zur Zukunft der Frauenbeilage:

„Was die Zukunft der Frau­en­bei­la­ge des Osser­va­to­re Roma­no betrifft, kann ich ver­si­chern, daß die­se nie zur Dis­kus­si­on stand und daß daher ihre Geschich­te nicht abbricht, son­dern sich fort­setzt. Ohne irgend­wel­che Klerikalismen.“

Bei­de Sei­ten suchen die Nähe zu Fran­zis­kus und bemüh­ten sich, dem Papst wohl­ge­fäl­li­ge in ihren Tex­ten Schlag- und Stich­wör­ter zu pla­zie­ren. Wie bereits in den ver­gan­ge­nen Mona­ten ist rund um die Vati­kan­me­di­en kein inhalt­li­cher Rich­tungs­kampf, son­dern ein Dia­do­chen­kampf um Ein­fluß und päpst­li­che Gunst im Gan­ge. Die von Papst Fran­zis­kus per­sön­lich ein­ge­setz­ten Ver­trau­ten haben dabei ein­deu­tig die bes­se­ren Karten.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Avvenire/​Osservatore Roma­no (Screen­shots)

Zur Frau­en­bei­la­ge des Osser­va­to­re Roma­no unter Lucet­ta Sca­raf­fia sie­he auch:

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