Der neue Sitz der Päpstlichen Kinderschutzkommission

Die Kommission, die niemand im Hinterhof haben möchte


Ein Teil des exterritorialen Palazzo Maffei Marescotti soll neuer Sitz der Päpstlichen Kinderschutzkommission werden
Ein Teil des exterritorialen Palazzo Maffei Marescotti soll neuer Sitz der Päpstlichen Kinderschutzkommission werden

(Rom) Zum Pon­ti­fi­kat der Gesten paßt die Schlag­zei­le der New York Times vom 14. April: „Auf der Suche nach Sicht­bar­keit hat die vom Papst ein­ge­setz­te Kom­mis­si­on gegen den sexu­el­len Miß­brauch von Min­der­jäh­ri­gen einen neu­en Sitz“.

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Papst Fran­zis­kus habe der Plan „gefal­len“, wie P. Andrew Small OMI, der Sekre­tär pro tem­po­re der Päpst­li­chen Kin­der­schutz­kom­mis­si­on, berich­te­te, nach­dem ihn Fran­zis­kus im März in Audi­enz emp­fan­gen hat­te. Smalls Vor­gän­ger war 2021 etwas abrupt aus sei­nem Amt abbe­ru­fen worden.

Als die Kom­mis­si­on 2014 von Fran­zis­kus ernannt wur­de, war sie in einer ehe­ma­li­gen Vati­kan­re­si­denz in der Nähe von San­ta Mar­ta unter­ge­bracht. Damals wur­de die­se räum­li­che Nähe als Zei­chen einer star­ken Posi­ti­on die­ser Kom­mis­si­on gese­hen und als Signal, daß der Hei­li­ge Stuhl „ernst“ mache mit der Päderastenbekämpfung.

Bald stell­te sich jedoch her­aus, daß in der Welt der Gesten viel Schein ist. Die Kom­mis­si­on exi­stiert, tagt und pro­du­ziert Stel­lung­nah­men, doch einen wirk­li­chen Ein­fluß erlang­te sie nicht. Die Arbeit wuchs aller­dings an und damit wur­de auch die Raum­si­tua­ti­on pre­kä­rer. Man sei wie „Bedui­nen“ stän­dig auf der Suche nach momen­ta­nen Raum­lö­sun­gen gewe­sen, wird P. Small von Jason Horo­witz in der NYT zitiert.

Die Suche nach einem geeig­ne­ten Sitz dau­er­te Jah­re. Seit dem ver­gan­ge­nen Monat scheint nun eine Lösung auf dem Tisch zu lie­gen. Es gehe dabei vor allem dar­um, „zu bekräf­ti­gen, wie wich­tig der Kir­che der Schutz von Kin­dern ist“. Fün­dig wur­de man im Palaz­zo Maffei Mares­cot­ti im Her­zen der römi­schen Alt­stadt. Die Kom­mis­si­on kann in dem Palaz­zo, der dem Vati­kan unter­steht, frei­ge­wor­de­ne Räu­me miet­frei übernehmen.

Den Umzug möch­te die Kom­mis­si­on als Signal an jene „im Vati­kan“ ver­stan­den wis­sen, „von denen sie glaubt, daß sie es vor­zie­hen wür­den, wenn das The­ma sexu­el­ler Miß­brauch im Ver­bor­ge­nen oder in der Fer­ne blei­ben würde“.

Opfer von sexu­el­lem Miß­brauch wür­den sich durch Kle­ri­ker oder die Schwei­zer Gar­di­sten ver­schreckt, unwohl oder ein­ge­schüch­tert füh­len. Die räum­li­che Tren­nung kön­ne geeig­ne­te Mög­lich­keit schaf­fen, gab Kar­di­nal Sean Patrick O’Malley OFMCap, seit 2014 Vor­sit­zen­der der Kom­mis­si­on, zu verstehen.

Die gan­ze Wahr­heit ist, daß die bis­he­ri­ge räum­li­che Nähe zu San­ta Mar­ta nicht den erhoff­ten Zugang zu Fran­zis­kus ermög­lich­te. Damit hat­te der anfangs als „groß­ar­tig“ emp­fun­de­ne Sitz der Kom­mis­si­on schnell an Bedeu­tung verloren.

Pola­ri­sie­rend wirkt unver­än­dert auch nach zehn Jah­ren die Fra­ge, wie genau vor­ge­gan­gen wer­den soll, ob schritt­wei­se oder kom­pro­miß­los. 2017 ver­ließ die Irin Marie Coll­ins, selbst Miß­brauchs­op­fer, die Kin­der­schutz­kom­mis­si­on unter Pro­test und warf dem Hei­li­gen Stuhl Obstruk­ti­ons­po­li­tik vor.

Im ver­gan­ge­nen März ver­ließ der deut­sche Jesu­it P. Hans Zoll­ner die Kom­mis­si­on, um Kin­der­schutz­be­auf­trag­ter der Diö­ze­se Rom zu wer­den. Zoll­ner wird von der New York Times als „füh­ren­der Exper­te der katho­li­schen Kir­che im Kampf gegen Miß­brauch und pro­mi­nen­te­stes Kom­mis­si­ons­mit­glied“ bezeich­net. Er bemän­gel­te die feh­len­de Unab­hän­gig­keit der Kom­mis­si­on, und daß sie es ver­säumt habe, „für Trans­pa­renz“ zu sor­gen. Sie­he jedoch auch: „Der Jesu­it und Tabui­sie­rer Zoll­ner ver­läßt die Päpst­li­che Kin­der­schutz­kom­mis­si­on“.

Zoll­ner wird vor­ge­wor­fen, an der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na mit dem Zen­trum für Kin­der­schutz (Cen­ter for Child Pro­tec­tion) eine „Gegen­in­sti­tu­ti­on“ zur Päpst­li­chen Kin­der­schutz­kom­mis­si­on auf­zu­bau­en – da Jesu­it, mög­li­cher­wei­se mit Bil­li­gung von Papst Fran­zis­kus. Kar­di­nal O’Malley sagt öffent­lich nur, daß P. Zoll­ner im ver­gan­ge­nen Jahr kaum mehr in der Kom­mis­si­on prä­sent gewe­sen sei: „Zum jet­zi­gen Zeit­punkt weiß ich nicht, was er denkt“. Sie­he dazu auch: „Bock zum Gärt­ner – Pädo­phi­len­freund im Zen­trum für Kin­der­schutz an der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na“.

Kar­di­nal O’Malley ist der­zeit vor allem bemüht, Befürch­tun­gen zu zer­streu­en, der Umzug in den Palaz­zo Maffei Mares­cot­ti kom­me einem Raus­wurf aus dem Vati­kan gleich. 

Dar­stel­lung des Palaz­zo Maffei Mares­cot­ti im Jahr 1754

P. Small wur­de im Jahr 2021 auf den Palaz­zo auf­merk­sam. Für Rom­ken­ner: Der Palaz­zo befin­det sich an der Via dei Ces­ta­ri zwi­schen der Mut­ter­kir­che der Jesui­ten und dem Päpst­li­chen Fran­zö­si­schen Kol­leg. Der Haupt­ein­gang befin­det sich aller­dings in der Via del­la Pigna. Da er als exter­ri­to­ria­les Gebiet nicht zu Ita­li­en, son­dern zum Staat der Vati­kan­stadt gehört, sind „Beden­ken“ bezüg­lich einer Ent­fer­nung aus dem Vati­kan besten­falls bedingt zutref­fend. Die Kom­mis­si­on dürf­te Räu­me am Ein­gang in der Via del­la Pigna erhalten.

Mit dem Bau des heu­ti­gen Palaz­zo wur­de 1577 von Kar­di­nal Mar­can­to­nio Maffei begon­nen, der sei­ne Fer­tig­stel­lung nicht mehr erleb­te. Davor stan­den dort meh­re­re Gebäu­de, die sei­ner Fami­lie gehör­ten. Seit­her wech­sel­te der Palast mehr­fach Besit­zer im Kreis des römi­schen Adels, dar­un­ter meh­re­re Kar­di­nä­le. 1764 schließ­lich wur­de er von Ora­zio Mares­cot­ti, Fürst von Par­ra­no, erwor­ben, des­sen Fami­lie ursprüng­lich aus Bolo­gna stamm­te und nach fami­li­en­ei­ge­ner Über­lie­fe­rung mit Karl dem Gro­ßen nach Ita­li­en gelangt war. Die­se ver­kauf­te den Palast 1865 an die Ban­ca Roma­na. 1906 erwarb ihn der Hei­li­ge Stuhl und brach­te dar­in das Vika­ri­at der Diö­ze­se Rom unter (daher auch die Bezeich­nung Vec­chio Vica­ria­to). Seit der Unter­zeich­nung der Late­ran­ver­trä­ge 1929 ist er exterritorial.

Anfangs habe es im Vati­kan und von­sei­ten des Vika­ri­ats nur Absa­gen gege­ben. Man sei ja nichts, was jemand unbe­dingt in sei­nem Hin­ter­hof haben möch­te, so der Kom­mis­si­ons­se­kre­tär. Smalls Beharr­lich­keit konn­te dann aber doch etwas bewe­gen. Ihm wur­den im Palaz­zo bau­fäl­li­ge Räum­lich­kei­ten gezeigt, die die Kom­mis­si­on über­neh­men kön­ne, wenn sie die Reno­vie­rung bezahlt. Schließ­lich wur­de der Druck erhör­te, sodaß Papst Fran­zis­kus geeig­ne­te­re Räu­me im Palast genehmigte.

Die Kom­mis­si­on sieht im Palaz­zo Maffei Mares­cot­ti den geeig­ne­te­ren Ort für die Opfer als im Vati­kan. Die dem hei­li­gen Johan­nes dem Täu­fer geweih­te Kir­che auf der in unmit­tel­ba­rer Nähe gele­ge­nen Piaz­za del­la Pigna sei als Ort der Anbe­tung im Gespräch. Die ursprüng­lich den Mär­ty­rern Eleu­the­ri­us und Gene­si­us von Rom geweih­te Kir­che war bereits im 10. Jahr­hun­dert belegt. Im 16. Jahr­hun­dert wur­de sie einer Erz­bru­der­schaft über­tra­gen, die sich um Gefan­ge­ne küm­mer­te. Die alte Kir­che wur­de wegen Bau­fäl­lig­keit abge­bro­chen und die neue Kir­che erbaut und das neue Patro­zi­ni­um instal­liert. In der Kir­che befin­den sich aber noch die Reli­qui­en des hei­li­gen Gene­si­us, der als Hof­schau­spie­ler und Hof­schelm zur Belu­sti­gung von Kai­ser Dio­kle­ti­an eine Tau­fe par­odie­ren soll­te. Als Was­ser über ihn gegos­sen wur­de, begeg­ne­te er Jesus Chri­stus und bekann­te sich dann aus gan­zer Über­zeu­gung zu ihm, wor­auf­hin ihn der Kai­ser fol­tern und schließ­lich hin­rich­ten ließ.

Man wird sehen, wie lan­ge es noch dau­ern wird, bis die Päpst­li­che Kin­der­schutz­kom­mis­si­on den homo­se­xu­el­len Miß­brauch beim Namen nennt, der für mehr als 80 Pro­zent der Miß­brauchs­fäl­le durch Kle­ri­ker ver­ant­wort­lich ist.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Goog­le Maps/​Wikicommons (Screen­shot)

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