Antonio Spadaro und die Straße von Messina

Vom Sprachrohr des Brückenbauers zum Brückengegner


P. Antonio Spadaro mit Papst Franziskus; rechts die Straße von Messina
P. Antonio Spadaro mit Papst Franziskus; rechts die Straße von Messina

Der Jesui­ten­pa­ter Anto­nio Spa­da­ro macht wie­der von sich reden. Bis 2023 unter­stütz­te er als Schrift­lei­ter der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus. Seit Anfang 2024 ist er Unter­se­kre­tär des Dik­aste­ri­ums für Kul­tur und Bil­dung.

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Der Auf­takt sei­ner engen Ver­bin­dung mit dem ersten Jesui­ten auf dem Stuhl Petri war ein viel­be­ach­te­tes Inter­view im August 2013 – nur weni­ge Mona­te nach dem Kon­kla­ve –, das dem berg­o­glia­ni­schen Pon­ti­fi­kat erst­mals deut­li­che­re Kon­tu­ren ver­lieh und zugleich vie­le Katho­li­ken erschüt­ter­te. Wie es hieß, pfleg­ten Spa­da­ro und Fran­zis­kus einen täg­li­chen, unmit­tel­ba­ren Kon­takt. Wenn Spa­da­ro sich äußer­te – in wel­cher Form auch immer –, durf­te man anneh­men, daß er die Gedan­ken des Pap­stes wiedergab.

Spa­da­ro selbst war es, der 2017 zum Angriff auf die „reli­giö­se Rech­te“ in den USA blies – ganz im Sin­ne von San­ta Mar­ta. Gemeint waren damit nicht nur evan­ge­li­ka­le Grup­pen, son­dern auch soge­nann­te „katho­li­sche Inte­gra­li­sten“. Spa­da­ro bestä­tig­te aus­drück­lich, daß die­ser Fron­tal­an­griff gegen die Trump-Regie­rung und deren christ­li­che Unter­stüt­zer „vom Hei­li­gen Stuhl abge­seg­net“ wor­den sei. Die Inter­ven­ti­on war Teil eines poli­ti­schen Groß­kon­flikts, der sich nach der Wahl Donald Trumps zum Prä­si­den­ten zuspitz­te. Papst Fran­zis­kus und ihm nahe­ste­hen­de kirch­li­che Krei­se, die in enger Ver­bin­dung zur US-Demo­kra­ti­schen Par­tei stan­den, misch­ten sich damit aktiv in die Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die Füh­rungs­rol­le der Welt­macht USA ein. Der Weg von Spa­da­ros Essay „Evan­ge­li­ka­ler Fun­da­men­ta­lis­mus und katho­li­scher Inte­gra­lis­mus. Eine erstaun­li­che Öku­me­ne“ führ­te letzt­lich direkt zur poli­tisch moti­vier­ten Über­wa­chung tra­di­tio­nel­ler katho­li­scher Grup­pen durch das FBI – ein Skan­dal, der Anfang 2023 öffent­lich wurde.

In San­ta Mar­ta schien das nie­man­den zu stö­ren. Zwar wur­de Spa­da­ro kurz dar­auf als Chef­re­dak­teur der bedeu­tend­sten Jesui­ten­zeit­schrift der Welt abge­löst – jedoch nicht etwa als Stra­fe, son­dern im Zuge einer Beför­de­rung: zunächst zum Bera­ter des Kul­tur- und Bil­dungs­dik­aste­ri­ums, spä­ter sogar zur Num­mer drei die­ser vati­ka­ni­schen Behör­de. Damit trat er indi­rekt die Nach­fol­ge des zuvor im Rah­men der Kuri­en­re­form aus­ge­schie­de­nen öster­rei­chi­schen Bil­dungs­exper­ten P. Fried­rich Bechi­na FSO an.

Spa­da­ro, ein treu­er Weg­be­glei­ter des Jesui­ten­pap­stes, beglei­te­te Fran­zis­kus auf zahl­rei­chen Aus­lands­rei­sen. In jedem Land traf sich der argen­ti­ni­sche Pon­ti­fex mit den dort ansäs­si­gen Jesui­ten – stets unter Aus­schluß der Öffent­lich­keit. Kurz dar­auf ver­öf­fent­lich­te Spa­da­ro in La Civil­tà Cat­to­li­ca Zusam­men­fas­sun­gen die­ser Gesprä­che, um das Den­ken des Pap­stes wei­ter­zu­ver­mit­teln. So zitier­te er Fran­zis­kus nach des­sen Kana­da-Rei­se 2022 mit der Begrün­dung für das tra­di­ti­ons­kri­ti­sche Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des: „Ich muß­te gegen den indiet­ri­sti­schen Rausch des Alten ein­schrei­ten.“

Nach sei­nem Rück­zug als Chef­re­dak­teur wur­de es zunächst stil­ler um Spa­da­ro – nicht zuletzt durch den Tod jenes Pap­stes, dem er sich am stärk­sten ver­pflich­tet fühl­te und des­sen Wir­ken er uner­müd­lich in der Welt zu erklä­ren ver­such­te. Für ihn war die Kri­tik am Pon­ti­fi­kat Fran­zis­kus meist bloß Aus­druck man­geln­den Ver­ständ­nis­ses. Im Okto­ber 2017 erklär­te er gar: „Es gibt kei­ne Norm, die man auf jeden Fall befol­gen muß.“ Bereits zuvor hat­te er für Auf­se­hen gesorgt, als er behaup­te­te, in der Theo­lo­gie kön­ne „2 + 2 auch 5 erge­ben“. Wie Papst Fran­zis­kus ver­trat auch Spa­da­ro eine glo­ba­li­stisch gepräg­te Agen­da – häu­fig sogar stell­ver­tre­tend für den Papst. Es war Spa­da­ro, der Gre­ta Thun­bergs wir­re The­sen im Vati­kan will­kom­men hieß – damals noch, bevor sie wegen ihrer Isra­el-Kri­tik bei jenen, die sie zuvor auf den Schild hoben, in Ungna­de fiel.

Spa­da­ro war es auch, der 2016 soge­nann­te „Socken­pup­pen“ gegen jene vier Kar­di­nä­le ins Spiel brach­te, die mit ihren Dubia an Amo­ris lae­ti­tia öffent­lich Klar­stel­lun­gen vom Papst ein­ge­for­dert hatten.

Nun mel­de­te sich der umtrie­bi­ge Jesu­it mit einem Face­book-Post zurück, in dem er sich vehe­ment gegen den Plan der ita­lie­ni­schen Regie­rung stellt, eine Brücke über die Stra­ße von Mes­si­na zu bau­en – mit dem Ziel, Sizi­li­en direkt an das euro­päi­sche Fest­land anzubinden.

Das Brücken­pro­jekt geht ursprüng­lich auf den 2023 ver­stor­be­nen Mini­ster­prä­si­den­ten Sil­vio Ber­lus­co­ni zurück. Auch die der­zei­ti­ge Regie­rung unter Gior­gia Melo­ni ist eine Rechts­ko­ali­ti­on – ein Umstand, der Spa­da­ros Kri­tik poli­tisch durch­aus ein­ord­nen hilft. Auch im deut­schen Sprach­raum berich­te­ten Medi­en über die Wie­der­auf­nah­me der Plä­ne zum Bau einer soge­nann­ten Jahr­hun­dert­brücke. Man­cher­orts wur­de gar behaup­tet, schon die alten Römer hät­ten ähn­li­che Ideen ver­folgt – eine media­le Über­trei­bung ohne histo­ri­schen Halt.

Ver­kehrs­mi­ni­ster Matteo Sal­vi­ni kün­dig­te unlängst den bal­di­gen Beginn der Bau­ar­bei­ten an.

Spa­da­ro griff nun in die Debat­te ein und stell­te sich ent­schie­den gegen das Vor­ha­ben. Er argu­men­tiert, das Bau­werk zer­stö­re nicht nur die natür­li­che Land­schaft, son­dern auch die „Sym­bo­lik“ der Meer­enge, die den Men­schen dazu her­aus­for­de­re, über sich selbst hin­aus­zu­wach­sen. Die Meer­enge sei eine Meta­pher für das Anders­sein – so der Jesu­it –, das sich nicht künst­lich über­brücken lasse.

„Die Brücken­pro­jek­te über die Meer­enge ver­kör­pern den Drang, den Riß künst­lich mit einer unpoe­ti­schen Pro­the­se zu hei­len, die das Anders­sein auf­hebt und damit den Sinn der Meer­enge aus­löscht und ihr Sym­bol ver­nich­tet“, so Spa­da­ro wörtlich.

„Vom gro­ßen Bera­ter des Pap­stes zum radi­ka­len Brücken­geg­ner“, titel­te dar­auf­hin die Tages­zei­tung La Veri­tà. Sie wer­te­te Spa­da­ros Kri­tik als poli­tisch moti­vier­te Pole­mik und kon­ter­te im glei­chen Stil: Gera­de weil eines der Leit­mo­ti­ve des Pon­ti­fi­kats von Fran­zis­kus lau­te­te, „Brücken zu bau­en, nicht Mau­ern“, sei es beson­ders bemer­kens­wert, daß aus­ge­rech­net „ein treu­er Freund“, „der Mann, der dem Pon­ti­fex ins Ohr flü­ster­te“ (Pon­ti­fex = Brücken­bau­er), sich nun zum ent­schie­de­nen Geg­ner eben die­ses Brücken­pro­jekts erklärt habe.

Spa­da­ro selbst kün­dig­te inzwi­schen ein neu­es Buch an, das er für den Tou­ring Club Ita­lia­no ver­fas­se – eine Insti­tu­ti­on, die man im deut­schen Sprach­raum etwa mit dem ADAC ver­glei­chen könn­te, aller­dings mit stär­ker kul­tu­rel­lem Schwer­punkt. The­ma des Buches: aus­ge­rech­net die Meer­enge von Messina.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: VaticanMedia/​Wikicommons (Screen­shots)

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