(Rom) Das Heldentrio, das dem jungen d’Artagnan in Alexandre Dumas‘ Abenteuer-Trilogie zur Seite stand, ist den Kindern heute leider kaum mehr ein Begriff. Athos, Porthos und Aramis sind keine Namen mehr, die selbstverständlich von der Zunge gehen. Der Vatikanist Sandro Magister versucht die drei Musketiere des Königs wieder ins Gedächtnis zu rufen, allerdings in neuem Gewand, indem er von den „drei Musketieren“ des Papstes schreibt – von Papst Franziskus:
„Die kommunistischen Parteien hatten ihre „organischen Intellektuellen“[1]Der Begriff „organische Intellektuelle“ wurde vom Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Italiens (KPI), Antonio Gramsci (1891–1938), prägte, um sie von den anderen Intellektuellen zu … Continue reading. Aber auch Papst Franziskus hat solche. Sie heißen Antonio Spadaro, Marcelo Figueroa und Victor Manuel Fernandez.“
Keine Brückenbauer zu US-Präsident Trump, sondern Minenleger
Spadaro, ein Italiener und Chefredakteur der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica, ist Jesuit wie Papst Franziskus. Figueroa und Fernandez sind Argentinier. Letzterer ist Ghostwriter des Papstes und wurde von diesem zum Rektor der Katholischen Universität von Argentinien und Titularerzbischof gemacht. Ersterer ist nicht einmal Katholik, sondern presbyterianischer Pastor. Was Magister nicht erwähnt: Dieser Umstand könnte eigentlich eine Brücke zu US-Präsident Donald Trump werden, der auch Presbyterianer ist. Das Gegenteil ist aber der Fall. Figueroa betätigte sich jüngst als päpstlicher Minenleger.
Spadaro, so Magister, hat La Civiltà Cattolica, in ein Sprachrohr von Santa Marta verwandelt. Zusammen mit Figueroa zeichnet Spadaro in der jüngsten Ausgabe für einen Artikel verantwortlich, der wie ein Orkan gegen konservative und katholische Richtungen in den USA niederging. Der Artikel hat jene „religiöse Rechte“ zur Zielscheibe, die „schuld“ am Wahlsieg von US-Präsident Trump sei. Das Autorenduo Spadaro/Figueroa stellt zunächst Evangelikale und Katholiken, die nicht „liberal“ eingestellt sind, was nach dem europäischen Begriffssystem „links“ meint, auf eine Ebene, kneten sie zur Einheitsmasse, um sich dann von ihnen unmißverständlich zu distanzieren. In einem weiteren Schritt behaupten sie, daß diese vereinigte „religiöse Rechte“ sich in ihrem Denken nicht vom „islamischen Fundamentalismus“, also dem radikalen Islam der Terror-Milizen Al Qaida und Islamischer Staat (IS) unterscheide.
Wofür diese „neuen Kreuzritter“ ins Feld ziehen, muß daher – nach der kategorischen Kritik von Spadaro und Figueroa am Denken dieser „religiösen Rechten“ – implizit verwerflich sein. Als Themen nennen die beiden Autoren ausdrücklich den Kampf gegen die Abtreibung, gegen die „Homo-Ehe“ und für den Religionsunterricht an den Schulen, also für „eine bestimmte Art“ der Verteidigung der Religionsfreiheit, wie sie im Aufsatz schreiben.
In Wirklichkeit, so Spadaro/Figueroa, würde diese evangelikal-katholische Allianz eine „Haß-Ökumene“ fördern, die Nostalgie nach einem Staat mit „theokratische Zügen“ habe. Das sei das genaue Gegenteil dessen, so die Autoren, was Jorge Mario Bergoglio, der Papst „der Inklusion, des Friedens und der Begegnung“ wolle.
Das Leben, die Familie und die Religionsfreiheit stehen seit Jahren, seit es Johannes Paul II. durch Bischofsernennungen gelungen war, den progressiven Einfluß zurückzudrängen, besonders dann auch unter Benedikt XVI, auf der Prioritätenliste der katholischen Kirche in den USA ganz oben, um die anhaltenden Angriffe kirchenferner Kreise, die sich liberal und links nennen und verorten, gegen den Glauben, die Kirche, die Gesellschaft und das Leben abzuwehren. Die Kritik von Spadaro/Figueroa in der römischen Jesuitenzeitschrift, in der jeder Artikel mit ausdrücklicher Druckerlaubnis des Vatikans erscheint, konnte in der US-Kirche daher nicht ohne Reaktion bleiben. Im konkreten Fall ist sogar davon auszugehen, daß Papst Franziskus persönlich den Frontalangriff gegen die Kirche in den USA, ja mindestens gegen die Hälfte der USA genehmigte; ein Angriff, der sich direkt gegen die katholischen Gläubigen des nordamerikanischen Landes richtet.
Scharfe Reaktion in den USA
Die Reaktion blieb nicht aus. Der Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput, stellte sich schützend vor die gläubigen Katholiken, die von Mitchristen „angegriffen werden, nur weil sie sich dafür einsetzen, was ihre Kirchen immer als wahr geglaubt haben“. Chaput gehört zu den führenden Bischöfen der USA und ist Oberhirte eines Erzbistums, das traditionell mit der Kardinalswürde verbunden ist, dennoch – oder gerade wegen seiner Haltung – verweigert ihm Papst Franziskus das Kardinalspurpur.
Der Erzbischof wirft Spadaro/Figueroa vor, die Dinge auf „unangemessene“ Weise dargestellt und unangemessen „vereinfacht“ zu haben. Andere Kommentatoren gingen weit härter mit dem Autorenduo ins Gericht. Sie wiesen dem italienischen Jesuiten und argentinischen Presbyterianer eine Vielzahl schwerwiegender inhaltlicher Fehler nach. Dabei geht es um historisch falsche Darstellungen, die einen Mangel an Geschichtskenntnis offenbaren, zumindest der US-Geschichte, aber mehr noch um elementare Denkfehler. Das Autoren-Dreamteam des päpstlichen Hofstaates hat ein sehr eigenwilliges Verhältnis im Umgang mit der Logik an den Tag gelegt.
„Jede andere Zeitschrift hätte einen solchen Artikel in den Papierkorb geworfen.“
So das vernichtende Urteil des Kanadiers Raymond J. de Souza bei Crux, einer katholischen Nachrichtenplattform in den USA, die sich durch ausgewogene Zurückhaltung auszeichnet, allerdings in jüngster Zeit „im Namen des Papstes“ verstärken Druck erfährt, sich auf die progressive Seite zu schlagen. Diesem Druck hält man bisher stand, wie die inoffizielle, einseitige Parteinahme des Vatikans zugunsten der Anti-Trump-Kampagne zeigt.
Spadaro haftet an, der Meinung zu sein, daß in der Theologie 2 + 2 sogar 5 ergeben könne. Solchen Denkkapriolen erteilte, wenn auch ohne namentlichen Zusammenhang, kein Geringerer als der damalige Glaubenspräfekt, Gerhard Kardinal Müller, eine Absage, indem er erklärte, daß 2 +2 „nie fünf ergeben kann“.
Während Kardinal Müller von Papst Franziskus unfreundlich vor die Tür gesetzt wurde, genießt Spadaro aber weiterhin das Vertrauen Bergoglios.
Fernandez, der „Schattenschreiber“ des Papstes
Dem Papst „noch näher“, so Magister, steht der Argentinier Victor Manuel Fernandez, der in jüngster Zeit mehr im Hintergrund wirkt und daher nicht so auffällt. Magister erinnert an Fernandez‘ „Erstlingswerk“, das auch sein Denken widerspiegle: ein 1995 erschienenes Buch über das Küssen: „Heile mich durch deinen Mund. Die Kunst des Küssens“.
„Es verwundert nicht, daß Rom nach diesem Buch und weiteren nicht weniger umstrittenen Buchproduktionen ein Veto gegen die Ernennung von Fernandez zum Rektor der Katholischen Universität von Argentinien einlegte.“
Allerdings war der damalige Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, der Fernandez ernannt hatte, so hartnäckig und entschlossen, daß sich Rom 2009 schließlich seinem Willen beugte und den Weg für die Ernennung von Bergoglios Schützling freigab.
Kaum war Bergoglio im März 2013 zum Papst gewählt worden, ernannte er Fernandez sogar zum Titularerzbischof. Dazu Magister:
„Diese Gestalt verbringt fast mehr Zeit im Vatikan als in Argentinien, im vollen Einsatz als Berater und Ghostwriter seines päpstlichen Freundes.“
Ganze Absätze des umstrittenen Achten Kapitels des nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia, mit dem Papst Franziskus „die Kirche am meisten erschüttert hat“, wurden wortwörtlich, wie Magister nachweisen konnte, aus Fernandez-Artikeln übernommen, die dieser vor etwa zehn Jahren geschrieben hatte.
Die lesenswerte Kritik von Thomas D. Williams am Spadaro/Figueroa-Angriff auf tragende Kräfte in den USA:
„Ecumenism of hate“ unjustly defames real Catholic-Evangelical dialogue
In diesem Zusammenhang, was Magister in seinem Artikel nicht tut, ist an die ungewohnt harte Kritik des italienischen Philosophen Marcello Pera zu erinnern. Pera, der auch Präsident des Italienischen Senats war, warf Papst Franziskus im Zusammenhang mit seiner Politik der schrankenlosen Einwanderung vor, seit seiner Wahl „nur Politik zu machen“. Auf der Suche nach einem Beweggrund für die Haltung des Papstes in der Migrationspolitik, die „weder durch das Evangelium noch durch die Vernunft“ geleitet sei, gelangte Pera, ein ehemaliger Agnostiker und Sozialist, der sich dem Glauben annäherte und unter Benedikt XVI. zur katholischen Kirche zurückfand, zu einem drastischen Schluß:
„Er haßt den Westen und will ihn zerstören“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Youtube (Screenshots/Montage)
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↑1 | Der Begriff „organische Intellektuelle“ wurde vom Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Italiens (KPI), Antonio Gramsci (1891–1938), prägte, um sie von den anderen Intellektuellen zu unterscheiden. Gemeint sind damit linientreue kommunistische Intellektuelle, die beim Aufbau der „Kulturellen Hegemonie“ in den Dienst des Klassenkampfes und der Machtübernahme des Proletariats stellen.“ |
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Was mich persönlich sehr erschreckt, ist, dass Fernandez (geb. 1962) und Spadaro (geb. 1966) beide noch ziemlich jung sind (Bei Figueroa habe ich es nicht herausfinden können.). Das verheißt auf lange Sicht nichts Gutes, wenn sie ihren Einfluss auch nach dem jetzigen Pontifikat behalten sollten. Es überrascht mich zudem insofern, als ich dachte, in dieser Generation sei die progressive Konzilsseligkeit schon nicht mehr so ausgeprägt. Aber vielleicht war das ja ein Irrtum.