(Rom) In einem heute von der Tageszeitung La Verità veröffentlichten Interview sieht der bekannte Liturgiker und enge Vertraute von Benedikt XVI. durch Spaltungen im Klerus und unter den Bischöfen die Wahrheit des Glaubensdogmas in Gefahr. Die Berufung auf das Lehramt sei „nicht mehr ein Zeichen der Einheit“. „Man beschäftigt sich mit der Ökologie und vergißt, daß die Aufgabe die Bekehrung ist.“ „Sobald der Irrtum übernommen wird, zerbricht die Gemeinschaft mit allen Gläubigen.“
Don Nicola Bux ist in der Kirche „ein sehr bekannter Name“, so Francesco Agnoli, der das Interview führte.
„Vor fünf Jahren stand er einen Schritt davor, Präfekt der Glaubenskongregation zu werden, als sein Name auf dem Dreiervorschlag neben dem von Gerhard Ludwig Müller stand.“
Don Bux, Priester aus Bari in Apulien, lehrte in Jerusalem und in Rom, wo er Consultor verschiedener Dikasterien der Römischen Kurie war, „wegen seiner vielseitigen Kompetenzen und seiner Ausgewogenheit“, darunter der Glaubenskongregation und der Heiligsprechungskongregation, aber auch Berater der internationalen theologischen Fachzeitschrift Communio. Vor allem war er unter Benedikt XVI. Consultor des Amts für die liturgischen Feiern des Papstes und stand im Mittelpunkt der von Benedikt gewollten Bewegung zur liturgischen Erneuerung, die im Motu proprio Summorum Pontificum ihren bleibenden Ausdruck fand. Seither bemüht er sich Klerikern und Gläubigen die Gründe und die Bedeutung des Motu proprio zu erklären, auch durch Bücher, die ins Englische, Französische und Spanische übersetzt wurden.
„Ihn in dieser für die Kirche heißen Phase, nach den Dubia [Zweifeln] und der Correctio filialis [Zurechtweisung] (die auch von einem der bekanntesten Verfechter der lateinischen Form der Liturgie, Msgr. Bernard Fellay, unterzeichnet wurde), zu hören, ist geradezu eine Pflicht, da er bekanntermaßen ein Freund der ‚zweifelnden‘ Kardinäle Raymond Burke und Walter Brandmüller ist“, so Agnoli.
Das jüngste Buch von Ettore Gotti Tedeschi, ehemaliger Präsident der Vatikanbank IOR und Unterzeichner der Correctio filialis, ist mit einem Vorwort von Don Bux erschienen.
Francesco Agnoli: Wir befinden uns genau 500 Jahre nach dem Beginn von Luthers Reformation 1517, aber auch genau hundert Jahre nach den Marienerscheinungen von Fatima und der Oktoberrevolution. 1917–2017: Vor 100 Jahren hat der Kommunismus in Rußland die Macht übernommen. Es scheint aber, als würde sich niemand mehr an dieses so todbringende Ereignis erinnern, das die Geschichte verändert hat. Und das den vermeintlichen Sieg des Atheismus anzukündigen schien…
Don Nicola Bux: Gustav Wetter, ein Jesuit, der in den 70er Jahren die Bibliothek der Päpstlichen Universität Gregoriana leitete, wo sich eine der umfangreichsten Sammlungen über den Marxismus befindet, sagte mir 1977 zum 60. Jahrestag der bolschewistischen Revolution, daß die Sowjetunion wie ein Emmentaler Käse sei: viele Löcher, die dank vieler Nager schrittweise größer werden, sodaß sie innerhalb von höchstens 15 Jahren alles zum Einsturz bringen werden. Es war also falsch, zu denken, daß der Kommunismus irreversibel sei. Zu behaupten, daß etwas irreversibel sei, verrät immer eine deterministische Sichtweise der Geschichte. Erst recht war es falsch, sich mit dem Kommunismus einzulassen, was nicht wenige Katholiken versucht haben.
Francesco Agnoli: Warum? Will der Kommunismus nicht auch Gleichheit und Brüderlichkeit?
Don Nicola Bux: Eine kommunistische Gesellschaft ist, weil gottlos, wie der Turm zu Babel: sie bleibt unvollendet. Am Ende stürzt sie in sich zusammen. Heute paktiert man leider in der heutigen Kirche auch mit „der Diktatur des Relativismus“, die von den sogenannten laizistischen Gesellschaften und Staaten gefördert wird. Denken vielleicht manche erneut, sie sei irreversibel? Die katholische Kirche hat das Gedächtnis von Millionen von Märtyrern des Kommunismus in ihr Fleisch eingebrannt, deshalb ist es unmöglich, demgegenüber gleichgültig zu sein.
Francesco Agnoli: Heute ist Rußland, das einst teils aus Zwang, teils freiwillig atheistisch war, ein Land, das eine unglaubliche Trendumkehr erlebt: immer weniger Atheisten und immer mehr Gläubige…
Don Nicola Bux: In Moskau sagte mir der Rektor des katholischen Seminars, daß viele junge Menschen nach der Bedeutung der Sakralbauten mit ihren charakteristischen Kuppeln wie Zwiebeln und Flammen fragen. Man erklärt ihnen den Sinn: Das unablässige Gebet erhebt sich wie eine Flamme in die Höhe. Zumindest drei Generationen sind im Atheismus aufgewachsen, dem es nicht gelungen ist, die nicht unterdrückbare Frage des Psalm zu ersticken: „Wo ist mein Gott?“ Die Antwort auf diese Frage ist der Akt der Erziehung , den die Kirche setzt. Dafür wurde sie von Christus gestiftet: die Seelen vor einer ideologisierten Gesellschaft zu retten, die alles rund um den Menschen, aber nichts im Menschen geschaffen hat. Im Westen hingegen hält man sich damit auf, dem Ökologismus hinterherzulaufen, der „Bewahrung der Schöpfung“. Christus hat sich nicht damit beschäftigt, weil das eine verlorene Schlacht ist. Die Kirche darf nicht vergessen, daß sie nur dadurch, daß sie den Menschen zu Umkehr und Buße ruft, mit dem Ziel, ihn von der Sünde loszusprechen, einen anderen Blick auf die Schöpfung fördern kann. Die erste Sünde, vor der heute zu warnen ist, ist die Sünde wider die Natur. Die widernatürlichen Dinge können nicht von Dauer sein.
Francesco Agnoli: Sie kennen die orthodoxe Welt sehr gut. Jüngst kam Rußlands Präsident Wladimir Putin, von dem es heißt, daß er sehr fromm sei, in Ihr Bari. Warum?
Don Nicola Bux: In Wirklichkeit ist das schon einige Jahre her. Der Grund sind die Reliquien des heiligen Nikolaus, der in Rußland sehr verehrt wird, und ein kirchliches Gebäude mit angeschlossenem Pilgerheim, das von Zar Nikolaus II. wenige Jahre vor Ausbruch der bolschewistischen Revolution errichtet wurde, und dann wegen dieser in Verfall geraten ist. Die Russen sind zum Großteil orthodox und glauben an eine Symphonia zwischen Staat und Kirche zum Wohl der Menschen. Im übrigen wird jeder verstehen, daß dem Allgemeinwohl besser gedient ist, wenn beide gemeinsam in dieselbe Richtung rudern. Auch deshalb haben sie, in Übereinstimmung mit dem Moskauer Patriarchat, darum gebeten und auch erhalten, daß eine Reliquie des heiligen Nikolaus für zwei Monate von Moskau nach Sankt Petersburg pilgerte und Millionen von Russen angezogen hat.
Francesco Agnoli: Wir befinden uns im 100-Jahrjubiläum von Fatima: Handelt es sich um eine erfüllte Prophezeiung oder erwartet uns noch etwas?
Don Nicola Bux: Für uns stammt die einzige erfüllte Prophezeiung von Jesus Christus, wie Er selbst es gesagt hat: „Es ist vollbracht!“ Dennoch bleibt in jedem von uns, zu vollbringen, was am Leib Christi, das ist die Kirche, noch fehlt. Daher: Fatima erfüllt sich im Leiden des mystischen Leibes Christi, der katholischen Kirche, die – das ist vor aller Augen sichtbar – unter der Apostasie leidet, der Loslösung von dem, was immer, überall und von allen geglaubt und bekannt wurde – mit einem Wort: dem Dogma.
Francesco Agnoli: Das sind starke Worte…
Don Nicola Bux: Sind sie nicht deutlich sichtbar die Worte und Handlungen von Priestern, die anderen Priestern widersprechen, von Laien im Widerspruch zu anderen Laien, begünstigt von der Spaltung unter den Bischöfen in der Frage, was der Glaube und die katholische Moral sind? Für eine wachsende Zahl von Katholiken ist das Lehramt nicht mehr ein Zeichen der Einheit. Bekanntlich kann man sich nicht auf die lehramtliche Autorität berufen, wenn man nicht vorher der katholischen Wahrheit zustimmt, der Wahrheit Christi, der zu dienen, sie gerufen ist. Die Gemeinschaft wird dann zerbrochen, wenn wer auch immer in der Kirche die Wahrheit aufgibt und den Irrtum annimmt. Leider ist das in der Geschichte bereits vorgekommen: Deshalb hat Jesus darum gebetet, daß wir eins sind, damit die Welt sieht und glaubt.
Francesco Agnoli: Warum hat Benedikt XVI. 2007 das Motu proprio Summorum Pontificum erlassen?
Don Nicola Bux: Ihm wurde bewußt, daß die Kirche – obwohl seit der Liturgiereform Jahrzehnte vergangen waren – unter der Spaltung litt: In verschiedenen Teilen der Welt zelebrierte man weiterhin oder wieder die Heilige Messe nach dem alten römischen Ritus, auch aufgrund der unerträglichen Verzerrungen, die dem neuen Ritus zugefügt wurden. Daher dachte er den liturgischen Frieden wieder herzustellen, indem er erklärte, daß beide Formen des Römischen Ritus, der alten und der neuen, die Anerkennung der gleichen Würde und der gegenseitigen Bereicherung zukommen. Erlauben Sie mir ein Beispiel: Welcher Mensch mit gesundem Menschenverstand wäre der Meinung, daß die traditionelle Küche im Widerspruch zur innovativen wäre? Und doch: Die Ideologie leugnet diese Wirklichkeit. Viele junge Menschen und Erwachsene entdecken den Glauben wieder, und entdecken auch häufig eine Berufung, weil sie an der außerordentlichen Form des römischen Ritus teilnehmen. Diese Offensichtlichkeit will man leugnen: das ist immer Ideologie. Die Wirklichkeit ist aber wie das Wasser: Wenn man es an einer Seite blockiert, sucht es sich einen anderen Weg. Wer auch immer das Motu proprio annullieren möchte, würde sich einer großen Widerstandsbewegung gegenübersehen, einer sich widersetzenden Kirche, einer wachsenden und nicht unterdrückbaren Realität aus dem einfachen Grund, weil sie die Erneuerung der Liturgie wie eine Wiedergeburt des Heiligen in den Herzen erlebt; und nicht wie die krampfhafte Suche nach Neuheiten der gerade aktuellen Moden.
Francesco Agnoli: Diese Maßnahme wurde im Osten gern gesehen. Viele sagen: Wenn der Glaube die kommunistische Verfolgung überlebt hat, dann auch gerade dank der Sakralität der orthodoxen Liturgie. Können Sie uns das erklären?
Don Nicola Bux: Die Rückkehr zur apostolischen, patristischen und liturgischen Tradition ist das, was die getrennten Christen des Ostens und des Westens eint. Es war Patriarch Alexius II., der Vorgänger des heutigen Patriarchen, der das sagte. Die wirkende Gegenwart des Herrn ist die Voraussetzung, damit die Liturgie heilig ist – ein Wort, das den Modernisten suspekt ist: Der Glaube an die Realpräsenz ist die wahre Teilnahme an der Liturgie. Es ist der Glaube, der rettet und es möglich macht, vor der Welt Zeugnis für Jesus Christus abzulegen bis zum Martyrium. Der Evangelist Johannes schreibt: „Das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“. Deshalb fürchten die Christen das Martyrium nicht. Der Glaube nährt sich vor allem aus der Gnade, die durch die Sakramente geschenkt wird, aus denen die heilige Liturgie besteht. Es ist zu hoffen, daß die östlichen Liturgien die Merkmale des Himmels, der auf die Erde herabkommt, bewahren. Damit darf man nicht spaßen! Wer Hand an die Liturgie legt, muß wissen, daß er sich dem brennenden Dornbusch nähert, der brennt, ohne zu verbrennen. Es braucht daher Demut und Verehrung, mit anderen Worten: Gottesfurcht.
Francesco Agnoli: Vor einigen Wochen ist Kardinal Carlo Caffarra gestorben. Welches Erbe hinterläßt er der Kirche?
Don Nicola Bux: Vor allem die Heiligkeit, verstanden im etymologischen Sinn: den „Sicherheitsabstand“ zur Welt wahren, wie es jeder Christ tun sollte. Dann die Heiligkeit des Denkens: ein gottgefälliges Denken, vollständig, katholisch, nicht Gegenstand modischer Einflüsse. Dann die Heiligkeit des Wortes: das Vermitteln eines tiefen Gedankens eines bedachten und überlegten Glaubens mit Sanftmut und Klarheit. Ein überzeugtes Wort das überzeugte, also gewinnend war. Und nicht zuletzt als Konsequenz daraus: die Heiligkeit seines Handelns in der Heiligung, der Lehre und der Leitung. Sine doctrina vita est quasi mortis imago, sagte Cato der Jüngere. Es gibt viele, von denen die Heiligkeit des Kardinals bezeugt werden könnte, und die um die Eröffnung eines Seligsprechungsverfahrens bitten könnten.
Ich will mit einem seiner Gedanken schließen, den er zuletzt häufig äußerte: Der Herr wirkt normalerweise im Stillen und mit wenigen Personen.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Messa tridentina Perugia/InfoCatolica (Screenshots)
Apostasie,Verwirrung, liturgische Missbräuche usw. wüten leider schon lange in der Kirche, und niemand weis wie man aus diesen verhängnisvollen Kreislauf herauskommt.