
Von Wolfram Schrems*
Im Mai haben wir an dieser Stelle ausführlich über den im Jänner 2025 vorgelegten sogenannten „Rechtsextremismusbericht“ des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) gehandelt. Dieser Bericht war vom Innenministerium (ÖVP) und Justizministerium (Grüne) in Auftrag gegeben worden. Wie ausführlich dargelegt, ist der Bericht aufgrund seiner maßlosen Überdehnung des Rechtsextremismusbegriffs irreführend und manipulativ. Da in dem Bericht neuerdings sogar Aktivitäten des katholischen Glaubens, des Lebensschutzes und des Einsatzes für die Familie als in einem weiteren Sinn rechtsextrem (!) verleumdet werden, muß man eine weiterreichende ideologische Stoßrichtung der Verfasser und der Auftraggeber des Berichts annehmen. Oder anders gesagt: Man hat den Eindruck, daß hier nicht das legitime und notwendige Aufzeigen von real existierendem Extremismus, sondern die schrittweise Kriminalisierung von Bürgerrechtlern, Patrioten und Christen beabsichtigt wird.
Dieser Eindruck verstärkt sich bei der Lektüre des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2024 der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) des österreichischen Innenministeriums, der von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ) und DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner am 26. Mai der Öffentlichkeit präsentiert wurde.
Denn dort wurde eine neue Kategorie des Extremismus eingeführt. Dieser wird als – man höre und staune – „heterodox“ bezeichnet. Mit anderen Worten: Legitime Bürgeranliegen wie der Schutz des ungeborenen Menschenlebens und die Freiwilligkeit von Impfungen werden neuerdings nicht nur als „extremistisch“ verleumdet, sondern als „heterodox“, also gegen die „Orthodoxie“ verstoßend, mithin als Häresie und Ketzerei verurteilt. Das läßt auf die Existenz einer amtlichen „Rechtgläubigkeit“, also einer Art säkularer „Staatsreligion“ schließen. Diese wurde zwar niemals offiziell promulgiert, scheint aber sehr mächtige Vertreter zu haben, die sich als äußerst unduldsam erweisen.
Weil das bereits „Kulturkampf“-Charakter besitzt und schlimmere Entwicklungen vorbereitet, sind einige Beobachtungen und Überlegungen für ein katholisches Leserpublikum am Platz:
Prokrustesbett „Extremismus“
Offenbar beabsichtigten die Verfasser des Verfassungsschutzberichts, regimekritische Bewegungen und Initiativen, derer während der bekanntlich künstlich ausgelösten Corona-Krise viele entstanden sind, möglichst pauschal als „Extremismus“ zu denunzieren. Der „Extremismus“-Begriff wirkt hier als sprichwörtliches Prokrustesbett: Was nicht passend ist, wird passend gemacht. Zu diesem Zweck wird eine neue Kategorie erfunden, nämlich der „heterodoxe Extremismus“.
Der Bericht schreibt dazu:
„Unter ‚Heterodoxem Extremismus‘ wird eine neuartige, eigenständige und stark heterogene Form von Extremismus verstanden, die sich nicht im Sinne einer herkömmlichen politischen Klassifikation unter den Begriffen Links- oder Rechtsextremismus subsumieren lässt. ‚Heterodoxer Extremismus‘ dient als Sammelbegriff zur Bezeichnung von extremistischen Strömungen, Szenen, Milieus, Gruppierungen, Protestbewegungen und Vereinen, deren verbindendes ideologisches Element die fundamentalistische Ablehnung demokratischer/staatlicher Strukturen sowie der Glaube an (antisemitische) Verschwörungsnarrative ist. Demnach können die Klassifikationen der ‚Staatsfeindlichen Verbindungen‘ sowie jene der ‚Corona-Maßnahmen-Gegner‘ unter das Beobachtungsfeld ‚Heterodoxer Extremismus‘ subsumiert werden“ (40, Hervorhebung im Original).
Es fällt auf, daß an dieser Stelle im Bericht mehrere Kategorien praktisch zusammengeworfen werden, auch wenn sie verbal getrennt werden: Es muß also beim Leser der Eindruck entstehen, daß „staatsfeindliche Verbindungen“ auch „Corona-Maßnahmen-Gegner“ wären und umgekehrt, und daß sie alle „(antisemitischen) Verschwörungsnarrativen“ anhängen würden. Wenn irgendetwas als „antisemitisch“ angeschwärzt wird, dann ist das in der medial manipulierten Öffentlichkeit rettungslos diskreditiert.
Ein problematischer Punkt der Analyse ist schon einmal die Formulierung „staatsfeindliche Verbindungen“. Der Widerstand gegen eine Regierung, die Grundrechte aussetzt, Desinformation über die Herkunft des Corona-Virus (von dem man bereits im März 2020 dessen Laborursprung dringend vermutet haben mußte) verbreitet, Kinder sogar beim Sportunterricht unter die gesundheitsschädliche Maske zwingt, Hospiz- und Spitalsinsassen auch im Angesicht des Todes die Besuche der Angehörigen verbietet und allen Ernstes eine Impfpflicht mit einem nicht getesteten, unwirksamen und – wie man im Spätherbst 2021 zur Zeit des Impfpflichtbeschlusses gewußt haben muß – hochgefährlichen und oft tödlichen Wirkstoff ankündigt, ist selbstverständlich nicht „staatsfeindlich“. Selbstverständlich hat sich auch die Regierung an Gesetze und Verfassung zu halten – zumal nach österreichischer Verfassung das Recht vom (österreichischen) Volk ausgehe. Das hätte auch die unsägliche Verfassungsministerin wissen müssen.
Daß das Ministerium hier die Kategorie „staatsfeindliche Verbindungen“ bemüht, muß dem langjährigen politischen Beobachter als Aufbau eines Popanzes erscheinen, als Strohmann, gegen den man dann umso härter zuschlagen kann. Denn was soll „staatsfeindlich“ überhaupt heißen? Mögliche grundsätzliche Antworten wären: Anstreben einer obrigkeitsfreien Anarchie oder eines selbstverwalteten Kommunismus; Ablehnung des Staates Österreich und dessen allfällige Auflösung in eine übergeordnete Struktur, also das, was Paneuropäer, Spinelli-Adepten und EU-Bürokraten wollen; Verwerfung jedes nicht-islamischen Staatssystems und dessen Ersetzung durch ein Scharia-konformes System. Nichts davon war bei den Kundgebungen zu vernehmen.
Das Innenministerium wirft diesen Begriff in diesem Zusammenhang aber ohne weitere Erklärung in den Raum, um ganz offensichtlich eine legitime Protestbewegung gegen Grausamkeiten der Staatsmacht zu delegitimieren.
Weil auch die Blendgranate „fundamentalistisch“ gezündet wird, die bekanntlich mit „Religion“ in Verbindung gebracht wird, fragt man sich, was das jetzt wieder für einen Sinn haben soll: Geht es um den rasend wachsenden Einfluß des Islam oder sind allenfalls „fundamentalistische“ Christen gemeint? Erstere spielten im Protest gegen die Corona-Tyrannei keine Rolle. Sollten letztere gemeint sein, dann wäre das lächerlich und absurd, weil der Christ bekanntlich „dem Kaiser gibt, was des Kaisers ist“ (Mt 22,21). Der Christ ist nicht staatsfeindlich. Er gibt dem Staat allerdings nicht, was Gottes ist. Der menschliche Leib gehört nicht dem Staat. Möglicherweise ist genau dieser Schutzwall der Menschenwürde den politischen Mächten ein Dorn im Auge und sie verlangen die totale Selbstaufgabe. –
Dieser Absatz enthält also fundamentale Verwirrungen und Unklarheiten. Das ist insofern nicht verwunderlich, weil die postchristliche, apostasierte Gesellschaft natürlich auch die Klarheit des scholastischen Denkens verloren hat.
Das wird im folgenden besonders sichtbar:
„Impf- und Abtreibungsgegner“: Ketzerei gegen die Staatsreligion
Im Bericht heißt es weiter:
„Im Zuge der verschiedenen Protestbewegungen gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen kam es zu einer engen personellen Vernetzung diverser Akteurinnen und Akteure aus dem staatsfeindlichen Milieu, der Esoterik, aus Sekten, der Impf- und Abtreibungsgegnerschaft und vielem mehr sowie zu einer Vermischung der inhaltlichen Ausrichtungen derselben. Diese sich daraus ergebende ‚neue‘ Form des Extremismus wird in Österreich unter der Bezeichnung ‚Heterodoxer Extremismus‘ beobachtet.“
Da hier „Impf- und Abtreibungsgegnerschaft“ erwähnt wird, fühle ich mich persönlich angesprochen. Am 6. Jänner 2023 hatte ich die Gelegenheit, im Rahmen einer Kundgebung am Wiener Heldenplatz über die Verrohung des Ärztestandes durch dessen Involvierung in die Abtreibung und die damit verbundene Pharmaindustrie zu sprechen. Ich führte aus, daß die Brutalisierung der heimischen Ärzte in der Impf- und Impfpflichtkampagne (einschließlich der Rede vom „Fesseln“ durch den Ärztekammerpräsidenten, wenn auch nicht im Modus der völligen Zustimmung), auf den jahrzehntelangen Verstoß gegen das Fünfte Gebot und den Hippokratischen Eid durch Vertreter des Ärztestandes zurückzuführen seien. (Der YT-Kanal, auf dem die Rede veröffentlicht wurde, existiert leider nicht mehr, daher ist eine Verlinkung nicht möglich.)
Sollten die Verfasser des Verfassungsschutzberichts diesen Auftritt im Blick gehabt haben, dann werden sie sich fragen lassen müssen, wo hier die „fundamentalistische Ablehnung demokratischer/staatlicher Strukturen sowie der Glaube an (antisemitische) Verschwörungsnarrative“ gegeben sein soll.
Oder bei den anderen Manifestationen der Übergriffigkeit der politischen Macht. Nein, es wurde für legitime und garantierte Grundrechte demonstriert und die offiziellen Narrative in Frage gestellt – völlig zurecht, wie sich herausstellen sollte. Wenn eine Behörde das als „heterodox“, also ketzerisch, verleumdet, hat diese Behörde zumindest ein intellektuelles Problem.
Die Vernunft ist aber ohnehin keine Stärke in diesem Bericht:
(Fortsetzung folgt.)
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. phil., Mag. theol., Katechist, Pro-Lifer, Teilnehmer und Redner auf Kundgebungen von Bewegungen „von unten“.
Bild: Verfassungsschutzbericht (Screenshot)