Warum wird nicht auch Pius XII. wunderlos heiliggesprochen?

Vom Pech ein „vorkonziliarer Typ“ zu sein


Der Zweifel: Heiligsprechungen als Instrument der Kirchenpolitik. Im Bild Pius XII. (1939-1958)
Der Zweifel: Heiligsprechungen als Instrument der Kirchenpolitik. Im Bild Pius XII. (1939-1958)

(Rom) Vor weni­gen Tagen wur­de Paul VI. (1963–1978) von Papst Fran­zis­kus hei­lig­ge­spro­chen. Wie hält es der Vati­kan grund­sätz­lich mit der Hei­lig­spre­chung von Päpsten?

Die Bedenken

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Gegen die Kano­ni­sie­rung gab es eini­ge Beden­ken. The Rem­nant schrieb:

„[…] daß kei­ne der Wun­der, die Paul VI. zuge­schrie­ben wer­den, die tra­di­tio­nel­len Kri­te­ri­en für die Fest­stel­lung der Gött­lich­keit eines Wun­ders erfüllen“.

Der katho­li­sche Intel­lek­tu­el­le Rober­to de Mat­tei formulierte:

„Wir kön­nen also guten Gewis­sens unse­re Vor­be­hal­te zu die­sen Kano­ni­sie­run­gen haben“.

Bereits 2014 wur­de die Ver­mu­tung geäu­ßert, von de Mat­tei nun wie­der­holt, daß es weni­ger um die Hei­lig­spre­chung von bestimm­ten Päp­sten, son­dern vor allem um eine Hei­lig­spre­chung des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils geht.

Johan­nes XXIII., der erste Kon­zils­papst, wur­de von Fran­zis­kus sogar wun­der­los hei­lig­ge­spro­chen. Sie­he dazu: War­um Fran­zis­kus Johan­nes XXIII. wun­der­los hei­lig­spricht.

„Wel­chen Glau­ben sol­len wir aber die­sen Hei­lig­spre­chun­gen schen­ken?“, fragt Rober­to de Mattei.

„Vorkonziliare Typen“

Artikel im Osservatore Romano, 21.10.2018
Arti­kel im Osser­va­to­re Roma­no, 21.10.2018

Das wirft im Umkehr­schluß eini­ge Fra­gen auf. Eine hat mit Papst Pius XII. zu tun (1939–1958), dem letz­ten „vor­kon­zi­lia­ren“ Papst. Genau die­se Tat­sa­che scheint in man­chen Kir­chen­krei­sen gegen ihn zu spre­chen und in ihren Augen eine unüber­wind­li­che Hür­de dar­zu­stel­len. Schließ­lich gehört Pius XII. ja zu „die­sen vor­kon­zi­lia­ren Typen“, wie jüngst Bischof Felix Genn von Mün­ster mein­te, die er nicht ein­mal zu Prie­stern wei­hen würde.

Sind Kano­ni­sie­run­gen also grund­sätz­lich nur mehr für nach­kon­zi­lia­re Päp­ste denkbar?

2000 wag­te Johan­nes Paul II. – erst im im 22. Jahr sei­nes Pon­ti­fi­kats – einen Kon­tra­punkt zu set­zen, indem er Pius IX. selig­sprach. Dafür muß­te er einen Preis bezah­len, der die star­ken Wider­stän­de gegen die­se „vor­kon­zi­lia­re“ Kano­ni­sie­rung erken­nen läßt. Er konn­te Pius IX. nur in einer Dop­pel-Kano­ni­sie­rung zusam­men mit dem Kon­zils­papst Johan­nes XXIII. zur Ehre der Altä­re erheben.

Bene­dikt XVI. wag­te erst gar nicht, so weit zu gehen. Er schei­ter­te bereits an den Wider­stän­den, den hei­li­gen Pfar­rer von Ars zum Patron und Vor­bild der Prie­ster zu machen.

Mit der Wahl von Papst Fran­zis­kus dreh­te sich der Wind. Über die Vor­kon­zils­zeit wird seit­her nicht mehr gespro­chen, und wenn doch, dann nega­tiv. Sie gibt es in der Regel ein­fach nicht. Die Fra­ge geht maxi­mal nur mehr um einen nach­kon­zi­lia­ren Rich­tungs­streit zwi­schen Kon­ser­va­ti­ven und Pro­gres­si­ven. Die Hei­lig­spre­chung von Papst Johan­nes Paul II. war zum Zeit­punkt der Wahl von Fran­zis­kus bereits soweit fort­ge­schrit­ten, daß sie nicht mehr ver­hin­dert wer­den konn­te. Sie war als Signal an die Welt­kir­che und die Welt­öf­fent­lich­keit offen­bar aber so zuwi­der, daß sie nur dadurch erträg­li­cher wur­de, daß in aller Eile,die wun­der­lo­se Hei­lig­spre­chung von Johan­nes XXIII. hin­zu­ge­fügt wurde.

Als das Kano­ni­sie­rungs­ver­fah­ren von Johan­nes Paul II. eröff­net wur­de, spöt­tel­ten pro­gres­si­ve Katho­li­ken und welt­li­che Medi­en über die Eile. „Eilig, eilig, eilig“, titel­te das Wochen­ma­ga­zin Focus. Kei­ne sol­che Kri­tik war an der super­ei­li­gen, gera­de­zu aus dem Hut gezau­ber­ten Hei­lig­spre­chung von Johan­nes XXIII. zu hören.

Und wie ist mit dem Seligsprechungsverfahren von Pius IX.

Gestern ver­öf­fent­lich­te der Osser­va­to­re Roma­no einen Arti­kel über den Stand des Selig­spre­chungs­ver­fah­rens von Pius XII. Vor zwei Wochen war sein 60. Todes­tag. Ein Datum, das an Fran­zis­kus unbe­ach­tet vor­über­ging. Er erwähn­te sei­nen Vor­gän­ger weder in sei­ner mor­gend­li­chen Pre­digt in San­ta Mar­ta noch bei der Gene­ral­au­di­enz oder in sei­ner Anspra­che zum sonn­täg­li­chen Ange­lus.

Bereits die Über­schrift des Osser­va­to­re Roma­no sagt, wor­um es geht: „Es fehlt nur mehr das Wun­der“. Die Bot­schaft lau­tet: Es gibt einen objek­ti­ven Hin­de­rungs­grund für die Fort­set­zung des Ver­fah­rens. Es fehlt die gött­li­che Bestä­ti­gung für die Kanonisierung.

Damit kom­men wir zur eigent­li­chen Fra­ge: War­um wird Pius XII. nicht auch vom Wun­der dis­pen­siert wie Johan­nes XXIII.? Nicht, daß die wün­schens­wert wäre, aber die Fra­ge darf gestellt wer­den. Oder war­um wird, folgt man The Rem­nant und Rober­to de Mat­tei, nicht auch für ihn ein Wun­der aner­kannt, obwohl es nicht die Vor­aus­set­zun­gen eines sol­chen erfüllt, wie bei Paul VI.?

Gibt es Päp­ste die wür­di­ger sind als ande­re, sodaß man ein biß­chen nach­hel­fen kann? Oder ein­fach das Pech, ein „vor­kon­zi­lia­rer Typ“ zu sein?

Kano­ni­sie­run­gen wie jene der Kon­zil­s­päp­ste Johan­nes XXIII. und Paul VI., wie de Mat­tei anmerk­te, zie­hen Beden­ken nach sich und wer­fen Fra­gen auf. Es liegt der Ver­dacht nahe, daß sie vor allem als Instru­ment der Kir­chen­po­li­tik ein­ge­setzt wer­den. Wenn dem so ist, wäre auch das eine Form von Mißbrauch.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​Osservatore Roma­no (Screen­shot)

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