Papst Leo XIV. in Castel Gandolfo: Urlaub mit Aktenstudium

Weltkirchliche und römische Personalentscheidungen


Papst Leo XIV. in Castel Gandolfo
Papst Leo XIV. in Castel Gandolfo

Papst Leo XIV. hat sich nach Castel Gan­dol­fo zurück­ge­zo­gen, wo er den Som­mer ver­bringt – ohne frei­lich Urlaub zu machen. Das Kli­ma am Ran­de des Alba­ner­sees, eines alten Vul­kan­kra­ters, ist deut­lich mil­der als in der Stadt am Tiber, wo die Tem­pe­ra­tu­ren im Som­mer nicht sel­ten die 40-Grad-Mar­ke errei­chen – und das war schon immer so, nicht erst seit dem angeb­lich men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del. Aus die­sem Grund wähl­ten sich die Päp­ste vor vie­len Jahr­hun­der­ten Castel Gan­dol­fo zur Som­mer­re­si­denz. Auf dem Schreib­tisch des neu­en Pap­stes sta­peln sich die Dos­siers zahl­rei­cher Baustellen. 

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Vor allem aber arbei­tet Leo XIV. an ent­schei­den­den Per­so­nal­fra­gen, die sei­nem Pon­ti­fi­kat Rich­tung und Prä­gung geben wer­den. Der erste US-Ame­ri­ka­ner auf dem Stuhl Petri ist bekannt für sei­ne Gründ­lich­keit – beson­ders bei wich­ti­gen Ernen­nun­gen. Kurie­re mit Unter­la­gen und Per­so­nal­vor­schlä­gen pen­deln pau­sen­los zwi­schen der Vil­la Bar­be­ri­ni und den römi­schen Dienststellen.

In die­ser Vil­la – eigent­lich die Som­mer­re­si­denz des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs – hat sich der Papst ein­quar­tiert, weil sein Vor­gän­ger Fran­zis­kus das Schloß in ein Muse­um umge­wan­delt hat­te. Um es wie­der bewohn­bar zu machen, wären zunächst auf­wen­di­ge Rück­bau­ten not­wen­dig. Leo XIV. war­tet unter­des­sen dar­auf, daß die eben­falls durch Fran­zis­kus not­wen­dig gewor­de­nen Umbau­ar­bei­ten in sei­ner Woh­nung im Apo­sto­li­schen Palast in Rom abge­schlos­sen wer­den, um nach sei­ner Rück­kehr dort­hin über­sie­deln zu kön­nen. Castel Gan­dol­fo bleibt vor­erst auf der War­te­li­ste – mög­li­cher­wei­se für den näch­sten Sommer.

Doch der Auf­ent­halt in der Som­mer­re­si­denz des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs hat nicht nur prak­ti­sche Grün­de, son­dern auch Sym­bol­kraft. Die Abbe­ru­fung von Kar­di­nal Pie­tro Paro­lin gilt wei­ter­hin nicht als sicher, aber nicht unwahr­schein­lich, auch wenn die Dis­kus­si­on dar­über zuletzt lei­ser gewor­den ist. Zugleich ste­hen eine Rei­he ande­rer Schlüs­sel­ent­schei­dun­gen an – dar­un­ter die Ernen­nung des päpst­li­chen Vikars für die Diö­ze­se Rom, ein Amt, das tra­di­tio­nell mit der Kar­di­nals­wür­de ver­bun­den ist.

Leo XIV. als Bischof von Rom – mehr als eine Formel?

Leo XIV., so heißt es, will sein Amt als Bischof von Rom sicht­bar ern­ster neh­men als sein Vor­gän­ger. Zwar beton­te Fran­zis­kus stets die­sen Titel, küm­mer­te sich aber kaum um die kon­kre­te Seel­sor­ge in der Diö­ze­se. Aus dem römi­schen Kle­rus wird nun der drin­gen­de Wunsch laut, den von Fran­zis­kus ein­ge­setz­ten Vize­re­gen­ten, Msgr. Rena­to Taran­tel­li Bac­ca­ri, aus dem Amt zu ent­fer­nen. Taran­tel­li war bereits nach nur sechs Jah­ren im Prie­ster­amt zum Bischof geweiht wor­den – selbst unter Fran­zis­kus eine Blitz­kar­rie­re, die Ver­wun­de­rung aus­lö­ste. Inner­halb des Kle­rus der Ewi­gen Stadt ist der stell­ver­tre­ten­de Gene­ral­vi­kar jedoch höchst unbe­liebt. Leo XIV. wur­de unmiß­ver­ständ­lich klar­ge­macht, daß sei­ne Glaub­wür­dig­keit als Bischof von Rom – zumin­dest in den Augen der römi­schen Prie­ster – „aus­schließ­lich von die­ser Ent­schei­dung“ (Il Fat­to Quo­ti­dia­no) abhänge.

Zugleich wur­de dem Kir­chen­ober­haupt sicher­heits­hal­ber auch gleich ein „Luxus­exil“ für Taran­tel­li vor­ge­schla­gen, um des­sen Abgang weni­ger sanft zu gestal­ten: die Ter­ri­to­ri­al­prä­la­tur Pom­pei mit ihrem berühm­ten Mari­en­hei­lig­tum. Der dor­ti­ge Amts­in­ha­ber, Msgr. Tom­ma­so Capu­to, ein ehe­ma­li­ger Vati­kan­di­plo­mat, wird im Okto­ber das kano­ni­sche Rück­tritts­al­ter von 75 Jah­ren erreichen.

Ein stiller Rücktritt als Signal

Einer, der in die­ser Sache unmit­tel­bar bis zum Papst vor­drin­gen konn­te, ist Msgr. Benoni Amba­rus – ein aus Rumä­ni­en stam­men­der Geist­li­cher, der seit den spä­ten 1990er Jah­ren in Rom lebt. Nach einem Lizen­ti­at in Dog­ma­tik an der Gre­go­ria­na war er in der Prie­ster­aus­bil­dung und spä­ter als Pfar­rer in Rom tätig. Unter Fran­zis­kus wur­de er Direk­tor der Diö­ze­sanca­ri­tas und 2021 zum Weih­bi­schof von Rom ernannt. Inner­halb der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz dien­te er als Sekre­tär der Kom­mis­si­on für Migra­ti­ons­fra­gen. 2024 erhielt er die ita­lie­ni­sche Staats­bür­ger­schaft. Am 18. Juni ernann­te ihn Leo XIV. über­ra­schend zum Erz­bi­schof von Mate­ra-Irsi­na und Bischof von Tri­ca­ri­co – Teil einer lau­fen­den Neu­ord­nung klei­ne­rer Bis­tü­mer in Ita­li­en, die in einem ersten Schritt in Per­so­nal­uni­on zusam­men­ge­führt und in einem zwei­ten Schritt zusam­men­ge­legt wer­den sol­len. Die Amts­ein­füh­rung erfolgt am kom­men­den Sams­tag in Mate­ra und am Sonn­tag in Tricarico.

Hin­ter die­ser offi­zi­el­len Bio­gra­phie ver­birgt sich jedoch ein stil­ler Pro­test. Amba­rus hat­te nach dem Tod von Fran­zis­kus auf sein Amt als Weih­bi­schof ver­zich­tet – aus offe­nem Wider­spruch gegen den Füh­rungs­stil von Msgr. Taran­tel­li, wie er per­sön­lich Leo XIV. erklär­te. Der Papst ver­sprach, sich der Sache anzu­neh­men – und sprach dar­auf mit zwei Kar­di­nä­len: dem ehe­ma­li­gen Kar­di­nal­vi­kar von Rom, Ange­lo De Dona­tis, sowie Enri­co Fero­ci, dem vor­ma­li­gen Direk­tor von der Cari­tas von Rom. Letz­te­rer wur­de von Fran­zis­kus eben­falls in den Kar­di­nals­rang erho­ben. Auch Kar­di­nal Bald­as­sa­re Rei­na, der aktu­el­le Gene­ral­vi­kar, wur­de ange­hört – obwohl oder weil er als enger Ver­trau­ter Taran­tel­lis gilt. Die uner­war­te­te Ernen­nung Amba­rus’ zum Erz­bi­schof von Mate­ra wird als Signal in der Sache verstanden.

Und das Staatssekretariat?

Weit grö­ße­re Bedeu­tung für die Welt­kir­che hat frei­lich die Fra­ge nach der künf­ti­gen Lei­tung des Staats­se­kre­ta­ri­ats – der mäch­tig­sten Behör­de der Römi­schen Kurie. Schon in den Gene­ral­kon­gre­ga­tio­nen vor dem Kon­kla­ve waren Stim­men laut gewor­den, die eine Neu­aus­rich­tung for­der­ten. Kar­di­nal Paro­lin war damals als einer der star­ken Män­ner im Raum selbst anwe­send, zugleich Vor­sit­zen­der im bevor­ste­hen­den Kon­kla­ve und selbst ein Papa­bi­le. Doch sei­ne Posi­ti­on gilt inzwi­schen als angeschlagen.

Im Zen­trum der Debat­te steht im Moment der Posten des Sub­sti­tu­ten, der zuletzt von wech­seln­dem Glück beglei­tet war. Zuerst war es der Sar­de Ange­lo Becciu, der in offe­nen Kon­flikt mit Paro­lin geriet. Die­ser for­der­te von Fran­zis­kus eine Ent­schei­dung: Einer von bei­den müs­se gehen. Becciu wur­de dar­auf­hin zum Prä­fek­ten der Hei­lig­spre­chungs­kon­gre­ga­ti­on weg­be­för­dert – und zum Kar­di­nal erho­ben. Bald dar­auf stürz­te er aller­dings tief: In erster Instanz wur­de er wegen Finanz­skan­da­len um eine Luxus­im­mo­bi­lie in Lon­don zu einer mehr­jäh­ri­gen Haft­stra­fe ver­ur­teilt. Das Beru­fungs­ver­fah­ren beginnt am 22. Sep­tem­ber. Obwohl for­mal dazu berech­tigt, ver­zich­te­te Becciu auf ent­spre­chen­den Druck hin auf die Teil­nah­me am Konklave.

Becci­us Nach­fol­ger als Sub­sti­tut wur­de der Vene­zo­la­ner Msgr. Edgar Peña Par­ra. Dem Vati­kan­di­plo­ma­ten war schon vor sei­ner Ernenung die Zuge­hö­rig­keit zur soge­nann­ten „Laven­del-Frak­ti­on“ vor­aus­ge­eilt. Nun meh­ren sich Stim­men, die Papst Leo XIV. nahe­le­gen, ihn abzu­be­ru­fen – bei gleich­zei­ti­ger Bestä­ti­gung von Kar­di­nal Paro­lin und Erz­bi­schof Paul Gal­lag­her, dem „Außen­mi­ni­ster“ des Hei­li­gen Stuhls. Ob der neue Papst die­sem Rat folgt, der vor allem auf die Bestä­ti­gung Paro­lins abzielt, bleibt abzuwarten.

Petersdom: Traditionsbruch und Reformwille

Nicht zuletzt steht auch die „Fab­bri­ca di San Pie­tro“ – die Dom­bau­hüt­te des Peters­doms – im Zen­trum ver­schie­de­ner Erwar­tun­gen an den neu­en Papst. Hier könn­te das Wort von Pater Mario Bet­te­ro eine wich­ti­ge Rol­le spie­len, einem Mit­bru­der Leos XIV. im Augu­sti­ner­or­den. Bet­te­ro war über vie­le Jah­re Pfar­rer von St. Peter. Der Vati­kan ist für sei­ne Bewoh­ner auch als eige­ne Pfar­rei ver­faßt, und die­se war seit ihrer Errich­tung im 15. Jahr­hun­dert den Augu­sti­ner-Ere­mi­ten anvertraut.

Bet­te­ro wur­de jedoch vom 2021 neu ernann­ten Erz­prie­ster Mau­ro Gam­bet­ti, einem umtrie­bi­gen Mino­ri­ten, abge­setzt. Kar­di­nal Gam­bet­ti ent­zog den Augu­sti­nern die Pfar­rei und über­gab sie Ange­hö­ri­gen sei­nes eige­nen Ordens. Die­ses Vor­ge­hen wur­de als Affront gewer­tet und könn­te zum Bume­rang wer­den, weil nur wenig spä­ter erst­mals ein Augu­sti­ner zum Papst gewählt wur­de. Gam­bet­ti ist nicht nur Erz­prie­ster, son­dern auch Vor­sit­zen­der der Dom­bau­hüt­te, die vie­le Auf­trä­ge ver­ge­ben kann.

Kurz vor Gam­bettis Amts­an­tritt in Rom fiel das umstrit­te­ne Rund­schrei­ben des Staats­se­kre­ta­ri­ats vom 12. März 2021, mit dem die Zele­bra­ti­on im über­lie­fer­ten Ritus im Peters­dom fak­tisch unter­sagt wur­de. Seit­dem darf in der außer­or­dent­li­chen Form des Römi­schen Ritus nur noch zwi­schen 7 und 9 Uhr mor­gens in der Cap­pel­la Cle­men­ti­na in den Vati­ka­ni­schen Grot­ten zele­briert werden.

Im kom­men­den Okto­ber fin­det die inter­na­tio­na­le Wall­fahrt der Tra­di­ti­on Ad Petri Sedem statt. Erst­mals wur­de sie 2012 durch­ge­führt. Die damals gro­ße Hoff­nung, Papst Bene­dikt XVI. könn­te dar­an teil­neh­men, erfüll­te sich nicht. Die Hoff­nung ist groß, daß Papst Leo XIV. den Pil­gern die Fei­er eines fei­er­li­chen Pon­ti­fi­kal­am­tes am Kathe­dra-Altar des Peters­doms wie­der gestat­ten wird – nach­dem unter Fran­zis­kus die Zele­bra­ti­on in den letz­ten zwei Jah­ren unter­sagt wor­den war. Die Erlaub­nis wäre ein erster wich­ti­ges Signal für die Tra­di­ti­on in der Kirche.

The­men­wech­sel: In Rom rech­net man unter­des­sen fest damit, daß unter Leo XIV. die Spen­den­ein­gän­ge für den Unter­halt des Vati­kans wie­der stei­gen wer­den – ins­be­son­de­re aus den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, wo sie unter Fran­zis­kus merk­lich ein­ge­bro­chen waren.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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