Zur Lage der Kirche – Frage 1

60 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil – Eine Analyse


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge 1: Hoch­wür­den, wenn wir das Epi­zen­trum der gegen­wär­ti­gen, Jahr­zehn­te andau­ern­den Kri­se aus­ma­chen wol­len: Wo müs­sen wir nachsuchen?

Ant­wort: Nun, man­che mei­nen, es hand­le sich um eine Kri­se, die von einem mora­li­schen Ver­fall aus­geht, ande­re sagen, es sei­en die Ein­flüs­se einer bösen Welt, die vom guten Gott nichts mehr wis­sen wol­le, die „Gott los“-geworden ist und die ihr neu erwor­be­nes gott­lo­ses Den­ken nun auch in dem­sel­ben Maße in die Kir­che ein­ge­bracht hat, in dem die Kir­che die Welt in sich auf­ge­nom­men hat. Bei­des sind aber nur ver­schie­de­ne Aus­drücke einer woan­ders zu orten­den Kri­se und tref­fen die Sache nicht wirk­lich exakt. Sie strei­fen sie eher bloß. Die Fra­ge nach der inner­sten Grund­ur­sa­che der gro­ßen Kri­se ist sicher kom­plex und hat ver­schie­de­ne Ein­flüs­se, die zusam­men­spie­len, und dann, in ihrem Zusam­men­spiel, zu dem füh­ren, was wir täg­lich beob­ach­ten müs­sen. So wären bei­spiels­wei­se die Fra­gen nach der Kri­se im Kle­rus und jener der Kri­se unter den Gläu­bi­gen zunächst getrennt von­ein­an­der zu betrach­ten, weil es hier im Beginn wohl unter­schied­li­che Dyna­mi­ken gab, die sich erst zu einem spä­te­ren Zeit­punkt ver­ein­ten, wobei der erste Schritt ganz sicher im Kle­rus zu suchen ist, der aus dem Ruder gelau­fen ist. Der Groß­teil der Gläu­bi­gen wur­de nach dem Zwei­ten Vati­ca­num vom Kle­rus – der selbst wie­der­um unge­sun­de Direk­ti­ven von den höhe­ren Instan­zen bekam, denen er in blin­dem Gehor­sam unhin­ter­fragt ver­trau­te – ein­fach mit etwas über­rum­pelt, was sie selbst eigent­lich gar nicht woll­ten, und wohl auch ein Groß­teil des Kle­rus nicht wirk­lich woll­te. Man lehn­te die­se Neue­run­gen, die nach dem jüng­sten Kon­zil bei­na­he schon gewalt­sam auf­ok­troy­iert wur­den, zunächst über­wie­gend ab. Erst nach eini­ger Zeit, als das vor­mals Neue dann selbst zum Gewohn­ten gewor­den war, kipp­te die­se Ableh­nung, und nun ver­tei­dig­te man mit Zäh­nen und Klau­en, was zuerst eigent­lich kaum jemand wirk­lich woll­te. Die schäd­li­chen und unge­sun­den Neue­run­gen gin­gen zunächst von einer klei­nen, aber lau­ten und aggres­si­ven Min­der­heit aus, wel­che die geist­li­che Ori­en­tie­rung ver­lo­ren hat­te. Vie­le von denen, die die­se Umwäl­zun­gen damals als ein­fa­che Gläu­bi­ge mit­er­lebt hat­ten, berich­ten ein­hel­lig das­sel­be. Es ist die­se Dyna­mik des Her­den­trie­bes, des „Main­streams“, der vor­sagt, was dann alle nach­zu­sa­gen haben, wenn sie sich nicht, beson­ders als Kle­ri­ker, selbst ins Abseits schie­ßen wol­len. Aber das sind die Umstän­de, nicht die Begrün­dung selbst.

Aber wenn wir einen eini­ger­ma­ßen syn­the­ti­schen und kon­zi­sen Ansatz einer Ant­wort ver­su­chen wol­len, so bewährt es sich, für eine erste, vor­erst noch etwas gro­be Ana­ly­se der Sach­la­ge die ver­schie­de­nen Pro­ble­ma­ti­ken auf einen gemein­sa­men Kern hin abzu­ta­sten, gleich­sam wie man die Radi­en kon­zen­tri­scher Krei­se immer wei­ter ver­klei­nert, um zum gemein­sa­men Ursprung vorzustoßen.

Aus­ge­hend von der offen­sicht­lich­sten aller Kri­sen, der soge­nann­ten „gro­ßen Kir­chen­kri­se“, stel­len wir uns die Fra­ge, was die­ser eigent­lich zugrun­de liegt, und sto­ßen dann sehr schnell auf deren Ursprung, wel­che eine Glau­bens­kri­se ist. Die­se wie­der­um ist eine Kri­se, die einer­seits zwar auf einer katho­li­schen Bil­dungs­kri­se beruht, weil die kate­che­ti­sche Ver­kün­di­gung über wei­te Tei­le man­gel­haft und über eben­so wei­te Tei­le sogar wirk­lich inhalt­lich falsch betrie­ben wird. Das hat unwei­ger­lich Aus­wir­kun­gen auf das rein fak­ten­be­zo­ge­ne Glau­bens­wis­sen, aber auch auf das Kir­chen­ver­ständ­nis, und schließ­lich wirkt dies auf das gesam­te Glau­bens­le­ben. Dies steht im ewi­gen Wech­sel­spiel mit der schwe­ren Lit­ur­gie­kri­se, wel­che zwar selbst teils Aus­druck die­ser Glau­bens­kri­se ist, aber zu einem noch grö­ße­ren Anteil deren Haupt­ur­sa­che: Eine ver­kürz­te und ver­krüp­pel­te Lit­ur­gie ver­än­dert den Glau­ben der Men­schen mit­tel­fri­stig zunächst nega­tiv, wobei die­ser ver­än­der­te Glau­be dann sei­ner­seits wie­der­um auf die Lit­ur­gie rück­wirkt, indem aus die­sen Glau­bens­irr­tü­mern her­aus der Ruf nach einer noch mehr ver­kürz­ten Lit­ur­gie erwächst, die den Glau­ben dann noch mehr her­aus­for­dert und schwächt, und die­ses Spiel wie­der­holt und ver­stärkt sich in einem unauf­hör­li­chen Teu­fels­kreis. Wir sehen es seit Jahr­zehn­ten, und die Spi­ra­le dreht sich immer wei­ter nach unten. Über­all dort, wo man begon­nen hat nach­zu­ge­ben, kam gleich dar­auf die näch­ste Lockerung/​Verfremdung und gleich danach noch eine, und so weiter.

Die­se Lit­ur­gie­kri­se ist es, die zuerst durch­bro­chen wer­den muß, auch gegen alle Wider­stän­de, wenn wir auch aus allen ande­ren Kri­sen her­aus­kom­men wol­len. Die Lit­ur­gie steht nicht am Ende, son­dern am Anfang aller Lösun­gen! Im Zen­trum der Lit­ur­gie­kri­se steht wie­der­um die „eucha­ri­sti­sche Kri­se“: Die­ses Sakra­ment, das ein wah­res und ein­zig­ar­ti­ges Opfer ist, ist das allei­ni­ge Zen­trum aller Lit­ur­gie (denn jede Form von Lit­ur­gie läuft letz­ten Endes auf das Kreu­zes­op­fer hin­aus), und die­ses Zen­trum der Lit­ur­gie ist gemein­sam mit die­ser das Zen­trum der Kir­che. Des­halb ist die Restau­ra­ti­on der Lit­ur­gie an die Stär­kung und Kor­rek­tur des eucha­ri­sti­schen Opfer­glau­bens gebun­den und wird nicht abge­löst von die­ser gesche­hen kön­nen. Es kann nur die Eucha­ri­stie sein, von der alles Heil, und damit auch alle Hei­lung des Ver­wun­de­ten, aus­geht, aus­ge­hen muß, und auch aus­ge­hen wird. Ein­fach schon allein des­halb, weil es gar nicht anders geht.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


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2 Kommentare

  1. Vergelt’s Gott an HH Don Micha­el Gurt­ner für die­se Arti­kel­se­rie. Der Diri­gent Her­bert v. Kara­jan brach­te es mit die­sem Satz auf den Punkt: „Wer die Form ver­än­dert, ver­än­dert auch den Inhalt.…“. Die­ses Prin­zip trifft in höch­stem Maß auf die Ver­än­de­run­gen von nahe­zu 2000 Jah­ren Lit­ur­gie- und Gebets­pra­xis zu.

    Es war nicht schlecht, daß die Kir­che in einem Pasto­ral­kon­zil dring­li­che und wich­ti­ge Fra­gen zeit­ge­nös­si­scher Pasto­ral behan­delt, solan­ge es kla­re und mit der Lehr­tra­di­ti­on stim­mi­ge Aus­sa­gen gege­ben hät­te, die aus einem tie­fen über­na­tür­li­chen Glau­ben und einer ent­spre­chen­den Sen­dung= Mis­si­on kom­men. Das Gegen­teil war der Fall.

    Noch schlim­mer aber war, daß die Kir­che mit dem „neu­en V2-Den­ken“ eine voll­kom­me­ne Pro­fa­ni­sie­rung durch­mach­te. Es ging nicht mehr um eine höhe­re, ewi­ge Sen­dung der Kir­che. Man woll­te sich wie ein NGO-Ver­ein der Welt in plum­per, ja gera­de­zu pri­mi­ti­ver Wei­se anpas­sen, wodurch man ja schon äusser­lich erfahr­bar die Sen­dung ver­liert. Wel­che über­na­tür­li­che Sen­dung hat ein Prie­ster, der dem Altar Got­tes (Hoch­al­tar) den Rücken zudreht und ein häß­li­ches Meß­ge­wand im Stil eines Kari­bik-Dusch­vor­hangs einem wei­he­vol­len Meß­ge­wand an einem „Mahl­tisch“ mit Blick in die Gemein­de aus Holz vorzieht?

    Wenn uns der Hei­land klar sag­te: „Mein Reich ist nicht von die­ser Welt…“, so darf man aus der über­na­tür­li­chen Sen­dung der Kir­che kei­ne pro­fa­ne NGO-Mis­si­on machen. Dar­in liegt schon der Denkfehler. 

    Natür­lich ist die­se Pro­fa­ni­sie­rung der Kir­che (Zer­stö­rung des Altars) ein Teil der Logen-Agen­da, die zuerst ein­mal die Mon­ar­chien besei­tig­te. Die Zer­stö­rung des Thro­nes und der Kro­ne, die ja durch sakra­men­ta­le Sal­bung dem Mon­ar­chen in sei­ner über­na­tür­li­chen Sen­dung in der Welt auf­ge­setzt wird, war ja auch dahin­ge­hend not­wen­dig, als der christ­lich gesalb­te Mon­arch der erste Ver­tei­di­ger und Schüt­zer der Kir­che war (defen­sor fidei), wie natür­lich im letz­ten Urgrund sei­ner Sen­dung und sei­ner Ent­schei­dun­gen sich an Gott im Glau­ben wand­te. Natür­lich war ein katho­li­scher Mon­arch auch ein feh­len­der Mensch, aber im letz­ten Urgrund mit Gott ver­bun­den und von einer guten, über­na­tür­li­chen reli­giö­sen Sen­dung gelei­tet, mit hohem Rechen­schafts­ge­fühl gegen­über Gott.

    Mit heu­ti­gen Par­tei­po­li­ti­kern ohne über­na­tür­li­che Sen­dung und Glau­bens­ori­en­tie­rung kön­nen die Pro­ble­me in Staat und Welt schon gar nicht gelöst werden.

    Der Pro­fa­ni­sie­rungs­ge­dan­ke ist eine Grund­la­ge im Moder­nis­mus, dem lei­der auch- ver­mut­lich unbe­wusst als Kind sei­ner Zeit- wei­land SH Papst Bene­dikt XVI. Wer das Papst­amt als über­na­tür­lich betrach­tet, der wird- egal wel­che Umstän­de und Grün­de eine natür­li­che Sen­dung been­den wür­den- kei­nes­falls von die­ser über­na­tür­li­chen Sen­dung zurück­tre­ten, son­dern sie im über­na­tür­li­chen Ver­ständ­nis der Hin­ga­be und gött­li­chen Vor­se­hung erfül­len, WIE GOTT ES WILL. Das hat uns der Hl. Papst Johan­nes Paul II. als mystisch-beten­der Papst vor­ge­lebt und damit das Papst­amt in sei­ner Über­na­tür­lich­keit sehr gestärkt, SH Papst Bene­dikt XVI. hat es mit sei­nem völ­lig aus dem modern­sti­schen Den­ken kom­men­den Rück­tritt enorm beschä­digt, einer nun­meh­ri­gen Bedeu­tungs­lo­sig­keit preis­ge­ge­ben, ein „Job“ wie jeder ande­re, wo man in Pen­si­on geht.

  2. Nicht falsch, aber wozu ein sol­ches Buch 2023? Sowas lesen wir doch seit 50 Jah­ren, und gebracht oder geän­dert hat es all die Jahr­zehn­te nichts.

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