
(Rom) Der deutsche Jesuit Hans Zollner, einer der führenden Experten im Kampf gegen den sexuellen Kindesmißbrauch in der Kirche, hat sich aus der Päpstlichen Kinderschutzkommission zurückgezogen. Diese Kommission war von Papst Franziskus 2014 ins Leben gerufen worden. Pater Zollner gehörte diesem Gremium seit seiner Gründung an. Was hat Zollner in diesen Jahren erreicht und vor allem, was hat er verhindert?
Laut einer Erklärung von Kardinal Seán O’Malley OFMCap, dem Vorsitzenden der Kommission seit ihrer Gründung, hat Pater Zollner „diese Entscheidung getroffen, nachdem er über seine jüngste Ernennung zum Berater für den Schutz von Minderjährigen in der Diözese Rom nachgedacht hat und angesichts dieser und seiner anderen Verpflichtungen darum gebeten hat, von seinem Amt in der Kommission entbunden zu werden“.
Der Papst „hat seine Bitte angenommen und ihm für seinen langjährigen Dienst herzlich gedankt“, heißt es in dem Schreiben, in dem Zollners Arbeit gewürdigt wird, der in all den Jahren „zur Gestaltung und Umsetzung vieler Projekte und Programme beigetragen hat, die aus den Beratungen der Kommission hervorgegangen sind“.
In einem Interview mit dem spanischen Radiosender COPE äußerte Zollner kürzlich seine Verwunderung über die Art und Weise, wie der Fall seines slowenischen Mitbruders, des Jesuitenkünstlers Pater Marko Ivan Rupnik, behandelt wird, der des Mißbrauchs von Ordensfrauen beschuldigt wird. Zollner sagte damals:
„Es ist sehr frustrierend festzustellen, daß wir trotz allem, was passiert ist, trotz allem, was diskutiert, debattiert und über Mißbrauch und dessen Prävention nachgedacht wurde, immer noch nicht weitergekommen sind.“
Wer dafür verantwortlich ist, sagte Zollner allerdings nicht: Der Schutzschirm für Rupnik wurde diesem vom Jesuitenorden verschafft – Zollners Orden. Der oberste Schirmherr des slowenischen Priesterkünstlers war Papst Franziskus selbst – auch er ein Jesuit.
Kardinal O’Malley ließ dem Scheidenden reichlich Lob zukommen:
„Durch die vielen Schulungen, die er im Laufe der Jahre für Bischöfe und Ordensleute durchgeführt hat, und durch seine Reisen um die ganze Welt ist er zu einem Botschafter des Schutzes geworden und wird in dieser wichtigen Arbeit durch seine Rolle als Direktor des Instituts für Anthropologie an der Universität Gregoriana und als Berater der Diözese Rom für den Schutz von Minderjährigen weiterhin eine ständige Präsenz sein.“
Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Am 30. September 2022 hatte Papst Franziskus das Mandat der Päpstlichen Kinderschutzkommission erneuert und dabei neue Mitglieder ernannt und „eine Geschlechterparität“ geschaffen, wie von den Medien betont wurde. Der nunmehr 20köpfigen Kommission gehören seither zehn Frauen und zehn Männer aus allen Kontinenten an. Zuvor zählte die Kommission nur 15 Mitglieder, von der sieben Frauen waren. Eine Maßnahme also, die allein einem bestimmten Zeitgeist schmeicheln sollte, ohne irgendeine Relevanz für die Sache.
Dabei hatte Franziskus erst am 24. März 2021 die Amtszeit der Kommissionsmitglieder um drei Jahre verlängert und damals den Chilenen Juan Carlos Cruz in die Kommission berufen. Cruz ist selbst Opfer des sexuellen Mißbrauchs, um genauer zu sein, des homosexuellen Mißbrauchs – und damit kommen wir dem eigentlichen, großen und verschwiegenen Problem näher. Cruz war vom inzwischen verstorbenen Priester Fernando Karadima mißbraucht worden. Er lebt heute selbst als Homosexueller und ist ein enger Vertrauter von Papst Franziskus geworden.
Daß die Kommission nach nur 18 Monaten erneut bestätigt wurde, war durch die inzwischen in Kraft getretene neue Konstitution für die Römische Kurie notwendig geworden und ermöglichte Franziskus ihren Umbau. Zollner hatte im vergangenen September die Verlängerung auf drei Jahre angenommen.
Die Ernennung und Bestätigung von Juan Carlos Cruz macht das Dilemma und die Widersprüchlichkeit der Mißbrauchsbekämpfung durch Papst Franziskus offensichtlich.
Zunächst hatte sich das Kirchenoberhaupt jahrelang gegenüber den Klagen der chilenischen Opfer und ihrer Angehörigen taub gezeigt, um schließlich Cruz, einen bekennenden Homosexuellen, als Zeichen der Wiedergutmachung ausgerechnet in die Kinderschutzkommission zu berufen. Unter einer solchen Art von Gestenpolitik leidet die Glaubwürdigkeit nicht nur der höchsten kirchlichen Autorität, sondern der Kirche insgesamt.
Die Homosexualität ist laut kirchlicher Lehre eine himmelschreiende Sünde, also nichts, was es anzuerkennen oder gar zu fördern oder zu unterstützen gelte. Die Homosexualität ist in der Kirche vor allem die erdrückende Hauptursache für den sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen. Bei mindestens 80 Prozent aller Mißbrauchsfälle handelt es sich um homosexuellen Mißbrauch.
Papst Franziskus ist es, der seit Jahren verhindert, daß diese brutale Wahrheit ausgesprochen wird und konkrete Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Die Berufung des Chilenen Cruz zeigt vielmehr das Gegenteil an: Während die Hauptursache des sexuellen Mißbrauchs in der Kirche, die Homosexualität, verschwiegen wird, wird parallel die Anerkennung der Homosexualität signalisiert.
Pater Zollner unterstützte diese Verschleierungsstrategie aktiv. 2018 beispielsweise erklärte er in einem Interview mit der Osnabrücker Bistumszeitung: Es sei „unverantwortlich und würde alle homosexuell veranlagten Menschen in unerträglicher Weise stigmatisieren“, einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Mißbrauch herzustellen. Die Fakten sprechen jedoch, was die Kirche betrifft, eine ganz andere Sprache.
Seit Jahren wird sie vom Mißbrauchsskandal gebeutelt und ihr Ansehen hat schweren Schaden genommen. Doch Papst Franziskus erhebt den Anspruch, den Sumpf in der Kirche trockenzulegen, ohne die Ursache zu benennen. Stattdessen werden soziologische Gründe genannt und ein grotesker Diskurs über „Machtstrukturen“ und den Zölibat geführt. Man belügt sich und die Welt – von Christus als dem Haupt der Kirche ganz zu schweigen. Zollner war all die Jahre ein Prophet dieser unehrlichen Vogelstraußhaltung.
Der Kindesmißbrauch soll beseitigt werden, doch wichtiger ist für die ideologische Perspektive von Santa Marta, die Homosexualität anzuerkennen. Und diese Quadratur des Kreises kann nicht gelingen.
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Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)